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Das Testament vom 8. Januar 1769

Unser Leben führt uns mit raschen Schritten von der Geburt bis zum Tode. In dieser kurzen Zeitspanne ist es die Bestimmung des Menschen, für das Wohl der Gemeinschaft, deren Mitglied er ist, zu arbeiten. Seit dem Tage, da mir die Leitung der Geschäfte zufiel, war es mein ernstes Bemühen, mit allen Kräften, die mir die Natur verliehen, und nach Maßgabe meiner schwachen Einsicht den Staat, den zu regieren ich die Ehre hatte, glücklich und blühend zu machen. Ich habe dem Recht und den Gesetzen zur Herrschaft verholfen, habe Ordnung und Klarheit in die Finanzen gebracht und im Heere die Mannszucht erhalten, die ihm seine Überlegenheit über die anderen Truppen Europas verschaffte. Nachdem ich diese Pflichten gegen den Staat erfüllt habe, hätte ich mir ewige Vorwürfe zu machen, wenn ich die Angelegenheiten meiner Familie vernachlässigte. Zur Abwendung von Zerwürfnissen unter meinen Angehörigen, die wegen meiner Erbschaft entstehen könnten, erkläre ich in dieser feierlichen Urkunde meinen letzten Willen.

1. Gern und ohne Klage gebe ich meinen Lebensodem der wohltätigen Natur zurück, die ihn mir gütig verliehen hat, und meinen Leib den Elementen, aus denen er besteht. Ich habe als Philosoph gelebt und will als solcher begraben werden, ohne Gepränge, ohne feierlichen Pomp. Ich will weder geöffnet noch einbalsamiert werden. Man bestatte mich in Sanssouci auf der Höhe der Terrassen in einer Gruft, die ich mir habe Herrichten lassen. Prinz Moritz von Nassau287-1 ist in gleicher Weise in einem Wäldchen bei Kleve beigesetzt worden. Sterbe ich in Kriegszeiten oder auf der Reise, soll man mich im ersten besten Orte beisetzen und im Winter nach Sanssouci an die bezeichnete Stätte bringen.

2. Meinem lieben Neffen Friedrich Wilhelm, dem Thronfolger287-2, hinterlasse ich das Königreich Preußen, die Provinzen, Staaten, Schlösser, Festungen, Munition, Zeughäuser, die von mir eroberten oder ererbten Länder, alle Kronjuwelen (die sich in Händen der Königin und seiner Gemahlin287-3 befinden), die Gold- und Silberservice,<288> die in Berlin sind, meine Landhäuser, die Bibliothek, das Münzkabinett, die Gemäldegalerie, Gärten usw. Ferner hinterlasse ich ihm den Staatsschatz, so wie er ihn am Tage meines Todes vorfinden wird, als Eigentum des Staates und allein dazu bestimmt, die Völker zu verteidigen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen.

3. Sollte ich irgendwelche kleine Schuld hinterlassen, an deren Bezahlung der Tod mich hindert, so soll mein Neffe gehalten sein, sie zu begleichen: dies ist mein Wille.

4. Der Königin, meiner Gemahlin, hinterlasse ich das Einkommen, das sie genießt und das um jährlich 10 000 Taler erhöht werden soll, zwei Tonnen Wein jährlich, freies Holz und das Wildbret für ihre Tafel. Unter dieser Bedingung hat die Königin sich verpflichtet, meinen Neffen zu ihrem Erben zu ernennen288-1. Da ferner kein geeigneter Witwensitz für sie vorhanden ist, so begnüge ich mich, der Form halber Stettin zu bestimmen. Zugleich verlange ich von meinem Neffen, daß er ihr eine angemessene Wohnung im Berliner Schlosse überläßt und ihr mit der Ehrerbietung begegnet, die ihr als Witwe seines Onkels und als einer Fürstin zukommt, deren Tugend sich niemals verleugnet hat.

5. Kommen wir auf den Allodialnachlaß. Ich bin niemals geizig oder reich gewesen; ich habe also nicht über viel zu verfügen. Die Einkünfte des Staates habe ich stets als die Bundeslade betrachtet, die keine profane Hand anzutasten wagt. Die öffentlichen Einkünfte sind niemals für meinen eigenen Bedarf in Anspruch genommen. Meine persönlichen Ausgaben haben niemals 220 000 Taler im Jahre überschritten288-2. Meine Verwaltung läßt mir also ein ruhiges Gewissen, und ich kann der Öffentlichleit ohne Furcht Rechenschaft darüber ablegen.

6. Meinen Neffen Friedrich Wilhelm setze ich zum Universalerben meines Allodialvermögens ein, unter der Bedingung, daß er folgende Legate auszahlt:

7. Meiner Schwester in Ansbach288-3 eine Dose im Werte von 10 000 Talern, die sich in meiner Schatulle befindet, und eins meiner Porzellanservice aus der Fabrik in Berlin.

8. Meiner Schwester in Braunschweig288-3 50 000 Taler, wörtlich: fünfzigtausend Taler, mein mit Weinlaub verziertes Silberseroice in Potsdam und eine schöne Kutsche.

9. Meinem Bruder Heinrich 200 000 Taler, wörtlich: zweihunderttausend Taler, 50 Eimer Ungarwein, einen schönen Kronleuchter aus Bergkristall in Potsdam, den grünen Diamanten, den ich am Finger trage, zwei Handpferde mit Zubehör und ein Gespann von sechs preußischen Pferden.

10. Seiner Gemahlin, der Prinzessin Wilhelmine von Hessen288-4, 6 000 Taler aus den Einkünften, die ich von einem in der Tabakregie angelegten Kapital beziehe.

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11. Meiner Schwester, der Königin von Schweden, vermache ich eine meiner goldenen Dosen im Werte von 10 000 Talern, 20 Eimer Ungarwein und ein Gemälde von Pesne im Schloß Sanssouci, das ich von Algarotti289-1 erhalten habe.

12. Meiner Schwester Amalie 10 000 Taler, wörtlich: zehntausend Taler, von den Einkünften aus dem in der Tabakregie angelegten Kapital, eine Dose im Werte von 10 000 Talern aus meiner Schatulle, 20 Eimer Ungarwein und das silberne Tafelgeschirr, von dem meine Flügeladjutanten in Potsdam speisen.

13. Meinem lieben Bruder Ferdinand vermache ich 50 000 Taler, wörtlich: fünft zigtausend Taler, 50 Eimer Ungarwein, eine Galakutsche mit Bespannung und allem Zubehör.

14. Seiner Frau, meiner lieben Nichte289-2, 10000 Taler, wörtlich: zehntausend Taler, von den Einkünften aus meinem in der Tabakregie angelegten Gelde und eine Dose mit Brillanten.

15. Meiner Nichte, der Prinzessin von Oranien289-3, eins meiner Porzellanseroice in Berlin, eine Dose im Werte von 10 000 Talern, 40 Eimer Ungarwein und eine Galakutsche mit einem Gespann preußischer Pferde.

16. Meiner Nichte, der Herzogin von Württemberg289-4, eine Dose im Werte von 6 000 Talern und 20 Eimer Ungarwein, eine offene Chaise mit einem preußischen Gespann.

17. Meinem lieben Neffen, dem Markgrafen von Ansbach289-5, meinen gelben Diamanten, zwei meiner besten Handpferde mit Zubehör und 30 Eimer Ungarwein.

18. Meinem Neffen, dem Erbprinzen von Braunschweig289-6, zwei meiner englischen Pferde mit Zubehör und 10 Eimer Ungarwein.

19. Meinem Neffen Prinz Friedrich von Braunschweig 10 000 Taler.

20. Meinem Neffen Prinz WUHelm von Braunschweig 10 000 Taler.

21. Meiner Schwedter Nichte, der Gemahlin des Prinzen von Württemberg289-7, 20 000 Taler und eine Dose mit Brillanten.

22. Ihrem Gemahl zwei meiner Handpferde mit Zubehör und 20 Eimer Ungarwein.

23. Meiner Nichte, der Prinzessin Philippine von Schwedt289-8, 10 000 Taler.

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24. Dem Prinzen Ferdinand von Braunschweig, meinem Schwager290-1, den ich stets geschätzt habe, eine Dose mit Brillanten aus meiner Schatulle und 20 Eimer Ungarwein.

25. Ich empfehle meinem Erben aufs wärmste die tapferen Offiziere, die unter meinem Befehl den Krieg mitgemacht haben. Ich bitte ihn, besonders für die Offiziere meiner Umgebung zu sorgen. Er soll keinen fortschicken und keinen von ihnen, wenn er alt und schwach ist, im Elend umkommen lassen. Er wird in ihnen geschickte Militärs und Leute besitzen, die Beweise von ihrer Intelligenz, Tapferkeit und Treue gegeben haben.

26. Ich empfehle ihm meine Privatsekretäre, ebenso alle, die in meinem Kabinett gearbeitet haben. Sie haben Übung in den Geschäften und können ihn im Anfang seiner Regierung über sehr viele Dinge aufklären, die ihnen bekannt sind und die selbst die Minister nicht wissen.

27. Ich empfehle ihm gleichfalls alle, die in meinen Diensten gestanden haben, ebenso meine Kammerdiener. Ich vermache Zeysing 2000 Taler für seine große Treue und 500 Taler jedem meiner Garderobediener. Ich hoffe bestimmt, daß mein Erbe ihnen ihr Gehalt läßt, bis sie passend versorgt sind.

28. Jedem Stabsoffizier mewes Regiments, des Bataillons Lesiwitz290-2 und der Gardesdukorps vermache ich eine goldene Denkmünze, die auf die von den Truppen unter meiner Führung errungenen Erfolge und Siege geprägt worden ist. Jedem Soldaten dieser vier Bataillone vermache ich zwei Taler pro Kopf und ebensoviel jedem Gardedukorps.

29. Füge ich vor meinem Tode diesem Testament ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Kodizill bei, so soll es die gleiche Kraft haben wie diese feierliche Urkunde.

30. Wenn jemand von denen, die ich bedacht habe, vor mir stirbt, so ist das Legat null und nichtig.

31. Wenn ich während des Krieges sterbe, soll mein Generalerbe gehalten sein, erst nach Wiederherstellung des Friedens meine Erbschaft auszuzahlen. Im Verlaufe des Krieges aber soll niemand das Recht haben, an den Nachlaß Forderungen zu stellen.

32. Ich empfehle meinem Nachfolger, sein eigen Blut in seinen Onkeln, Tanten und allen Blutsverwandten zu achten. Der Zufall, der über dem Menschengeschick waltet, entscheidet die Erstgeburt. Aber deshalb, weil man König ist, ist man noch nicht besser als die anderen. Ich empfehle allen meinen Verwandten, in Frieden miteinander zu leben. Möchten sie, wenn es einmal gilt, ihre persönlichen Interessen dem Wohle des Vaterlandes und dem Vorteil des Staates zu opfern verstehen.

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Bis zum letzten Atemzuge werden meine Wünsche dem Glücke des Staates gelten. Möchte er stets mit Gerechtigkeit, Weisheit und Stärke regiert werden! Möchte er durch die Milde der Gesetze der glücklichste, in seinen Finanzen der bestverwaltete und durch ein Heer, das nur nach Ehre und edlem Waffenruhm trachtet, der am tapfersten verteidigte sein! Möchte er blühen bis ans Ende der Zeiten!

33. Zu meinem Testamentsvollstrecker ernenne ich den regierenden Herzog Karl von Braunschweig, von dessen Freundschaft, Aufrichtigkeit und Redlichkeit ich mir verspreche, daß er die Vollziehung meines letzten Willens auf sich nehmen wird.

Berlin, 8. Januar 1769.

F r i d e r i ch.


287-1 Vgl. S. 277.

287-2 August Wilhelm, der Vater des Prinzen, war am 12. Juni 1758 gestorben.

287-3 Elisabeth Christine Ulrike, geb. Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, am 21. April 1769 von dem Prinzen von Preußen geschieden; er vermählte sich am 14. Juli 1769 mit Prinzessin Friederike von Hessen-Darmstadt.

288-1 Vgl. S. 277.

288-2 Vgl. S. 129f.

288-3 Vgl. S. 278.

288-4 Vermählt am 25. Juni 1752; seit Ende 1766 lebte sie von dem Prinzen getrennt; sie starb 1808.

289-1 Das von dem Grafen Algarotti († 1764) dem Könige vermachte Gemälde stellt eine Bäuerin am Fenster dar, die den Kopf auf ihren rechten Arm stützt.

289-2 Prinzessin Luise, eine Tochter der Markgräfin Sophie von Schwebt, der Schwester des Königs.

289-3 Wilhelmine, die Tochter des Prinzen August Wilhelm, hatte 1767 den Prinzen Wilhelm V. von Oranien, Erbstatthalter der Niederlande, geheiratet.

289-4 Elisabeth Friederike Sophie, Gemahlin des Herzogs Karl Eugen (vgl. S. 200) und Tochter der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth.

289-5 Alexander, Sohn der Markgräfin Friederike, seit 1757 regierender Markgraf.

289-6 Karl Wilhelm Ferdinand, Sohn der Herzogin Charlotte. Die beiden folgenden, Friedrich und WUHelm, sind seine Brüder.

289-7 Dorothea, Tochter der Markgräfin Sophie von Schwedt und Gemahlin des Prinzen Friedrich Eugen von Württemberg, der von 1749 bis 1769 in preußischen Diensten stand.

289-8 Tochter der Schwester des Königs, der Marlgräfin Sophie; sie heiratete 1773 den Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel.

290-1 Vgl. S. 278.

290-2 Das frühere Grenadier-Garde-Bataillon Retzow (vgl. S. 279).