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Ein Mann in seinen Jahren konnte und durfte sich auf den Verkehr mit Toten nicht beschränken; er mußte auch die Gesellschaft der Lebenden genießen. Darum ging er die Ehe mit einem Mädchen ein, das die seltenen Gaben der Schönheit, Tugend und Klugheit vereinigte: Susanne Perreault, die ihm in den fünf Jahren ihrer Ehe zwei Töchter schenkte.

Derselbe Geist, der den Menschen die Neigung zur Wissenschaft einstößt, treibt sie auch zu treuer Pflichterfüllung. Je sicherer das Urteil, je klarer die Begriffe, je folgerichtiger das Denken, desto mehr neigt der Mensch zur makellosen Erfüllung seiner Berufspflichten, welches Amt ihm auch anvertraut sei. So handelte auch Jordan. Gab es Zwistigkeiten in der Herde, deren Seelenhirt er war, er brachte ihr Worte des Friedens und arbeitete mit unermüdlicher Tatlusi an der Versöhnung der Geister. Er tröstete die Betrübten. Er ließ sein Studium, sein Weib und alles, was ihm teuer war, im Stich, um denen die Ruhe und den Seelenfrieden wiederzugeben, die sie durch schweren Kummer und geringe Selbstbeherrschung verloren hatten. Kranke und Sterbende, mochten sie auch dem niedrigsten Stande, dem verachtetsten Menschenschlag angehören, fanden bei Jordan mitfühlenden, liebevollen Beistand in ihren letzten Stunden. Ohne ihn wären sie in ihrem Leiden ohne Hilfe gewesen und ohne Tröstung gestorben.

Durch seinen stets dienstfertigen Charakter, seine sich nie verleugnende Herzens, güte, seinen unerschöpflichen Schah an Menschenliebe, kurz durch alle seine guten Eigenschaften erwarb sich Jordan die Liebe und Achtung aller Franzosen, die in, folge der Widerrufung des Edikts von Nantes (1685) nach Prenzlau gekommen waren. Nahm er aber an ihrem Unglück und ihren Trübsalen Anteil, so waren sie ebenso mitfühlend beim Tode seiner Frau, die er im März 1732 verlor. Bei der Lebhaftigkeit seines Temperaments und der Macht der Leidenschaften über die Jugend vermochte Jordan diesen Verlust nicht mit stoischer Ruhe zu ertragen: ein wahres Bild der menschlichen Ohnmacht, die uns zwar mit Vernunftgründen über die Schwäche der andren triumphieren läßt, uns aber die Waffen entwindet, wenn das Unglück uns selbst trifft! Schmerz und Kummer nagten an ihm. Seine Gesundheit litt darunter derart, daß er mehrfach Blut hustete und fast seiner Gattin ins Grab nachgefolgt wäre. Seine Krankheit artete in Schwermut aus. Unter diesem Vorwand legte er die geistliche Würde nieder, um in Berlin die Freuden des Studiums und der Ruhe zu genießen.

Bei derartigem Herzenskummer ist die Betrübnis um so hartnäckiger, als man sie durch ein edles Motiv gerechtfertigt glaubt. Alles, was an den erlittenen Verlust gemahnt, reißt die Wunde von neuem auf, und Beständigkeit und Treue bohren den Dolch der Schwermut hinein. Ablenkung und Zeit allein vermögen sie zu heilen.

Solche Gründe, verbunden mit dem Drängen seiner Verwandten, bestimmten Jordan zu einer Reise nach Frankreich, England und Holland. Ihm lag nichts daran, das Schauspiel der wechselnden Weltbühne zu genießen. Bei seiner Neigung