<42>

Diese Art Fürsten sind eigentlich nur Zwitterwesen zwischen Herrscher und Privatmann, ihre Gebieterrolle können höchstens ihre Bedienten ernst nehmen. Ihnen wüßt' ich keinen bessern Rat zu geben, als die grenzenlose Meinung von ihrer Größe, die ungeheure Verehrung für ihr altes, erlauchtes Geschlecht und den heiligen Eifer für ihren Wappenschild etwas herabzusiimmen. Besser täten sie nach der Ansicht gescheiter Leute, wenn sie sich begnügten, als wohlhabende Privatleute in der Welt aufzutreten, endlich einmal von den Stelzen, auf denen ihr Dünkel einherschreitet, herabzusteigen und allerhöchstens eine ausreichende Schloßwache gegen die Spitzbuben zu halten, vorausgesetzt, daß sie genügend Hungerleider für einen derartigen Posten auftreiben können. Im übrigen mögen sie ihre Wälle und Mauern und was sonst ihrem Herrensitz das Aussehen eines befestigten Platzes geben kann, abtragen.

Meine Gründe sind die: die Mehrzahl dieser kleinen Fürsien, namentlich in Deutschland, richtet sich zugrunde durch die Aufwendungen, zu denen ihr trunkener Größenwahn sie verführt, die in so gar keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen; die Ehre ihres Hauses hochzuhalten, sinken sie immer tiefer, aus Eitelkeit geraten sie auf den Weg zum Elend und zum Armenhaus. Noch der allerjüngste Sproß einer apa-nagierten Linie hält sich in seiner Einbildung für einen kleinen Ludwig XIV.: er baut sein Versailles, küßt seine Maintenon und hält sich seine Armee.

Es gibt heut tatsächlich einen apanagierten Fürsten eines großen Hauses in Deutsch, land1, der in verschmitztem Großmachtgebaren peinlich alle Truppengattungen, die sich für einen richtigen König gehören, in Sold hat, aber freilich in so verkleinertem Maßstabe, daß ein Mikroskop nötig ist, jede Gattung insbesondere wahrzunehmen; seine Kriegsmacht würde vielleicht ausreichen, im Theater von Verona eine Schlacht aufzuführen, aber mehr dürft ihr nicht von ihr verlangen.

Zweitens habe ich für einen kleinen Fürsten die Befestigung seiner Residenz unzweckmäßig genannt, aus einem sehr einfachen Grunde: mit dem Fall einer Belagerung durch ihresgleichen haben sie nicht zu rechnen, mächtigere Nachbarfürsien würden sich sofort in ihre Streitigkeiten mischen und ihnen eine Vermittlung anbieten, deren Ablehnung nicht in ihrer Macht liegt. So machen, ohne alles Blutvergießen, zwei Federstriche ihren kleinen Händeln ein Ende. Zu welchem Ende also Festungen? Und vermöchten sie auch eine Belagerung, so langwierig wie die von Troja, von seiten ihrer kleinen Gegner auszuhalten, einer wie der von Jericho, durch die Kriegsmacht eines Königs oder sonst eines mächtigen Monarchen, wären sie nicht gewachsen. Wenn schließlich in ihrer Nachbarschaft sich ein ernster Krieg abspielen sollte, so sieht es nicht in ihrer Macht, neutral zu bleiben, wenn sie nicht ihren völligen Untergang wagen wollen; schlagen sie sich aber auf die Seite einer der kriegführenden Mächte, so wird aus ihrer Hauptstadt ein Waffenplatz in der Hand dieses Fürsten.


1 Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar, dessen Truppen Friedrich 1730 im Lager von Mühl, berg gesehen hatte.