<252>nahmen weiser und weitblickender Regierungen fragwürdig zu machen? Muß man in unserem Jahrhundert noch beweisen, daß ein Reich ohne die Verteidigung durch tapfere Soldaten dem ersten besten, der zugreift, zur Beute würde?

Ja, mein sogenannter Herr Philosoph, Frankreich unterhält große Heere. Darum hat es auch die Zeiten der Unruhe und der Verwirrung hinter sich, in denen es von Bürgerkriegen zerrissen wurde, verhängnisvoller und grausamer, als es durch auswärtige Kriege geschehen könnte. Es scheint. Sie trauern der Zeit nach, da mächtige Vasallen im Bund miteinander dem Herrscher, der ihnen keine ausreichenden Streitkräfte entgegenzustellen hatte, Widerstand leisten tonnten. Nein, Sie sind nicht der Verfasser der Abhandlung „Über die Vorurteile“. Dies Buch kann nur von einem wiedererstandenen Parteiführer der Liga1 geschrieben sein, der noch den Geist der Parteiung und Verwirrung atmet und das Volk zur Rebellion gegen die rechtmäßige Autorität des Herrschers aufstacheln will.

Aber was hätten Sie wohl gesagt, wenn es sich im Verlauf des letzten Krieges begeben hätte, daß die Engländer bis zu den Toren von Paris vorgedrungen wären? Wie ungestüm wären Sie da nicht über die Regierung hergefallen, die so übel für die Sicherheit des Landes und der Hauptstadt vorgesorgl hätte! Und Sie hätten recht gehabt. Warum also, Mann der Inkonsequenz, von deinen Träumen Berauschter, suchst du die wahren Säulen des Staates, das ehrenwerte Militär, in den Augen eines Volkes, das ihm höchsten Dank schuldet, zu beschimpfen und zu erniedrigen? Wie! Die kühnen Verteidiger, die ihr Leben hingeben, die Opfer des Vaterlandes, die beneidest du um die Ehren und Auszeichnungen, deren sie so ganz mit Recht genießen! Mit ihrem Blut haben sie die Vorteile bezahlt, mit dem Einsatz ihrer Ruhe, ihrer Gesundheit, ihres Lebens sie erworben. Nichtswürdiger Sterblicher, der das Verdienst in den Staub ziehen will, den gebührenden und den mitschreitenden Ruhm ihm entziehen, die schuldigen Dankesgefühle des Volkes ersticken möchte!

Man denke indessen nicht, die Soldaten seien die einzigen, die sich über unseren Verfasser zu beklagen haben. Kein Stand im Königreich ist vor seinen Ausfällen sicher. Er lehrt uns auch, daß in Frankreich die Richterstellen käuflich sind. Das weiß man längst. Um den Ursprung dieses schlechten Brauches kennen zu lernen, muß man, wenn ich nicht irre, bis auf die Zeit zurückgreifen, da König Johann von den Engländern gefangengehalten wurde2, oder — um noch sicherer zu gehen — auf die Gefangenschaft Franz' I.3 Frankreich hatte die Ehrenpflicht, seinen König aus den Händen Karls V. zu befreien, der ihm die Freiheit nur unter bestimmten Bedingungen wiedergeben wollte. Der Schatz war erschöpft. Da man nun eine so erhebliche Summe, wie sie als Lösegeld für den König gefordert wurde, nicht auftreiben konnte,


1 Der heiligen Liga, die sich 1585 gegen König Heinrich III. bildete (vgl. S. 24).

2 König Johann II., der Gute, von Frankreich wurde 1356 von den Engländern bei Maupertuis besiegt und gefangen: er blieb vier Jahr lang in englischer Haft.

3 Nach der Schlacht bei Pavia (1525).