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Die Schmähungen gegen die Mächtigen der Erde sind zu Gemeinplätzen geworden. Wie jedes Amt seinen festen öden Kanzleistil besitzt, leidet es unter bestimmten Verleumdungen. Rest man eine Schrift gegen einen Finanzminister, so findet man darin mit Sicherheit, daß er hartherzig, unerbittlich, ein öffentlicher Räuber ist, daß er sich vom Mark der Völker mästet, sie erbarmungslos aussaugt und in seinen Unternehmungen wie ein Blödsinniger verfährt. Ist es ein Kriegsminister, so fallen die Festungen in Trümmer, das Heerwesen wird vernachlässigt, er versagt Ämter willkürlich und verleiht sie nur Günstlingen oder Zudringlichen. Man kann sicher sein, daß ein Staatssekretär seine Arbeit auf seine Beamten abwälzt; sie denken, lenken und arbeiten, während er über die Geschäfte garnicht Bescheid weiß. Er mag tun, was er will, an allem ist etwas zu mäkeln, im Kriege an seinem Ehrgeiz, im Frieden an seiner Schwäche, und für alles, was vorkommt, macht man ihn verantwortlich. Die Herrscher belohnen nie das Verdienst, besonders bei denen nicht, die sich für sehr verdienstvoll halten. Sie gelten oft für geizig, weil sie die Habsucht derer nicht befriedigen, die verschwenden möchten. Ihre Schwächen sind Verbrechen, ihre Fehler—denn wer begeht keine?—sind unerhörte Handlungen. Darauf laufen, von einigen Schattierungen abgesehen, alle die Schmähschriften heraus, die nur ein Echo ebenso alter wie ungerechter Anklagen sind. Doch leider ist es das Los dieser trefflichen Werke, daß sie gelesen werden, solange sie neu sind, um später in ewige Vergessenheit zu sinken.

Dürfte ich den schönen Seelen, die sich derart als Richter ehrbarer Leute aufspielen, einen Rat geben, so wäre es der, der Sache jetzt eine andere Wendung zu geben; denn seit Salomos Tagen ist an Schmähungen und Lobeserhebungen alles gesagt und alles erschöpft. Möchten sie doch versuchen, sich in ihren Schriften selbst zu schildern; möchten sie ihre Verzweiflung über das Wohlergehen der Großen ausdrücken, ihren Haß auf Talente und Verdienste, deren Glanz sie völlig verdunkelt. Möchten sie der Welt eine hohe Vorstellung von ihren Kenntnissen in der Regierungskunst geben. Es gibt noch Wahlreiche; vielleicht machen sie ihr Glück und man glaubt ihnen aufs Wort. Wenigstens würde diese neue Offenherzigkeit ihren Lesern den Verdruß ersparen, andere Roheiten und Frechheiten zu lesen. Wäre das Volk vernünftig, man könnte über die Schmähschriften lachen, welcher Art sie auch wären. Allein diese unwürdigen Machwerke sind ein wirkliches Übel, weil die ungebildete Menge, die eher das Schlechte als das Gute glaubt, begierig schlechte Eindrücke aufnimmt, die sich schwer wieder entwurzeln lassen. Daher kommen dann die Vorurteile, die oft den Monarchen selbst schädlich sind.

Kein Volk hat es mit den Schmähschriften toller getrieben als die Franzosen und Engländer. In diesen Monarchien gibt es keinen bekannten Mann, der nicht vorübergehend mit Kot bespritzt worden ist. Welche Greuel hat man nicht von dem Regenten, dem Herzog von Orleans, veröffentlicht!1 Wie hat man selbst einen Ludwig XIV. herabgezerrt!2


1 Vgl. Bd. VII, S. 32.

2 Vgl. Bd. VII, S. 267.
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