Januar 1776.
A.
Januar 1776
Der König in Potsdam.
4. Januar 1776
Der Großkanzler von Fürst und der Justizminister von Carmer stellen sich auf Befehl des Königs bei ihm ein, um in seiner Gegenwart ihre ganz entgegengesetzten Meinungen über die Annehmbarkeit des von dem von Carmer entworfenen Plans zur Verbesserung der Justizverfassung vorzutragen, und ihre Gründe für und wider anzugeben. Da diese Conferenz zu keiner Vereinigung führte; so befahl der König<134> mündlich und mittelst Kabinetsordre von demselben Tag, daß von Fürst und von Carmer den Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur als dritten Commissarius hinzuziehen, mit ihm die Conferenz über diesen Gegenstand fortsetzen und darüber weiter an ihn berichten sollten.
10. Januar 1776
Der König an Voltaire: "Ihren Brief habe ich gerade zur rechten Zeit bekommen. Die öffentlichen Blätter hatten uns Alle durch die Nachricht erschreckt, daß Sie krank wären. Ich freue mich, daß sie auch diesmal gelogen haben. etc. Ihr letzter Zufall verpflichtet Sie, künftig Sich noch mehr zu schonen, als vorher. etc. Der Großsultan hat mir ein Geschenk mit Balsam von Mekka gemacht, der aus der ersten Hand kommt. Wenn Ihr Arzt glaubt, daß er Ihnen nützlich sein kann, so will ich Ihnen gern eine Phiole davon schicken. etc.
Unsere Akademiker geben sich jetzt mit dem Uebersetzen ab. Damit thun sie mir einen Gefallen, denn nun machen sie, daß ich die Werke der Alten lesen kann, die bisher entweder schlecht, oder in altes Französisch, oder gar nicht übersetzt waren. Bücher sind die Kinderklapper meines Alters, und Lektüre das einzige Vergnügen, dessen ich noch genieße.
Ich gestehe zu, daß, Libyen ausgenommen, wenige Staaten sich rühmen können, es uns an Sand gleich zu thun; indeß machen wir doch in diesem Jahre 77,000 Morgen zu Wiesen, diese werden 7000 Kühen Futter geben; der Dünger von ihnen wird unsern Sandboden fetter und besser machen, und die Ernten werden also ergiebiger und besser ausfallen. Ich weiß wohl, daß die Menschen nicht im Stande sind, die Natur umzuändern; aber mich dünkt, durch vielen Fleiß und Arbeit bringt man es doch dahin, daß ein dürrer Boden besser und wenigstens mittelmäßig wird. Damit müssen wir uns denn begnügen. etc."
11. Januar 1776
Da nach dem vom Großkanzler von Fürst unter dem 10ten dem Könige abgestatteten Bericht, über die fortgesetzte Confe<135>renz, selbige kein Resultat gegeben, so überreichte von Fürst zugleich einen Aufsatz unter dem Namen : "Kürzliche Hauptprincipia zur Justizreform," zur Allerhöchsten Genehmigung und Vollziehung. Hierauf antwortete der König an demselben Tage dem Großkanzler :
11. Januar 1776
"daß er unter dem Bericht vom 10ten des Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur Unterschrift vermisse, ohngeacht derselbe von Allerhöchstdemselben zum dritten Commissarius ernannt worden, und er wolle seinen unmittelbaren Ausspruch über die Verschiedenheit der Meinungen noch so lange aussetzen, bis er selbst mit dem Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur darüber gesprochen, die Principia mit ihm durchgegangen, und gegen das Projcct des Ministers von Carmer zusammen gehalten."
11. Januar 1776
An demselben Tag erhielt der etc. von Rebeur folgende Kabinetsordre.
"Bester, besonders lieber Getreuer?
Nach Meines Großkanzlers Freiherrn von Fürst eingegangenen Bericht haben die ihm und Euch aufgetragenen Comferenzien mit Meinem Etats Minister von Carmer über die Mir so angelegentliche Justiz-Verbesserung den davon erwarteten Erfolg nicht gehabt, und die gehoffte Vereinigung hat dabei nicht statt gefunden. Ich habe daher noch Anstand genommen, über die Verschiedenheit Eurer Meinungen Meinen unmittelbaren Ausspruch zu thun, und Mich über die von Meinem Großkanzler vorgelegten Hauptprincipia dieser Justiz-Verbesserung näher zu erklären, sondern will vielmehr darüber mit Euch noch selbst sprechen, und solche noch einmal mit Euch durchgehen, und mit dem Project Meines Etats-Ministers von Carmer zusammen halten. Zu dem Ende befehle Ich Euch hiermit, Euch Morgen oder Uebermorgen, als den 12ten oder 13ten, bei Mir allhier einzufinden, und alle dazu gehörigen Briefschaften nebst dem nur gedachten von Carmerschen Projecte mitzubringen. Ich bin etc."
<136>13. Januar 1776
An diesem Tage, bald nach 9 Uhr Morgens, giebt der König dem Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur, der nach seinem Befehl vom 10ten nach Potsdam gekommen war, Privataudienz, in welcher er sich mit ihm über die entgegengesetzten Ansichten etc. des Großkanzlers von Fürst und des Justiz-Ministers von Carmer in Betreff des von Letzterm entworfenen Justiz-Verbesserungsplans unterredete. Der König hatte Tags vorher einen heftigen Fieberanfall gehabt, von dem er noch sehr ermattet war, und sich daher während der ganzen Unterredung, die in Französischer Sprache geführt ward, im Bette befand. Seine Sprache war so schwach, daß der Präsident ganz nahe vor des Königs Bette treten mußte. Er dictirte, nach umständlicher Besprechung des Gegenstandes, dem von Rebeur seine Intention in 11 Puncten, und befahl ihm hiernach, ein Gesetz zur Beschleunigung der Prozesse zu entwerfen.
Als der Präsident das Harte des Carmerschen Antrags, "ach welchem sich die Parteien in Person stellen sollten, bemerkbar machte, sagte der König die denkwürdigen Worte: "Dans ce point-ci Vous avez parfaitement raison; il ne faut point traiter le Public avec dureté." Und bei der Gelegenheit, wo der Präsident in Betreff der Findelhäuser 136-+ äußerte: daß nicht allein uneheliche, sondern auch eheliche Kinder unvermögender Eltern dem Hause zur Last fallen würden, antwortete der König: "J'aime mieux les nourir aux dépens de l'état, que de les laisser périr chez les parens," und als von Rebeur um Erlaubniß bat, einen Vorschlag thun zu dürfen, sagte der König: "Dites hardiment tout ce que vous jugerez a propos."
<137>15. Januar 1776
Der Präsident von Rebeur verfaßte sogleich nach seiner Rückkehr in Berlin, nach den ihm vom Könige dictirten 11 Sätzen, das befohlene Gesetz zur Beschleunigung der Prozesse, unter dem Titel: "Neue Verordnung, um die Prozesse zu verkürzen," und übersandte es den 14ten an den König, welcher es den 15ten vollzog, wodurch der Entwurf des Justiz-Ministers von Carmer, der bald darauf nach Breslau zurückging, auf mehrere Jahre beseitigt wurde.
18. Januar 1776
Der König giebt den von der Kurmärkischen Landschaft auf seinen Befehl nach Potsdam geschickten Deputirten Audienz. Es waren: der Domdechant von Arnim, der Landes-Deputirte von Werdeck, Landrath von Luck und Kriegsrath Dietrich. Er empfing sie mit den Worten: "Kommen Sie herein, kommen Sie näher. Ich will jetzt nicht als König, sondern als Ihr Rathgeber, als Freund mit Ihnen sprechen. Es ist nöthig, daß Sie Sich mehr vereinigen, um eine so nützliche Sache zu Stande zu bringen, wie in Schlesien, wo die Sache excellent geht 137-+. Meine Absicht ist keine andere, als das Wohl des Staats, und die Erhaltung der Stände und des Adels, dessen Credit so gefallen ist. etc." (Diese merkwürdige Unterredung, welche ein neuer Beweis ist, sowohl von des Königs umfassenden Einsichten, als von seinem wahrhaft landesväterlichen Streben, das Wohl seiner Unterthanen zu befördern, findet sich in der 8. Sammlung der Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrich's d. Gr. Berlin, 1788, bei Unger, S. 108-118). S. Nachträge.
18. Januar 1776
An demselben Tage, dem Geburtsfeste des Prinzen Heinrich, schenkt der König diesem eine Tabatiere von großem Werth.
24. Januar 1776
Das Geburtsfest des Königs wird bei der Königin in Berlin gefeiert.
Außer den vorstehend genannten Personen waren in diesem Monat auch beim König : der Prinz Leopold von Braun<138>schweig, beide Prinzen von Würtemberg, Friedrich und Ludwig, und die Generale von Hordt und von Prittwitz.
Februar.
A.
Februar 1776
Der König in Potsdam.
13. Februar 1776
Der König an Voltaire:
- etc. - "Ich habe wieder einen heftigen Anfall vom Podagra gehabt, der mich sehr nieder hält. Die gute Jahreszeit muß nur zu Hülfe kommen, ehe ich meine Kräfte wieder erlangen kann.
Der Minister von Finkenstein, der Oestreichische Gesandte von Switen, die Generale von Krockow und von Prittwitz in Potsdam beim König (an verschiedenen Tagen).
B.
9. Februar 1776
Verlängerung des Octroi der Seehandlungs-Societät auf 20 Jahre, bis 1796.
März.
A.
März 1776
Der König in Potsdam.
17. März 1776
Der König an d'Alembert :
"Seit meinem letzten Briefe habe ich noch zwei Anfälle vom Podagra gehabt, doch jetzt habe ich mich von dieser häßlichen Krankheit geschieden, und glaube mich nun gänzlich von ihr befreit. etc. Der letzte Winter war hart, etc., indeß schreibe ich meine Krankheit nicht dem Ungestüm der Witterung zu. etc. Ich war neugierig zu wissen, wie lange die eisernen Uhren, die auf den Glockenthürmen sind, dauern können? Sachverständige haben mich versichert: höchstens zwanzig Jahre. Ist es also nicht zum Erstaunen, daß unser Geschlecht, dessen Organe von durchbrochener Drahtarbeit sind, und dessen Fleisch Koth und Erde besteht, länger ausdauert, als diese Uh<139>ren, die aus der härtesten Materie, welche wir kennen, verfertigt werden? Der Unterschied zwischen den Uhren und uns besteht darin : daß wir leiden, jene aber, wenn sie unrichtig gehen, keine schmerzhafte Empfindung haben. etc."
?? März 1776
Die Prinzen Heinrich und Ferdinand und Friedrich von Braunschweig, die Generale von Buddenbrock, von Prittwitz und der Minister von Finkenstein in Potsdam beim König (an verschiedenen Tagen).
B.
18. März 1776
Neuer Grenz-Tractat mit Polen.
20. März 1776
Der Prinz Heinrich tritt seine Reise nach Petersburg an. In seinem Gefolge befinden sich der General von Hordt und die Kammerherren von Wreech und von Kniephausen.
30. März 1776
In der Nacht zum 31sten starb auf seinem Gute Weissensee bei Berlin der Geh.-Rath, Landrath etc. Karl Gottlob von Rüßler, 76 Jahr alt.
April.
A.
April 1776
Der König in Potsdam und Sanssouci.
20. April 1776
Der König an Voltaire :
- etc. - "Wenn unser Geschlecht nicht Alles überhaupt mißbrauchte, so würde es keine bessere Einrichtung geben, als eine Gesellschaft, die das Recht hat, den Souverainen über Unbilligreiten, die so eben begangen werden sollen, Vorstellungen zu thun. In Frankreich sieht man, wie wenig diese Gesellschaft an das Wohl des Staates denkt. Herr Türgot hat in den Papieren seiner Vorgänger sogar die Summen gefunden, die es Ludwig XV gekostet hat, seine Parlamentsräthe zu bestechen, damit er, ich weiß nicht welche Edicte, registrirt bekäme. etc."
<140>23. April 1776
oder 24sten. Trifft der bekannte Graf Hoditz beim König in Potsdam ein. (S. oben Theil I. Seite 364).
26. April 1776
Der König geht von Potsdam nach Charlottenburg.
27. April 1776
Der König hält im Thiergarten bei Berlin über die daselbst aufgestellten Infanterie-Regimenter der Garnison Special-Revue, besucht alsdann in der Stadt die Prinzessin Amalie in ihrem Palais in der Wilhelmsstraße, und geht nach Charlottenburg zurück.
28. April 1776
Nach dem Berliner Thiergarten, wo er über die Kavallerie-Regimenter Special-Revue halt und dann nach Potsdam geht.
?? April 1776
Der Russische Geh., Rath von Vittinghof, der Minister von Finkenstein, der Dänische Gesandte von Larrey beim König in Potsdam.
B.
3. April 1776
Wird der Grundstein zum neuen Cadettenhause in der neuen Friedrichsstraße von dem General von Buddenbrock und dem Obersten von Enckevort gelegt.
13. April 1776
Ankunft des Prinzen Heinrich in Petersburg.
16. April 1776
Starb in Freienwalde der Ingenieur, Oberst Isaak Jakob Petri.
22. April 1776
Einweihung des neu erbauten Französischen Schauspielhauses in Berlin, mit dem Trauerspiele Polieucte von Corneille, und der Oprette La servante maitresse.
Mai.
A.
Mai 1776
Der König in Potsdam (Sanssouci).
16. Mai 1776
Der König hält Revue bei Potsdam.
16. Mai 1776
Schreibt an d'Alembert :
- etc. - "Mit meiner Gesundheit sieht es, wie es bei einem Greise stehen kann, der achtzehn Anfälle vom Podagra ausgehalten hat, und der seine Kräfte nicht sobald wieder erhält, als ein junger Mensch von 18 Jahren. Allein man wird mich allegorisch sterben lassen, so wie man mich Briefe im<141> Kärnerton schreiben läßt 141-+ und mir Ideen darin beilegt, die ich niemals gehabt habe. Ich bin Ihnen verbunden, daß Sie die Lüge des Zusammenschmierers jenes dummen Zeugs, welches er auf meine Rechnung hat setzen wollen, öffentlich gerügt haben. Ich meiner Seits könnte verlangen, daß die Regierung gegen den Urheber solcher Lüge eine Untersuchung anstellte, allein ich räche mich ungern, und es geziemt mir nicht, gegen diese Art von Kämpfern aufzutreten. Ich lese die Betrachtungen des Kaisers Mark Antonin, der mich lehrt, ich sei in der Welt, meinen Beleidigern zu verzeihen, nicht aber meine Macht zu ihrer Unterdrückung anzuwenden. etc."
19. Mai 1776
Der König nach Spandau und Charlottenburg.
20. Mai 1776 bis 23. Mai 1776
In Berlin, wo er Revue über die Truppen hält.
23. Mai 1776
Nach Potsdam.
24. Mai 1776
Nach Pitzpuhl bei Magdeburg zur Revue, wo er den 25sten früh um 7 Uhr ankommt.
26. Mai 1776 bis 28. Mai 1776
Kriegsübungen - den 27sten war der König in Cörbelitz.
29. Mai 1776
In Potsdam.
?? Mai 1776
Der Russische General von Rehbinder, der Spanische Gesandte von Lascy, der Erbprinz von Hessen-Darmstadt, der General von Krockow, und General von Tauenzien aus Breslau, ferner der Dänische Gesandte von Larrey, welcher vom König eine Tabatiere mit dessen Bildniß zum Geschenk erhält, an verschiedenen Tagen in Potsdam. Dem General von Ramin macht der König nach Beendigung der Revue ein Geschenk von 7000 Thlr.
B.
14. Mai 1776
Stirbt in Berlin der General-Lieutenant W. von Schorlemmer, 78 Jahr alt.
<142>19. Mai 1776
Verordnung in Betreff der Jesuiten, welche nach einem vom König selbst vorgeschriebenen Plan sich allein mit dem Unterricht der katholischen Jugend beschäftigen dürfen, ihre Ordenstracht und ihren bisherigen Ordensnamen ablegen, und Priester des Königl. Schul-Instituts genannt werden sollen. etc.
Juni.
A.
2. Juni 1776
Der König aus Potsdam nach der Neumark, Pommern und Westpreußen, zur Abhaltung der Musterungen. Ankunft in Stargard, Mittags um 12 Uhr. Daselbst Musterung bis den 4ten.
5. Juni 1776
Früh um 3 Uhr Abreise des Königs von Stargard nach Westpreußen.
7. Juni 1776
In Mockerau bei Graudenz.
14. Juni 1776
In Potsdam (Sanssouci).
16. Juni 1776
Die sämmtlichen Minister aus Berlin zum König nach Potsdam.
20. Juni 1776
Der Kapellmeister Reichardt Nachmittags um 3 Uhr beim König, der sich mit ihm wegen der Opern Attilius Regulus und Angelika und Medoro, die bei der Ankunft des Großfürsten von Rußland aufgeführt werden sollen, bespricht, und ihm aufträgt, einen Prolog dazu - hier bei ihm in Potsdam - zu componiren. Denselben Abend erlaubte der König dem Kapellmeister bei dem Concerte gegenwärtig zu sein, in welchem er (der König) drei Solos, dabei eins von seiner eigenen Composition, blies.
?? Juni 1776
Die Generale von Ramin, von Buddenbrock, von Prittwitz und von Schwerin in Potsdam beim König au verschiedenen Tagen.
B.
7. Juni 1776
Einrichtung des Cadettenhauses in Culm für den Adel der neu erworbenen Westpreußischen Länder.
<143>Juli.
A.
Juli 1776
Der König in Potsdam (Sanssouci).
9. Juli 1776
Der König an d'Alembert :
"Ich empfinde mit Ihnen das Unglück, welches Sie durch den Verlust einer Person erleiden, an welche Sie Sich gewöhnt hatten 143-+. Die Wunden des Herzens sind die empfindlichsten unter allen, und ungeachtet der trefflichen Grundsätze der Philosophen kann nur die Zeit sie heilen. Der Mensch ist ein Thier, das mehr Empfindung als Verstand hat. Zu meinem Unglück habe ich nur zu sehr erfahren, was man bei dergleichen Verlust leidet. Das beste Mittel ist, sich Gewalt anzuthun, um sich von einer schmerzhaften Idee loszureißen, die sonst zu tief in der Seele einwurzelt. Sie müssen eine mathematische Beschäftigung wählen, die viel Anstrengung erfodert, um, soviel Sie können, die traurigen Vorstellungen zu verbannen, die sich unaufhörlich erneuern, und die man nach Möglichkeit entfernen muß. Wüßte ich bessere Mittel, so würde ich sie Ihnen vorschlagen. Cicero, um sich über den Verlust seiner geliebten Tullia zu trösten, zerstreute sich durch Schreiben, und verfertigte verschiedene Aufsätze, von welchen einige bis auf uns gekommen sind. Unsere Vernunft ist zu schwach, um den Schmerz einer tödtlichen Wunde zu überwinden; etwas muß man der Natur nachgeben, und vorzüglich muß man sich sagen, daß bei Ihrem Alter, so wie bei dem meinigen, man sich eher trösten muß, weil wir nicht lange zögern werden, uns mit den Gegenständen unserer Klagen wieder zu vereinigen. Ich nehme mit Vergnügen die Hoffnung an, die Sie mir machen, einige Monate des nächsten Jah<144>res bei mir zuzubringen. Wenn ich es vermag, so werde ich aus Ihrer Seele die traurigen und schwermüthigen Vorstellungen verbannen, die ein unglücklicher Vorfall darin erzeugt hat. Wir wollen mit einander über das Nichts des Lebens, über die Thorheit der Menschen, über die Eitelkeit des Stoicismus und unsers ganzen Wesens philosophiren. Das sind unerschöpfliche Materien, die Stoff zu mehreren Folianten geben. Indessen bitte ich Sie, alle Mühe anzuwenden, die Sie nur können, damit nicht ein zu heftiger Schmerz Ihre Gesundheit zerrütte; ich nehme zu vielen Antheil daran, als daß ich dies mit Gleichgültigkeit ertragen könnte."
10. Juli 1776
Der König an Voltaire :
"Bei der Zurückkunft von einem Besuche bei meinen Halbwilden in Preußen finde ich hier zu meiner Stärkung den Brief, den Sie gütigst an mich geschrieben haben. Ich danke Ihnen für den Catéchisme des Souverains, eine Arbeit, die ich aus der Feder des Herrn Landgrafen von Hessen nicht erwartet hätte. Sie erzeigen mir zu viel Ehre damit, daß Sie mir seine Erziehung zuschreiben. Käme er aus meiner Schule, so wäre er nicht katholisch geworden, und hätte seine Unterthanen nicht an die Engländer verkauft. Diese Handlung sieht einem Fürsten, der sich zum Lehrer der Souveraine aufwirft, gar nicht ähnlich. etc. Wir haben hier erfahren, daß einige Französische Minister abgesetzt worden sind. Darüber wundere ich mich gar nicht. Ich stelle mir Ludwig XVI als ein junges Lamm vor, das alte Wölfe umgeben. Er ist sehr glücklich, wenn er ihnen entgeht. In Frankreich würde selbst ein Mann zu thun haben, der schon alle Uebung in der Regierungskunst hätte. Man würde ihm auflauern, ihn durch hinterlistige Winkelzüge verführen und zu falschen Schritten verleiten. Es ist also ganz natürlich, daß ein junger Monarch ohne Erfahrung sich von dem Strom der Kabalen und Intriguen hinreißen läßt. etc."
<145>12. Juli 1776
Der Prinz Ferdinand mit Gemalin, die Prinzessin Amalie, Prinz Friedrich von Braunschweig, Herzog Friedrich Eugen von Würtemberg mit Gemalin in Potsdam beim König, bis den 18ten, an welchen, Tage sie sämmtlich nach Berlin gehen.
18. Juli 1776
Der Russische Gesandte Fürst Dolgorucky zum König nach Potsdam.
20. Juli 1776
Der König zu Pferde nach Berlin. Er besieht hier die Bauten in der Leipziger Straße und am Dönhofschen Platz, so wie die neu angelegte Spittelbrücke.
21. Juli 1776
Vormittags besieht der König die zu Ehren des erwarteten Großfürsten Paul Petrowitsch von Rußland, am Bernauer Thore, an der Königs- und an der langen Brücke errichteten Ehrenpforten, desgleichen die neu erbauten Häuser in der Königsstraße. Abends empfängt er mit der Königin und dem ganzen Hof auf dem Schlosse den um 7 Uhr in Begleitung des Prinzen Heinrich ankommenden Großfürsten von Rußland, welcher seinen Einzug in die Stadt unter Paradirung des Militairs, der Schützengilde, der Kaufmannschaft, der Gewerke etc. und einer großen Menge Volks gehalten hatte.
23. Juli 1776
Vormittags nimmt der König die Wachtparaden wie gewöhnlich in Augenschein.
23. Juli 1776
Auf dem Königl. Schlosse geschieht in Gegenwart des Königs, der Königin und des ganzen Hofes etc. die feierliche Verlobung des Großfürsten mit der Prinzessin Sophie Dorothee Louise, Tochter des Herzogs Friedrich Eugen von Würtemberg. Alsdann große Cour, beim König Tafel, wo vom goldenen Service gespeist wird, Abends Ball paré.
24. Juli 1776
Große Tafel bei der Königin. Abends Oper : Angelika u. Medoro.
25. Juli 1776
Der Prinz Ferdinand giebt dem Großfürsten im Thiergarten, an dem Ufer der Spree, im Freien, zwischen Bellevue und den Zelten, ein Dejeuné, wobei sich der ganze Hof und die fremden Herrschaften befanden. Der Platz erhielt den Namen: der Großfürstenplatz. Abends im Opernhause Redoute.
<146>26. Juli 1776
Der König, die Prinzen des Königl. Hauses, der Großfürst und die fremden Herrschaften nach Charlottenburg, und nach der Mittagstafel nach Potsdam, wo der Großfürst, wie in Berlin, von Militair und Bürgerschaft feierlich eingeholt wurde. Der Zug ging durch die Stadt, unmittelbar nach dem neuen Palais in Sanssouci, wo Abends die Opera buffa: la Retornale di Londra gegeben ward. Die Königin und die Königl. Prinzessinnen waren in Berlin geblieben.
29. Juli 1776
Im Schlosse in der Stadt Franz. Comödie: le misanthrope.
30. Juli 1776
Der König und sämmtliche Herrschaften von Potsdam nach Charlottenburg und dann nach Berlin. Abends mit der Königin und dem ganzen Hof bei dem Prinzen Heinrich zur Tafel und zum Concert.
Die Festlichkeiten, welche bei der Ankunft und dem Aufenthalt des Großfürsten am Königl. Hofe Statt fanden, sind ausführlich beschrieben in dem Buche: Ausführliche Beschreibung der Reise des Großfürsten von Rußland Paul Petrowitsch von Petersburg nach Berlin etc. Berlin, 1776.
B.
4. Juli 1776
Die dreizehn vereinigten Staaten von Nordamerika erklären sich für frei und unabhängig.
August.
A.
August 1776
Der König in Berlin.
5. August 1776
Abreise des Großfürsten von Rußland. Der König geht nach Potsdam (Sanssouci).
14. August 1776
Der König von Potsdam nach Schlesien zur Revue, mit dem gewöhnlichen Gefolge, dem Prinzen von Preußen, Prinzen Friedrich von Braunschweig, den beiden Prinzen von Würtemberg, Friedrich und Ludwig, dem General von Prittwitz etc.
In Bolkenhain erkundigte sich der König nach seinem ehemaligen Wirth, dem Prediger Ulbert; da er eben gegen<147>wärtig war, trat er hervor, und hielt eine Rede an ihn, darin er auch seinen Dank gegen Gott für die Wiederherstellung des Königs von seiner Krankheit aussprach, wovon der König sehr gerührt wurde.
26. August 1776
Der König aus Neisse in Breslau.
29. August 1776
Von Breslau nach dem Hauptquartier Malkwitz.
B.
19. August 1776
Bestätigung des Credit-Reglements für Pommern.
September.
A.
1. September 1776
2. September 1776
Der König bei den Manövres bei Malkwitz.
Während der König in Schlesien war, beschenkte er den Commandanten von Silberberg mit einer goldenen Medaille, welche auf den Besuch des Großfürsten in Berlin war geprägt worden.
2. September 1776
Abreise nach Potsdam.
4. September 1776
Ankunft in Potsdam (Sanssouci).
6. September 1776
Die Minister von Derschau und von Gaudi beim König in Potsdam.
7. September 1776
Der König an Voltaire: "Man erzeigt mir in der Schweiz viel Ehre, daß man von mir spricht. etc. Wirklich war ich im vorigen Winter krank; aber seit meiner Genesung befinde ich mich fast eben so, wie vorher. Vielleicht giebt es Leute in der Welt, denen ich zu lange lebe, und die meine Gesundheit deshalb verläumden, weil sie glauben, wenn sie viel davon reden, so könne ich den gefährlichen Sprung wohl eben so geschwind machen, als sie es wünschen. Ludwig XIV und XV ermüdeten durch ihre lange Regierung die Geduld der Franzosen. Ich stehe nun sechs und dreißig Jahre am Ruder; vielleicht mißbrauche ich, wie sie, das Privilegium zum Leben, und bin nicht gefällig genug, dann aufzubrechen, wenn man meiner überdrüssig ist.
Die Methode, mich nicht zu schonen, habe ich noch wie<148> sonst, je mehr man sich in Acht nimmt, desto empfindlicher und schwächer wird der Körper. Mein Stand verlangt Arbeit und Thätigkeit; mein Leib und mein Geist beugen sich unter ihre Pflicht. Daß ich lebe, ist nicht nothwendig, wohl aber, daß ich thätig bin. Dabei habe ich mich immer wohl befunden. etc. Ich habe bei allen Festen zugegen sein können, die man dem Großfürsten gegeben hat. etc.
Während der Anwesenheit des Großfürsten, ist auch Herr Grimm hier gewesen. Er hat Sie krank gesehen, und darüber habe ich mich beunruhigt. Als ich aber die Zeit nachrechnete, brachte ich heraus, daß Sie schon ganz wieder hergestellt wären. etc.
Da wäre ich wieder aus Schlesien zurück, wo ich so gut ein Oekonom gewesen bin, als Sie in Ferney. Ich habe Sümpfe urbar gemacht, Dörfer und Manufakturen angelegt, desgleichen einige abgebrannte Städte wieder aufgebaut. In Breslau hat sich mir ein gewisser Herr de Ferriere, Kabinets-Ingenieur, vorstellen lassen. Er behauptet, Sie zu kennen. Ohne Zweifel weiß er, daß dieser Umstand bei mir so viel gilt, als eine Empfehlung. etc. Ehemals wallfahrteten Schwachköpfe nach Jerusalem und Loretto; gegenwärtig reist jeder, der sich Kopf zutraut, nach Ferney, um, wenn er wieder nach Hause gekommen ist, sagen zu können: Ich habe Ihn gesehen. etc."
7. September 1776
Der König an d'Alembert: "Ihr Brief, mein lieber d'Alembert, ist mir bei meiner Zurückkunft aus Schlesien zugestellt worden. Ich sehe, daß Ihr zärtliches Herz noch stets gefühlvoll ist, und mache Ihnen darüber keinen Vorwurf; die Kräfte unserer Seele haben ihre Grenzen; man muß nichts über das Mögliche hinaus fodern. Wollte man, ein sehr starker Mensch sollte das Louvre durch starkes Anstämmen seiner Schultern umstürzen, so würde er damit nicht zum Zweck kommen; hieße man ihn aber eine Last von hundert Pfunden aufheben, so könnte<149> er das ins Werk setzen. Eben so ist es mit der Vernunft; Hindernisse, die ihren Kräften angemessen sind, kann sie besiegen, aber es giebt andere, wobei sie nachgeben muß. Die Natur hat gewollt, daß wir Gefühl haben sollten, und nie wird uns die Philosophie zur Apathie bringen. Und gesetzt, dies sei möglich; so wäre es der Gesellschaft schädlich, denn man würde nicht mehr beim Unglück Anderer Mitleid fühlen, und das Menschengeschlecht hart und unbarmherzig werden. Unsere Vernunft soll uns dienen, alles das, was überspannt in uns ist, zu mäßigen, nicht aber den Menschen im Menschen zu vernichten. Beklagen Sie also Ihren Verlust, mein Lieber! Ich setze noch hinzu, daß der Verlust der Freundschaft sich nicht ersetzen läßt; und daß Jeder, der fähig ist, den Werth der Dinge zu schätzen, Sie für würdig halten muß, Freunde zu besitzen, weil Sie zu lieben wissen. Jedoch, da es über die Kräfte der Menschen, und sogar der Götter, hinausgeht, das Vergangene zu ändern; so müssen Sie auf der andern Seite daran denken, Sich Ihren übrigen Freunden zu erhalten, um diesen nicht den tödtenden Schmerz zu verursachen, den Sie jetzt empfinden. Ich habe Freunde und Freundinnen gehabt, ich habe fünf oder sechs derselben verloren, und fast hätte mich der Schmerz darüber getödtet. Durch eine Wirkung des Zufalls erlitt ich diesen Verlust während der verschiedenen Kriege, die ich geführt habe, und wo ich in der Nothwendigkeit war, beständig verschiedene Anordnungen zu treffen. Diese Zerstreuungen unumgänglicher Pflichten haben mich vielleicht abgehalten, unter meinem Schmerz zu erliegen. Recht sehr wünschte ich, daß man Ihnen ein sehr schweres Problem aufzulösen vorlegte, damit diese Anstrengung Sie nöthigte, an etwas anderes zu denken. In der That giebt es nur dies Mittel und die Zeit. Wir gleichen den Flüssen, die ihren Namen behalten, aber deren Wasser sich stets verändert. Wenn ein Theil der kleinen Bestandtheile, woraus wir zu<150>sammen gesetzt wurden, durch andere ersetzt worden ist; so verliert sich die Erinnerung der Gegenstände, welche uns Vergnügen oder Schmerz gemacht haben, weil wir in der That nicht mehr dieselben sind, und weil die Zeit uns unaufhörlich erneuert. Dieses ist eine Trostquelle für die Unglücklichen, von welcher jeder denkende Mensch Gebrauch machen muß.
Ich hatte mich meinetwegen über die Hoffnung, die Sie mir zu einem Besuch gaben, gefreut, jetzt freue ich mich auch Ihretwegen darüber. Sie werden andere Gegenstände, andere Personen sehen. Ich verspreche Ihnen zum voraus, daß ich, was von mir abhängen wird, thun werde, um Alles aus Ihrem Gedächtnisse zu entfernen, was Sie an traurige und unangenehme Gegenstände erinnern könnte; und ich werde eben so viel Freude darüber empfinden, Sie beruhigt zu haben, als wenn ich eine Schlacht gewonnen hätte. Nicht etwa, als hielte ich mich für einen großen Philosophen, sondern weil ich die unglückliche Erfahrung von Ihrer Lage gemacht habe, und weil ich mich daher geschickter glaube, Sie zu beruhigen, als ein Anderer. Kommen Sie also, mein lieber d'Alembert. Sein Sie versichert, daß Sie werden gut aufgenommen werden, und daß Sie zwar nicht vollkommene Heilmittel für Ihre Leiden, aber doch lindernde und beruhigende Mittel finden werden. etc."
11. September 1776
Der König unterzeichnet die Schenkungs- und Bestätigungs-Urkunde aller bisher den Vasallen und Unterthanen geschenkten Grundstücke und Gelder.
11. September 1776
Adends langt der König auf dem Gesundbrunnen bei Berlin an, und übernachtet daselbst.
12. September 1776
Früh wohnt der König auf dem Wedding dem Artillerie-Manövre bei, und läßt unter die sämmtlichen Corps ein ansehnliches Geschenk an Geld vertheilen. Alsdann besieht er die vor dem Oranienburger Thore aufmarschirten Wachtparaden, begiebt sich hierauf nach der Stadt, wo er den Bau<151> der Spittelbrücke in Augenschein nimmt, und nach Potsdam zurückkehrt.
13. September 1776
Der Minister von Finkenstein, der Englische Gesandte Harris und der Dänische Gesandte Baron von Rosenkron beim König in Potsdam.
16. September 1776
Desgleichen der Dänische Gesandte am Russischen Hofe, General-Major von Ahlefeld.
20. September 1776
Anfang der gewöhnlichen Herbstmanövres bei Potsdam. Den 23sten Beschluß derselben.
25. September 1776
Die Würtembergischen Herrschaften, welche den Großfürsten von Rußland bis Memel begleitet hatten, und vor Kurzem nach Berlin zurückgekommen waren, begeben sich nach Potsdam zum König, wo sich auch der Erbprinz von Braunschweig befand.
Ende dieses Monats traf auch die regierende Herzogin von Braunschweig in Potsdam ein.
Oktober.
A.
Oktober 1776
Der König in Potsdam (Sanssouci).
22. Oktober 1776
Schreibt an Voltaire: "Nun sind es bald zwei Monate, seitdem kein Tropfen Honigthau aus Ferney auf das Gestade des Baltischen Meeres gefallen ist. Die seinsollenden Musen und die Einwohner unsers sandigen Parnasses vertrocknen ersichtlich, und man könnte sie schon durch und durch sehen, wenn ihnen nicht gewisse Commentare 151-+, ich weiß selbst nicht über was für ein Buch, in die Hände gefallen wären. etc. Hier haben Sie Verse, die ein Träumer 151-++ noch vor der Ankunft des herrlichen Commentars fabricirt hatte. etc."
<152>22. Oktober 1776
Der König an d'Alembert: "Da haben Sie einen ganzen Haufen Verse, deren Sie, wie ich glaube, wohl entbehrt hätten. Indeß dachte ich, daß einige ziemlich ernsthafte Betrachtungen der sanften Melancholie, worin ich Sie versenkt glaube, angemessen wären. Diese Verse verlangen nichts, als zerrissen zu werden; es sei nun vor oder nach dem Lesen, das ist alles, was sie verdienen. Ich meiner Seits sehe mit Ungeduld den schönen Herbst, den wir jetzt haben; ich frage: wann wird der Winter kommen? um nachher wieder zu fragen, wann kommt der Frühling, und endlich jener Sommer, der mir das Vergnügen schaffen wird, Sie wiederzusehen?" Der übrige Theil des Briefes enthält mehrere scherzhafte Aeußerungen über den Ritter d' Eon in Frankreich, der zu einem Fräulein d' Eon geworden sein soll. etc.
26. Oktober 1776
Der König an d 'Alembert 152-+: "Man hat ein Sprichwort, mein lieber d'Alembert, welches oft nur zu wahr ist : "Ein Unglück kommt nicht allein." Ich würde sehr in Verlegenheit sein, einen Grund, der sich hören ließe, davon anzugeben; aber darum zeigt die Erfahrung nicht minder, daß es oft zutrifft. Da ist nun die Madame Geoffrin 152-++ mit einer Lähmung befallen; allem An<153>schein nach wird sie bis zum Winter hinschmachten, und dann durch einen zerstörenden Schlagfluß dem Leben entrissen werden.
Es thut mir leid, Ihret- und der Wissenschaften wegen, die sie ehrte. Aber wahrscheinlich wissen Sie, daß sie nicht unsterblich war. Die Todten sind, wenn man es genau überlegt, nicht zu beklagen, sondern ihre Freunde, die sie überleben. Der Zustand der Menschen ist so vielen schrecklichen Unfällen unterworfen, daß man sich vielmehr über den entscheidenden Augenblick, der ihre Mühseligkeiten endigt, erfreuen sollte, als über den Tag ihrer Geburt. Allein die Betrachtungen, die man über sich selbst anstellt, sind betrübend; man fühlt sein Herz zerrissen, wenn man sich auf immer von denen getrennt sieht, die durch ihre Tugenden unsere Achtung, durch ihre Redlichkeit unser Vertrauen, und unsere Zuneigung durch eine unerklärliche Sympathie verdienten, die sich bisweilen bei Neigungen und bei der Denkungsart findet. Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß man in unserem Alter dergleichen Verbindungen nicht mehr anknüpft, in der Jugend müssen sie geschlossen werden, durch Umgang gestärkt und durch erprobte Rechtschaffenheit befestigt sein. Wir haben nicht mehr die Zeit, dergleichen Bande zu knüpfen; die Jugend ist nicht dazu gemacht, sich in unsere Denkungsart zu schicken. Jedes Zeitalter hat seine eigene Art und Bildung; man muß sich an seine Zeitgenossen halten, und wenn diese Abschied nehmen, muß man hurtig Anstalt machen, ihnen zu folgen. Ich gestehe, gefühlvolle Seelen können Gefahr laufen, bei wiederholtem Verluste von Freunden völlig zu erliegen, allein welch eine Menge unaussprechlicher Vergnügungen genießen sie auch nicht, die auf immer jenen ehernen Herzen, jenen unempfindlichen Seelen unbekannt sein<154> werden (wiewohl ich zweifle, daß es dergleichen giebt)! Alle diese Betrachtungen, mein lieber d'Alembert, trösten freilich nicht. Könnte ich Todte erwecken, so würde ich es thun. Sie wissen, daß diese schöne Kunst verloren gegangen ist. Wir müssen uns mit dem begnügen, was von uns abhängt. Wenn ich traurig bin, so lese ich das dritte Buch des Lucrez, und das tröstet mich. Es ist ein Mittel auf eine Zeit lang; allein für die Krankheiten der Seele haben wir keine andere. Ich hatte Ihnen vorgestern geschrieben, und, ich weiß nicht wie, mir einen Scherz 154-+ erlaubt. Heute, als ich Ihren Brief las 154-++, machte ich mir deshalb Vorwürfe. -
Meine Gesundheit ist noch nicht völlig wieder hergestellt. Ich habe ein Geschwür am Ohr gehabt, welches mir viele Schmerzen verursachte. Die Natur schickt uns Krankheiten und Kummer, um uns dieses Leben, welches wir verlassen sollen, zu verleiden; ich verstehe sie auf das halbe Wort, und ergebe mich in ihre Rathschlüsse. etc."
Der Minister von Finkenstein, der Prinz Friedrich Leopold von Braunschweig und der Russische Gesandte Fürst Dolgorucky an verschiedenen Tagen beim König in Potsdam.
B.
4. Oktober 1776
Conföderation und ewige Union der 13 vereinigten Staaten von Nordamerika, geschlossen zu Philadelphia.
17. Oktober 1776
Stirbt in Berlin der General-Major Ernst Julius von Koschenbar, 62 Jahr alt.
<155>November.
A.
November 1776
Der König in Sanssouci und in Potsdam.
17. November 1776
Der König an den Präsidenten der Russisch Kaiserlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Petersburg, welcher ihn im Namen der Gesellschaft um die Erlaubniß gebeten hatte, ihn zu ihrem Mitgliede aufnehmen zu dürfen (mitgetheilt in meinen Beiträgen I. 414).
29. November 1776
Der König an d'Alembert :
- etc. - "Ich wünschte, daß meine Briefe Ihnen einige Erleichterung zu schaffen fähig gewesen wären; in dieser Absicht wurden sie geschrieben. Sehr wohl thun Sie daran, Sich zu zerstreuen; bleiben Sie nur dabei, die Zeit wird das Uebrige thun. Die Hauptsache ist: zu hindern, daß der Geist sich beständig auf einen einzigen Gegenstand hefte. Dieser Gegenstand ist, wie Sie sehr richtig sagen, viel umfassender, als man denkt; Alles, was ihn umgiebt, ist dunkel, ist sehr geschickt, die Blendwerke der Welt zu vernichten, uns von dieser Herberge, wo wir nur einkehren, los zu machen, uns an unsere kurze Dauer zu erinnern, den Stolz der Eigenliebe zu demüthigen, und zugleich uns von unserem Nichts zu überzeugen. Ich gestehe, daß diese Ideen sich nicht sonderlich zu Carnevals-Lustbarkeiten schicken, indeß ist es gut, sie einmal angestellt zu haben, um die Dinge nach ihrem wahren Werthe schätzen zu können. Dadurch wird das Vergnügen weniger lebhaft, aber vernünftiger; man sieht, daß keine Zeit zu verlieren ist, und daß es sehr thöricht sein würde, wenn man sich nicht eines wirklichen Gutes zu Nutze machen wollte, um chimärischen Thorheiten nachzulaufen. Auf diese Art muß man schwarzen Betrachtungen das Bittere benehmen, und sie mit rosenfarbenen Schattirungen vermischen, um des Lebens Bürde zu ertragen, und sie nicht ganz unausstehlich zu finden. etc. Alles, was man seinen Freunden schuldig ist,<156> besteht in zärtlichem Andenken an ihre Tugenden, und wenn man kann, in Hülfsleistungen gegen ihre Nachkommen und in Unterstützung derer, welche ihnen werth waren. Aller Anschein giebt zu erkennen, daß Madame Geoffrin ihrer Krankheit nicht entgehen wird. Allein welche Wuth des Fanatismus, die gegen eine sterbende Frau ausbricht, und sie hindert, ihre Freunde zu sehen, und so zu sterben, wie sie wünscht! Ich kann mich von meinem Erstaunen nicht wieder erholen. Ja, Frankreich besitzt Philosophen, aber ich behaupte, daß der größte Theil der Nation abergläubischer ist, als irgend ein Volk in Europa. etc. Kurz, hundert Beispiele zeigen, daß der unglückliche Sauerteig des Fatanismus noch in Frankreich gahrt, und daß er sich unter allen Europäischen Ländern dort am längsten erhalten wird. Dank sei dem Fatum, daß Deutschland von Tage zu Tage duldsamer wird. etc.
Ich habe die Rose am Beine gehabt, wo ein großes Geschwür unter dem Knie entstand, ich mußte es öffnen lassen, in einigen Tagen wird sich die Wunde schließen.
Sie rathen richtig, daß es meine Absicht ist, die wenige Zeit über, die ich noch werde zu leben haben, meinem Vaterlande, so wie meinen Zeitgenossen, nützlich zu sein. Die Pflicht des Menschen ist : seinen Mitmenschen in Allem, was von ihm abhängt, nütztlich zu sein. Das ist der Inbegriff der Moral, und ein wohl gesinntes Herz wird mit sich selbst unzufrieden sein, wenn es diese Pflicht nicht erfüllt. etc."
Dezember.
A.
Dezember 1776
Der König in Potsdam. Er ging diesen Monat nicht nach Berlin.
?? Dezember 1776
Der in den ersten Tagen in Berlin angekommene Fürst-Bischof von Ermeland von Krasicky zum König nach Potsdam.
<157>25. Oktober 1776
Der Prinz und die Prinzessin von Preußen beim König zur Tafel.
Der König verleiht der Aebtissin und den Chanoinessen des Stifts Heiligen-Grade, aus besonderer Gnade, die Berechtigung, außer dem bereits habenden Ordenszeichen noch einen auf der linken Seite des Kleides eingestickten Stern zu tragen. Der König schenkt dem General von Ramin ein schönes Pferd mit kostbarem Sattel und Zeug, dem Würtembergschen Minister, Baron von Kniestädt, bei dessen Abschied, eine Tabatiere mit Brillanten besetzt, und dem Geh.-Nath von Brenkenhof zwei Colonien: Brenkenhofsthal und Papsteinsthal, bei Lauenburg in Pommern.
B.
20. Dezember 1776
Anfang des Carnevals. Sonntag Abend: Cour bei der Königin; Montag : Oper; Dienstag : Redoute; Mittwoch : Französisches Schauspiel; Donnerstag : Cour bei der Königin; Freitag : Oper; Sonnabend : Ruhe. Nachdem der König im folgenden Januar sich nach Berlin begab, litt diese Ordnung einige Abänderung.
Die beiden Opern waren : 1) Angelika und Medoro, 2) Cleofide. Französisches Schauspiel : Alzire.
136-+ Nach Beendigung der Besprechung über die Justiz-Verbesserung unterhielt sich der König mit dem Präsidenten noch über andere Gegenstände, unter andern über die schicklichsten Mittel, dem Verbrechen des Kindermordes vorzubeugen.
137-+ Der König meint das 1769 in Schlesien enichtete Creditsystem. Siehe Rödenbeck's Beitrage Thl. II. S. 380.
141-+ Es ist hier von einem untergeschobenen Briefe die Rede, welchen der König an d'Alembert geschrieben haben soll, in welchem die Franzosen herabgesetzt, Voltaire ein altes Weib und die Berliner Akademie dummköpfig genannt wird. Er steht in de la Veaux : Vie de Frédéric II etc. Strasbourg, 1788, Tom IV. p. 257.
143-+ Mademoiselle d'Espinasse. S. oben I. Thl. II, Abthl. S. 542. Von ihren vortrefflichen Briefen ist 1809 eine Deutsche Uebersetzung in 2 Bänden von Spazier erschienen.
151-+ La Bible enfin expliquée par plusierurs Aumoniers de Sa Maj. le Roi de Prusse etc. Ettingersche Ausgabe von Volt. oeuv. T. 34, 35.
151-++ Die in diesem Briefe und in dem nachstehenden an d'Alembert erwähnten Verse scheinen verloren zu sein.
152-+ Dieser Brief steht in den hinterlassenen Werken unter dem 26. Oktober 1777. Er gehört aber offenbar hierher ins Jahr 1776, und ist eine Antwort auf d'Alembert's Brief vom 7. Oktober 1776. Auch beweisen es schon die beiden ersten Zeilen von d'Alembert's Antwort vom 14. November 1776, und mehrere Stellen dieses Briefes, so wie sein Schreiben vom 27. November 1777.
152-++ Madame Geoffrin, eine an Geist und Herzen gleich verehrungswürdige Frau; d'Alembert hatte dreißig Jahre ihre Freundschaft genossen. Schon im Jahre 1760, wo seine Glücksumstände unter dem Mittelmäßigen waren, hatte sie ihm ein Einkommen von 600 Liv. ausgesetzt und fügte noch eine Leibrente von 1300 Liv. hinzu, die er nach ihrem Tode genießen sollte. Auf gleiche Weise unterstützte sie noch mehrere Gelehrte, Künstler und viele andere Personen. Sie starb gegen Ende Oktobers 1777. Geboren war sie am 2. Juni 1699.
154-+ Hier muß des Königs Brief vom 22sten gemeint sein, in welchem er über den Ritter d'Eon scherzt.
154-++ Wenn der König hier einen andern Brief von d'Alemdert meint, als den vom 7. Oktober (den er wieder gelesen), so muß er verloren gegangen sein.