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Der Neid ist eins der schädlichsten Laster für die Gesellschaft, bei Fürsten aber hat er noch ganz andere Folgen als bei Bürgersleuten. Ein Staat mit einem Fürsten an der Spitze, der auf seine Untertanen neidisch ist, wird nur zaghafte Bürger hervorbringen, niemals tüchtige Leute, die großer Leistungen fähig wären. Neidische Fürsten ersticken im Keime jene großen Begabungen, die der Himmel für glänzende Leistungen geschaffen zu haben scheint; von daher schreibt sich der Verfall der Reiche und schließlich ihr völliger Sturz. Das oströmische Reich verdankte seinen Untergang ebenso der Eifersucht der Kaiser auf die glücklichen Erfolge ihrer Heerführer, wie der religiösen Engherzigkeit der letzten Fürsten auf jenem Throne; statt die geschickten Feldherren für ihre Verdienste zu belohnen, wurden sie bestraft für ihre Erfolge, und die wenig erfahrenen Truppenführer beschleunigten dann den Niedergang des Staates. Der Fall dieses Reiches war unausbleiblich.

Vaterlandsliebe vor allem soll den Fürsten beseelen, und sein ganzes Sinnen und Trachten soll einzig und allein daraufausgehen, Nützliches und Großes für das Wohl des Staates zu wirken. Diesem Ziel soll er seine Eigenliebe und all seine Leidenschaften zum Opfer bringen, jeden Beistand in Rat und Tat annehmen, alle bedeutenden Persönlichkeiten, die er nur findet, heranziehen, mit einem Wort, alles sich zunutze machen, was irgend sein schönes Werk, die Arbeit am Wohlergehen seiner Untertanen, zu fördern verspricht.

Die Mächte, die gemischter Truppen oder der HUfsvölker entraten können, tun wohl daran, sie aus ihren Heeren auszuschließen; da aber nur wenige der europäischen Fürsten in dieser günstigen Lage sind, so meine ich, dürfen sie's wohl unbedenklich mit Hilfstruppen wagen, solange die einheimischen an Zahl ihnen überlegen sind.

Machiavell schrieb nur für Neine Fürsien. Sein Wert ist nur eine Sammlung von Stegreifeinfällen über den Staat; fast kein Satz, wo der Verfasser nicht die Erfahrung gegen sich hätte. Ich könnte eine Unmenge von Beispielen nennen für glück, liche Erfolge von Heeren, die aus Hilfstruppen bestanden, und für treffliche Dienste, die sie Fürsten geleistet haben. Mit solchen Hilfstruppen wurden die Kriege in Bra-bant, am Rhein und in Italien geführt, schlug der Kaiser im Bunde mit dem Reiche, mit England und Holland die Franzosen, verjagte sie aus Deutschland und Italien und setzte sie in Flandern matt1. Ebenso waren es gemischte Truppen, Truppen dreier Kriegsherren, zusammengebracht durch ein Bündnis, denen der Feldzug der drei nordischen Könige2 wider Karl XII. anvertraut war, und es gelang ihnen doch, jenem einen Teil seiner deutschen Gebiete zu entreißen. Im Kriege vom Jahre 1734, den Frankreich unter dem Verwande der Verteidigung der Rechte jenes immer wieder gewählten und immer wieder entthronten Königs von Polen3 begann, gelang einer gemischten Streitmacht von Franzosen und Savoyarden die Einnahme von Mailand sowie des größten Teils der Lombardei.


1 Im Spanischen Erbfolgelrieg.

2 Die Könige von Dänemark, Preußen und Zar Peter der Große.

3 Stanislaus Leszczynski (vgl. S. 14).