<178> wenn die Wahl dieser Stoffe nicht mit Urteil und Kenntnis erfolgt. Er hatte seine Lohgerber, die für ihn arbeiteten und auf die er sich verlassen konnte. Damit das Publikum mit seiner Arbeit zufrieden war, ließ er diese Grundstoffe aus Vorsicht in seiner Werkstätte lagern, um sich selbst zu vergewissern, ob sie dauerhaft und tadellos wären.

Vergleicht nun Euer Tun mit dem seinen und erfahrt den Unterschied! Mathias Reinhart wählte sich die Mittel aus, die zum vorgesteckten Ziel führen müssen; Ihr aber untersucht nicht, auf welche Weise Ihr zum Ziel gelangen könnt. Ihr laßt Euch von Eurer Unbesonnenheit und vom Zufall leiten. Er prüfte alles selbst, Ihr aber verlaßt Euch auf den ersten besten, der zu Euch kommt und Einfluß auf Euch erlangt. Er übte weise Vorsicht, Ihr aber wißt nicht einmal, was das ist. Er wollte Vollkommenheit in seiner Kunst erreichen; Ihr aber laßt es bei Selbstgefälligkeit und Leichtfertigkeit bewenden. Es genügte ihm nicht, über seine Arbeiter zu schalten; er lehrte sie auch seine Arbeitsweise, hielt sie zur Genauigkeit an, verwarf alles Mangelhafte und arbeitete selbst, um zugleich Lehrer und Vorbild zu sein. Er strebte nicht danach, Meister zu werden, sondern seine großen Talente erhoben ihn dazu. Ihr dagegen bewerbt Euch um Ämter, ohne die nötige Fähigkeit zu besitzen. Habt Ihr sie dann erlangt, so besorgen Eure Untergebenen die Arbeit, und Ihr begnügt Euch damit, das Gehalt einzustreichen und vor der Welt zu repräsentieren. Tut Ihr aber etwas, so sind es nur Ränke, die Ihr zum Schaden des Publikums spinnt; und so gereichen die Würden und Titel, die Ihr bekleidet, Euch nicht zur Ehre, sondern zur Beschämung und Schande.

Ihr Halbgötter der Erde, Ihr Mächtigen, die die Vorsehung einsetzte, um weite Länder mit Menschlichkeit und Weisheit zu regieren, errötet, daß ein armer Schuster Euch beschämt und Euch Eure Pflichten lehrt, daß das Beispiel seines arbeitsreichen Lebens Euch zeigt, was die Völker, die Ihr glücklich machen sollt, von Euch fordern. Der Himmel hat Euch nicht erhöht, damit Ihr beim Lied Eurer Schmeichler auf dem Throne einschlummert, sondern für das Wohl der Abertausende arbeitet, die Euch Untertan und doch Euresgleichen sind. Ihr wurdet nicht so hoch gestellt, um Wochen, Monde und Jahre in den Wäldern zu verbringen und dort ohne Unterlaß die wilden Tiere zu jagen, die Euch fliehen, und Euch der verächtlichen Geschicklichkeit zu berühmen, mit der Ihr sie erlegt. An sich wäre das eine unschuldige Zerstreuung, wenn Eure Mordlust nicht ein Handwerk daraus machte1. Während die Straßen in Euren Ländern verfallen, die Städte von jenem abstoßenden Volk heimgesucht werden, das unser Mitleid und die öffentliche Fürsorge erheischt, während der Handel in Euren Staaten daniederliegt, der Gewerbfleiß nicht aufgemuntert wird und selbst die Regierung voller Mängel ist, gewöhnt Ihr Eure Arme an Mord, Eure Augen an Blut, Euer Herz an Fühllosigkeit. Wozu seid Ihr Fürsten? Um wilde Tiere zu


1 Vgl. „Antimachiavell“, Kap. XIV (Bd. VII, S. 55 ff.).