<23> jedoch bei ihrer Feuergefährlichkeit beileibe nicht schütteln und anfachen. Für ihresgleichen sind Machiavells Lehren um so gefährlicher, weil sie ihren Leidenschaften schmeicheln und sie auf Gedanken bringen, die sie vielleicht ohne seine Hilfe nicht aus dem eigenen Innern geschöpft hätten.

Machiavell hält ihnen die Beispiele von Moses, Cyrus, Romulus, Theseus und Hieron1 vor; mit Leichtigkeit ließe sich die Reihe erweitern durch die Stifter von Sekten, wie Mohammed und William Penn; und mögen mir's die Herren Jesuiten von Paraguay2 gestatten, ihnen hier ein Plätzchen anzubieten, das für sie nur eine Ehre sein kann, da es sie in die Reihe der Helden versetzt.

Die Unehrlichkeit, mit der der Verfasser hier zu Werke geht, verdient eine Kennzeichnung; es ist gut, alle Schliche und Listen des nichtswürdigen Verführers aufzudecken.

Ein Redlicher stellt seinen Gegenstand nicht ausschließlich unter einem einzigen Gesichtspunkte dar, er macht vielmehr alle Seiten der Sache sichtbar, auf daß dem Leser die Wahrheit ja nicht verschleiert werde, und sollte sie auch des Darstellers eigenen Voraussetzungen widerstreiten. Machiavell zeigt den Ehrgeiz, im Gegensatz zu jenem Redlichen, nur von seiner lichtesten Seite; es sieht damit wie mit einem geschminkten Gesicht, das er nur am Abend bei Kerzenlicht sehen läßt, während er es ängstlich vor den Strahlen der Sonne birgt: er spricht nur von den Ehrsüchtigen, denen das Glück hold gewesen, bewahrt aber ein tiefes Schweigen über alle, die ihrer Leidenschaft zum Opfer gefallen sind; ungefähr wie's in den Nonnenklöstern Brauch ist, wo man den jungen Mädchen bei ihrer Aufnahme alle Süßigkeiten des Himmels im voraus zu kosten gibt, ohne ihnen ein Wort zu sagen von der bitteren Pein, die man noch in dieser Welt ihnen zugedacht hat. Das heißt der Welt Sand in die Augen streuen, auf Betrug ausgehen, und es läßt sich nicht in Abrede stellen, Machiavell spielt in diesem Kapitel die traurige Rolle eines Marktschreiers des Verbrechens.

Wenn er vom Führer, Fürsten und Gesetzgeber der Juden spricht, von dem Befreier der Griechen, vom Eroberer des Mederlandes, von dem Gründer Roms — alles Männer, deren Streben der Erfolg krönte, warum führt er nicht auch das Beispiel gewisser Parteihäupter an, die ein schlimmes Ende nahmen, und zeigt so, daß der Ehrgeiz zwar einige wenige emporträgt, die Mehrzahl aber ins Verderben stürzt? So ließe sich dem Glück des Moses das Unglück jener ersten Gotenvölker gegenüberstellen, die das Römerreich verheerten, dem Erfolge des Romulus der Untergang Masaniellos, des neapolitanischen Schlächters, den seine Verwegenheit bis zur Königswürde emporhob und der dann das Opfer seines Verbrechens wurde3; dem gekrönten Ehrgeiz Hierons der bestrafte Ehrgeiz Wallensteins; neben den blutigen


1 Hieron II., König von Syrakus (306—215).

2 Seit Anfang des 17. Jahrhunderts hatten die Jesuiten in Paraguay ein theokratisch geordnetes Staatswesen geschaffen.

3 Durch einen Volksaufstand am 7. Juli 1647 wurde der Fischer Masaniello Herr von Neapel, siel aber schon am 16. Juli durch Mörderhand.