<187>

Prinzenerziehung

Angesichts der schlechten Erfolge der durchschnittlichen Erziehung der Prinzen souveräner Häuser habe ich mich oft gefragt, welche Wege einzuschlagen seien zur Heranbildung eines Mannes, der würdig ist, anderen zu gebieten. Der Grund für die schlechte Erziehung, die die Söhne der Könige erhalten, ist jedenfalls in der Politik der Minister und der Selbstsucht der Geistlichen zu suchen. Die finden ihre Rechnung dabei, wenn sie die Prinzen in Furcht und Abhängigkeit aufwachsen lassen. Eifersüchtig auf ihr Ansehen und ihre Macht, möchten die Minister den Herrschern nur die äußere Repräsentation lassen. Sie selbst wollen despotisch regieren, aber ihr Herr soll sich mit der leeren Prärogative begnügen, ihre Befehle in seinem Namen zu erlassen. Um einen Prinzen von klein auf an das Joch zu gewöhnen, das sie ihm zudenken, erziehen sie ihn unter dem Gepränge der Größe und Majestät und schließen ihn von der Gesellschaft unter dem Vorwande ab, daß sein hoher Rang ihm nicht gestatte, sich zum Niveau der Sterblichen herabzulassen. Sie flößen ihm eine so törichte hohe Meinung von seiner erlauchten Geburt ein, daß er sich wie ein göttliches Wesen vorkommt, dessen Wünsche Gesetze sind und das, wie die Götter Epikurs, in ewiger Untätigkeit dahinleben soll. Sie bringen ihm die Meinung bei, daß es seiner unwürdig sei, sich mit Einzelheiten abzugeben. Er brauche nur zu sagen, es werde Licht, und es wird Licht. Seinen Bedienten komme es zu, zu arbeiten, er aber habe in glücklichem Nichtstun die Frucht ihrer Mühen zu genießen. Zu allen diesen Chimären von seiner Herrlichkeit gesellt sich der Zwang der Etikette. Seine Schritte werden mit dem Zirkel des Zeremoniells abgemessen. Seine Äußerungen und Unterhaltungen sind von seinem Gouverneur diktiert. Seine Begrüßungen richten sich sklavisch nach dem Titel derer, die er empfängt. Seine Vergnügungen sind im Etikettenbuch verzeichnet, nebst Tag und Stunde, wo er sie genießen darf. Sein Gouverneur stößt ihm großes Mißtrauen gegen sich selbst ein. Er wagt nicht das kleinste zu unternehmen, ohne um Rat zu fragen und Erlaubnis einzuholen. Schließlich macht diese fortgesetzte Gewohnheit den Zögling verlegen gegenüber der Welt, die er nicht kennt, mißtrauisch gegen seine eigenen Kräfte, scheu, furchtsam. Er wird träge, die Geschäfte langweilen ihn, und statt ein Herr zu werden, wird er ein Sklave.

<188>

Die Geistlichen ihrerseits trachten, ihn abergläubisch und bigott zu machen. Sie suchen ihn zu einem Wesen heranzubilden, das den Gründern der Mönchsorden gleicht. Seine geringfügigsten Handlungen rechnen sie ihm zum Verbrechen an, damit sein geängstigtes Gewissen in steter Furcht vor der ewigen Höllenqual schwebe und sich desto williger von ihnen beherrschen lasse. Sie prägen ihm tiefe Verehrung für das Priestertum ein, heiligen Abscheu gegen jede andere Religion als die seiner geistlichen Erzieher. Kurz, indem sie ihm geschickt den Teufel an die Wand malen, gelingt es den Priestern, ihn nach ihrem Gutdünken zu beherrschen.

Zu den ehrgeizigen und selbstsüchtigen Plänen der Minister und Geistlichen treten die guten Absichten seiner Eltern, die ihn vollends verderben. Sie wollen ihren Sohn zum Musterbild machen. Die guten Leute begreifen nicht, daß er ein Trottel wäre, wenn er keine Leidenschaften hätte. Trotzdem wünschen sie sehnlichst, daß er leidenschaftslos sei. Sie wollen ihn zum Gelehrten erziehen und pfropfen ihm wahllos Gelehrsamkeit in den Kopf. Damit verleiden sie ihm die Wissenschaften für immer oder machen ihn zum vollständigen Pedanten. Um seine Sitten zu bessern, unterdrücken sie tyrannisch seine kleinsten Wünsche. Sie verlangen, daß er mit fünfzehn Jahren die Geistesbildung und die Reife des Urteils besitze, die die Franzosen nicht vor dem vierzigsten Jahre erlangen. Ja, er soll sich sogar in dem Augenblick verlieben, wo sein Vater es wünscht, in die Person, die er ausgewählt hat, und gegen die übrigen Frauen so kühl bleiben wie Priamos gegen die schöne Helena. Die Folge solcher weisen Erziehung ist, daß der Prinz nach dieser Bevormundung ein ganz gewöhnlicher Mensch wird und nach seines Vaters Tode als Herrscher unter der Last der Regierung erliegt.

Dergleichen habe ich während meines Lebens oft gesehen. Ja, mit Ausnahme der Königin von Ungarn und des Königs von Sardinien188-1 deren Geist über ihre schlechte Erziehung triumphiert hat, sind alle Fürsten Europas nur erlauchte Trottel.

Prüfen wir nun, auf welche Weise man einen Staatsmann heranbilden muß, der alle Pflichten der Regierung zu erfüllen vermag. Ich nehme an, daß es sich um einen Knaben handelt, der gute geistige Anlagen besitzt und kein unausrottbares Lasier auf die Welt gebracht hat. Ihm muß ein Gouverneur mit festem und mUdem Charakter ausgesucht werden, der den vorgeschriebenen Erziehungsplan genau befolgt. Die gleiche Aufmerksamkeit ist der Wahl der Bedienten zu widmen, die zu seinem persönlichen Dienste bestimmt sind, damit er in seiner Jugend nur die Eindrücke in sich aufnimmt, die er empfangen soll. Vom sechsten bis zum zwölften Jahre muß er lesen, schreiben, rechnen lernen, einen kurzen Überblick über die alte Geschichte bekommen, Geographie und die moderne Geschichte von Karl V. bis auf unsere Tage gut kennen lernen. Der Unterricht in Geographie und Geschichte darf nicht trocken und geisttötend sein. Indem man das Gedächtnis eines Kindes anfüllt, muß man<189> gleichzeitig zu seinem Verstande sprechen. Eine pedantische Lehrmethode läßt nur Tat-fachen in seinem Gedächtnis zurück. Beim geographischen Unterricht kann er gleich, zeitig über die Interessen der Fürsien belehrt werden, über die Verschiedenheit der Regierungsformen, über die Hauptzweige des Handels, den jedes Volk treibt, über seine Erzeugnisse. Auch eine Beschreibung der Hauptstädte kann gegeben werden. Beim Geschichtsunterricht kann man ihm edlen Wetteifer einflößen, es großen Männern gleichzutun, und Abscheu gegen das Andenken der Fürsien, die in Trägheit versunken sind oder sich mit Verbrechen besteckt haben. Sind solche Betrachtungen kurz und dem kindlichen Verständnis angepaßt, so schlagen sie tiefe Wurzeln und zeitigen Früchte.

Da das Heerwesen die Grundlage Preußens bildet, so muß unumgänglich die Liebe zum Waffenberuf in dem Knaben erweckt werden. Auf sehr verschiedene Weise ist dies zu erreichen. Man muß es ihm in Gestalt von Spiel und Vergnügen beibringen und vom Militär nur mit jener heUigen Ehrfurcht sprechen, mit der die Priester von ihrer geheimnisvollen Offenbarung reden. Er soll nur mit seinen Lehrern und mit Offizieren verkehren und bisweilen Dienst tun. Dann ersetzt die Gewohnheit die natürliche Neigung, falls er nicht das lebendige Verlangen, den Drang spürt, der die vom Genius Erfüllten zur Ergreifung des Berufes treibt, für den die Natur ihnen ein ausgesprochenes Talent geschenkt hat.

Nichts ist wahrer als das italienische Sprichwort: die Fehler der Väter sind für die Kinder verloren. Jeder, der zur Welt kommt, scheint seinen kleinen Tribut an Torheiten bezahlen zu müssen. Daher ist es besser, der Knabe zahlt seinen Tribut und wird dafür bestraft, bevor er den Thron besteigt, als daß er auf Torheiten verfiele, während er seinem Volke das Beispiel der Weisheit geben soll. Deshalb wünschte ich, daß man dem Knaben die Freiheit ließe, alles zu tun, was er will, daß sein Gouverneur ihm nicht überall nachfolgte, aber seine Streiche tadelte oder streng bestrafte. Dann würde er Selbstbeherrschung lernen und aus Furcht vor den ihm drohenden Demütigungen auf eigene Kosten klug werden. Neigt er zum Jähzorn, so ist durch häufige Bestrafung dahin zu wirken, daß er Herr seiner ersten oder wenigstens seiner zweiten Wallung wird. Neigt er zu Verschwendung, so ist das ins Lächerliche zu ziehen und er ist mit Vernunftgründen zur Sparsamkeit anzuleiten. Liebt er Jagd, Musik, Tanz, Spiel usw., so möchte ich ihm diese Leidenschaften, einerlei, um welche es sich handelt, nicht verwehren, sondern ihn so viel davon kosten lassen, daß er sie selbst satt bekommt. Dann behält er das Vergnügen daran, und nur die Leidenschaft vergeht. Die Hauptsorge seiner Umgebung muß darin bestehen, sein Herz zu bilden. Er sei dankbar für geleistete Dienste, zärtlich gegen seine Freunde, voller Mitleid gegenüber dem menschlichen Elend, erfüllt von seelischem Schwung, von Edelmut, Hochherzigkeit und dem rühmlichen Ehrgeiz, der die edlen Geister treibt, ihresgleichen an Tugend zu überbieten. Vor allem aber wünschte ich, daß er menschenfreundlich, mild, der Gnade zugänglich und tolerant würde. . . .

<190>

Hat der Knabe sein dreizehntes Jahr erreicht, so ist sein Studienkreis zu erweitern, und der Unterricht in Moral, Physik, Metaphysik, in den Elementen der Mathematik und besonders in der Befestigungslehre ist hinzuzufügen. Ich rede nicht von den Lehrern, die er für die Ausbildung des Körpers erhalten muß. Es versieht sich von selbst, daß er tanzen, fechten und reiten lernt. Es wäre gut, ihn die ganze militärische Stufenleiter durchlaufen zu lassen. Dann lernt er durch eigene Erfahrung, was der Dienst von einem jeden verlangt, und kann in vorgerückterem Alter alle in der Jugend erworbenen Detailkenntnisse nützlich verwerten.

Auf diese Weise wird der junge Prinz wie ein Privatmann, ohne Eitelkeit, ohne Prunk erzogen. Da er von klein auf an den Verkehr mit Offizieren gewöhnt ist, die nach seiner Thronbesteigung seine Generale werden, so nimmt er das Gefühl für Ehre und Redlichkeit, das besonders dem Waffenhandwerk eigen ist, durch seinen Umgang in sich auf. Für seine Ausgaben kann ihm eine mäßige Summe angewiesen werden, über die er selbst Buch führt. Er ist anzuhalten, Rechnung zu legen, in geregelten Verhältnissen zu leben und in allem, was er tut, Ordnung zu halten. Die Menschen handeln im kleinen fast immer so, wie sie im großen handeln würden, wenn sie ihre eigenen Herren wären: Trajan war der gleiche als Bürger wie als Kaiser. Vitellius, der Genosse Neros in seinen Ausschweifungen, war auch der lieberlichste Mensch auf dem Thron der Cäsaren. Aus diesen Gründen ist es notwendig, den jungen Prinzen in den Einzelheiten seiner Wirtschaft und seiner Haushaltung, seines Privatlebens und seiner Beschäftigung an den Fleiß und die Tugenden zu gewöhnen, die man von ihm erwartet, wenn er den Staat regieren soll. Die Gewohnheit besitzt Herrschermacht über die Menschen. Sie kann sie ebenso zum Guten wie zum Schlechten führen. Eines der Hauptverdienste richtiger Erziehung besieht darin, die Kinder an ihre Pflichten zu gewöhnen. Damit läßt sich der Mangel natürlicher Talente ersetzen — und was liegt den Völkern im Grunde daran, ob der Herrscher aus Gewohnheit oder aus guter natürlicher Anlage tüchtig regiert, wenn er nur seine Pflichten erfüllt?

Der Prinz muß das Französische beherrschen und sich so ausdrücken, wie man in der guten Gesellschaft spricht. Wünscht man, daß er Sprachen lerne, so ist Lateinisch und Polnisch für ihn wohl am nötigsten. Aber meiner Ansicht nach darf er mit diesem Studium nicht allzusehr ermüdet werden.

Nicht minder gut ist es, wenn er zur Aufmerksamkeit und Höflichkeit erzogen wird, zumal der Mangel an Höflichkeit den Fürsien mehr Feinde macht als der wirkliche Schaden, den sie stiften.

Je mehr der Prinz heranwächst, desto größere Freiheit muß er erhalten, damit er im Umgang mit aller Welt die Menschen kennen lernt und sie über die Staatsbeamten reden und urteilen hört. Nur auf eins ist zu achten: man muß verhindern, daß er viel in schlechter Gesellschaft verkehrt und sich mit anrüchigen Leuten von beflecktem Ruf und allzu liederlichen Sitten einläßt. . . .

<191>

Mit zwanzig Jahren soll der Prinz vollständig aus der Vormundschaft entlassen werden. Es ist dann anzunehmen, daß er mit Strenge erzogen, oft wegen seiner Fehler getadelt und bestraft, wegen seines Stolzes gedemütigt, wegen seiner Indiskretionen bloßgestellt, wegen seiner Spöttereien verspottet, wegen seiner Schroffheiten gestraft, wegen seines mangelnden Fleißes gerügt ist und vor allem, daß seine sämtlichen Fehler gebessert sind. Ist er ins mannbare Alter gekommen, so müssen ihm klare Vorstellungen gegeben werden: von der Form der Regierung, der Verfassung des Landes, von den allgemeinen Interessen des Staates, der Kriegskunst und besonders von den Pflichten eines Heerführers, von der europäischen Politik, der Kunst der Diplomaten, von der Einrichtung der Finanzen, der Manufakturen, des Handels, von der öffentlichen Ordnung und den Gesetzen, die die Grund, lage der Rechtspflege bilden. Alles ist gewonnen, wenn man ihm Geschmack an der Lektüre beibringt. Man lernt nie so gut von Lehrern als durch eigenes Studium, und die Unterhaltung mit den Toten, die man nicht der Selbstsucht beschuldigen kann, macht tieferen Eindruck als die mit unseren Zeitgenossen. An der Lektüre guter Bücher über Politik, Philosophie, Geschichte, Kriegskunst und Literatur kann ein Prinz sich bilden und Kenntnisse erwerben, die für ihn notwendig sind. Besonders aus der Geschichte kann er im voraus erfahren, wie die Nachwelt eines Tages über ihn urteilen wird.

Hat er die niederen Grade der militärischen Stufenleiter durchlaufen, so erhält er ein Regiment, für das er wie ein Berufsoffizier die Verantwortung tragen muß. Alles muß er selber tun und sich um das geringste Detail kümmern. Darauf soll der Prinz mit dem Herrscher alle Provinzen des preußischen Staates bereisen, um alle verschiedenen Landesteile, die Festungen, Truppen, Offiziere, die Finanz- und Justizbeamten und den Adel kennen zu lernen. Sonst regiert er dereinst als Unbekannter über Unbekannte.

Ohne sehr triftige Gründe scheint es mir verkehrt, einen Prinzen zu jung zu vermählen. Zum mindesten muß er die ersten Jugendstreiche hinter sich haben und imstände sein, sich vernünftig zu betragen. Die üblen Folgen verfrühter Heiraten sind diese: Die Fürsten werden sehr schnell ihrer Gemahlinnen überdrüssig. Wenn sie Thronerben haben, erreichen diese das Mannesalter, während der Vater noch jung ist, und werden der langen Thronfolgerschaft oft müde. Wahrlich, es muß alles zu seiner Zeit geschehen! Wenn ein Prinz im Alter von fünft bis sechsundzwanzig Jahren heiratet, ist es weder zu früh noch zu spät. Vermählt man ihn aber, während eben der erste Flaum sein Kinn schmückt, so kann es nur eine schlechte Ehe geben.

Ich möchte nicht dazu raten, den präsumptiven Thronerben ins Ausland reisen zu lassen. Seine Untertanen wünschen, daß er die Sitten und Gebräuche seines Landes annehme und nicht fremde Gewohnheiten. Und in politischer Hinsicht sieht es fest, daß alle Welt danach trachtet, den Erben einer Krone kennen zu lernen. Man würde im Ausland also alles aufbieten, um ihn für sich zu gewinnen und ihm Vor<192>urteile zugunsten dieser oder jener Nation einzuflößen. Schmeichler würden seinen Charakter, ja selbst seine Sitten verderben, womöglich auf Weisung ihrer eigenen Herrscher. Nur allzu früh würde der Charakter des künftigen Herrschers bekannt werden, und die anderen Höfe hätten die Möglichkeit, seine Schwächen auszunutzen, sobald er den Thron besteigt, oder ihm wenigstens allerlei Vorurteile beizubringen, die späterhin dem Staatswohl schaden könnten. Aber die verderblichste Folge seiner Reise wäre die, daß der Prinz Geschmack an Verschwendung gewönne und, sobald er König wird, darauf verfiele, den großen Herrn zu spielen und über seine Verhältnisse zu leben.

Ihr seht, daß die von mir vorgeschlagene Erziehung nicht den Zweck verfolgt, einen Theaterkönig heranzubilden, sondern einen König von Preußen, der sich nach seiner eigenen Einsicht zu richten vermag, der auf eigene Kosten klug und verständig geworden und geistig reif ist, wenn er zum Throne gelangt. Aus diesen Gründen rate ich, ihn wie einen Privatmann zu erziehen, der sich sein Glück selber schmieden muß, und ihn fern von Hoheit und Prunk aufwachsen zu lassen, damit er nicht die dreiste Anmaßung und den unerträglichen Hochmut besitze, den die Söhne der kleinen deutschen Fürsten haben. Aus denselben Gründen verlange ich, daß er an ein arbeitsames, tätiges und einfaches Leben gewöhnt und daß der Same der Tugenden, den die Natur in ihn gelegt hat, in ihm großgezogen werde. Indessen bin ich weit entfernt, zu behaupten, daß ein Prinz bei solcher Erziehung nicht irgendwelche Fehler habe. Er muß nur, wie Heinrich IV. sagte, genug hervorragende Eigenschaften besitzen, um ein kleines Laster zu verdecken. Sind die nicht die vollkommensten Menschen, die am wenigsten Um Vollkommenheiten besitzen?

Ich wage zu behaupten, man wird nur einen mittelmäßigen Prinzen aus dem präsumptiven Thronfolger machen, wenn man den von mir vorgeschlagenen Erziehungsplan nicht befolgt. Will man ihn in der Art von Königssöhnen erziehen, so wird der Prinz nur ein erlauchter Müßiggänger sein, ein Götzenbild, dem die Öffentlichkeit Weihrauch streut. Er wird sich aus Langeweile einem verschwenderischen Leben ergeben, angeekelt die Geschäfte fliehen, weder seine Völker noch die Menschen kennen lernen und sich selber nicht kennen, aber alle Leidenschaften besitzen, außer denen, die den Herrschern anstehen. Solcherart gibt es Viele auf der Welt, die für rechtschaffene Leute und Mitglieder der guten Gesellschaft gelten. Was aber bei einem Privatmann nur ein Fehler ist, wird bei einem König zum Laster.

<193>

Es erschien mir ratsam, diesem politischen Testament eine Abhandlung über die Kriegskunst193-1 anzuschließen, die sich mit der Taktik und den Evolutionen der preußischen Truppen befaßt. Ich habe sie vor vier Jahren verfaßt, aber aus Furcht vor Mißbrauch keinem Menschen in die Hand gegeben. So füge ich sie denn dem heute vollendeten Testament bei, um hier alles zusammenzufassen, was die Regierung Preußens in Krieg und Frieden betrifft.

<194>

188-1 Karl Emanuel III. (vgl. E. 163).

193-1 Die „Generalprinzipien vom Kriege“ (vgl. Bd. V).