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Viktor Amadeus1, der doch an Macht den Neinen Fürsten der eben besprochenen Art immer noch unendlich überlegen war, machte mit seinen Festungen in allen Kriegen Italiens sehr traurige Erfahrungen. Turin selber mußte sich's gefallen lassen, in schnellem Wechsel bald französisch, bald kaiserlich zu heißen.

Der Vorteil der offenen Städte ist der, daß in Kriegszeiten kein Mensch sich um sie kümmert, daß man sie für wertlos betrachtet und so ihren Besitzer ungeschoren läßt.

Das Bild Machiavells von der Bedeutung der deutschen Reichsstädte paßt garnicht mehr auf die Gegenwart. Mit einem Kanonenschuß oder auch nur einer einzigen Aufforderung wäre der Kaiser Herr einer solchen Stadt. Sie sind alle schlecht befestigt, meist mit alten Mauern unter der Deckung dicker Türme hier und da, umzogen von Gräben, die fast ganz von nachgestürztem Erdreich ausgefüllt sind. Ihre Besatzung ist gering, und die wenige, die sie sich leisten, ohne Kriegszucht; ihre Offiziere sind entweder der Auswurf von Deutschland oder alte Leute, die nicht mehr dienstfähig sind. Einige dieser Reichsstädte besitzen eine leidliche Artillerie, doch gegen den Kaiser würden sie nicht aufkommen, der es liebt, sie recht oft ihre Ohnmacht fühlen zu lassen.

Mit einem Worte: Krieg führen, Schlachten schlagen, Festungen berennen oder verteidigen ist einzig und allein Sache großer Fürsten; wer ohne die dazu nötigen Mittel ihnen das nachmachen will, setzt sich der Lächerlichkeit aus wie Domitian2, der den Lärm des Donners nachahmte und das römische Volk glauben machen wollte, er sei Jupiter.


1 Viktor Amadeus II., König von Sardinien (1666—1732).

2 Vielmehr Salmoneus, König von Elis.