<166> Staates (wenn ich mich so ausdrücken darf) achten, sie dem Geschlecht verweichlichter und schwachherziger Menschen vorziehen, die nur zur Dekoration eines Antichambres gut sind: das heißt, nicht allzu hohe Gunstbeweise erteilen noch launenhaft handeln, sondern dem Verdienst seine Krone geben, heißt ein schwaches Rauchopfer auf dem Altar der Offiziere darbringen, die jeden Augenblick bereit sind, ihr Blut für das Vaterland zu vergießen.

Ich habe selbst Krieg geführt und gesehen, daß Obersten biswellen über das Schicksal des Staates entschieden haben. Man kann nicht Krieg führen, ohne daß es zu entscheidenden Schlägen käme, die das Geschick der Reiche bestimmen. Der Gewinn oder Verlust einer Schlacht verleiht dem Sieger ftöhlichen Mut und schmettert den Besiegten zu Boden. Durch die Schlacht bei Ramillies (1706) verlor Frankreich ganz Flandern. Durch die Schlacht bei Höchstädt (1704) verlor der Kurfürst von Bayern sein Kurfürstentum und ganz Schwaben1. Die Schlacht bei Turin (1706) verjagte die Franzosen aus der Lombardei, und die Schlacht bei Villa-Viciosa (1710) setzte Philipp V. auf den spanischen Thron und zwang Karl VI. zum Verzicht auf Spanien. Daher sagte Heinrich l V.: eine Schlacht hat einen langen Schwanz. An solchen wichtigen und entscheidenden Tagen lernt man den Wert guter Offiziere schätzen. Da lernt man sie lieben, wenn man sieht, mit welch hochherziger Todesverachtung, mit welch unerschütterlicher Ausdauer sie den Feind zur Flucht zwingen und den Sieg und das Schlachtfeld behaupten. Es genügt aber nicht, ihnen in dem Augenblick Achtung zu zollen, wo man ihrer bedarf und wo ihre Taten Euch Beifall abringen. Auch in Friedenszeiten müssen sie das Ansehen genießen, das sie sich mit so großem Recht erworben haben. Ehren und Auszeichnungen gebühren denen, die ihr Blut für die Ehre und Erhaltung des Staates vergossen haben.

Alle Welt blickt in den Monarchieen auf den Herrscher. Die Öffentlichkeit schließt sich seinen Neigungen an und scheint bereit, jeder Anregung, die er gibt, zu folgen. Daher kam es, daß die römischen Prälaten unter Leo X. üppig und prachtliebend, unter Sixtus V. verschlagen und weltklug waren, daß England unter Cromwell zur Grausamkeit neigte und sich unter Karl II. einem galanten Leben ergab, daß unter dem anfeuernden Beispiel der Prinzen von Oranien die Niederlande, obwohl eine Republik, zur kriegerischen Nation wurden, daß das römische Reich, unter Titus und den Antoninen noch heidnisch, sich unter Konstantin, der als der erste den neuen Kult annahm, zum Christentum bekehrte. In Preußen muß der Herrscher das tun, was für das Staatswohl am ersprießlichsten ist; daher muß er sich an die Spitze des Heeres stellen. Auf diese Weise gibt er dem Waffenberuf Ansehen und erhält unsere vortreffliche Mannszucht und die bei den Truppen eingeführte Ordnung. Ich sage ausdrücklich: er erhält diese Ordnung; denn besitzt er keine Sachkenntnis, wie will er da über Ordnung und Mannszucht bei den verschiedenen Regimentern und


1 Vgl. S. 106.