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Instruktion für den Major Graf Borcke1
(24. September 1751)

Ich vertraue Ihnen die Erziehung meines Neffen an, des präsumptiven Erben der Krone. Da es etwas ganz anderes ist, einen Bürgersohn wohl zu erziehen oder aber jemand, der Staaten zu regieren bestimmt ist, so gebe ich Ihnen hier eine Instruktion über alles, was Sie beobachten sollen.

Erstens über die Lehrer:

Mein Neffe soll die alte Geschichte durchgehen, die verschiedenen Monarchien, die aufeinander folgten, kennen lernen, von der griechischen Geschichte namentlich das, was in den Kriegen des Artaxerxes, Philipps und Alexanders geschah. Von der römischen Geschichte die Zeit der Punischen Kriege und Cäsars. Sein Gedächtnis braucht nicht mit den Namen der Fürsienreihen ermüdet zu werden, wenn er nur die Namen der hervorragenden Männer lernt, die in ihrem Vaterland eine große Rolle gespielt haben.

Es genügt nicht, ihm die Geschichte beizubringen wie einem Papagei. Die beste Verwertung der alten Taten ist: sie mit den modernen zu vergleichen, die Ursachen zu entwickeln, aus denen die Umwälzungen hervorgingen, und zu zeigen, wie gemeinhin das Lasier bestraft und die Tugend belohnt wird. Man muß ihn ferner darauf aufmerksam machen, daß die alten Geschichtsschreiber sich nicht immer an die Wahrheit halten, daß man also prüfen und urteilen muß, ehe man glaubt. Der wesentlichste, unerläßlichste Teil der Geschichte beginnt bei Karl dem Großen und endet in unseren Tagen. Unter Geschichte versiehe ich dabei die europäische. Man sorge, daß er sie aufmerksam studiere. Doch verweile man nur bei den Hauptgeschehnissen und gehe bloß beim Dreißigjährigen Krieg näher aufs einzelne ein. Daß er die Geschichte seines Hauses lerne, versteht sich von selbst.


1 Graf Adrian Heinrich Borcke bekleidete von 1751 bis 1764 die Stelle eines Gouverneurs bei dem nachmaligen Könige Friedrich Wilhelm II. (geb. 25. September 1744), dem ältesten Sohne des Prinzen August Wilhelm († 1758) und der Prinzessin luise Amalie, einer Schwester der Königin Elisabeth Christine. Vgl. für das Folgende S. 187 ff.