<105> Menschen stören, ohne ihn doch ernstlich im lebenslänglichen Genuß seiner kräftigen Natur zu beeinträchtigen.

Es bleibt also durchaus geboten, daß, wer die Welt regieren soll, seinen Scharfsinn und seine Klugheit ausbilde. Damit ist's aber noch nicht getan: wer das Glück fesseln will, muß lernen, mit seinem Temperament sich in den Wandel der Verhältnisse zu schicken, was recht schwer ist.

Im großen und ganzen habe ich nur zwei Arten von Temperamenten im Auge, das einer rasch zugreifenden Lebhaftigkeit und das einer sorglich Umschau haltenden Bedächtigkeit. Diese seelischen Veranlagungen sind ihrerseits in der körperlichen Anlage begründet, und so ist es nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, daß ein Fürst so unbedingt Herr über sich selber sei, um wie ein Chamäleon jede Farbe anzunehmen. Da gibt's nun Zeitalter, die kommen der Ruhmbegier der Eroberernaturen zustatten, jener verwegenen und unternehmenden Menschen, die geboren scheinen, zu handeln und außerordentliche Umwälzungen in der Welt zu wirken. Revolutionen und Kriege sind ihnen Lebensluft, vor allem schafft ihnen der Ränkegeisi, ein Geist des Mißtrauens, der die Fürsten entzweit, Gelegenheit zur Entfaltung ihrer gefährlichen Gaben; kurz, alle äußeren Umstände, die so unruhigen und unternehmungslustigen Köpfen wesensoerwandt sind, erleichtern ihren Erfolg.

Zu anderen Zeiten scheint die Welt, minder bewegt, mehr nach einer milden Herr, schaft zu verlangen, wo es dann nur der Klugheit und Umsicht bedarf. Da waltet im Leben der Völker eine Art glücklicher Windstille, wie sie gern dem Sturme folgt. In solchen Zeitläuften erzielen Verhandlungen größere Erfolge als Schlachten, da muß denn die Feder erwirken, was der Degen nicht gewinnen kann.

Um aus jeder Gestaltung der Verhältnisse Nutzen zu ziehen, soll der Fürst lernen, sich in die Zeit zu schicken, wie ein gewandter Schiffer alle Segel aufsetzt, wenn die Winde ihm günstig sind, oder beim Winde segelt oder sie einzieht, sowie grobes Wetter ihn dazu nötigt, nur bemüht, sein Fahrzeug in den ersehnten Hafen zu steuern, ganz gleich, ob so oder so.

Ein Feldherr, der verstünde, im rechten Augenblick bedächtig und dann wieder wagemutig zu sein, wäre fast unbezwingbar. Er würde gegebenen Falles den Krieg in die Länge ziehen können, sobald er mit einem Feinde zu tun hätte, dem's an Mitteln gebräche, einen langen, kostspieligen Krieg durchzuhalten, oder sobald auf der Gegenseite Verpflegungsmangel und Futternot einträten. Fabius setzte Hannibal matt durch seine Bedächtigkeit; der Römer kannte Karthagos Geld- und Rekrutennot sehr genau, da genügte es ihm, dessen Heer kampflos dahinschmelzen zu lassen, seinen Erschöpfungstod gleichsam ruhig abzuwarten. Hannibals Heil dagegen war der Kampf; all seine Macht lag in der Gunst des Augenblicks, dem galt es mit Geistesgegenwart jeden erdenklichen Gewinn zu entreißen, um ihr Dauer und Bestand zu geben durch das Entsetzen, das die blendende Waffentat verbreitet, und durch die neuen Hilfsquellen, die die Eroberung erschließt.