<104> preiszugeben. Bei all diesen Schriftstücken mußte man auf unendliche Einzelheiten eingehen, wozu dann noch die weite Entfernung trat; beides verschlang Zeit. Gleichwohl ließ sich der Petersburger Hof von dem widerrechtlichen Vorgehen des Kaisers überzeugen und sah ein, daß der, welcher nur das Oberhaupt des Reiches sein sollte, sich anschickte, sein Tyrann zu werden.

Während derart an allen Höfen Europas verhandelt wurde, ersah man in Wien aus den Denkschriften, die Freiherr von Riedesel1 im Namen Preußens überreichte, daß die Anschauungen des. Berliner Hofes in der bayrischen Erbfolgefrage den eigenen strikt zuwiderliefen. Nun schöpfte man in Wien Verdacht, und da man mit der Möglichkeit eines offenen Bruches rechnete, beschloß man Anfang März, seine Truppen in Böhmen zusammenzuziehen. Die italienischen, ungarischen und flandrischen Regimenter erhielten Befehl, schleunigst nach Böhmen zu rücken.

Sobald eine so ansehnliche Truppenmacht an der Grenze einer Provinz sich versammelt, gebietet das Staatswohl, sich gleichfalls zu rüsten, will man sich von seinem Nachbarn nicht Gesetze vorschreiben lassen. Aus diesem Grunde machte der König seine Truppen mobil, um zwei Armeen von je 80 000 Mann aufzustellen. Die eine unter Prinz Heinrich sollte sich bei Berlin versammeln, um sich rasch mit den Sachsen vereinigen zu können2, falls der Kaiser einen Einfall in Sachsen versuchte. Die andere, die der König selbst führen wollte, hatte ihren Sammelpunkt in Schlesien.

Der König verließ Berlin am 6. April und begab sich über Breslau nach Frankem stein, wo die schlesischen Truppen am selben Tage eintrafen. Es waren 30 000 Mann, die zur Defensive dienen sollten, bis die Truppen aus Preußen, Pommern und der Kurmark heran waren. Zu dem Zweck ward ein verschanztes Lager in der Grafschaft Glatz auf den Höhen von Pischkowitz bezogen. Die Linke wurde von den Geschützen der Festung Glatz flankiert und durch das Flüßchen Steine gedeckt, durch das mit Hilft einer Schleuse eine Überschwemmung hergestellt war.

Während dieser Vorbereitungen traf ein kaiserlicher Kurier mit einem Schreiben für den König ein. Es enthielt allerlei Gemeinplätze über den Wunsch, Frieden zu halten und sich besser zu verständigen. Der König beantwortete es mit aller gebührenden Höflichkeit und stellte dem Kaiser vor, es läge nur an ihm, den Frieden zu erhalten, indem er seine Ansprüche auf Bayern einschränke. Seine Mäßigung werde ihm mehr Ehre machen als die glänzendsten Eroberungen. Bald kehrte der Kurier mit einem zweiten Schreiben zurück, worin der Kaiser seine Ansprüche zu rechtfertigen suchte. Man widerlegte ihn mit Beweisgründen aus dem Lehnsrecht, Familienverträgen und dem Westfälischen Frieden. Schließlich kam noch ein dritter Kurier. Der Kaiser schien zum Nachgeben gewillt und schlug eine Unterhandlung vor, die dem Wiener Gesandten in Berlin, Graf Cobenzl, übertragen werden sollte. Der


1 Freiherr Johann Hermann von Riedesel, der preußische Gesandte in Wien.

2 Durch Vertrag vom 2. April 1778 waren dem König 21 000 Sachsen zur Verfügung gestellt worden.