<60> Waffen ergrauten österreichischen Soldaten, die in so vielen Feldzügen erprobt waren, nur unerfahrene Truppen entgegenstellen.

Andrerseits belebten zahlreiche Erwägungen die Hoffnungen des Königs. Der Wiener Hof befand sich nach des Kaisers Tode in der mißlichsten Lage. Die Finanzen waren in Unordnung, das Heer zerrüttet und mutlos geworden durch die Mißerfolge im Türkenkriege. Das Ministerium war uneins. Dazu denke man sich an der Spitze der Regierung eine junge unerfahrene Fürstin, die eine streitige Erbschaft verteidigen soll, und es ergibt sich leicht, daß diese Regierung nicht als furchtbar erscheinen konnte. Ferner war es unmöglich, daß der König keine Bundesgenossen fand. Die Eifersucht, die zwischen Frankreich und England herrschte, sicherte dem König notwendig eine dieser beiden Mächte. Außerdem mußten alle Bewerber um die Erbschaft des Hauses Österreich ihr Interesse mit dem seinen verknüpfen. Der König hatte eine Stimme zur Kaiserwahl zu vergeben. Er konnte sich bezüglich seiner Ansprüche auf das Herzogtum Berg entweder mit Frankreich oder mit Österreich vergleichen. Endlich war der Krieg, den er in Schlesien führen konnte, die einzige Art von Offensive, welche die Lage seiner Staaten begünstigte, weil er hier nahe an seinen Landesgrenzen blieb und durch die Oder eine stets sichere Verbindung behielt.

Vollends zu seiner Unternehmung bestimmt wurde der König durch den Tod der Kaiserin Anna von Rußland1, die bald nach dem Ableben des Kaisers starb. Die russische Krone fiel an den jungen Großfürsten Iwan, den Sohn einer mecklenburgischen Prinzessin und des Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig, eines Schwagers des Königs von Preußen2. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte Rußland während der Minderjährigkeit des jungen Zaren mehr mit der Erhaltung der Ruhe im eignen Lande beschäftigt sein als mit der Pragmatischen Sanktion, die in Deutschland jedenfalls Unruhen hervorrufen mußte.

Hierzu kam ein schlagfertiges Heer, ein wohlgefüllter Kriegsschatz und vielleicht auch der Drang, sich einen Namen zu machen. Dies alles bewog den König von Preußen zu dem Kriege, den er an Maria Theresia von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, erklärte.

Es schien eine Zelt der Veränderungen und Umwälzungen zu sein. Die Prinzessin von Mecklenburg-Braunschweig, die Mutter des Zaren Iwan, befand sich samt ihrem Sohne unter der Vormundschaft des Herzogs Biron von Kurland, dem die Kaiserin Anna auf ihrem Totenbette die Verwaltung des Reiches übertragen hatte. Allein die Prinzessin hielt es ihres Standes für unwürdig, einem andern zu gehorchen. Sie meinte als Mutter mehr Anrecht auf die Vormundschaft zu haben als Biron, der weder Russe noch Verwandter des Kaisers war. Geschickt nutzte sie den Ehrgeiz des Marschalls Münnich aus. Biron wurde gefangen gesetzt, dann tief nach Sibirien verbannt, und die Prinzessin von Mecklenburg bemächtigte sich der Regierung. Dieser


1 Am 28. Oktober 1740.

2 Vgl. S. 5.