<223>

Januar 1780.

A.

1. Januar 1780

Der König in Berlin. Große Cour und Tafel.

Kabinetsordre des Königs an den Minister von Zedlitz :

"Mein lieber Etats-Minister von Zedlitz. Es befremdet Mich sehr, aus Eurem Schreiben vom gestrigen Dato zu ersehen, daß Ihr Euch weigert, wider die in der Arnoldschen Sache arretirten Justiz-Bedienten Meiner Ordre gemäß ein Urtheil abzufassen. Wenn Sie also nicht sprechen wollen, so thue Ich es, und spreche es. etc. 223-+"

2. Januar 1780

Der König an d'Alembert:

- etc. - "Gütiger Himmel! welche Schande für die Französische Geistlichkeit; so hartnackig wider den großen Mann, den wir verloren haben (Voltaire), zu wüthen! Ich behaupte, daß diese geschornen Köpfe sich hier als Undankbare zeigen, denn oft hat Voltaire die Pfeile, die er gegen sie abschoß, abgestumpft, damit die Wunden nicht zu schmerzhaft würden. Wer sie weniger schonen wollte, konnte sie so zu<224> Boden schlagen, daß sie nie wieder aufständen, denn noch ist nicht alles gesagt. - etc. Bei meiner Geburt fand ich die Welt in der Sklaverei des Aberglaubens, und eben so verlasse ich sie sterbend. Der Grund davon liegt darin: daß das Volk ganz leicht zwölf Glaubensartikel wie Pillen hinterfchluckt, und nur da mehr Widerspenstigkeit zeigt, wo es auf seine Freiheit oder seinen Geldbeutel ankommt, weil es nicht einsieht, daß, wenn es sich durch Glaubenssätze fesseln läßt, es unvermeidlich zum Sclaven werden muß. etc.

Seit meiner Ankunft in Berlin wollte ich meinen Geist von dem Rost des Feldzugs durch einen akademischen Firniß reinigen 224-+. Ich habe mich mit Herrn Formey unterhalten. Wir haben tief gelehrt und gründlich zu meiner großen Erbauung die wichtigsten Materien abgehandelt, von welchen mich unser beständiger Secretair (Formey hat überreden wollen. Ein ander Mal versicherte mich der Homerische Bitaubé: der Verfasser der Ilias und Odyssee sei der einzige Dichter, welchen eine so lange Reihe von Jahrhunderten hervorgebracht habe. Darauf stärkte ich mich durch die weisen politischen und philosophischen Betrachtungen des Herrn Weguelin. Und da ich über die Sorgen der Erde eine Zeitlang nicht an den Himmel gedacht hatte, so war Herr Bernoulli so gefällig, mir das Reisejournal der Gestirne mitzutheilen. etc. Hernach habe ich Herrn la Grange gesprochen, der so gütig war, mir die Erhabenheiten seiner Sprache im umgekehrten Verhältnisse mit dein Ouadrate meiner Unwissenheit herabzustimmen; er führte mich von Abstraktion zu Abstraktion in ein Labyrinth von Dunkelheit, worin mein armer Verstand sich würde verwirrt haben, hätte nicht unser<225> guter Schweizer, Herr Merian, mich aus diesen erhabenen Infinitesimal-Regionen zurückgebracht, um mich wieder auf den niedrigen, rohen Erdball zu versetzen, wo ich vegetire. Endlich lehrte mich Herr Achard, was fixe Luft sei, und überzeugte mich ohne Mühe, daß die Materie eine unendliche Menge Eigenschaften hat, die bis jetzt unsern Einsichten entgangen sind, und daß es uns nur mit der Zeit gelingen werde, den eingeschränkten Raum unserer Kenntnisse einigermaßen zuerweitern, wenn wir nach Baco's Anweisung nicht aufhören, Erfahrungen anzustellen. Unglücklicherweise werden freilich die ersten Urstoffe der Dinge auf immer außer dem Gesichtskreise unserer schwachen Einsichten liegen.

Dies ist mit kurzen Worten der kleine akademische Cursus, der mich während meiner Krankheit beschäftigt hat. etc."

Der König läßt wieder eine bedeutende Summe für die Armen zahlen und durch den Stadt-Präsidenten Philippi vertheilen.

24. Januar 1780

Geburtsfest des Königs, bei ihm Mittags große Cour und Tafel.

26. Januar 1780

Der König nach Potsdam.

B.

13. Januar 1780

Stirbt die verwittwete Prinzessin von Preußen Louise Amalie (Mutter des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm II).

Februar.

A.

Februar 1780

Der König in Potsdam.

B.

8. Februar 1780

Bekanntmachung : daß auf Befehl des Königs am 5ten d.M. bei dem Magistrat und dem Stadtgericht in Berlin eine Justiz-Visitation angeordnet worden, und "daß alle und jede, welche wider gedachten Magistrat oder Stadtgerichte gegründete Klagen zu haben vermeinen, solche bei dem Visitations<226>Commissario, Kammergerichts-Rath Baumgartengarten, mündlich oder schriftlich sonder Zeitverlust einreichen können. etc."

21. Februar 1780

Bekanntmachung, daß vom 1. März an täglich zwei Referendarien auf dem Berlinischen Rathhause dazu angestellt sind, alle Gesuche und Vorstellungen, welche Personen bei dem Magistrat in Vormundschafts-Sachen etc. und bei dem Stadtgericht anzubringen haben und dergleichen Eingaben nicht selbst anfertigen können, ihre mündlichen Angaben etc. zu Protocoll zu nehmen.

In diesem Monat starb zu Belgard in Ponmern der General Friedrich Wilhelm von Lölhöfel, 62 Jahr alt.

März.

A.

März 1780

Der König in Potsdam.

2. März 1780

Der König an d'Alembert :

"Ich weiß nicht, durch welchem Zufall die Geschichte der Urtheilssprüche in diesem Lande 226-+ in auswärtigen Staaten verbreitet worden. Die Gesetze sind dazu da, daß sie die Schwachen vor der Unterdrückung der Mächtigen beschützen sollen, und sie werden überall beachtet werden, wenn man genaue Obacht auf diejenigen hielte, durch welche die Gesetze sprechen uud handeln. etc. Es ist nicht immer hinlänglich, zu<227> warnen; bisweilen sind auch Beispiele von Strenge nöthig, um eine so große Menge von Räthen in ihrer Schuldigkeit zu erhalten. Ursprünglich sind die Regenten die Richter des Staats, nur die Menge der Geschäfte hat sie gezwungen, dieses Amt Leuten zu übertragen, denen sie das Fach der Gesetzgebung anvertrauen. Aber dennoch müssen sie diesen Theil der Staatsverwaltung nicht zu sehr vernachlässigen, oder wohl gar dulden, daß man ihren Namen und ihr Ansehen dazu mißbraucht, um Ungerechtigkeiten zu begehen.

Aus diesem Grunde bin ich genöthigt, über diejenigen zu wachen, denen die Handhabung der Gerechtigkeit übertragen ist, weil ein ungerechter Richter ärger ist, als ein Straßenräuber. Allen Bürgern ihr Eigenthum sichern, und sie so glücklich machen, als es die Natur des Menschen gestattet, diese Pflicht hat Jeder, der das Oberhaupt einer Gesellschaft ist; und ich bestrebe mich, diese Pflicht aufs Beste zu erfüllen. Wozu nützte es mir auch sonst, den Plato, Aristoteles, die Gesetze des Lykurg und des Solon gelesen zu haben? Ausübung der guten Lehren der Philosophen, das ist wahre Philosophie, etc."

26. März 1780

Der König an d'Alembert:

- etc. - Was meine Gesundheit betrifft, so werden Sie natürlicher Weise Selbst vermuthen, daß ich bei acht und sechzig Jahren die Schwachheiten des Alters empfinde. Bald belustigt sich das Podagra, bald das Hüftweh, und bald ein eintägiges Fieber auf Kosten meines Daseins, und sie bereiten mich vor, das abgenutzte Futteral meiner Seele zu verlassen. Die Natur scheint die Absicht zu haben, uns vermittelst der Schwachheiten, die sie uns gegen das Ende unserer Tage zuschickt, das Leben zu verekeln. In diesem Falle muß man mit Kaiser Mark Aurel sagen : man unterwerfe sich Allein, was die ewigen Gesetze der Natur uns zu ertragen auflegen, ohne Murren. etc. - Ich habe jetzt hier<228> einen Doctor der Sorbonne 228-+ bei mir, der mir Unterricht in theologischen Absurditäten giebt, in welchen ich zusehends gelehrter werde; von ihm habe ich gelernt, was die innere und die äußere Intention ist; merkwürdige Sachen, wovon Sie nichts wissen, ein so großer Philosoph Sie auch immer sein mögen; er hat mich Formeln voll unbegreiflichen Unsinns gelehrt, von denen ich in dem ersten theologischen Werke, das ich schreiben werde, Gebrauch zu machen gedenke. etc. Man wird es recht geschickt anfangen müssen, um unsern Priestern eine Messe und ein Seelenamt für Voltaire abzugewinnen. Den Deutschen ist er nur unter dem Namen eines Atheisten, eines Vanini, eines Spinoza bekannt, und es werden Unterhandlungen nöthig sein, um diese Messe glücklich zu Stande zu bringen 228-++. etc. - Sie sagen mir, daß Herr Rulhière, den ich kenne, Willens ist, die Geschichte der letzten Unruhen in Polen zu schreiben. Mich dünkt, die Epoche ist zu neu, als daß ein Schriftsteller sich mit aller schicklichen Freiheit über diese Begebenheit auslassen könnte; die handelnden Personen leben noch alle, und es hält schwer, die Wahrheit zu sagen, und doch nicht den Einen oder den Anderen zu beleidigen. Was man im Allgemeinen darüber sagen kann, ist ungefähr Folgendes: Die unzufriedenen Polen hatten sich vereinigt, einen König vom Thron zu stoßen, den ihnen die Kaiserin von Rußland gegeben hatte; einige auf Religionsduldung sich beziehende Anträge brachten sie dergestalt auf, daß sie ihren König ermorden wollten; der Wiener Hof bemächtigte sich der Zipser Gespanschaft, und ver<229>anlaßte dadurch die Theilung des Königreichs, indem die Kaiserin von Rußland sich für berechtigt hielt, wegen der ungelehrigen Widerspenstigkeit der Republik Rache zu üben. Wollte man sich aber auf nähere Umstände einlassen, so würde dies zu persönlichen Erörterungen Anlaß geben, die man nur den Augen der Nachwelt mit Sicherheit darstellen darf 229-+." Beim König waren in diesem Monat (an verschiedenen Tagen): der Minister von Finkenstein, Oberstallmeister von Schwerin, der Dänische General-Lieutenant von Chasot (dieser seit Januar und bis ungefähr zur zweiten Woche des März; die Söhne desselben, welche in Französischen Diensten gestanden und ihren Abschied genommen hatten, wurden vom König in Dienst genommen und bei der Kavallerie angestellt) und der Abbé Duval du Peyrau.

B.

13. März 1780

Credit-Reglement für Westpreußen.

26. März 1780

Stirbt der regierende Herzog von Braunschweig Karl, Schwager des Königs, 66 Jahr alt.

April.

A.

April 1780

Der König in Potsdam und in Sanssouci.

6. April 1780

Instruction des Königs für die Infanterie-Regimenter.

<230>

14. April 1780

Es erscheint die berühmte Kabinetsordre des Königs, welche seine Ideen über die Reform des Justizwesens und die dabei zum Grunde zu legenden Principien enthält. Sie ist nach des Großkanzlers von Carmer Ausspruch (s. die Vorrede zum 1. Thl. des Entwurfes eines allg. Gesetzbuches für die Preuß. Staaten) als das Fundamental-Gesetz über die neue formale und materiale Gesetzgebung zu betrachten. Siehe die Beilage am Schluß dieses Jahres. Um diese Zeit kam der Marquis Lucchesini nach Potsdam.

B.

23. April 1780

Stirbt die vorwittwete Kurfürstin von Sachsen Marie Antonie, Tochter Kaiser Karls VII aus dem Hause Baiern. (Siehe oben S. 24 Note).

Mai.

A.

1. Mai 1780

Der König in Potsdam (Sanssouci) an d'Alembert: "Da ich das Podagra nur in den Füßen habe, so habe ich es nicht in dem Kopfe, mithin werde ich dadurch nicht gehindert, mein lieber d'Alembert, noch etwas von meiner ehemaligen Fröhlichkeit zu behalten. Ich mag lieber Demotrit's Beispiele folgen, als ewig mit dem Heraklit über Unglücksfälle wimmern, die sich nicht ändern lassen. etc. Mit allen Documenten ausgerüstet, die Sie mir übersandt haben, beginne ich jetzt in Berlin die merkwürdige Unterhandlung wegen Voltaire's Seellenamt; und ob ich gleich keinen Begriff von einer unsterblichen Seele habe, so wird man doch für die seinige eine Messe lesen. etc. Was Voltaire's Brustbild trifft, so bitte ich, dessen Absendung bis zum September aufzuschieben, wo alles püntklich, bezahlt werden soll. etc."

?? Mai 1780

Der regierende Fürst von Anhalt-Cöthen in Potsdam.

5. Mai 1780

König in Charlottenburg mit dem Fürsten von Anhalt-Cöthen.

6. Mai 1780

Nach Berlin, wo er im Thiergarten über einige Regimenter<231> Specialrevue hält, alsdann die Prinzessin Amalie besucht und nach Charlottenburg zurück geht.

7. Mai 1780

Wieder nach Berlin, um im Thiergarten über die übrigen Regimenter Revue zu halten, dann nach Potsdam.

9. Mai 1780

Der König ernennt den Italienischen Marquis Lucchesini zu seinem Kammerherrn.

10. Mai 1780

Der König speist Mittags bei dem Prinzen von Preußen (in Potsdam). Nachmittags fand die Taufe der am 1. Mai dem Prinzen von Preußen gebornen Prinzessin Statt. Die Taufzeugen waren: der König, die Königin, welche jedoch nicht gegenwärtig war, der Kurfürst und die Kurfürstin von Sachsen (abwesend), die Erbprinzessin von Hessen-Darmstadt und der regierende Fürst von Anhalt-Cöthen. Die neugeborne Prinzessin erhielt die Namen: Friederike Christine Auguste (es ist die nachherige, vor Kurzem verstorb. Kurfürstin v. Hessen).

17. Mai 1780

18. Mai 1780

Der König hält Revue bei Potsdam, wozu Truppen aus Brandenburg und Treuenbrietzen angekommen waren.

18. Mai 1780

Der König an den General von Zieten :

"Mein lieber General von Zieten. Mir wird es zwar alle Zeit Vergnügen machen, einen in Meinen Diensten sich so sehr hervorgethanen General noch in seinem hohen Alter bei der bevorstehenden dortigen Revue an der Spitze des ihm anvertrauten Regiments zu sehn, und Ich bin es daher sehr wohl zufrieden, daß Ihr ohne Tiegerdecke und Adlerflügel, bloß in Eurem Pelz erscheint. Sollte es aber gar zu kalt sein, so beschwöre Ich Euch, Eure Gesundheit ja zu schonen, und lieber gar nicht auf den Revueplatz zu kommen, damit Ihr Euch nicht, durch Euren allzugroßen Diensteifer, unnöthi ger Weise eine Unpäßlichkeit zuzieht, oder Euch Schaden thun möget. Wenn man so lange als Ihr mit Ruhm gedient hat, alsdann kann man, in dergleichen Vorfällen, sich ohne alles Bedenken der Vorrechte eines Veterans bei den Römern bedienen. Dies ist der Rath Eures beständig wohlaffectionir, ten Königs. Friedrich."

<232>

19. Mai 1780

In Spandau, wo er über das Regiment des Prinzen Heinrich und das aus Ruppin angekommene Regiment des Prinzen Ferdinand Specialrcvue hält; dann in Charlottenburg.

20. Mai 1780 bis 23. Mai 1780

Der König in Berlin bei den großen Manövres; dann nach Potsdam.

25. Mai 1780

Nach Magdeburg zur Revue.

29. Mai 1780

Rückkunft in Potsdam.

31. Mai 1780

Nach Cüstrin, Stargard und Graudenz zur Revue mit dem Fürsten von Anhalt-Cöthen. etc.

B.

21. Mai 1780

Starb zu Hohen-Carzig der Geh.-Finanzrath Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhof, 37 Jahr alt.

30. Mai 1780

"Wurde in der katholischen Kirche zu Berlin für die Seelenruhe des verstorbenen Herrn Franziskus Maria Arouet von Voltaire, weyland Er. Allerchristlichsten Majestät Kammerjunkers, der Königl. Preuß. Akademie d. W. und schönen Künste, ingl. der Französischen Akademie Mitgliede, Herrn von Fernay, Tournay, Prepey und Chambesy im Landchen Gex, eine feyerliche Leichenmesse, mit anständiger Pracht gehalten etc. Die katholischen Mitglieder der hiesigen Königl. Akademie d. W. haben diese Messe veranlaßt, und der hiesige Herr Pfarrer hat um so weniger Bedenken getragen, darein zu willigen, da sie ungezweifelte (sic) Beweise beigebracht, daß der Herr von Voltaire kurz vor seinem Ende ein Christkatholisches Glaubensbekenntniß abgelegt, ordentlich gebeichtet, seinen christlichen Nebenmenschen durch Almosen und andere gute Werke ein Beispiel gegeben, und nach seinem Ableben in der Abtei Sciellieres nach den Gebräuchen der katholischen Kirche beerdigt worden. etc." (Berliner Zeitung, 1780, Nr. 66). Dieser Aufsaft ist auf des Königs Befehl von Thiébault verfaßt. Vergleiche des Königs Brief an d'Alembert: vom 1. Mai.

<233>

Juni.

A.

9. Juni 1780

Der König in Graudenz.

14. Juni 1780

Der König kommt mit dem Fürsten von Anhalt-Cöthen von Graudenz in Potsdam (Sanssouci) an.

16. Juni 1780

Die sämmtlichen Minister aus Berlin zum König nach Potsdam.

23. Juni 1780

Der König an d'Alembert :

"Von einem Augenblick zum andern glaubten wir, Sie ankommen zu sehen, als ich Ihren Brief erhielt. Zwar hat er mir viel Vergnügen gemacht, allein Sie in Person zu sehen, hat er nicht ersetzt. Doch die Gründe, die Ihre Reise verhindert haben, sind so entscheidend, daß ich genöthigt bin, denselben beizupflichten. Durch welches böse Schicksal schleicht sich denn der Stein in die Nieren eines Philosophen? etc. Ich habe vergessen, Ihnen wegen Voltaire's Brustbild zu antworten. Lassen Sie uns sein Vaterland nicht beschimpfen, und ihm eine Kleidung geben, die ihn unkenntlich machen würde. Voltaire dachte als Grieche, aber er war Franzose. Wir wollen unsere Zeitgenossen nicht dadurch entehren, daß wir ihnen die Livree einer Nation geben, die jetzt verächtlich und unter die Tyrannei der Türken, ihrer Sieger, herabgesunken ist. etc."

Juli.

A.

Juli 1780

Der König in Potsdam (Sanssouci).

4. Juli 1780

Kabinetsordre an das Justiz-Ministerium, darin der König sich gegen alle Machtsprüche erklärt. (Hymmen, Beiträge zur Juristischen Litteratur VII. 130, und Gesetzbuch Thl. I. Einleitung §. 6 und Tit. IX. §. 529).

9. Juli 1780

oder 10ten. Der Oestreichische General-Feldmarschall, Fürst de Ligne 233-+, dessen Sohn, Prinz Karl, und der Abbé<234> de l'Isle 234-+ nach Potsdam zum König. (Die Berliner Zeitung erwähnt auch noch eines Französischen Obersten de Lille, was aber wohl eine Verwechselung mit dem Abbé ist).

Die höchst interessanten Unterhaltungen des Fürsten mit dem König, welche hier Statt hatten, sein Urtheil, seine Bemerkungen etc. findet man in der schon oben (Septbr. 1770) angeführten Schrift: Meomoires etc. und in Nicolai's Anekdoten, Heft 2, S. 101, im Auszug und mit erläuternden Anmerkungen.

Als unter Andern der Fürst dem König etwas Verbindliches sagte, antwortete dieser:,, Sie sehen nur meine schöne Seite; fragen Sie aber nur die Herren Generale nach meinem Eigensinn und meinen Launen, so werden Sie ein anderes Lied anstimmen."

Der Fürst blieb bis den 16ten in Potsdam.

General von Buddenbrock und Herzog Ferdinand von Braunschweig in Potsdam.

B.

4. Juli 1780

Stirbt der Prinz Karl von Lothringen, Schwager der Kaiserin Maria Theresia. Er commandirte im siebenjährigen Kriege die Oestreichische Hauptarmee.

14. Juli 1780

Wurde der Grundstein zu dem sogenannten Französischen Thurm auf dem Gensd'armenmarkt in Berlin gelegt.

August.

A.

1. August 1780

Der König in Potsdam (Sanssouci) an d'Alembert: "In Ihrem Brief herrscht ein Ton der Traurigkeit, der<235> nur Kummer gemacht bat; wie es scheint, haben Sie Sich eben so sehr über Ihr Temperament, als über das Glück zu beklagen. Wir sind ja Greise, nahe am Ziele unserer Laufbahn, wir müssen suchen, sie froh zu endigen. Waren wir unsterblich, so würde es uns erlaubt sein, über Unfälle zu trauern; jetzt aber ist unser Lebensfaden zu kurz, als daß es uns ziemen könnte, uns an Dinge zu hängen, die unsern Augen bald auf immer entschwinden werden. Sie sagen, mein lieber Anaxagoras, daß Sie von der inneren Kraft verloren haben, welche Sie im Jahr 1763 besaßen; das habe auch ich gethan, und das ist das Schicksal aller alten Leute. Ich verliere mein Namengedächtniß; die Lebhaftigkeit meines Geistes nimmt ab, meine Füße sind in schlechtem Zustand; meine Augen werden blöde; ich habe Verdruß, so gut wie alle andere Menschen, aber diese ganze Litanei von Schwachheiten und Unannehmlichkeiten hält mich nicht ab, froh zu sein, und meine Miene soll noch lächeln, wenn man mich begräbt. Suchen Sie Alles fortzuschaffen, was die Ruhe Ihres Lebens stören kann. Bedenken Sie, daß dieses Leben selbst ein bloßer Traum ist, von dem nichts übrig bleibt, wenn es aufhört. Mit Schmerzen merke ich, daß ich auf das Vergnügen, Sie wieder zu sehen, Verzicht thun muß, und daß unsere Unterhaltungen sich darauf einschränken werden, Schwarz auf Weiß zu bringen, doch auch das ist noch besser als gar nichts. etc. Ich habe einen Herrn de l'Isle, der mit dem Fürsten de Ligne nach Rußland geht, beim Durchreisen gesehen; er hat mir viel von Voltaire gesprochen, dem er in articoulo mortis, wie er sagt, beigestanden. Lieber wäre mir gewesen, wenn er ihn hätte wieder lebendig machen können. Ich habe schon einmal gesagt, und ich fürchte, ich hatte Recht: "Voltaire's Grab wird das Grab der schönen Wissenschaften sein. Er beschloß das schöne Jahrhundert Ludwig's XlV. Wir treten jetzt in das Jahrhundert der<236> Pliniusse, der Seneca und der Ouintiliane. Man verläßt die Welt in Zeiten des Mangels mit weniger Bedauern, als zur Zeit des Ueberflusses; aus diesem Grunde müssen unsere letzten Augenblicke minder unangenehm sein, weil wir nicht mehr an das gefesselt sind, wovon wir uns trennen müssen. Folgen Sie also meinem Rathe, mein lieber Anaxagoras : umkränzen Sie Ihre Stirn mit Rosen, suchen Sie Sich zu erfreuen, und überlassen Sie Sich Ihrem Schicksal. Möge es glücklich sein, so wie Ihre Gesundheit dauerhaft. etc."

7. August 1780

Kabinetsordre des Königs an den Großkanzler von Carmer : Wegen Abstellung der Verleitung des gemeinen Mannes zum unnützen Prozessiren durch gewinnsüchtige Winkeladvokaten und böse Menschen.

15. August 1780

Der König mit seinem gewöhnlichen Gefolge und dem General-Major de l'homme de Courbiere nach Schlesien zur Revue.

26. August 1780

Von Neisse in Breslau angekommen.

27. August 1780

28. August 1780

Der König hält bei Breslau über die Truppen Specialrevue.

29. August 1780

Nach dem Hauptquartier Arnoldsmühle.

?? August 1780

In Potsdam waren der Prinz Friedrich von Braunschweig und der Russische General Graf von Soltikof.

B.

6. August 1780

Der Prinz von Preußen reis't nach Petersburg; ihn begleiten der Graf von Görtz, Graf von Nostitz und der Major von Wittinghof.

16. August 1780

Publikandum, wegen Bestrafung derjenigen, welche den Bauer und gemeinen Mann zum unnützen Prozessiren verleiten.

September.

A.

1. September 1780

2. September 1780

Der König in Arnoldsmühle bei Breslau bei den Kriegsübungen, nach deren Beendigung Rückreise nach Potsdam.

<237>

3. September 1780

Ankunft des Königs in Potsdam (Sanssouci) mit dem General-Major von Courbiere etc.

4. September 1780

Der König mit dem General-Major von Courbiere nach Berlin, besucht die Prinzessin Amalie und besieht das neue Bibliothekgebäude.

12. September 1780

Früh nach dem Wedding zum Artillerie-Manövre dann nach Potsdam.

17. September 1780

Der regierende Herzog Ferdinand von Braunschweig und der regierende Fürst von Anhalt-Cöthen der General von Ramin zum König nach Potsdam.

21. September 1780 bis 23. September 1780

Der König bei den Kriegsübungen bei Potsdam.

27. September 1780

Die Prinzessin Amalie, die verwittwete Herzogin von Braunschweig (Philippine, Schwester des Königs), die Gemalin des Prinzen Friedrich von Braunschwcig nach Potsdam zum König, bis 3ten Oktbr.

30. September 1780

Der Minister von Finkenstein beim König.

30. September 1780

Kabinetsordre des Königs an den Geh.-Rath Tarrach. Hinsichtlich der bis ins kleinste Detail gehenden Kenntnisse des Königs in Fabriksachen ist sie eben so merkwürdig, wie jene vom 21. Dezbr. 1779. Zugleich ersieht man daraus, mit welcher Umsicht der König bei Errichtung und Unterstützung neuer Fabriken und Manufacturen verfuhr. (Sie ist mitge theilt in unseren Beiträgen II. 159, Nr. 55 u. S. 175 Nr. 77).

Oktober.

A.

2. Oktober 1780

Der König in Potsdam (Sanssouci) an d'Alembert :

- etc. - "Wir sind beide alt; lassen Sie uns damit zufrieden sein, den Glanz eines Jahrhunderts, welches dem menschlichen Verstand zur Ehre gereicht, gesehen, und Sie, etwas dazu beigetragen zu haben. Auf die schönen Tage Roms, in welchen Cicero, Virgil, Horaz blüheten, folgten die Zeiten eines Sencca und eines Plinius, und auf diese Barbarei. Nach der Herabwürdigung des menschlichen Ver<238>standes kehrten die Zeiten des Wiederauflebens der Wissenschaften zurück. Wir wollen der Veränderlichkeit ihre Herrschaft lassen, und den Himmel segnen, daß er uns noch zu guten Zeit in die Welt kommen lies, wo unsere Lebenszeit mit ausgebildeten Talenten und Genies zusammentraf. Was die Priester betrifft, die sind nicht zu bessern. etc."

17. Oktober 1780

Die verwittwete Herzogin von Braunschweig (Schwester des Königs) auf ihrer Durchreise - von Berlin nach Braunschweig - speist bei dem König in Potsdam.

?? Oktober 1780

Prinz Friedrich von Braunschweig und Minister von Heinitz in Potsdam.

November.

A.

2. November 1780

Der König in Potsdam und in Sanssouci.

4. November 1780

Der Prinz von Preußen kommt aus Petersburg nach Potsdam zurück, wo er von dem König sehr freundlich empfangen wird 238-+. Der Minister von Herzberg nach Potsdam zum König in Sanssouci (er blieb hier bis zum 9ten). Hier übergab ihm der König seine Schrift : de la Litterature allemande, des fauts qu'on peut lui reprocher; quelles sont les causes, et par quels moyens on peut les corriger, und trug ihm auf, sie drucken zu lassen und eine Deutsche Uebersetzung davon zu veranstalten. Die Schrift erschien bald nachher bei Decker in Berlin. Ins Deutsche wurde sie von Dohm übersetzt.

Da der Minister glaubte, daß der König in dieser seiner Schrift die Deutsche Sprache zu strenge beurtheile, so über<239>sandte er ihm am 8ten eine andere Übersetzung aus dem Tacitus. (Annales, Lib. 14, Cap. 53).

8. November 1780

Der König antwortete ihm auf der Stelle: "Das ist gutes Deutsch, und einer der besten Aufsätze, den ich bisher gesehen. Aber, verzeihen Sie meiner vielleicht zu strengen Kritik, das Wort : Beispiel gefällt mir nicht, es muß Exempel heißen. Ganz gewiß würden Leute von Ihrer Fähigkeit und Ihren Kenntnissen, wenn sie sich mit der Bildung der Deutschen Sprache beschäftigten, darin glücklich sein. Ich danke Ihnen indeß, das; Sie nur diese Arbeit haben mittheilen wollen."

9. November 1780

Der Minister, um dem König eine bessere Meinung von der Deutschen Sprache beizubringen, überschickte ihm die Erzählung: "Das Schöne" von von Nicolai 239-+." Der König schickte sie mit folgender Antwort zurück : "Das ist erträglicher, als was lch gestern gelesen habe, aber doch sind auf zwei Seiten auch zwei Fehler. Brennende Wangen können wohl bei einem Menschen Statt haben, der vor Zorn außer sich, oder von Wein berauscht ist, aber hier ist es ein falsches Beiwort; für einen Prinzen, der sich freuet, paßt es nicht. Ich bin zu aufrichtig, als daß ich solchen Fehlern Beifall geben könnte." Als der Minister von Herzberg nach Berlin zurück gekehrt war, schickte ihm der König die Abschrift von seiner Arbeit: de la Litterature etc. mit folgendem Schreiben:

10. November 1780

"Hier ist der Nest von meinem Auflage abgeschrieben. Ich habe keine Verbesserungen darin gemacht, und überlasse ihn nun Ihrer Prüfung; auch werden Sie gefälligst die Mühe übernehmen, ihn übersehen zu lassen. Ich wünsche, meine Zeitgenossen mögen nur gerechte Ursache geben, sie zu loben. Niemand wird geneigter sein, es zu thun, als ich. Gäbe es?<240> Viele, die Ihnen ähnlich wären; so läge mir der Stoff dazu ganz nahe, und ich versichere Sie, ich würde Allen Gerechtigkeit widerfahren lassen, und eben die Hochachtung für sie haben, wie für Ihre Person 240-+."

<241>

Ehe der Minister den Druck der Schrift besorgte, schrieb er am 12ten an den König und schlug ihm zwei kleine Aenderungen vor; die eine betraf das Wort: Karfunkel (es kommt

11. November 1780

Der König antwortet darauf Folgendes :

"Den Karfunkel bitte ich zu verschonen. Er muß stehen bleiben. Die Sache ist wahr, und im Jahr 1722 hat Jedermann sie herzlich belacht. Ich habe den schönen Brief in Wusterhausen gesehen und gelesen. Uebrigens können Sie mit meiner Mäßigung zufrieden sein. Ich habe Ihre Deutschen nur mit Rosen gegeißelt, und in<242> mehreren Stellen die Strenge der Kritik gemildert. Also danken Sie mir für meine Schonung und treiben Sie mich nicht aufs Aeußerste. Ich bin mit Achtung etc."

"N.S. Thomasius hat in Halle die Geschichte gelehrt. Ich weiß Personen, die bei ihm gehört haben. Ja, man hat mir sogar einige Abhandlungen von ihm gezeigt, die wirklich musterhaft waren. Sie betrafen das Recht, die Geschichte und die Philosophie; und alle diese Fächer verstand er ganz vorzüglich 242-+."

20. November 1780

Der König an d'Alembert :

"Schlachten haben viele Menschen gewonnen, Viele haben Provinzen erobert, aber Wenige haben ein so vollkommenes Werk, wie die Vorrede zur Encyclopädie 242-++ geschrieben. Es ist etwas sehr Seltenes, alle menschliche Kenntnisse gehörig zu würdigen, hingegen ein viel Gewöhnlicheres, Leute, die sich schon fürchten, in die Flucht zu schlagen; und daher glaube ich, daß, wenn man die Stimmen gegen einander abwägt, die Bemühungen der Philosophen den Vorzug vor den Arbeiten des Kriegers erhalten würden, wenn wir die Dinge von der Seite des Nützlichen betrachten. etc."

B.

29. November 1780

Stirbt die Kaiserin Maria Theresia, 63 Jahr alt.

Dezember.

A.

Dezember 1780

Der König in Potsdam.

23. Dezember 1780

Nach Berlin, besucht die Prinzessin Amalie.

26. Dezember 1780

Der König hat eine Unterredung mit Formey. (Souvenir d'un Citoyen I. 124).

31. Dezember 1780

Der König läßt all die Offiziere vor sich kommen, welche sich<243> in Berlin (von hiesigen und auswärtigen Garnisonen) unter der Direction des Hauptmanns von der Artillerie Tempel-Hof und des Ingenieur-Hauptmanns von Geyer in allen militairischen Wissenschaften üben.

Der König schenkt dem General von Ramin eine ansehnliche Summe Geld.

Der König besieht wie gewöhnlich die Wachtparaden.

B.

25. Dezember 1780

Anfang des Carnevals. Sonntag Mittags: Cour beim König, Abends bei der Königin; Montag: Oper; Dienstag: Redoute; die sonst am Mittwoch gewöhnlichen Französischen Comödien fielen aus, da die Schauspieler, wie oben erwähnt, verabschiedet worden waren; Donnerstag: Cour bei der Königin; Freitag: Oper.

Es ward die Oper Armide und das Singspiel: die uneinigen Brüder nach Graun's Composition gegeben.

Beilage zum Jahre 1780.

Es gehört unstreitig mit zu den wichtigsten Pflichten eines Regenten, für die Aufnahme der Gewerbe, für den Volksunterricht und für die Rechtspflege zu sorgen. Mit wie großer Thätigkeit und Einsicht der König stets, bis zum letzten Tag seines Lebens, diese Pflichten zu erfüllen sich bestrebt, ergiebt sich, in Betreff der Industrie, aus dem zweiten Theil unserer Beiträge etc., welcher hauptsächlich diesem Gegenstände gewidmet ist; die wichtige Kabinetsordre an den Minister von Zedlitz, den Schuluntericht betreffend, ist oben mitgetheilt, und wir dürfen nun um so weniger die umfassende Kabinetsordre an den Großkanzler von Carmer, welche des Königs Ideen über die Rechtspflege enthält, übergehen, da sie, indem sie sich nur in Mylii Corpus Const. Brand. March. und in einigen andern ähnlichen Schriften befindet, die im Allgemeinen nur Wenigen zugänglich sind, bei Weitem nicht so bekannt ist, wie sie es in mehr als einer Hinsicht verdient.

<244>

Kabinetsordre des Königs an den Großkanzler von Carmer:

"Mein lieber Großkanzler von Carmer! Es kann Euch nicht unbekannt sein, daß Ich schon im Jahr 1746 und vorher, bei Verwaltung der Justiz, in Meinem Königreich und Staaten, den bemerkten Unordnungen und Mängeln abzuhelfen bekümmert gewesen, und besonders verordnet habe:

1) daß die Justiz-Kollegia auf einen beßren Fuß eingerichtet, mit geschickten und ehrlichen Männern besetzt,

2) daß die Prozeß-Ordnung von unnützen Formalitäten gereinigt, die Prozesse in einem Jahre zu Ende zu bringen möglich gemacht, und

3) die bisher noch zu sehr zerstreute unbestimmte und zweideutige Gesetze mit möglichster Precision und Deutlichkeit bestimmt und gesammlet werden sollen.

Was nun den ersten Artikel hiervon betrifft; so zweifele Ich gar nicht, daß durch die eingeführte bessere Subordination in denen Kollegien durch bestimmtere Ordnung in allen Geschäften, und besonders durch die Anweisung, nach welcher die sich der Justiz widmenden Kandidaten durch scharfe Examina geprüft, durch mehrere Jahre als Referendarien in denen Kollegiis zu aller Arbeit angeführt, und derselben Denkungsart und Konduite genau erforscht werden sollen, ein hinlängliches Genüge geschehen.

Allein diese der Sache so angemessene Verordnung würde fruchtlos sein, wenn nicht die Präsidenten und Obern eines jeden Kollegii zu genauester Befolgung dieser Vorschrift mit Ernst angehalten werden.

Es ist also Eure Sache, darauf zu sehen, daß Meine Willensmeinung hierin aller Orten aufs genaueste befolgt werde, und müßt Ihr zu solchem Ende von denen Präsidenten und Direktoren der Justiz-Kollegien eine zuverlässige unparteiische und genaue Konduiten-Liste von sämmtlichen Mitgliedern und Subalternen einfordern, auch bei denen Visitationen besonders auf diesen Punkt aufs genaueste inquiriren lassen. Denn es ist nicht genug, wenn ein Justiz-Bedienter sich vor groben Bestechungen hütet, sondern er muß auch in allen Handlungen seines Amtes ohne die geringste Paßion zu Werke gehn, und allen Schein einer Parteilichkeit vermeiden.

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Ein Mensch von schlechten Sitten und ohne Moralität vergißt sehr leicht seine Pflichten, und es müssen dergleichen Leute durchaus nicht bei der Justiz geduldet werden. Auch muß Euch dergleichen unwürdiges Subjekt auszustoßen keine Rücksicht auf dessen sonstige Geschicklichkeit, Familie, und andre dergleichen Considerations, abhalten.

Wenn Ich Mich solchergestalt von der Rechtschaffenheit Meiner Justiz-Kollegien versichern kann, so werde Ich auch Meiner Seits ihnen alle Gerechtigkeit widerfahren lassen, und einen jeden nach Würden ehren und belohnen; dagegen aber kenne Ich keine Strafe, die zu hart sein sollte, Leute damit zu belegen, die ihre Pflichten so weit hintanzusetzen im Stande wären, daß sie ihr Amt, welches zu Beschützung der Unschuld und Aufrechthaltung der Gerechtigkeit bestimmt ist, zur Unterdrückung und Vernichtung derselben mißbrauchen sollten.

Was zweitens die Prozesse anlanget, so will Ich wohl glauben, daß die ehemals obgewalteten groben Mißbräuche gehoben worden; im Grunde ist aber dennoch, wie Ihr Mir eingestehen müßt, diese Prozeß-Ordnung noch eben das unschickliche Gewebe des geistlichen Rechts, über welches ganz Deutschland schon seit verschiedenen Jahrhunderten geklagt hat.

Es ist wider die Natur der Sache, daß die Parteien mit ihren Klagen und Beschwerden von dem Richter nicht selber gehört werden, sondern ihre Nothdurft durch gedungene Advokaten vorstellen sollen. Diesen Advokaten ist sehr daran gelegen, daß die Prozesse vervielfältiget und in die Länge gezogen werden; denn davon dependiret ihr Verdienst und ihr ganzes Wohl.

Selbst der redliche Mann unter ihnen, welcher mit Hintansetzung seines Interesse die Pflichten eines guten Bürgers zu erfüllen wünschte, darf als Kläger oder Beklagte nicht offenherzig zu Werke gehen, weil sein Gegner eine umständliche Erzählung des Facti dahin mißbrauchen könnte, ihm eine Menge Beweise auf den Hals zu schieben, und ihn dadurch in ein Labyrinth zu führen, aus welchem er sich ohne Gefahr oder Verlust seines Rechts kaum wieder herauswickeln würde.

Denn wenn der Richter die Akten nicht eher in die Hand bekommt, als bis die Advokaten durch ihre Schriftsätze das Faktum nach Wohl<246>gefallen verdreht und verdunkelt oder mangelhaft vorgetragen haben, so ist es sehr natürlich, daß der Urtelsfasser den rechten Gesichtspunkt verliert, folglich auf unadäquate Weise erkennet, und weil er auf dem eingeschlagnen irrigen Wege fortgehn muß, oft wider seine Ueberzeugung am Ende ein offenbar ungerechtes Urthel zu sprechen genöthigt ist.

Ich kann kaum glauben, daß jemalen einer der alten und vernünfttigen Gesetzgeber auf die Gedanken gerathen sein könne, eine dergleichen unnatürliche Prozeß-Ordnung statuiren zu wollen, und vermuthe vielmehr, daß die Barbarei späterer Zeiten und die Bequemlichkeit der Richter diese Mißgeburt veranlaßt haben.

In der Römischen Geschichte finde Ich nichts, so Mich ein andres vermuthen ließe. Die Richter bei den Römern mußten erst die Sache in facto selbst untersuchen, ehe die von den Partheyen bestellten Redner angehört und das Urthel gesprochen wurde, und wenn es wahr ist, daß auch die päbstlichen Gesetze ausdrücklich verordnen, daß der Richter das Faktum untersuchen und die Advokaten nur die Rechte der Partheyen defendiren sollen, so wird Meine obige Vermuthung zur Gewißheit.

Dem sei aber, wie ihm wolle, so ist es Mein ernstlicher Wille: daß der Richter künftig die Partheien mit ihrer Klage und Verantwortung selber hören, ihre Erzählungen und mitzubringende Beweisthümer gegen einander halten, und so den wahren Zusammenhang der Sache, welche zu dem Rechtsstreit Anlaß gegeben, eruiren; hiernach aber denenselben den Rechten und Billigkeit gemäße Vorschläge zum Vergleich machen solle.

Ich halte Mich versichert, daß schon dadurch, daß die Partheyen von der eigentlichen Lage der Sache unterrichtet werden, die allermehresten Prozesse sich durch Vergleich werden heben lassen.

Diejenigen Rechtshändel, welche auf diese Art nicht beigelegt werden können, sind wenigstens gegen alle Beweis-Erkenntnisse, welche bisher die allermehresten Weitläuftigkeiten verursacht haben, gesichert; und können sodann, so viel die Rechtsfragen betrifft, sehr leicht ferner zum Spruch instruirt werden.

Es ist Meine Meinung hierbei nicht, daß den Partheyen bei der<247>gleichen gerichtlichen Handlungen die Assistenz eines Rechts-Freundes versagt werde; vielmehr finde Ich es nöthig, sowohl dem Kläger als Beklagten, auch schon bei Untersuchung des Facti, seinen Advokaten zu dem Ende zu accordiren, damit derselbe den Richter, welcher vielleicht aus Nachlässigkeit, Mangel der Penetration oder wohl gar aus Partheylichkeit, der ihm obligenden Untersuchung keine Satisfaktion leisten möchte, seiner Pflicht erinnern, ihn in allem kontrolliren, die Rechts-Gründe der Parthey deduciren, und also für die Sicherheit seines Clienten auf alle Art Sorge tragen solle.

Damit aber diese neue Art von Advokaten nicht wieder auf die alten Irrwege gerathen möge, so muß die Sache so eingerichtet werden, daß solche bei dem Verzüge der Entscheidung und Vervielfältigung der Prozesse nicht interessiret sind, sondern einen ganz andern Gesichtspunkt zur Beförderung ihres Glückes und ihres Interesse erhalten.

Die Referendarien müssen nämlich bei Meiner neuen Einrichtung, hauptsächlich bei den Untersuchungen der Sachen in facto gebraucht, und den Räthen dabey zur Hülfe gegeben werden.

Diejenigen Referendarii, welche bei diesen Gelegenheiten die mehreste Geschicklichkeit und Penetration zeigen, werden zu fernerer Beförderung beybehalten, und aus diesen sollen die Advokaten, oder wie man sie füglicher nennen möchte, die Assistenz-Räthe; aus diesen aber in der Folge die würklichen Räthe der Landes-Kollegiorum gewählt werden.

Diese Assistenz-Räthe müssen eben sowohl, als die Räthe der Landes-Kollegiorum, auf fixirte Besoldungen gesetzt, und zu dem Ende ihre Defensions-Gebühren in einer gemeinschaftlichen Sportul-Kasse gesammlet werden.

Es kann wohl sein, daß nur sehr wenige der bisherigen Advokaten sich zu künftigen Räthen qualificiren, und also brodlos werden dürften. Ich werde aber die Verfügung treffen, daß, in so fern brauchbare und ehrliche Leute darunter sind, solche vorzüglich zu Magistrats-Bedienungen, Justiziariaten und andern dergleichen Aemtern wieder emploiret werden sollen. Ganz schlechte Leute verdienen keine Attention.

Was endlich die Gesetze selbst betrifft, so finde Ich es sehr un<248>schicklich, daß solche größtentheils in einer Sprache geschrieben sind, welche diejenigen nicht verstehen, denen sie doch zu ihrer Richtschnur dienen sollen. Eben so ungereimt ist es, wenn man in einem Staat, der doch seines unstreitigen Gesetzgeber hat, Gesetze duldet, die durch ihre Dunkelheit und Zweydeutigkeit zu weitlauftigen Disputen der Rechtsgelehrten Anlaß geben, oder wohl gar darüber: ob dergleichen Gesetz oder Gewohnheit jemals existirt oder eine Rechtskraft erlangt habe? weitläufige Prozesse veranlaßt werden müssen. Ihr müßt also vorzüglich dahin sehen, daß alle Gesetze für Unsere Staaten und Unterthanen in ihrer eigenen Sprache abgefaßt, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden.

Da nun aber fast jede Unserer Provinzen ihre besondere Verfassung, Statuten und Gewohnheiten hat, welche sehr von einander unterschieden sind, so muß für jede derselben ein eigenes Gesetzbuch gesammelt und darin Alles eingetragen werden, wodurch sich die Rechte der einen Provinz von der andern unterscheiden.

Weilen aber dennoch dergleichen Provinzial-Statuta und Gewohnheiten sich nur auf gewisse Gegenstände einschränken, und keine allgemeine noch weniger aber vollständige Rechts-Regel enthalten, das Corpus juris vom Kaiser Justinian als das subsidiarische Gesetzbuch fast aller Europäischen Staaten von vielen Jahrhunderten her auch bey uns angenommen worden ist, so kann dieses auch künftig nicht ganz außer Acht gelassen werden. Inzwischen ist bekannt, daß dieses Römische Gesetzbuch größtentheils nur eine Sammlung der Meinungen und Entscheidungen der Rechtsgelehrten einzelner Fälle enthält; sich vielfältig auf die alten und jetzt gar nicht mehr passenden Römischen Verfassungen und Formalitäten bezieht, auch mit vielen Widersprüchen angefüllt ist. Es muß also nur das Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung übereinstimmende aus demselben abstrahirt; das Unnütze weggelassen; Meine eigene Landes-Gesetze am gehörigen Orte eingeschaltet, und solchergestalt ein subsidiarisches Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beym Mangel der Provinzial-Gesetze recurriren, angefertigt werden.

Ueberhaupt aber muß Ich hiebei bemerken, daß, wie es Mir<249> scheint, die Römischen Gesetzgeber, welche eben nicht sparsam in den Bestimmungen streitiger Rechtsfragen gewesen, gleichwohl ihr Augenmerk nicht alle Mal genau genung darauf gerichtet haben, was den Zweifeln in Rechtsfällen vorzubeugen und Prozesse zu verhüten dienlich sein könnte.

So ist z. E. bekannt, wie unendlich viele Prozesse aus den Handlungen und Kontrakten über unbewegliche Güter entstehn, weil die Leute dabey sich übereilen, und nicht deutlich und bestimmt genug ausdrücken. Alle dergleichen Prozesse würden vermieden werden, wenn alle Kontrakte über unbewegliche Güter in Gegenwart der Gerichte geschlossen, und von diesen darauf gesehen würde, daß keiner den andern überliste und unbillig vervortheile; der Kontrakt selber aber zu mehrerer Bestätigung desselben Inhalts von dem Richter mit unterschrieben würde.

Denn da die Prozesse allemal zu den Uebeln in der Societät gerechnet werden müssen, welche das Wohl der Bürger vermindern, so ist dasjenige ohnstreitig das beste Gesetz, welches den Prozessen selber vorbeugt.

Wenn Ich, wie nicht zu zweifeln ist, Meinen Endzweck in Verbesserung der Gesetze und der Prozeß-Ordnung erlange, so werden freylich viele Rechtsgelehrten bey der Simplifikation dieser Sache ihr geheimnißvolles Ansehn verlieren, um ihren ganzen Subtilitäten-Kram gebracht, und das ganze Corps der bisherigen Advokaten unnütze werden. Allein Ich werde dagegen Meine getreuen Unterthanen von einer nicht geringen Last befreien, und desto mehr geschickte Kaufleute, Fabrikanten und Künstler gewärtigen können, von welchen sich der Staat mehr Nutzen zu versprechen hat.

Wie nun die Ausführung einer so wichtigen Sache nicht das Werk eines einzelnen Mannes ist, so müßt Ihr die geschicktesten und redlichsten Leute, welche Ihr ausforschen könnt, aufsuchen; die verschiedne Arten der Ausarbeitungen unter sie vertheilen, sie sodann in ein Kollegium zusammen ziehn; und alles mit gemeinschaftlichem Rath reguliren.

Dergleichen Gesetz-Commission muß auch künftig beibehalten werden, damit bei etwa sich ereignenden Mängeln, Undeutlichkeit, oder<250> Fehlern der Gesetze, solche auf eine gründliche Art verbessert, supplirt oder interpretirt werden können.

Dagegen aber werde Ich nicht gestatten, daß irgend ein Richter, Kollegium oder Etats, Minister die Gesetze zu interpretiren, auszudehnen, oder einzuschenken, viel weniger neue Gesetze zu geben, sich einfallen lasse; sondern es muß, wenn sich in der Folge Zweifel oder Mangel an den Gesetzen oder in der Prozeß, Ordnung finden, der Gesetze Kommission davon Nachricht gegeben; von dieser die Sache, mit Rücksicht auf den Sinn und Absicht der übrigen Gesetze, unter Eurem Vorsitz, genau in Erwägung gezogen; und wenn eine wirkliche Veränderung oder Zusatz nöthig wäre, Mir gutachtlicher Bericht darüber erstattet werden.

Ich überlasse Euch also, der Sache ferner nachzudenken, und das Erforderliche zu Ausführung derselben zu veranstalten; und verspreche dagegen, Euch wider alle Kabalen und Widersetzlichkeiten auf das nachdrücklichste zu schützen; Als Euer wohl affektionirter König.

Potsdam, den 14. April 1780.
Friedrich.

An den Groß-Kanzler
von Carmer."


223-+ Dieses Urtheil befindet sich in Sietze: Ausübung oberstrichterlicher Gewalt etc. Beilage B. S. 66. Nach demselben wurden die Regierungs- und Kammergerichts-Räthe Busch, Bandel, Neumann, Friedel und Graun und der Pomerzigen-Justitiarius kassirt, zu einjährigem Festungsarrest und zum Ersatz des Schadens, den der Müller Arnold erlitten, verurtheilt. Das Urtheil wurde auch in Ausführung gebracht, jedoch entließ der König die Verhafteten bereits am 5. September ihres Arrests.

224-+ Der König ließ während seines jetzigen Aufenthalts in Berlin die meisten daselbst gegenwärtigen Mitglieder der Akademie der Wissenschaften nach und nach zu sich kommen, um sie persönlich kennen zu lernen und sich mit ihnen zu unterhalten.

226-+ Es bezieht sich dies auf die Müller Arnoldsche Sache, welche d'Alembert in seinem Briefe vom 29. Febr. an den König erwähnt, und die überhaupt auch im Ausland großes Aufsehen erregt hatte. Die Kaiserin von Rußland übersandte das auf Befehl des Königs in die Zeitungen eingerückte Protocoll vom 11. Dezbr. 1779 dem Senat zu Petersburg als eine merkwürdige Urkunde Königlicher höchster Justizpflege. In Frankreich verfertigte und stach der Kupferstecher Vangelisti zur Verehrung und Verewigung dieses Vorgangs einen allegorischen Kupferstich unter dem Titel : "Balance de Frédériic." S. v. Rebeur, Ueber den ungünstigen Anfang der von Carmerschen Justizverbesserung etc., Lemgo, 1789, S. 28.

228-+ Duval du Peyrau, der König gab ihm eine Pension und unterhielt sich zuweilen mit ihm. Seit 1785 ward er nicht mehr zum König gerufen, behielt jedoch seine Pension. Daß er schon Anfangs des Jahres 1779 beim König gewesen, wie Nicolai in seinen Anekdoten II. 132 sagt, scheint ein Irrthum zu sein.

228-++ Sie ward am Jahrestage des Todes Voltaire's, den 30. Mai, in der katholischen Kirche in Berlin mit großer Pracht gehalten.

229-+ Rulhire hatte durch d'Alembert, "weil es ihm bei dieser Geschichte um Wahrheit zu thun sei," bei dem König, auf eine seine Art, wegen Mittheilungen etc. anfragen lassen. Auf diese Antwort des Königs scheint R. sein Vorhaben aufgeschoben zu haben. Erst im Jahr 1807 erschien in Paris von ihm : Histoire de l'Anarchie de Pologne et du démembrement de cette Republique. Es ist dies Buch sehr freimüthig geschrieben, doch nicht ohne Partheilichkeit für die Polen, auch enthält es manche Uebertreibung und Irrthümer, von denen der Herausgeber dieser Blätter einige, welche den König betreffen und von andern Schriftstellern weiter verbreitet worden sind, in von Ledebur's Archiv 1828, 2 .Heft, S. 119 - 160 gerügt und berichtigt hat.

233-+ Siehe oben unter September 1770.

234-+ Derselbe, welchen d'Alembert dem König früher empfohlen hatte, von dem dieser aber nicht günstig urtheilte. (Siehe des Königs Brief an d'Alembert vom 20. Dezbr. 1777). Voltaire nahm ihn dann zu sich; er starb in seinen Armen. Er ist übrigens nicht mit dem Dichter de l'Isle zu verwechseln.

238-+ Ueber den Zweck und den Erfolg der Reise s. Dohm's Denkwürdigkeiten Theil 1, S. 424 etc. und Theil 2, S. XVI. Der König sagte zu Jemand: "Ich habe ihn (den Prinzen von Preußen) nun im Kriege und Frieden geprüft; er hat mir in Rußland die größten Dienste mit aller möglichen Geschicklichkeit geleistet." (Briefe zwischen Heinse, Gleim und Müller, herausgegeben von Körte, Theil 2, 59).

239-+ Vermischte Gedichte von Ludwig Heinrich Nicolai. Berlin, 1730. 5. Theil, S. 1-80.

240-+ Diese Schrift des Königs machte viel Aufsehen. Von den (wenigen ihm bekannten) Deutschen Schriftstellern hatten seinen Beifall - mehr oder weniger - unter den Dichtern: Gellert, Canitz, Geßner und Götz, dessen Gedicht: die Mädcheninsel, ihm vorzüglich gefallen hatte; so lobt er auch das Lustspiel: "der Postzug" von von Ayrenhoff, dagegen spricht er sich tadelnd über Göthe's "Götz von Berlichingen" aus. Beiläufig erwähnt er auch Shakspeare, und nennt seine Stücke abscheulich, entschuldigt jedoch seine "sonderbaren Ausschweifungen" (ce melange bizarre de bassesse, et de grandeur, de bouffonnerie et de tragique) mit der Zeit, in der dieser Dichter lebte. Von den Geschichtschreibern lobt er Mascow und Thomasius, von den Rednern Quandt. An den Lehrern der Geometrie findet er nichts zu tadeln. In Absicht der Theologen "will er ein ehrerbietiges Stillschweigen beobachten." Die Philosophen betreffend, so spricht der König hier eigentlich nur überhaupt von den Systemen, und sagt in Bezug auf Spinoza: "Nichts aber wird unserm Lehrer leichter sein, als dieses System von der Seite zu zerstören, da es die Existenz Gottes läugnet; er darf nur zeigen, wie jede Sache in der Welt zu einem gewissen Zweck bestimmt und auf das Vollkommenste so eingerichtet ist, diesen Zweck zu erfüllen. Alles, sogar das Wachsthum des geringsten Grashalmes, beweiset die Gottheit. Der Mensch besitzt einen Grad von Verstand, den er sich selbst nicht gegeben hat, hieraus folgt unwidersprechlich, daß das Wesen, von dem er Alles hat, noch einen viel tiefern und unermeßlichern Verstand besitzen müsse."
      Am Schluß sagt der König: "Wenn wir Medicis haben, werden auch unsere Genies hervorkeimen, und die Auguste werden schon Virgile schaffen. Wir werden dann auch unsere klassischen Schriftsteller bekommen. Jeder wird sie lesen wollen; unsere Nachbarn werden Deutsch lernen, und die Höfe es mit Vergnügen hören. Und vielleicht bringen unsere guten Schriftsteller es dahin, daß unsere zur Vollkommenheit gebrachte und verfeinerte Sprache noch einst von einem Ende Europas bis zum andern geredet wird. Noch sind diese schönen Tage unserer Literatur nicht gekommen, aber sie nähern sich und er- scheinen gewiß. Ich kündige sie Ihnen an, obgleich mein Alter mir die Hoffnung nimmt, sie noch selbst zu sehen. Ich bin wie Moses, ich sehe das gelobte Land von fern, werde aber nicht selbst hineinkommen." Eine solche Schrift konnte nicht ohne Beurtheilungen bleiben, es erschienen deren bald mehrere, z. B. von dem Abt Jerusalem, von Gomperz, Assprung, Tralles, Meister, Rauquil-Lieutaud und einigen Anonymen.
Zu den Urtheilen des Königs über die Deutsche Litteratur gehört auch noch sein Schreiben an den Professor Myller. (S. unter d. 22. Febr. 1784).
von Ziegler's Asiatische Banise (Leipzig, 1688) scheint dem König theilweise gefallen zu haben. Wenigstens schreibt Grimm unter dem 23. Juni 1781 an den König: "Ich für mein Theil, Sire, werde mich immer sehr lebhaft erinnern, mit welchem Feuer Ew. Majestät mir einmal den ganzen Anfang der Asiatischen Banise vordeclamirten."
Dieser Anfang lautet: "Blitz, Donner und Hagel, als die rächenden Werkzeuge des gerechten Himmels, zerschmettere die Pracht deiner goldbedeckten Thürme, und die Rache der Götter verzehre alle Besitzer der Stadt, welche den Untergang des Königlichen Hauses befördert, oder nicht solchen nach äußerstem Vermögen, auch nicht mit Daransetzung ihres Blutes verhindert haben. Wollten die Götter, es könnten meine Augen zu donnerschwarzen Wolken und diese meine Thränen zu grausamen Sündfluthen werden. etc. etc."

242-+ Herzberg in seiner Antwort sagt nun, daß der König wegen Thomasius doch Recht habe.

242-++ Von d'Alembert.