<8> insofern sie die Folge der Geschehnisse im Schoße eines einzelnen Reichs eingehend schildert, immer in der Beschränkung auf dies Sondergebiet. Bieten uns weltgeschichtliche Darstellungen ein gewaltiges Gemälde mit einer wunderbaren Gestaltenfülle, wobei manche Gestalt ganz im deckenden Schatten der anderen bleibt, sodaß sie fast verschwindet, so hebt die Einzeldarstellung nur eine Figur aus dem Gemälde heraus, führt sie in großen Maßen aus, bedenkt sie mit allem Reiz von Licht und Schatten, der sie erst zur Geltung bringt, und setzt die Welt in den Stand, sie mit der Gründlichkeit zu betrachten, die sie verdient.

Ein Mensch, der sich nicht vom Himmel gefallen wähnt, der die Weltgeschichte nicht von seinem Geburtstage an datiert, muß zu wissen verlangen, was sich wohl zu allen Zeiten und in allen Landen begeben hat. Gesetzt auch, seine Gleichgültigkeit früge garnichts nach dem Lose so vieler großer Völker, die das Spiel des Schicksals waren, wenigstens für die Geschichte seines eignen Landes wird er etwas übrig haben und sich an der Betrachtung der Geschehnisse erbauen, die seine Voreltern so nahe angingen. Mag ein Engländer nichts wissen vom Leben der Könige auf den persischen Thronen, mag er sich nicht auskeimen in der endlosen Schar von Päpsten, die der Kirche Gebieter waren, keiner wird es ihm verübeln. Nicht so nachsichtig wird man urteilen, hat er keine Kenntnis vom Ursprung seines Parlaments, von Brauch und Recht seines Inselreichs, von den verschiedenen Königsgeschlechtern, die in England geherrscht haben.

Alle gesitteten Völker Europas fanden ihre Geschichtsschreiber, nur die Preußen nicht. Zu solchen zähle ich nicht einen Hartknoch, einen Pufendorf1. Sie waren fleißige Arbeiter, die Tatsachen zusammentrugen. Doch ihre Werke sind eher geschichtlich Nachschlagebücher als eigentliche historische Darstellungen. Ebensowenig rechne ich hierher Lockelius2, der nur eine weitläuftige Chronik zustande gebracht hat, in der man jegliche fesselnde Einzelheit mit hundert Seiten Langerweile teuer erkaufen muß. Schreiber dieser Gattung sind eben nur Handlanger: emsig, aber wahllos schleppen sie einen Haufen von Bausteinen zusammen, die so lange unverwertet liegen bleiben, bis ein Baumeister ihnen die rechte Gestalt verleiht. Was derart zusammengestoppelt ward, ergibt nun und nimmer eine Geschichte, ebensowenig wie ein Haufen Drucklettern schon ein Buch darstellt, es komme denn Ordnung in das Ungefähr, daß es sich gliedere zu Worten, Sätzen und Satzgefügen. Die ungeduldige Jugend und Leute von Geschmack, die mit ihrer Zelt haushalten, machen sich nur mit Widerstreben an diese ungeheuren Wälzer; Leser, die sich gern mit einem Hefte abfinden, entsetzen sich vor einem Folianten. Aus diesen Gründen wurden die ge-


1 Christoph Hartknoch († 1687), Verfasser der Schrift „De Marchia Brandenburgica“ (1678); Samuel von Pufendorf († 1694), Verfasser des Werkes „De rebus gestis Friderici Wilhelmi magni electoris Brandenburgici commentariorum libri 19“ (1695), das in deutscher Übersetzung von Uhse 1710 erschien; diese hat König Friedrich benutzt.

2 Elias Lockelius, Verfasser der nur handschriftlich vorliegenden und bis 1680 reichenden Chronik „Marchia illustrata“.