<124> König sprach sich Gudowitsch gegenüber ganz offen aus1 und bewies ihm leicht, daß zwischen beiden Staaten gar kein wirklicher Anlaß zum Kriege bestehe, daß der gegenwärtige Zwist doch nur eine Folge österreichischer Ränke sei, und daß der Wiener Hof lediglich für seinen eigenen Vorteil arbeite. Nichts sei also leichter als die Wiederherstellung des guten Verhältnisses zwischen beiden Höfen durch einen ehrlichen Frieden. Gleichsam beiläufig fügte er hinzu, er erwarte von der Billigkeit des Kaisers, er werde ihm keine Friedensbedingungen aufzwingen, die mit seiner Herrscherehre unvereinbar wären; denn darauf würde er niemals eingehen. Da sich bei dieser Gelegenheit leicht ergründen ließ, welcher Vorteil für Preußen aus der freundschaftlichen Gesinnung des Zaren entspringen konnte, sagte der König wie zufällig: er sei weit entfernt, über das Vergangene irgendwie zu grollen, und wünsche nichts sehnlicher, als mit dem Kaiser die engsten Beziehungen anzuknüpfen. Dieser Erklärung fügte er einen Brief2 an den Zaren bei, der ungefähr in den gleichen Ausdrücken abgefaßt war, damit dieser dem Bericht von Gudowitsch über die Gesinnungen des Königs desto mehr Glauben schenke. Kaum war Gudowitsch nach Petersburg abgereist, so folgte ihm Goltz als außerordentlicher Gesandter, um den Zaren zu seiner Thronbesteigung zu beglückwünschen, besonders aber, um auf Friedensverhandlungen zu dringen und deren Abschluß womöglich noch vor dem Beginn des neuen Feldzuges zu bewirken3.
Indes war man nicht ohne Besorgnis. Denn worauf konnte man die Hoffnung auf einen günstigen Ablauf der Verhandlungen in Petersburg setzen? Die Höfe von Wien und Versailles hatten der verstorbenen Kaiserin die Provinz Preußen garantiert4. Die Russen waren in ihrem ungestörten Besitz. Ließ sich da annehmen, ein junger, eben auf den Thron gelangter Fürst werde von selbst auf eine durch seine Verbündeten garantierte Eroberung verzichten? Würde ihn nicht sein eigener Vorteil oder der Ruhm, den ein Ländererwerb einer neuen Regierung verleiht, davon zurückhalten? Für wen, warum, aus welchen Gründen sollte er Verzicht leisten? Alle diese schwer zu lösenden Fragen erfüllten die Gemüter mit banger Sorge für die Zukunft.
Der Ausgang der Sache war über Erwarten gut. So schwer ist die Ergründung der unberechenbaren Ursachen und der verschiedenen Triebfedern, die das Handeln der Menschen bestimmen. Peter III. besaß ein großes Herz und edlere, höhere Gesinnung, als man sonst bei Herrschern zu finden pflegt. Er kam nicht nur allen Wünschen des Königs nach, sondern ging noch weit über sie hinaus. Aus eigenem Antrieb berief er Tschernyschew5 mit seinem Korps von der österreichischen Armee ab, verlangte vom
1 Andreas Gudowitsch, Brigadier und Generaladjutant Peters III., traf am 20. Februar 1762 im Hauptquartier zu Breslau ein und hatte am 21. seine erste Audienz bei König Friedrich.
2 D. d. Breslau, 22. Februar 1762.
3 Vgl. im Anhang (Nr. 10) die eigenhändige Instruktion des Königs vom 7. Februar 1762 für den Legationsrat und Obersten Freiherrn Bernhard Wilhelm von der Goltz.
4 Durch Vertrag vom 1. April 1760 hatte der Wiener Hof den Russen die Erwerbung Ostpreußens bei Friedensschluß verheißen (vgl. Bd. III, S. 155).
5 Vgl. S. 101.