<454>Prinz Heinrich, der Bruder Friedrichs, befand sich in Petersburg zum Besuche und hatte sich das besondere Vertrauen der Kaiserin Katharina zu erwerben gewußt, als dort die Nachricht eintraf, Österreich habe einen Teil des polnischen Grenzlandes besetzt, um alte Ansprüche an dasselbe geltend zu machen. Auf diese Kunde sprach Katharina zu Heinrich das berühmte Wort: « Es scheint, daß man sich in Polen nur zu bücken braucht, um nach Belieben zu nehmen: — wenn der Hof von Wien dies Königreich zerstückeln will, so würden die übrigen Nachbarn desselben das Recht haben, ein Gleiches zu tun. » Diese Äußerung faßte Heinrich auf; er entwickelte der Kaiserin, wie sie sich auf diese Weise für eine gewisse, den übrigen Mächten so wünschenswerte Nachgiebigkeit gegen die Pforte vollkommen schadlos halten könne, und Katharina ging bereitwillig darauf ein; die Ausführung konnte bei der inneren Zerrissenheit Polens keine Schwierigkeit haben. Als Friedrich die erste Nachricht von dieser Verhandlung erhielt, zögerte er nicht, seine Zustimmung zu geben.

Preußen und Rußland vereinigten sich bald über die zu ergreifenden Maßregeln überein und forderten Österreich auf, an dieser eigentümlichen Verbindung gegen Polen teilzunehmen. Das österreichische Kabinett, obgleich es den ersten Anstoß dazu gegeben hatte, nahm jetzt den Anschein, als ob es die ganze Angelegenheit mißbillige, — vielleicht der Kaiserin Maria Theresia zu Gefallen, die sich hierin nur äußerst schwer finden konnte. Als es aber seine Zustimmung gegeben hatte, machte es plötzlich so ausgedehnte Forderungen, daß der ganze Teilungsplan fast aufs neue gescheitert wäre. Endlich, nach mancherlei schwierigen Unterhandlungen, kam man dahin überein, daß ein jeder der drei Staaten die seinen Grenzen zunächstgelegenen Landstriche Polens, die zu seiner vollkommenen Abrundung bequem gelegen waren, in Besitz nehmen sollte. Die Ausführung geschah im Herbst des Jahres 1772, ohne daß Polen fähig gewesen wäre, etwas dagegen zu unternehmen. Friedrich ließ Pomerellen und die übrigen, zwischen Pommern und Ostpreußen gelegenen Distrikte (mit Ausnahme von Danzig und Thorn) besetzen und sich huldigen. Jede der drei Mächte stellte Beweise zur Gültigkeit ihrer Forderungen auf. Friedrichs Erklärung betraf vornehmlich Pomerellen, das von dem Herzogtum Pommern durch die Polen im dreizehnten Jahrhunderte abgerissen war, und auf das somit Kurbrandenburg, als Erbe von Pommern, gerechte Ansprüche habe. Friedrichs Erwerbung war die geringste an Flächenraum, Einwohnerzahl und Wert des Bodens; aber sie war für ihn von größter Wichtigkeit, sofern sie diese naturgemäße Verbindung zwischen seinen Staaten herstellte und ihn, durch den Besitz der Weichselmündung, zum Herrn des polnischen Handels machte. Die neue Provinz