<XI>holen, von hoher Warte betrachtet er die Dinge. Nur das Große und Bedeutende fesselt seinen Blick; über das Kleine und das Detail schreitet er mit Verachtung hinweg.

Ein Wort endlich über die Beweggründe, die ihm die Feder in die Hand drückten. Er selbst bezeugt, daß ihn die Lektüre Voltairescher Schriften dazu angeregt habe. Dann war es Schaffensfreude und Schaffenstrieb; schriftstellerische Tätigkeit bedeutete ihm Erholung von der schweren Königsarbeit. Aber damit sind die Gründe keineswegs erschöpft. „Geschwister“ seines Politischen Testaments von 1752 hat Friedrich seine Aufzeichnungen von 1746 einmal genannt; denn ihrer Natur nach seien sie zu dem gleichen Schicksal verurteilt, das Licht der Öffentlichkeit nicht zu sehen. Damit steht freilich im Widerspruch, daß er eben sie für die Nachwelt bestimmt! „Dir, künftiges Geschlecht, widme ich dieses Werk!“ so ruft er in der Vorrede aus. Gleichzeitig weiht er es als „Denkmal seiner Dankbarkeit“ den gefallenen Offizieren 1.

„Geschwister“ des Testaments waren seine historischen Werke in anderem Sinne. Wie er dort Organisation und Struktur der preußischen Monarchie schildert, wie er dort dem Nachfolger die Wege für die Zukunft weist, so zeigt er in seinen historischen. Schriften das Werden und Wachsen des brandenburgisch-preußischen Staates; er zeigt, wie Preußen in hartem Kampfe mit den Nachbarn groß geworden, wie es alle seine Kräfte in den Dienst der äußeren Politik gestellt, wie infolgedessen Finanzen, Politik und Heerwesen untrennbar miteinander zusammenhängen. Denn auch ihm gilt der Satz: Staat ist Macht! So soll die Nachwelt aus seinen historischen Schriften lernen, daß sie auf diesem Wege weiterwandeln muß, will sie des Vaterlandes Größe wahren und mehren. Man sieht: die Grundgedanken des Politischen Testaments kehren in seinen Geschichtswerken wieder.

Wenn er selbst nur die „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“, und auch diese mit Ausschluß des Kapitels über seinen Vater der Öffentlichkeit übergeben hat, so liegt der Grund nahe. Auf die Politik, auf die Persönlichkeiten, die an den von ihm geschilderten Ereignissen mitgewirkt hatten und die zum Teil noch lebten, mußte Rücksicht genommen werden. Traf er auch keine Bestimmungen über die Veröffentlichung seiner historischen Schriften, so ließ er doch die Frage ihrer späte-ren Herausgabe offen, wie aus den Worten hervorgeht, die er am 24. August 1743 an Voltaire richtete: „Meine Memoiren sind wahrheitsgetreu. Sie können also ihrer Natur entsprechend erst nach Ablauf des Jahrhunderts erscheinen.“

Was die leitenden Grundsätze für. unsere Edition betrifft, so ist zu bemerken, daß die Übertragung der Werke Friedrichs nach dem Text der akademischen Ausgabe der „Œuvres de Frédéric le Grand“ erfolgt Zugleich ist, dem gegenwärtigen Stande der Forschung entsprechend, alles einschlägige Material herangezogen, das als Berichtigung wie als Ergänzung in Frage kommt.


1 Vgl. Bd. II, S.272.