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7. Instruktion für Feldmarschall Schwerin189-1

Potsdam, 2. August 1756.



Herr Feldmarschall!

Euch vertraue ich das Kommando über meine Armee in Schlesien an. Die bezüglichen Befehle sind den Euch unterstellten Regimentern soeben ausgefertigt worden. Ihr werdet von hier nach Neiße reisen, unter dem Vorwand, Euer Gouvernement189-2 zu besichtigen, damit Ihr im Kriegsfall an Ort und Stelle seid, um die ersten Anordnungen zur Versammlung der Truppen zu treffen, bis ich selbst hinkomme.

Herr von Klinggräffen, mein Gesandter in Wien, hat Befehl, Euch durch seinen Kurier, der über Neiße reisen wird, die Antwort des Wiener Hofes189-3 zu übermitteln. Aus dieser Antwort werdet Ihr selbst ersehen können, welchen Entschluß ich fassen werde.

Damit im Interesse des Dienstes nichts verabsäumt wird, sollt Ihr wissen, daß an alle Regimenter, die ihre Kantons in Oberschlesien haben, Befehl ergangen ist, nicht nur die doppelten Beurlaubten, sondern auch alle, die sie im nächsten Frühjahr einzustellen hätten, schon jetzt aus ihren Kantons einzuziehen. Diese neuen Rekruten sollen samt und sonders in Breslau abgeliefert werden, wo ich sie auf meine Kosten bis zum nächsten Frühjahr besolden werde. Dann sollen sie zu ihren Regimentern, um sie vollzählig zu machen.

Beifolgend die Verteilung der Garnisonregimenter: Glogau 1. Bataillon Lange, Breslau 2. Bataillon Lange und 4. Bataillon Lattorff, Brieg 3. Bataillon Lattorff, Kosel 1. und 2. Bataillon Lattorff, Neiße 4 Bataillone Blanckensee, Glatz 4 Bataillone Nettelhorst, Schweidnitz 4 Bataillone Mützschefahl.

Der Anfang des Krieges ist für den Feldmarschall sehr schwierig, weil er in der Front das mährische Korps und in der Flanke die Armee in Böhmen hat189-4. Da er nicht überall sein kann, so wird er die Festungen, die in Abwesenheit seiner Armee<190> ungedeckt sind, noch mit Feldtruppen besetzen müssen. Rückt er z.B. nach Schweidnitz, so muß er das Grenadierbataillon Kreytzen nach Kosel und 2 Feldbataillone nach Neiße legen, wo er in diesem Falle General Kleist zurückläßt. Rückt er hingegen nach Hotzenplotz, so muß er die 2 Bataillone nicht nach Neiße, sondern nach Schweidnitz werfen.

Seine Truppen können erst in 6 Tagen marschfertig sein. Da ich meine Operationen nicht vor Ende dieses Monats, d. h. am 25., beginnen kann190-1, soll auch der Feldmarschall seine Truppen nicht früher versammeln. Er soll sich mit Schlabrendorff190-2 bereden, an welcher Stelle die Armee am besten zusammengezogen wird. Ich für mein Teil halte das Lager von Frankenstein für das geeignetste; denn von dort kann er gleich nach Schweidnitz marschieren, und die Armee kann zwischen den Festungswerken lagern, falls die Österreicher in Böhmen Miene machen, in Schlesien einzudringen. Da Niederschlesien als wichtigster Teil der Provinz anzusehen ist, so muß er es in erster Linie decken. In diesem Falle kann er seine Dragoner und einen Teil seiner Husaren nach Glatz schicken, um die Österreicher im Rücken zu beunruhigen. Da aber dieser Zustand nur vorübergehend sein kann und ich die Österreicher durch meine Diversion bald nach einer andern Seite abzulenken gedenke, falls die kaiserliche Armee wirklich aus Böhmen in Schlesien eindringt, so wird der Feldmarschall sie bald los sein und findet auf ihrem Rückzuge vielleicht Gelegenheit, über ihre Nachhut herzufallen und sie für ihre Fehler zu züchtigen. Da sich dies österreichische Heer höchstwahrscheinlich nach Prag wenden wird, so kann der Feldmarschall dann seine Husaren und Dragoner sammeln, in Oberschlesien eindringen und bis Jägerndorf und Troppau vorstoßen.

Solange sich der Krieg in der Gegend von Schweidnitz abspielt, kann der Feldmarschall sich an Major Enbers halten, einen fähigen Offizier, der die Karte des Gebirges aufgenommen hat und alle dortigen Lagerplätze und Zugangsstraßen kennt, ihm auch alles Wissenswerte angeben kann, was er zu seinen Unternehmungen braucht. Wird der Kriegsschauplatz nach Mähren verlegt, so kann der Feldmarschall sich an den Kapitän Giese in Breslau halten. Der kennt Oberschlesien, beide Oderufer, Hotzenplotz und ganz Polen bis nach Krakau und ist zudem ein geweckter Kerl, der die Lagerplätze ganz nach Wunsch des Feldmarschalls aussuchen wird.

Die in Mähren aufgestellten regulären Truppen sind 20 000 Mann stark. Auch ist die Rede von 12 000 Ungarn, die sich an der Jablunka versammeln sollen, um in Schlesien einzufallen. Aus allen diesen Gründen kann der Feldmarschall nicht in Mähren eindringen. Sein Hauptaugenmerk beschränkt sich darauf, die Festungen und das flache Land gegen feindliche Einfälle zu decken. Schickt die österreichische Hauptarmee Verstärkungen an Piccolomini190-3, so werde ich Euch in gleichem Maße Detachements von meiner Armee schicken. Sieht sich der Feldmarschall zur Entsendung<191> eines großen Detachements nach Glatz gezwungen, so wird er es General Fouqué anvertrauen. Schickt er es nach Kosel, dann soll es Hautcharmoy führen. Hat er nur Kommandos für Generalmajors zu vergeben, so soll er von der Infanterie nur Tresckow und Brandes verwenden. Die andern sind zwar brave Leute, aber ohne Erfahrung. Handelt es sich um Kavalleriedetachements, so eignet sich Prinz Schönaich für größere Korps, Wartenberg191-1 für kleinere. Die Generalmajors von der Kavallerie sind zur Führung von Detachements ungeeignet. Schickt er welche ab, muß er es daher so einrichten, daß sie unter Wartenberg stehen.

Da es zu Eurer Hauptaufgabe gehört, das flache Land zu decken, so werdet Ihr ein Auge darauf haben, daß die Ungarn, die von der Jablunka herkommen, nicht über Rosenberg hinausdringen. Namslau muß gedeckt werden. Es hieße zuviel aufs Spiel setzen, ließe man sie weiter vordringen.

Vor den Unternehmungen der Russen dürften wir für dies Jahr sicher sein. Vermutlich werden sie sich nächstes Frühjahr in Marsch setzen. Sobald ich Nachricht davon erhalte, werde ich das Heer des Feldmarschalls um 15 bis 20 Bataillone verstärken. Sollten die Russen dann Schlesien bedrohen, so geschieht das, glaube ich, in der Absicht, sich mit dem Korps Piccolomini zu vereinigen. Zur Verhinderung dieses Vorhabens soll der Feldmarschall alle festen Plätze stark mit Infanterie besetzen und Kommandanten darin zurücklassen. Dann kann er mit seiner Armee ein bis zwei Tagemärsche nach Polen vorrücken, um die Russen vor ihrer Vereinigung zu schlagen, und darauf nach Schlesien zurückkehren, um Piccolomini flugs zu vertreiben, falls er ins Land gedrungen ist.

Ich gebe Euch meine Ideen nur im großen an. Unmöglich kann ich alle etwa eintretenden Möglichkeiten vorhersehen. Die Zukunft ist ungewiß, und die Pläne des Wiener Hofes können sich noch sehr ändern. Da ich Euch aber meine Truppen und die Verteidigung einer Provinz anvertraue, die Ihr mir erobern halfet, so verlasse ich mich ganz auf Eure Treue, Geschicklichkeit und Erfahrung. In allen unvorher gesehenen Fällen werdet Ihr Euren Entschluß fassen, wie Ihr es im Interesse des Dienstes angemessen findet. Ich gebe Euch Vollmacht, zu handeln, wie Ihr es in der gegenwärtigen Lage für gut und richtig haltet. Nur empfehle ich Euch, achtet ganz besonders darauf, daß Ihr die Truppen in den Winterquartieren nicht zerstreut, sondern sie eng zusammenlegt, sodaß Ihr sie versammeln könnt, ehe der Feind heran ist. Über alles, was das Kriegskommissariat191-2, die Versorgung mit Lebensmitteln, den Unterhalt der Armee usw. betrifft, hat Schlabrendorff Instruktionen erhalten. Von ihm könnt Ihr alles Nötige erfahren. Ich nehme nur kurz vorweg, daß ich den Offizieren eine Zulage für die Winterquartiere gebe, und wenn es den Truppen an irgend etwas mangelt, so braucht Ihr mir nur ein Wort zu sagen, und es soll Abhilfe geschaffen werden. Beifolgend das Verzeichnis Eurer Armee, die Chiffren für<192> die Festungskommandanten und die Chiffre, die Ihr in Euren Briefen an mich benutzen sollt. Da wir offene Verbindung behalten und einander ziemlich nahe bleiben werden, so können wir uns oft gegenseitig Nachricht geben. Nun aber bitte ich Gott, mein lieber Feldmarschall, er möge Euch in seine Hut nehmen.

Friderich.

Das einzige, was ich Euch noch dringend anempfehle: trennt nicht die Euch unterstellte Armee und verzettelt die Truppen nicht, haltet sie vielmehr zusammen, zumal die ganze Armee noch ziemlich schwach ist, also nicht zersplittert werden darf.


189-1 Nach Eintreffen der österreichischen Antwort auf die erste Anfrage (vgl. S. 182) am 2. August 1756 erhielt Feldmarschall Schwerin, der seit dem 9. Juli in Potsdam weilte, die „Instruktion“. In der Nacht zum 5. August reiste er nach Schlesien ab.

189-2 Schwerin war Gouverneur der Festung Neiße.

189-3 Auf die zweite Anfrage (vgl. S. 176 f.).

189-4 Vgl. S. 45.

190-1 Vgl. S. 176 Anm. 1.

190-2 Freiherr Ernst Wilhelm von Schlabrendorff, Provinzialminister für Schlesien (1755—1769).

190-3 In Böhmen.

191-1 Vgl. S. 70.

191-2 Die Intendantur.