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Man darf nicht vergessen, daß die Franzosen auch nicht einen Artikel des Versailler Traktates erfültt hatten. Sie verweigerten Preußen alle Hilfe. Durch den Rückzug des Prinzen Conti war der Kaiserthron dem ersten besten preisgegeben und jedes Band zerrissen, das die Franzosen mit den deutschen Fürsten verknüpfte. Zu all diesen Gründen trat noch ein stärkerer: die völlige Erschöpfung der preußischen Finanzen. Alles zusammen bewog den König zu Friedensverhandlungen. Der Vertrag von Hannover hatte den Breslauer Frieden zur Grundlage. Außerdem verpflichtete sich König Georg, ihm die Garantie von seiten aller europäischen Mächte bei dem allgemeinen Friedensschluß zu verschaffen. Der König von Preußen versprach dafür, den Großherzog von Toskana als Kaiser anzuerkennen. Georg hatte lange zwischen seinen hannöverschen Ministem und Lord Harrington geschwankt. Endlich unterzeichnete er das Abkommen am 22. September.

Es hatte damals den Anschein, als ob die Herstellung des Friedens im Reiche unmittelbar auf den Vertrag von Hannover folgen sollte. Aber es genügte nicht, die Leidenschaften des Königs von England zu beruhigen. Es gab noch weit unversöhnlichere Feinde, welche die aufstrebende preußische Macht niederdrücken wollten. Brühl in Dresden und Bartenstein in Wien hielten den Augenblick für gekommen und wollten die nach ihrer Meinung vorteilhaften Umstände benutzen. Die Kaiserkrone erhöhte noch den Übermut des Wiener Hofes, und die Begierde, sich in die Beute eines Feindes zu teilen, gab dem Dresdener Hof Standhaftigkeit.

Vielleicht ist zum Verständnis des Zusammenhanges eine Darstellung erwünscht, auf welche Weise die Kaiserwürde wieder an das neue Haus Österreich kam. Nach dem Frieden zu Füssen war Ségur am Neckar entlang gezogen, um sich mit dem Prinzen Conti zu vereinigen. Batthyany folgte ihm quer durch das Reich, um zu dem bei Weilburg stehenden Korps des Herzogs von Aremberg zu stoßen. Jetzt hätte Frankreich alles aufbieten müssen, um die Vereinigung zu verhindern, aber es ging nicht ehrlich zu Werke. Der ganze Krieg war unter dem Vorwand geführt worden, die Kaiserwürde nicht an das neue Haus Österreich kommen zu lassen. Frankreich mußte seine Truppen also in der Gegend von Frankfurt zusammenziehen. Dann hätte es die Kaiserwahl nach seinem Willen lenken können. Es mußte den Prinzen Conti ermächtigen, den Herzog von Aremberg aus der Umgegend zu vertreiben, vor allem aber mußte es Arembergs Vereinigung mit Batthyany verhindern; denn durch sie erhielten die Österreicher ein bedeutendes Übergewicht über die Franzosen.

Ludwig XV. und Prinz Conti hatten dem König von Preußen mehrfach brieflich versichert, sie würden der Wahl des Großherzogs selbst auf die Gefahr einer Schlacht hin entgegentreten. Doch das waren nur schöne Worte! Die Schlacht wurde nicht geliefert, und Prinz Conti mußte 15 000 Mann nach Flandern abgeben1. Graf Traun erhielt den Oberbefehl über die Armee im Reich. Er detachierte Bernklau und ließ


1 Vgl. dazu oben S. 208.