<93>densvorschläge gemacht, und als der sie verwarf, erklärt, sein Hof hätte sich auf gut Glück mit dem König von Preußen verglichen. Ja mehr noch, ganz Dresden war mit Briefen überschwemmt, worin den Sachsen geraten wurde, mit ihrem Einmarsch nach Böhmen innezuhalten, weil der König von Preußen sich mit der Königin von Ungarn ausgesöhnt habe und zu einem Einfall in die Lausitz rüste. Graf Brühls mißtrauische Ängstlichkeit wurde durch die herzhafte Entschlossenheit des Grafen Podewils jedoch überwunden, und die Sachsen rückten in Böhmen ein. Unterdessen hatte der Kurfürst von Bayern dem König einen Brief der Kaiserin Amalie1 mitgeteilt, worin er ermahnt ward, sich mit der Königin von Ungarn vor dem Monat Dezember zu einigen, da sie genötigt wäre, die Präliminarien ihres Abkommens mit Preußen zu ratifizieren. Dieses Benehmen des Wiener Hofes entband den König von allen seinen Verpflichtungen. Wir werden im folgenden sehen, daß man in Wien den Mangel an Verschwiegenheit teuer bezahlen mußte.

Während aller dieser Unterhandlungen hatte der Kriegsschauplatz oft gewechselt. Jetzt schienen alle Armeen sich ein Stelldichein in Böhmen gegeben zu haben. Der Kurfürst von Bayern war nur zwei Tagemärsche von Wien entfernt gewesen. Sein weiterer Vormarsch hätte ihn vor die Tore der Hauptstadt geführt, die ihm bei ihrer schwachen Besatzung nur geringen Widerstand geleistet hätte. Diese große Aussicht ließ der Kurfürst fahren in der kindischen Besorgnis, die Sachsen könnten Böhmen allein erobern und für sich behalten. Die Franzosen glaubten in verkehrter Staatsklugheit, daß die Bayern durch die Eroberung Wiens zu mächtig würden, und bestärkten daher den Kurfürsten in seinem Mißtrauen gegen Sachsen, um ihn von Wien abzuziehen.

Dieser Kardinalfehler war die Ursache all des Mißgeschicks, das in der Folge über Bayern hereinbrach. Das Heer der Franzosen und Bayern wurde geteilt; 15 000 Mann unter Ségur sollten Österreich und das Kurfürstentum decken. Der Kurfürst eroberte mit der Hauptmacht Tabor, Budweis und rückte gerade auf Prag los. Hier stießen die Sachsen, sowie General Gassion2 zu ihm, jene von Lobositz, dieser von Pilsen her. Als aber die Österreicher anrückten, zogen Feldmarschall Törring und General Leuville, die in Tabor und Budweis befehligten, ab. Die Feinde fanden in beiden Städten nicht nur beträchtliche Magazine, sondern schnitten auch durch die so gewonnene Stellung Ségur von dem Heere in Böhmen ab. Neipperg und Fürst Lobkowitz, die beide aus Mähren kamen, befestigten sich in der neuen Stellung.

Der Kurfürst von Bayern stand damals vor Prag. Da er wegen der strengen Jahreszeit keine regelrechte Belagerung vornehmen konnte, so beschloß er, die Stadt zu stürmen. Trotz ihrer weiten Ausdehnung war sie nur von einer schwachen Besatzung verteidigt. Griff man sie von verschiedenen Seiten zugleich an, so mußte sich notwendig irgendeine Stelle ohne Gegenwehr finden, und das ermöglichte ihre Er-


1 Witwe Kaiser Josephs I.; Ihre Tochter Maria Amalia war die Gemahlin des Kurfürsten Karl Albert.

2 Führer eines französischen Korps.