<109> sind geschmeidig, gefällig, geschickt und verschlagen. Ihre Eigenliebe geht Hand in Hand mit ihrer Pflicht, und so dienen sie ihrem Herrn mit ganzer Hingebung.

Vor den Bestechungsversuchen und Kunstgriffen dieser Spione sollen Fürsten ja auf der Hut sein. Unbedingt muß die Regierung auf jeden ihrer Schritte ein Auge haben und über sie unterrichtet sein, um jede ihrer Maßregeln vorweg erraten und ihren gefährlichen Folgen zuvorkommen zu können, auch jedes Geheimnis vor den Augen dieser Luchse hüten, dessen Offenbarung die Klugheit verbietet. Ins Unberechenbare aber wächst ihre immer vorhandene Gefährlichkeit mit der wachsenden Wichtigkeit ihres Auftrags, alsdann können die Fürsten gar nicht streng genug das Verhalten ihrer eigenen Staatsdiener im Auge behalten, ob nicht etwa bereits ein Danae-Regen ihre Tugendsirenge gebrochen hat.

In Zeiten ernster Entscheidungen, wo es sich um Verträge und Bündnisse handelt, muß eines Herrschers Klugheit ganz besonders auf der Hut sein. Da soll er die Vertragspflichten, die er auf sich nehmen will, nach ihrer Tragweite in jeder Richtung prüfend zergliedern, ob ihre Erfüllung nicht etwa das Maß seiner Kräfte übersteige; da soll er sich die Verträge, die man ihm unterbreitet, ja nach allen Seiten genau auf ihre möglichen Folgen ansehen, ob hier auch eine Grundlage gefunden ist für seiner Völker Wohlergehen, ihren tatsächlichen Nutzen, oder ob sich's hier nur um einen Notbehelf des Augenblicks handelt, ein Machwerk der berechnenden List fremder Herrscher. Zu allen diesen Vorsichtsmaßregeln gehört aber auch eine gewissenhafte Prüfung aller Ausdrücke; da muß der Wortklauber von Grammatiker den Vortritt haben vor dem gewiegten Staatsmanne, damit Geist und Wortlaut des Vertrages leine falsche Auslegung erfährt. Soviel ist gewiß, auch Große haben noch nie die Zeit bedauert, die sie an ein Wägen vorm Wagen gewandt haben, weil sie in der Folge die Verbindlichkeiten, die sie eingegangen waren, nicht zu bereuen brauchten; zum mindesten hat, wer keinen Rat höherer Einsicht unberücksichtigt ließ, sich weniger Vorwürfe zu machen als der, der mit Feuer einen Entschluß faßte, um ihn mit Übereilung auszuführen.

Nicht alle Verhandlungen liegen in den Händen beglaubigter Gesandter; oft schickt man auch Leute ohne amtliche Eigenschaft an einen dritten Ort, um dort in völlig unverdächtiger Weise Vorschläge zu machen. Auf diese Art kamen die Präliminarien zum letzten Frieden zwischen dem Kaiser und Frankreich1 zustande, ohne Vorwissen des Reichs und der Seemächte. Bei einem am Rhein angesessenen Reichsgrafen ward dies Abkommen getroffen.

Viktor Amadeus2, gewandt und gewitzigt wie kein Fürst seiner Zeit, verstand sich ganz unvergleichlich auf die Kunst, seine Absichten in Dunkel zu hüllen. Mehr als einmal täuschte er die Welt mit seinen listigen Anschlägen, unter anderem, als der


1 Der Wiener Präliminarvertrag vom Oktober 1735, der dem Polnischen Erbfolgelrieg ein Ende setzte und durch den Wiener Frieden von 1738 definitiv bestätigt wurde. Die Verhandlungen gingen durch die Hand des Grafen von Neuwied.

2 Viktor Amadeus II. (vgl. S. 43).