<15>mals nicht mit Schulden überlastet. Zweitens hatte sich Europa seit dem 17. Jahrhundert völlig verändert. Rußland, das heute eine so große Rolle spielt, war damals unbekannt und barbarisch; Preußen und Brandenburg waren ohne Tatkraft; Schweden glänzte und ist jetzt erloschen. Und überhaupt: was für Pläne kann ein Minister entwerfen, wenn die Mittel zu ihrer Ausführung fehlen und die Furcht vor dem Staatsbankrott ihn nötigt, sich auf Intrigen zu beschränken und alle kühnen Unternehmungen zu meiden, die ihn aus seiner Untätigkeit reißen könnten? Diese nicht zu beseitigenden Hindernisse beengten Choiseuls Geist, ohne seine Unruhe zu dämpfen, und da er die großen Hebel der Politik nicht in Bewegung setzen konnte, begnügte er sich mit Umtrieben.

Abgesehen von der Eifersucht, die in Frankreich die Wahl eines Königs von Polen erregte, an der es keinen Anteil hatte, konnte man es in Versailles der Zarin nicht vergeben, daß sie aus der großen Allianz ausgetreten war und einen Separatfrieden mit dem König von Preußen geschlossen hatte. Zur Rache dafür hetzte Choiseul die Polen und Türken gegen sie auf. Zugleich sollten die Schweden in Finnland und Esthland einfallen. Durch diese verschiedenen Mittel hoffte er einen Krieg gegen Rußland zu entzünden, aus dem es sich schwerlich mit Vorteil herausgezogen hätte. Seitdem verbreiteten sich überall französische Agenten. Die einen ermunterten die Polen, ihre Freiheit zu verteidigen; andere eilten nach Konstantinopel, um die Pforte aufzuhetzen, sie solle doch nicht gleichgültig zusehen, wie eine Nachbarmacht in Polen ihren Despotismus aufrichtete. Wieder andere gingen nach Stockholm und intrigierten im Reichstage, um die Verfassung umzustoßen und den König zum Selbstherrscher zu machen, damit er zugunsten der Türken und Polen eine Diversion gegen Rußland unternähme.

Mit soviel Umtrieben noch nicht zufrieden, wollte Choiseul auch den König von Preußen von einer Macht loslösen, die er leicht zu erdrücken hoffte. Zu dem Zweck schlug er einen Handelsvertrag vor, der in Versailles aufgesetzt werden sollte. Guines knüpfte in Berlin die Unterhandlungen an. Der König konnte nicht umhin, Goltz nach Paris zu senden1. Der Handelsvertrag, der nur geringe Vorteile bringen konnte, war an unannehmbare Bedingungen geknüpft, die das Bündnis zwischen Preußen und Rußland direkt verletzten. Der Vertrag kam selbstredend nicht zustande. Ebenso scheiterte Choiseul in Schweden, wo die russische Partei im Reichstage über die französische siegte. Anders aber kam es in Polen und in der Türkei.

Seit dem Monat März 1768 bildete sich in der polnischen Stadt Bar eine Konföderation gegen die Russen; ein Krasinski2 wurde zu ihrem Marschall erwählt. Diese Konföderation zeitigte mehrere andere. Die Rebellen taten den ersten Schritt zum Aufstande, indem sie die neuen Gesetze aufhoben. Weit entfernt aber, es bei dieser ersten Kraftprobe bewenden zu lassen, erstrebten sie Hoffnungstrunken und im


1 Die Gesandtschaften von Goltz (vgl. S. 10) und Guines dauerten von Februar bis Dezember 1769.

2 Michael Krasinski.