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11. Kapitel

Einfall der Österreicher in Oberschlesien und in die Grafschaft Glatz. Ihre Vertreibung durch den Fürsten von Anhalt und General Lehwaldt. Unterhandlungen mit Frankreich. Tod Karls VII. Französische Intrigen in Sachsen. Neue Unterhandlungen mit den Franzosen. Unterhandlungen mit den Engländern zur Herbeiführung des Friedens. Schwierigkeiten infolge des Warschauer Vertrags. England verspricht seine guten Dienste. Vorbereitungen für den Feldzug. Abreise des Königs nach Schlesien. Friedensschluß des jungen Kurfürsten von Bayern mit Österreich zu Füssen (1745).

Kaum hatte der König die Armee verlassen191-1, so wollten die Österreicher sich schon den angeblichen Schrecken der Preußen zunutze machen und fielen in Oberschlesien und in die Grafschaft Glatz ein. Marwitz, dessen Korps in der Umgegend von Troppau kantonnierte, zog sich noch vor der Annäherung des Feindes auf Ratibor zurück, wo er starb. Prinz Dietrich von Anhalt führte das Korps über Kosel und Brieg weiter und stieß bei Neiße zur Armee. Lehwaldt, der in der Grafschaft Glatz befehligte, zog sich nach Breslau zurück, noch ehe der Feind heran war. Beide Rückzüge erfolgten ohne jeden Verlust. Da man sie rechtzeitig vornahm, fanden die Österreicher keine Gelegenheit, sie auszunutzen.

Diese Ereignisse nötigten den König, nach Schlesien zurückzukehren (21. Dezember). Dort verabredete er mit dem alten Fürsten von Anhalt191-2 die nötigen Maßregeln, um die Absichten des Prinzen von Lothringen zu durchkreuzen. Der Fürst versammelte ein starkes Korps bei Neiße, ging am 8. Januar 1745 über den Fluß und stracks auf den Feind zu. Seine Truppen zogen sich bei Tagesanbruch zusammen und verbrachten die Nächte dicht beieinander in Kantonnierungsquartieren. Beim Anmarsch der Preußen verließ Traun die Stellung bei Neustadt und kehrte nach Mähren zurück. Auf diesem Marsche mußten die Österreicher fünf Nächte im Schnee kampieren. Viele kamen vor Frost um und viele desertierten. Der Fürst von Anhalt konnte nur einen Teil der Arrieregarde angreifen, von der er einige Gefangene machte. Dann nahm er bei Troppau und Jägerndorf Stellung.

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General Nassau säuberte mit 6 000 Mann Oberschlesien in der Gegend von Ratibor und jenseits der Oder von den dort umherstreifenden Ungarn, und Lehwaldt marschierte mit der gleichen Truppenzahl nach der Grafschaft Glatz, um die Österreicher, die sich dort festsetzen wollten, zu vertreiben. Nassau verjagte die Ungarn ohne Mühe aus Troppau und griff unvermutet Oderberg und Ratibor an, sobald Traun nach Mähren zurückgekehrt war; 3 000 Feinde wurden in Ratibor überrumpelt. Umsonst versuchten die Ungarn sich durchzuschlagen. Nachdem das mißglückt war, wollten sie sich über die Oderbrücke retten. Bei dem Gedränge brach die Brücke. Zugleich drangen die Preußen in die Stadt ein. Was nicht durchs Schwert umkam, ertrank oder wurde gefangen genommen. Ein andres ungarisches Korps unter dem General Karolyi wartete Nassaus Ankunft gar nicht erst ab, sondern zog sich auf Pleß im Fürstentum Teschen zurück.

Zur selben Zeit ging Lehwaldt gegen Wenzel Wallis vor, der auf Habelschwerdt gerückt war. Die Stadt liegt in einem an Mähren grenzenden Tale. Lehwaldt marschierte über Johannesberg in die Grafschaft Glatz und sah sich bald dem Feinde gegenüber, der beim Dorfe Plomnitz eine sehr vorteilhafte Stellung eingenommen hatte. Vor der Front schlängelte sich ein Bach, dessen Ufer an vielen Stellen fast unzugänglich waren. Aber Lehwaldt ließ sich durch nichts abschrecken und griff die Österreicher an (14. Februar). Seine Truppen überwanden alle Hindernisse, setzten über den Bach, erklommen die Höhen und stürmten so kühn und so ungestüm gegen den Feind an, daß er seine Stellung verließ. Zwar versuchten die Österreicher sich in einem Gehölz hinter dem Schlachtfelde wieder zu ordnen, aber die preußischen Grenadiere setzten ihnen mit gefälltem Bajonett nach und trieben sie weiter. Hinter dem Gehölz lag eine kleine Ebene und dahinter ein Buschholz, wo sich der Gegner zum zweiten Male zu sammeln suchte. Aber die Preußen griffen ihn so ungestüm an, daß die Verwirrung vollständig wurde und in allgemeine Flucht ausartete. Lehwaldt hatte nur 400 Husaren bei sich, die man in einem gebirgigen und unwegsamen Lande für ausreichend gehalten hatte: bei stärkerer Reiterei wären ihm wenig Feinde entronnen. Das österreichische Korps entfloh nach Böhmen. Es verlor bei jenem Gefecht 900 Mann. Wallis, sein Führer, betete während des Kampfes in der Kapelle eines Heiligen und flehte wie Moses den Himmel mit erhobenen Armen an, den Österreichern den Sieg zu verleihen. Man meldete ihm: „Ihre Leute sind geschlagen; Sie haben keine Zeit zu verlieren. Retten Sie sich, oder der Feind nimmt Sie gefangen.“ Da saß er auf und gab seinem Pferde die Sporen. Das war sein ganzer Anteil an jenem Gefechte. Die Preußen erbeuteten drei Kanonen und machten hundert Gefangene. An Toten und Verwundeten verloren sie nur dreißig Mann. Sehr betrauert wurde der brave Oberst Gaudy192-1, ein Offizier von Ruf, der dem verstorbenen König bei der Belagerung von Stralsund (1715) einen wichtigen Dienst geleistet hatte, und zwar durch Angabe eines <193>Weges, auf dem die schwedische Verschanzung bei niedrigem Wasserstande von der Seeseite zu umgehen war. Auf diese Weise wurde sie denn auch erobert.

Die zahlreichen Erfolge der Preußen Schlag auf Schlag feuerten ihren Mut an und benahmen den Truppen der Königin alle Lust, den Feldzug noch weiter in die Länge zu ziehen. Ein jeder rückte also in seine Winterquartiere und blieb nun ruhig dort stehen.

Das Glück hatte den Preußen seine Gunst auch noch durch die Geburt eines Prinzen193-1 bewiesen, dem die Prinzessin von Preußen das Leben geschenkt hatte. Dadurch ward die Erbfolge in der regierenden Linie, die sich bisher nur auf die drei Brüder des Königs erstreckte, gesichert.

Der Berliner Hof erwartete die Ankunft des Marschalls Belle-Isle, den Ludwig XV. bei seinen Bundesgenossen herumschickte, um die erforderlichen Maßregeln für die Eröffnung des kommenden Feldzuges zu verabreden. Der Marschall war nach München gegangen, von da nach Kassel. Hier riet man ihm, wenn er nach Berlin reiste, den Weg durch das Hannöversche zu meiden, und empfahl ihm einen weit sichereren Weg über das Eichsfeld nach Halberstadt. Aber der Marschall verließ sich auf seine Stellung als Gesandter und seinen deutschen Fürstentitel193-2. Er schlug den Rat in den Wind und nahm in seiner Verblendung den gewöhnlichen Weg. Kaum in Elbingerode angelangt, wird er von hannöverschen Dragonern gefangen genommen193-3. Er besaß so viel Geistesgegenwart, alle seine Papiere zu vernichten. Im Triumph wird er nach Hannover geführt, wo der geheime Rat jauchzt, einen Marschall von Frankreich, den Vertrauensmann der Frankfurter Union, kurz, einen Mann, der eine so große Rolle in Europa spielte, gefangen zu haben. Er wird nach England gebracht und im Schloß Windsor gefangen gesetzt, wo er einige Monate bleibt. Erst nach der Schlacht bei Fontenoy ward er ausgewechselt. Der König von Frankrelch war durch die Kränkung, die ihm die Hannoveraner durch Gefangennahme seines Gesandten zugefügt hatten, in seinem Stolze tief verletzt. In Versailles sagte man, die Hannoveraner hätten gegen die der kaiserlichen Majestät schuldige Ehrfurcht und gegen das Völkerrecht verstoßen, da sie einen Mann, der eine diplomatische Würde bekleidete, auf freier Landstraße wie einen Räuber verhaftet hätten. In London sagte man: nach erfolgter Kriegserklärung könne jeder französische Offizier, der ohne Paß den Grund und Boden des Königs von England beträte, mit Fug und Recht verhaftet werden. Der Marschall Belle-Isle sei als Offizier und nicht als Gesandter zu betrachten. Diese Würde sei nicht allgemein, sondern besitze nur an dem Hofe Geltung, wo der Minister beglaubigt sei. Der eigentliche Grund zur Demütigung des Marschalls Belle-Isle aber war nur die Rachsucht des Königs von England. Georg betrachtete ihn als den Urheber des Krieges in Deutschland, als den Mann, der<194> ihn gezwungen hatte, Kaiser Karl VII. seine Stimme zu geben, und ihn 1741 zur Neutralität genötigt hatte, als Marschall Maillebois das Kurfürstentum Hannover bedrohte. Belle-Isle galt folglich als geschworener Feind des Hauses Hannover.

Zu der öffentlichen Unbill, die Ludwig XV. erlitt, gesellte sich noch persönlicher Kummer. Die Herzogin von Chateauroux, die aus Metz verwiesen worden war, starb aus Gram darüber. Nachdem der König genesen war, flammte seine erste Glut wieder auf. Die Liebe war von der Religion verdrängt worden: nun rächte sie sich, indem sie die Leidenschaft des Königs für seine Geliebte heftiger denn je auflodern ließ. Während man bereits über die Rückberufung der Herzogin verhandelte, erfuhr der König ihren Tod. Kein Sakrament hat wohl je so viele Gewissensbisse erzeugt als jenes, das Ludwig XV. zu Metz empfangen hatte. Er warf sich den Tod eines zärtlich geliebten Wesens vor. Die Sehnsucht, die er nicht mehr befriedigen konnte, und seine vergebliche Reue erregten sein Gemüt so sehr, daß er sich eine Zeitlang in tiefem Kummer von der Welt zurückzog. War seine Krankheit für seine Alliierten ebenso verhängnisvoll gewesen wie für seine Geliebte, so bereitete sie ihm doch die süßeste Genugtuung, die einem Herrscher zuteil werden kann. Man nannte ihn fortan Ludwig den Vielgeliebten, eine Bezeichnung, die mehr wert ist als der Beiname des Heiligen oder des Großen, den zumeist die Schmeichelei und selten die Wahrheit den Königen beilegt.

Wenn der König von Frankreich Widerwärtigkeiten erfuhr, so war Preußen dagegen wahren Unglücksfällen ausgesetzt. Seit dem unglücklichen Feldzuge in Böhmen war Preußen aus einer Hilfe leistenden Macht zur kriegführenden Partei geworden, und der Kriegsschauplatz war vom Elsaß an die schlesische Grenze verlegt. Die feindliche Gesinnung der Sachsen hatte sich deutlich offenbart. Es war vorauszusehen, daß sie ihrerseits alles aufbieten würden, um den Krieg in das Herz der alten preußischen Staaten hinüberzuspielen. Um allen Feinden Widerstand leisten zu können, waren ungeheure Ausgaben nötig, und der Ruin des platten Landes war fast unvermeidlich. Der Friede erschien als das einzige Mittel, sich aus einer so kritischen Lage zu befreien. Frankreich hatte sich zur nachdrücklichen Unterstützung Preußens verpflichtet. Der König richtete einen pathetischen Mahnbrief an Ludwig XV. Aus der Antwort ging hervor, daß die Interessen seiner Verbündeten den König von Frankreich ebenso kalt ließen, wie die eigenen ihm am Herzen lagen. Dabei war der Krieg in Böhmen nur angefangen worden, um das Elsaß zu retten.

Um die europäische Politik vollends zu verwirren, trat am 20. Januar 1745 der Tod Kaiser Karls VII. ein. Der Kaiser war wohltätig bis zum Übermaß und trieb seine Freigebigkeit so weit, daß er dadurch selbst in Dürftigkeit geriet. Zweimal verlor er seine Staaten, und ohne seinen vorzeitigen Tod hätte er seine Hauptstadt zum dritten Male als Flüchtling verlassen müssen. Sein Hinscheiden führte zur völligen Auflösung der Frankfurter Union. Sie war von den Franzosen schon dadurch verletzt worden, daß sie keinen ihrer Artikel erfüllten. Der Name des Kaisers hatte den Bund<195> der Fürsten, die seine Verteidigung übernommen hatten, legitimiert. Alle ihre Schritte waren den Reichsgesetzen gemäß. Sobald er aber nicht mehr lebte, wurde das Bündnis hinfällig. Die Reichsfürsten hatten kein gemeinsames Ziel mehr und waren nicht mehr durch gleiche Interessen mit Preußen verknüpft. Es war daher leicht vorauszusehen, daß das neue Haus Österreich auch das Unmögliche versuchen würde, um die Kaiserkrone zurückzugewinnen. In Versailles betrachtete man den Tod des Kaisers insgeheim als eine glückliche Lösung des Knotens und sah sich aus aller Verlegenheit befreit. Man war der ansehnlichen Subsidien, die man dem Kaiser gezahlt hatte, überdrüssig und hoffte, mit der Königin von Ungarn einen guten Tausch zu machen, wenn man ihr die Kaiserkrone gegen einen vorteilhaften Frieden überließ. Dem Wiener Hofe kam es bei seinen ehrgeizigen Wünschen vor allem zu statten, daß ein Drittel der Kurfürsten im Solde des Königs von England stand, und daß der Kurfürst von Mainz, der großen Einfluß auf die Beratungen des Wahltages hatte, der Königin von Ungarn treu ergeben war. Wo sollte man zudem einen Nebenbuhler finden, den man gegen den Großherzog von Toskana aufstellen konnte? Der Kurfürst von der Pfalz war zu schwach und der junge Kurfürst von Bayern195-1 noch nicht in dem Alter, das die Goldene Bulle für die Wahlfähigkeit vorschrieb. Mit dem Throne von Polen hielt man den Kaiserthron für unvereinbar, und so fiel der Kurfürst von Sachsen gänzlich aus. Es blieb folglich niemand als der Großherzog von Toskana, der die Heere der Königin von Ungarn, das englische Gold und die Intrigen der Geistlichkeit hinter sich hatte. Der Versailler Hof sah die Schwierigkeit ein, den Großherzog diesmal vom Thron auszuschließen; trotzdem wollte Frankreich ihm Nebenbuhler erwecken, um sich dann seine Nachgiebigkeit besser bezahlen zu lassen. Der Marschall von Sachsen lenkte die Wahl des Versailler Hofes auf August III., König von Polen. D'Argenson195-2 griff den Gedanken eifrig auf. Er hoffte den König von Polen durch seine Kandidatur mit der Königin von Ungarn zu entzweien und glaubte, daß sich der Ausführung dieses Planes keine Macht außer Preußen widersetzen würde. War d'Argenson doch von den Ursachen der Mißstimmung, die zwischen Berlin und Dresden herrschte, genau unterrichtet.

In der Tat hatte der König von Polen nichts unterlassen, um den König von Preußen zu reizen. Seit Beginn des Jahres 1744 hatte August versucht, die Republik Polen zur Teilnahme an seinem Bündnis mit Österreich195-3 zu bewegen, das eigentlich nur eine Erneuerung der Garantie der Pragmatischen Sanktion war. Er stellte dem Reichstag zu Warschau die Notwendigkeit vor, die Kronarmee um 20 000 Mann zu vermehren, um den Absichten eines ehrgeizigen Nachbarn, der die Republik unverzüglich angreifen wollte, entgegenzutreten. Er schloß ein Schutz- und Trutzbündnis<196> mit Rußland196-1, und jedermann sagte sich ins Ohr, es sei gegen Preußen gerichtet. Der König von Polen war durch Schlesien zum polnischen Reichstag gereist und hatte in Warschau und an den andern europäischen Höfen verleumderisch von der Rücksichtslosigkeit der Preußen gegen ihn wie gegen seine Familie gesprochen, obwohl man ihm jede gekrönten Häuptern schuldige Achtung erwiesen hatte. Infolge des Durchmarsches der preußischen Truppen durch Sachsen wurde das Geschrei noch lauter. Man hielt den Sachsen als Gegenbeispiel vor, daß sie 1711 durch Brandenburg marschiert wären, um die Schweden anzugreifen; aber sie fanden diese Beispiele nur gut für sich und schlecht für andre. Man hatte dem König von Polen in seinem eignen Interesse vorgeschlagen, seine Tochter, die Prinzessin Maria Anna, mit dem Sohne des Kaisers zu verheiraten196-2. Der französische und preußische Gesandte machten dem Grafen Brühl sogar sehr beträchtliche Anerbietungen, um ihn auf die Seite des Kaisers zu ziehen. Aber es war alles umsonst. Der Platz war schon besetzt von den Engländern, Österreichern und Russen. Trotz so vieler Züge von Feindseligkeit von sächsischer Seite gestattete der König von Preußen vor dem Ausbruch des Krieges doch sechs Regimentern, die in Polen standen, den Durchmarsch durch Schlesien nach der Lausitz.

Der König von Polen hatte der Königin von Ungarn vertragsmäßig im Kriegsfalle nur 6 000 Mann zu stellen. Sobald aber die Preußen in Böhmen eingerückt waren, stießen 22 000 Sachsen zu den Österreichern, und Sachsen versagte den Preußen die Durchfuhr der Lebensmittel und Kriegsvorräte. Das kam einer förmlichen Kriegserklärung gleich. Der König von Preußen glaubte, die so sehr gegen ihn ergrimmten sächsischen Nachbarn darauf aufmerksam machen zu müssen, welch schlimme Händel sie sich selbst dadurch zuziehen würden. Aber seine, vielleicht zur Unzeit erfolgte Erklärung empörte ihre Eigenliebe und vermehrte noch ihren Haß gegen Preußen. Als das preußische Heer Böhmen verlassen mußte, schrieb Graf Brühl das seiner eignen Gewandtheit zu. Ja, er rühmte sich, die Königin von Ungarn habe Böhmen dank der Tapferkeit der sächsischen Truppen wiedererlangt, welche die Preußen zum Rückzug gezwungen hätten.

Mit solchen Prahlereien nicht zufrieden, suchte Brühl vor allem den König von Preußen mit der Republik Polen zu entzweien. Bekanntlich besteht in Polen ein strenges Gesetz gegen Bestechung von Reichstagsmitgliedern. Durch viele Geschenke bewog Brühl einen Starosten Wilczewski, vor versammeltem Reichstag zu erklären, der preußische Gesandte habe ihn mit einer Summe von 5 000 Dukaten bestochen. Das gestand der Starost mit zerknirschter und treuherziger Miene, die in der Tat hätte irreführen können. Aber er ward streng verhört und durch seine eigenen Aussagen der Lüge überführt. Der Reichstag zu Warschau ward augenblicklich abgebrochen, nachdem er das Bündnis mit Österreich und die Heeresvermehrung abgelehnt hatte.

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Polen wimmelte damals von Mißvergnügten, wie die meisten Republiken. Die Freiheit wird ja nur durch die verschiedenen Parteien aufrechterhalten, die sich gegenseitig die Wage halten. Die mißvergnügten Polen boten dem König von Preußen an, eine Konföderation gegen die Czartoryski und Potocki oder eigentlich gegen August III. zustande zu bringen. Das wäre ein gutes Mittel gewesen, den König von Polen in die Enge zu treiben. Aber der König von Preußen war völlig abgeneigt, das Feuer des Krieges zu schüren. Er wollte es im Gegenteil löschen und besaß Mäßigung genug, jenen Woiwoden zu raten, die Ruhe ihres Vaterlandes nicht zu stören. Ja, er ließ dem König von Polen, der ihn so schwer beleidigt hatte, für seine Durchreise durch Schlesien alle Sicherheiten anbieten. August III. schlug dies Angebot aus, in einer Form, die die an seinem Hofe sonst üblichen guten Manieren sehr vermissen ließ, und trat den Heimweg nach Sachsen durch Mähren an, das er 1742 hatte erobern wollen! In Olmütz hatte er eine Zusammenkunft mit dem Großherzog von Toskana. Von da reiste er über Prag nach Dresden. Brühl und seine Gattin begaben sich nach Wien, wo sie die Früchte ihrer Parteilichkeit einheimsten.

Sobald Brühl nach Dresden zurückgekehrt war, schickte er seinen ersten Sekretär und Vertrauten, namens Saul, an den Wiener Hof, um mit dem österreichischen Minister Bartenstein die Teilung Schlesiens zu vereinbaren. Ein diesbezüglicher geheimer Artikel wurde dem Warschauer Vertrag angefügt197-1. Darin wurden dem König von Polen die Herzogtümer Glogau und Sagan versprochen. Dafür verpflichtete er sich zum Angriff gegen Schlesien, entsagte allen Ansprüchen auf die Kaiserkrone und versprach dem Großherzog von Toskana seine Stimme bei der Kaiserwahl. Außerdem erbot er sich, seine Hilfstruppen auf 30 000 Mann zu bringen. Über das, was die Königin von Ungarn dem König von Polen zusagte, ist man sich nicht einig. Einige behaupten, der Wiener Hof habe sich nur verpflichtet, des Königs Interessen bei einem allgemeinen Friedensschluß zu vertreten und dem Grafen Brühl das Fürstentum Teschen nebst der Würde eines Reichsfürsten zu versprechen. Doch dem sei, wie ihm wolle. Es ist nicht anzunehmen, daß die letztgenannten Bedingungen bei König August den Ausschlag gegeben haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach lag das Schwergewicht des Bündnisses in der Teilung Schlesiens. Diese Wahrscheinlichkeit erhöht sich noch dadurch, daß der damalige französische Gesandte in Polen, Graf Saint-Séverin, sich für den Entdecker jener Abmachung hielt, und daß sie gerüchtweise schon ziemlich allgemein bekannt war.

Alle diese Verträge zwischen dem Wiener und Dresdener Hofe vermehrten den Verdacht der Preußen. Die Zeit zur Eröffnung des Feldzuges rückte heran. Cagnony, der preußische Geschäftsträger zu Dresden, verlangte vom Grafen Brühl Erklärungen, wozu er die in Böhmen stehenden sächsischen Truppen zu gebrauchen gedächte.<198> Kurz, er forderte eine kategorische Antwort, ob die sächsischen Truppen die unter preußischer Herrschaft stehenden Provinzen angreifen wollten oder nicht. Brühl machte Ausflüchte und wähnte, seine in ganz Europa bekannten Absichten verbergen zu können.

Das war das Verhältnis zwischen beiden Höfen, als Frankreich dem König von Preußen den Vorschlag machte, die Kaiserkrone aufs Haupt eines Feindes zu setzen, der ihn so schwer beleidigt hatte. Wäre der König nur seinem Groll gefolgt, so hätte er den Vorschlag weit von sich gewiesen. Er bewies Mäßigung. Die gesunde Politik gebot die Anwendung aller Mittel, um zwei gegen ihn verbündete Feinde zu trennen. Schmeichelte der Kaisertitel dem König von Polen, so mußte er zum Todfeinde der Königin von Ungarn werden. Dann hatte der König von Preußen gewonnenes Spiel. Er brauchte sich nur mit dem Hause Österreich zu vergleichen und brachte dadurch August um den Thron, nach dem er strebte. Aber Frankreichs Projekt ließ sich nicht ausführen, weil die Kaiserkrone mit der Krone Polens auf einem Haupte unvereinbar war. August hätte also vorerst der polnischen Krone entsagen müssen, und das war nach den polnischen Gesetzen unzulässig. Der König von Preußen machte also gar keine Schwierigkeiten. Er ging auf alles ein, was Frankreich von ihm verlangte, und gab sich zur Mitarbeit an jenem chimärischen Plane her. Der Chevalier Courten hatte die Unterhandlungen in Berlin zu führen und war auf mehr Widerstand von seiten des Königs gegen die Erhebung seines Feindes gefaßt. Seine Einwilligung hielt er für einen Beweis von Willfährigkeit gegen den französischen Hof.

Nicht so zufrieden war der König mit dem Plan für den bevorstehenden Feldzug, den der französische Gesandte vorschlug. Trotz seiner honigsüßen Worte merkte man wohl, daß Frankreich gar nicht die Absicht hatte, sich für seine Verbündeten anzustrengen. Es sollten keinerlei Vorkehrungen zur Verpflegung des Heeres in Bayern getroffen und die Eröffnung des Feldzuges möglichst hinausgeschoben werden. Die Deutschen sollten Passau belagern, die Franzosen Ingolstadt, aber niemand dachte daran, was die Österreicher inzwischen unternehmen würden. Das Heer des Marschalls Maillebois hatte sich von der Lahn hinter den Main zurückgezogen. Die Franzosen wollten es dort verstärken und untätig stehen lassen. Die französische Hauptmacht sollte nach Flandern rücken, wo Ludwig XV. einen zweiten Feldzug zu führen gedachte, und die im Versailler Vertrag ausgemachte Diversion nach Hannover wurde vom Versailler Ministerium gänzlich verworfen. Nachdem der König alle möglichen Gründe erschöpft hatte, um den französischen Gesandten umzustimmen, setzte er eine Art Denkschrift auf, die er an Ludwig XV. schickte. Darin waren die militärischen Operationen den politischen Plänen der beiden Höfe angepaßt und die Bewegungen der Truppen mit ihrer gegenwärtigen Stellung, den obwaltenden Umständen und der Möglichkeit der Ausführung in Einklang gebracht. Folgendes war vorgeschlagen: Maillebois' Armee sollte über die Lahn in die Gegend zwischen Fran<199>ken, Westfalen und den Niederrhein rücken, den Kurfürsten von Hannover durch ihre Nähe im Zaume halten und ihn darin hindern, die böhmische Wahlstimme anzuerkennen199-1 und die Wahl des Großherzogs zu begünstigen. Ferner sollte das Heer dazu dienen, die ganze Gegend in Schach zu halten und den Kurfürsten von der Pfalz, den Landgrafen von Hessen sowie alle Alliierten des verstorbenen Kaisers zu beschützen. Reichten auch diese Maßnahmen nicht völlig hin, um den Großherzog vom Kaiserthron auszuschließen, so konnten die Franzosen seine Erwählung auf diese Weise doch hinausschieben, und wer Zeit gewinnt, hat alles gewonnen. Ebenso verlangte der König, das Heer in Bayern sollte genügend verproviantiert werden, einen fähigen Oberkommandierenden erhalten und sich unverzüglich zusammenziehen, sobald die Österreicher sich in ihren Quartieren zu rühren begannen, damit die Preußen und Bayern mit vereinten Kräften gegen ihre gemeinsamen Feinde vorgehen könnten. Ferner erklärte der König seinen Verbündeten, er sei nach den Erfahrungen des Feldzugs von 1744 von weiten Vorstößen abgekommen und werde künftig nur so weit in die Länder der Königin eindringen, wie seine Lebensmittel ihm nachkommen könnten. Da er die Österreicher und Sachsen so dicht auf dem Halse habe und zudem von den Russen bedroht werde, so sei für ihn doppelte Vorsicht geboten. Wenn aber die Franzosen keine geeigneten Maßregeln zur Hintertreibung der Kaiserwahl träfen, so sähe er sich genötigt, mit der Königin von Ungarn Frieden zu schließen.

Hierauf schickten die Franzosen Valory nach Dresden, um den König von Polen zur Bewerbung um den Kaiserthron zu bereden. Allein der Warschauer Vertrag, das Übergewicht der Russen am sächsischen Hofe und die englischen Guineen banden dem König die Hände.

Dieses Vorspiel bestärkte den Berliner Hof in der Meinung, der Großherzog würde zum Kaiser gewählt werden, die Armee der Verbündeten würde in Bayern kein Glück haben, den Franzosen läge nur ihr Feldzug in Flandern am Herzen und ihre Verbündeten täten gut, für sich selbst zu sorgen. Es wäre zu wünschen gewesen, daß man alle diese politischen Händel auf friedlichem Wege hätte schlichten können, um unnützem Blutvergießen vorzubeugen. Aber die Fackel der Zwietracht sprühte neue Funken über ganz Europa, und die Geldmittel der Großmächte waren noch nicht erschöpft.

Die Preußen fingen auf gut Glück eine Unterhandlung in London an, in der Hoffnung, dort mehr Geneigtheit zum Frieden zu finden als früher, und auch wegen einer soeben geschehenen Umwälzung im englischen Ministerium. Seit Lord Carteret den Wormser Vertrag geschlossen hatte, war die Liebe der englischen Nation zu ihm erkaltet. Man warf ihm vor, daß er zu ungestüm und zu hitzig wäre und sich von seiner Lebhaftigkeit zu ständigen Übertreibungen hinreißen ließe. Die all<200>gemeine Unzufriedenheit nötigte den König, den Minister zu entlassen200-1, der allen seinen Wünschen entsprach und alles, was Georg zum Vorteil seines Kurfürstentums tat, geschickt mit dem englischen Nationalinteresse bemäntelte. Der König mußte es sich bieten lassen, daß das Parlament ihm die Verfügung über die Siegel entzog und sie dem Herzog von Newcastle anvertraute. Lord Harrington wurde Premierminister. Das Volk nannte das neue Ministerium die Partei der Pelhams, weil dessen Mitglieder aus dieser Familie stammten. Die neuen Minister entfernten zwar alle Kreaturen Carterets, konnten aber die von ihm geschlossenen Bündnisse nicht brechen und die Richtung, die er der europäischen Politik gegeben hatte, nicht plötzlich verändern. Carteret war falsch und durchtrieben gewesen und hatte nicht einmal den Anstand gewahrt, mit dem selbst die unredlichsten Charaktere ihre Schlechtigkeit verhüllen. Harrington stand im Ruf eines Ehrenmannes. Er war furchtsamer als sein Vorgänger, dafür aber besaß er alle Eigenschaften einer vornehmen Seele.

In Berlin war man für Harringtons Persönlichkeit eingenommen und versuchte daher mit seiner Hilfe die Wege für einen allgemeinen Frieden zu ebnen. Unter anderm schlug man ihm folgendes vor: Don Philipp sollte in Italien ein Fürstentum bekommen; Frankreich sollte von seinen Eroberungen Ypern und Veurne behalten; dafür sollte Spanien den Engländern den Schleichhandel für zwanzig weitere Jahre oder noch länger gestatten. Alle Verbündeten sollten den Großherzog von Toskana als Kaiser anerkennen, und Preußen sollte, den Bestimmungen des Breslauer Friedens gemäß, im Besitz von Schlesien bleiben. Die englischen Minister lehnten jede Unterhandlung über diese Punkte ab, da der König die Fortsetzung des Krieges wünschte und alle Versuche der Pelhams zu seiner Beendigung hintertrieb. Der Grund für seine hartnäckige Weigerung kam endlich im Haag heraus. Der hervorragendste Geist und zugleich der größte Redner Englands, Lord Chesterfield, war damals Gesandter in Holland. Er verhehlte dem preußischen Gesandten bei den Generalstaaten, Graf Podewils, nicht, daß der Warschauer Vertrag die guten Absichten der Pelhams lahmlege, und daß der König von Preußen sich daher nicht durch Verhandlungen hinhalten lassen dürfe, sondern den Absichten seiner Feinde, die seinen Untergang beschlossen hätten, tapfer entgegentreten müsse. Das hinderte indes nicht, daß die häufigen Vorstellungen des preußischen Gesandten in London200-2 dem König von Preußen die volle Zuneigung des neuen Ministeriums gewannen. Ja die Minister ließen ihm versichern, daß sie nur auf eine Gelegenheit warteten, ihm dienlich zu sein.

Lord Chesterfields Rat war der beste, dem man folgen konnte. Die Unterhandlungen wurden fortgesetzt, aber des Königs Hauptaugenmerk war auf die Rüstungen zum nächsten Feldzuge gerichtet. Zum Wichtigsten gehörte die Anlage großer Magazine in Schlesien, zu der beträchtliche Summen verwandt wurden. Mit vielem Eifer<201> wurde an der Komplettierung der Truppen gearbeitet. Die Mannschaften wurden in den Winterquartieren gut verpflegt, die Kavallerie erhielt Ersatz an Pferden und Mannschaften. Über sechs Millionen Taler wurden aus dem Schatze genommen, um diese Ausgaben zu bestreiten. Außerdem schossen die Stände anderthalb Millionen Taler als Darlehen vor. Alle diese Summen wurden aufgewandt, damit der König die Fehler, die er 1744 in Böhmen begangen hatte, im Jahre 1745 wieder gutmachen konnte. Nachdem die letzte Hand an die Rüstungen gelegt war, reiste der König von Berlin nach Schlesien (15. März).

Unterwegs erfuhr er, daß der Kurfürst von Bayern mit der Königin von Ungarn den Vertrag zu Füssen unterzeichnet hatte. Der Friedensschluß war folgendermaßen zustande gekommen. Unmittelbar nach des Kaisers Tode hatte Seckendorff den Oberbefehl über das Heer niedergelegt, aber die Winterquartiere so schlecht verteilt, daß die Truppen völlig verzettelt waren. Das von ihnen besetzte Gebiet war viel zu groß, und die Österreicher waren noch im Besitz der Festungen und des Donaulaufes. Sie sahen ein, wie wichtig es für sie sei, ihre Operationen auf diesem Kriegsschauplatz zu beenden, bevor sie auf einen andern übergingen. Aus der Stellung der Bayern und ihrer Verbündeten schlossen sie, daß sie leichten Kaufs davonkommen würden. Batthyany kam seinen Feinden zuvor. Sie waren zwar dreimal so stark wie er, wollten sich aber vor Ende Mai nicht zusammenziehen. Mit 12 000 Mann — das war sein ganzes Heer — erscheint Batthyany zwischen Braunau und Schärding, überfällt die zerstreuten Quartiere der Verbündeten und nimmt ihnen Pfarrkirchen, Vilshofen und Landshut nebst den geringen Magazinen fort, die die Bayern dort zusammengebracht hatten. Zugleich überschreitet ein andres österreichisches Detachement die Donau bei Deggendorf, schneidet die Hessen von den Bayern ab, wirft sie über den Inn zurück, zwingt sie, das Gewehr zu strecken (29. März), und treibt die fliehenden Bayern bis über München hinaus. Kaum ist der junge Kurfürst zur Regierung gekommen, so muß er auch schon, wie sein Vater und Großvater201-1, seine Hauptstadt verlassen. Er flüchtet nach Augsburg. Ségur hatte mit den Franzosen und Pfälzern, die er befehligte, kein besseres Geschick. Er wurde auf dem Rückzuge bei Pfaffenhofen geschlagen (15. April). Zugleich besetzten die Österreicher die Rheinbrücke und zwangen ihn dadurch zur Beschleunigung seines Rückmarsches, um Donauwörth vor dem Feinde zu erreichen.

Während die Bayern sich wie eine Herde ohne Hirten in wilder Flucht und in völliger Auflösung nach Friedberg retteten, erschien Seckendorff am bayerischen Hofe, aber nicht als ein Held, der in seinem Geiste die Mittel zur Rettung findet, wenn das feige Volk verzagt, sondern als eine Kreatur des Wiener Hofes, um den jungen, unerfahrenen und vom Unglück verfolgten Fürsten zu umgarnen. Die Franzosen hatten schon seit dem letzten Feldzuge geargwöhnt, daß Seckendorff bestochen sei. Im Elsaß<202> war er gegen die Österreicher nicht so vorgegangen, wie man es hätte erwarten sollen. Er war lahm beim Angriff und lau in der Verfolgung, wenn er den Feind hätte vernichten können. Ja, man beschuldigte ihn, er habe die Winterquartiere der Verbündeten absichtlich auseinandergelegt, um diese dem Feind mit gebundenen Händen auszuliefern. Man sagte sogar, die Königin von Ungarn habe ihm 300 000 Gulden an Rückständen, die er von Kaiser Karl VI. zu fordern hatte, ausgezahlt, damit er den Kurfürsten von Bayern zum Frieden bewegte. Augenscheinlich hatte der Wiener Hof ihm Versprechungen gemacht, vielleicht hatte man ihm die genannte Summe auch zugesichert, aber zur Zahlung war der Wiener Hof damals nicht imstande. Was am meisten gegen Seckendorff spricht, war seine Eile, den Frieden mit Österreich herbeizuführen. Er legte dem jungen Kurfürsten gefälschte Papiere vor, zeigte ihm angebliche Briefe des Königs von Preußen, in denen zu lesen stand, daß Preußen mit der Königin von Ungarn Frieden geschlossen hätte. Er gaukelte ihm Erfolge vor, die die österreichischen Waffen in Flandern und in Italien errungen hätten, und beschwor den jungen Kurfürsten, seinen Zwist mit der Königin beizulegen, um seinem völligen Untergang vorzubeugen. Der unerfahrene Jüngling ließ sich von den Kreaturen des Wiener Hofes, mit denen Seckendorff ihn umgeben hatte, bereden. Sein Vater, der Kaiser, hatte ihm sterbend gesagt: „Vergiß nie die Dienste, die der König von Frankreich und der König von Preußen dir erwiesen haben, und lohne ihnen nicht mit Undank!“ Eingedenk dieser Worte hielt er seine Feder eine Welle unentschlossen in der Hand. Aber der Abgrund, der vor ihm aufgähnte, Seckendorffs Vorspiegelungen und die Hoffnung auf ein besseres Schicksal bestimmten ihn, am 22. Aprll 1745 den Vertrag von Füssen zu unterzeichnen. In diesem Vertrage verzichtete die Königin von Ungarn auf jede Kriegsentschädigung und versprach, den Kurfürsten wieder in den Vollbesitz seiner Staaten einzusetzen. Der Kurfürst entsagte seinerseits, für sich wie für seine Nachkommen, allen Ansprüchen, die das Haus Bayern auf die österreichischen Lande erhob. Er erkannte die böhmische Kurstimme für gültig an und versprach seine eigne Stimme bei der Kaiserwahl dem Großherzog von Toskana. Ferner sagte er die Abberufung seiner Hilfstruppen zu, unter der Bedingung, daß sie auf ihrem Rückmarsche nicht belästigt würden und daß die Königin von Ungarn keine Kriegssteuern aus Bayern mehr erhöbe. Die letzten Artikel wurden von den Österreichern aber so schlecht befolgt, daß sie die Hessen entwaffneten, sie wie Gefangene nach Ungarn führten und unter dem Vorwande von Rückständen noch große Kontributionen aus Bayern eintrieben.

So endigte die Frankfurter Union, und die Österreicher zeigten wieder einmal, daß, wenn sie im Glück sind, nichts härter ist als ihr Joch. Überblickt man aber alle Ereignisse vom Anfang des Jahres an, welch lehrreiches Schauspiel bietet sich dann den bisognosi di gloria und den Staatsmännern, die die Zukunft im voraus zu bestimmen wähnen! Der Kaiser stirbt; sein Sohn schließt mit der Königin von Ungarn Frieden; dem Großherzog von Toskana winkt die Kaiserkrone; im Warschauer Bünd<203>nis vereinigt sich halb Europa gegen Preußen; das preußische Geld hält Rußland in Untätigkeit; England neigt sich auf Preußens Seite herüber. Inzwischen hatte der König seine Rüstungen vollendet. Von dem bevorstehenden Feldzuge hing nun Preußens Ruhm, Glück und Schicksal ab.


191-1 Am 11. Dezember 1744.

191-2 Nach der Abreise des Königs hatte Fürst Leopold den Oberbefehl übernommen.

192-1 Andreas Eduard von Gaudy.

193-1 Der spätere König Friedrich Wilhelm II., Sohn des Prinzen August Wilhelm und der Prinzessin Luise Amalie, geb. Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel. Er wurde am 25. September 1744 geboren.

193-2 Karl VII. hatte ihn zum Reichsfürsten erhoben.

193-3 Am 20. Dezember 1744.
     n 13

195-1 Maximilian Joseph, geb. 28. März 1727.

195-2 Renatus Ludwig de Boyer de Paulmy, Marquis d'Argenson, seit November 1744 französischer Minister des Auswärtigen. —-

195-3 Wiener Vertrag vom 20. Dezember 1743 (vgl. S. 155). Durch einen neuen Vertrag vom 13. Mai 1744 verpflichtete sich Sachsen für englische Subsidien zur Stellung von 20 000 Mann an Österreich.

196-1 Diese Angabe beruht auf Irrtum.

196-2 Die Vermählung der Prinzessin mit Kurfürst Maximilian Joseph kam erst 1747 zustande.

197-1 Abgeschlossen zu Leipzig am 18. Mal 1745. In der zu Warschau am 8. Januar 1745 gezeichneten Quadrupelallianz versprachen England und Holland den Österreichern und Sachsen neue Subsidien, und Österreich und Sachsen sagten sich gegenseitige Unterstützung zu.

199-1 Der Frankfurter Wahltag hatte 1741 den Ausschluß der böhmischen Wahlstimme beschlossen.

200-1 24. November 1744.

200-2 Johann Heinrich Andrié.

201-1 Vgl. S. 38.