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II. Aus der Instruction für die Artillerie332-1
(3. Mai 1768)

Belagerung der Städte Bei Belagerung der Städte ist es hauptsächlich der Ingenieurs ihre Sache, den

ganzen Plan von der Belagerung zu entwerfen und zu machen, wie die Tranchées332-2 geöffnet und die Parallelen geführt werden sollen. Es halten Seine königliche Majestät die Officiere der Artillerie damit nicht auf.

Die Fundamental-Principia, so sie dabei haben müssen und so mit zur Artillerie gehören, sind, daß das Polygon, so attaquiret werden soll, wohl mit Batterien embrassiret332-3 wird, damit die Artillerie-Officiere alle differente Feuer gegen die Werke recht anzubringen und die Batterien wohl anzulegen wissen. Wenn die erste Parallele gegen das Polygon, so attaquiret werden soll, geöffnet, müssen die Batterien in der Parallele so an ihren Orten angelegt und gemacht werden, wie es sein muß und in beigehender Zeichnung marquiret ist332-4. Es mögen nun solche gegen ein Hornwerk oder gegen andere Werke, um selbige zu beschießen, angelegt werden, so bleibt solches immer en ^1-05 dasselbe.

Die ArtillerwOfficiere müssen, ehe sie die Batterien anlegen, Acht haben, um zu wissen, wieviel Kanonen der Feind auf jeder Face, es sei von einem Ravelin, Demilune332-5 oder Bastion, gebrauche, und darnach die Batterien gegen die vom Feinde so construiren, daß immer gegen eine Embrasure332-6, wo eine Kanone vom Feinde stehet, drei Kanonen von unsern gerichtet sind. Der Effect, welchen man von diesen<333> Plan für die Anlage der Batterien in der ersten Parallele<334> Batterien verlangt, ist, daß sie die Merlons334-1 und Brustwehren von dem Werke ruiniren und wegschießen; auch muß derowegen auf jedes Bastion oder Ravelin, welches attaquiret wird, aus Mortiers334-2, so bei den Batterien gesetzt, mit Bomben geworfen werden, und müssen, so viel es angehet, hauptsächlich auf die Brustwehren die Bomben dirigiret weiden. Wird nun dieses effectuiret, daß sowohl durch die Batterien die Merlons ruiniret und die Brustwehren durch beständiges Werfen der Bomben mit rasirt werden, so können die Leute, so dahinter gestanden, nicht mehr bedeckt bleiben, folglich die feindliche Artillerie dadurch schlecht bedient und nicht mehr zum rechten Gebrauche ist.

Das Feuern von den Batterien und das Bombenwerfen muß weder Tag noch Nacht aufhören und immer in der Hitze gehalten werden. Wenn nun gesagt würde, des Nachts kann man nicht sehen, wo man hinschießt, so wird den Artillerie-Officieren hierauf zur Antwort gegeben, wie solche, wenn des Tages ihre Kanonen gut gerichtet stehen, wie sie stehen sollen, Leisten auf die Seiten der Affuten334-3 schlagen, die Kanonen bei derselben Richtung lassen und, wenn abgefeuert und die Kanone zurückläuft, sie solche zwischen die zwei Leisten wieder dahin bringen müssen, wo sie gestanden, wodurch doch einigermaßen die Schüsse accurater gebracht werden; hauptsächlich aber kommt mit darauf an, daß nur continuellement334-4 geschossen wird.

Nur ist nicht genug, daß man dem Feinde die Batterien demontire, sondern es müssen auch gleich im Anfang der Belagerung, wegen des bedeckten Weges, RicochetBatterien angelegt werden. Derowegen müssen die Officiere der Artillerie, wenn sie ihre Batterien anlegen, die Lignes de prolongation334-5 wohl observiren, so diejenigen sind, die den Ricochet-Batterien am favorablesten. Damit nun die Lignes de prolongation recht wohl obzerviret werden, so ist ein Mittel für die Officiere, um sich zu helfen, daß sowohl die Artillerie-, als Ingenieur-Ofsiciere von den Thürmen der nächsten Dörfer, von da man die Werte der Festung besehen kann, wo die Prolongations-Linien der Werke und des bedeckten Weges hingehen, im Felde Marquenmachen und dadurch die Prolongations bekommen können. Da nun die RicochetBatterien von Haubitzen viel nützlicher als von Kanonen sind, so ist nur dabei zu observiren, daß sie den Haubitzen nicht mehr oder weniger Pulver geben, als die Granate gebraucht, in der Linie des bedeckten Weges, so die Batterien enfiliret334-6, entlang zu rollen und oft aufzuhüpfen, und weil die meisten Festungen collaterale und vorgelegte Werke334-7 haben, so den andern Hauptwerken mit zur Defension dienen, so müssen auch dagegen Batterien gemacht und angebracht werden. Diese Batterien aber sind nicht zum Demontiren, sondern es ist genug, wenn gegen eine dergleichen feindliche Batterie von der unsrigen Kanone gegen Kanone gebracht wird, um dadurch nur einigermaßen die feindlichen Kanonen von dem beständigen Schießen zu verhindern.

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Wenn die zweite Parallele formiret wird und fertig ist, werden die Batterien aus der Mitte der ersten vorgebracht, in demselben Alignement, wie die Batterien in der ersten Parallele gestanden, und müssen die Kanonen en crémaillère335-1 oder schräm gesetzt und die Embrasuren in den Batterien darnach gemacht werden, um dieselbe Direction zu behalten, als die Batterien in der ersten Parallele gehabt. Das Hauptwerk und die größte Nothwendigkeit ist, daß bei dem Bauen der Batterien sogleich die erste Nacht, wenn sie angelegt werden, die Artillerie-Officiere soviel Leute zu Bauung der Batterien fordern und ihnen gegeben werden müssen, soviel sie verlangen, damit sie gleich die erste Nacht so weit kommen als möglich und ihnen weder an Faschinen noch andern Zuthaten nichts fehle; dahero alles schon vorhero in Bereitschaft gehalten werden muß. Dieses ist dasjenige, worin der Officier von der Artillerie sich eine große Ehre erwerben kann, wenn sein Batterie-Bau recht gut von Statten gehet, damit die Kanonen, so in diese Batterien kommen sollen, noch vor Tage dahin gebracht werden können. Die Batterien, so aus der Mitte der ersten Parallele in die zweite vorgebracht werden, sind noch Demontir-Batterien, wo auch Mortiers, um auf die Brustwehren der Werke zu werfen, mit vorgebracht werden müssen. Um von dem Effecte der Bomben und Haubitzen versichert zu sein, müssen Officiere von der Artillerie 1 000 bis 1 500 Schritt rechts und links gehen und sehen, ob die Bomben recht fallen, und davon dem commandirenden Officiere der Artillerie Anzeige thun, um es, wenn er fehlt, zu ändern und zu corrigiren. Diese Batterien in der zweiten Parallele müssen, gleichwie in der ersten, Tag und Nacht feuern.

Wenn die dritte Parallele gemacht wird, pflegen die Kanonen stehen zu bleiben, wie sie gestanden, und werden aus der dritten Parallele die Zickzacks poussiret335-2 und die Sappen gegen die Capitalen335-3, um dadurch die Minen, wenn vor der Festung welche sind, so der Mineurs und Ingenieurs ihre Sache, wegzunehmen, bis man an den bedeckten Weg kommen kann. Sobald aber als die Infanterie Meister vom bedeckten Wege ist, werden die Bresch-Batterien angelegt. Diese müssen im bedeckten Wege, hart am Graben angelegt werden, da alsdann schon zu supponiren, wenn man bis dahin avancirt, daß die Brustwehren durch die Demontir-Batterien rasirt und weggeschossen und der Feind keine Leute mehr hinter die Brustwehren stellen kann, die Kanonen zu bedienen, solche alsdann auch ganz frei stehen und nicht mehr agiren können. Weil man nun keine Bresche schießen kann, wenn man nicht den Fuß von der Mauer faßt, so müssen die Bresch-Batterien dergestalt eingesenkt werden, und wenn auch ein Stück vom Revêtissement335-4 weggesprengt werden muß, bis auf den Fuß von der Mauer, so viel es sich thun läßt, zu sehen. Zu diesen Bresch-Batterien werden Vierundzwanzigpfünder gebraucht, und anstatt daß die Zwölfpfünder, so zum Demontiren gebraucht werden, einer nach dem andern gelöset wird, so<336> müssen die Bresch-Batterien immer mit einer ganzen Lage abgefeuert werden, da solches in der Mauer mehr Erschütterungen macht, wenn die Kugeln zugleich ankommen.

Alles Uebrige, so bei Belagerungen für die Artillerie vorkommt, läuft auf dasselbe heraus, was bereits gesagt ist, und bleiben alle diese Regeln dieselben. Muß vorhero Bresche in die Face eines Ravelins gemacht werden, so geschiehet solches auf vorgeschriebene Art, wenn die Infanterie Posto darauf gefaßt und sich darauf versichert und postiret hat: sodann werden die vierundzwanzigpfündigen Kanonen gegen die Face des Bastions gebracht, von da Bresche zu schießen, wie es bereits gesagt. Ist es ein Wassergraben, so muß die Bresch-Batterie ebenso gemacht werden und so plongiren336-1, daß sie sogar unter dem Wasser den Fuß der Mauer so viel möglich fasset. Da auch im bedeckten Wege Haubitzen mit angebracht werden müssen zu Ricochet, so müssen aus den Haubitzen mit ganz schwacher Ladung die Granaten geworfen werden und die Ricochet-Schüsse thun.

Wenn ein Sturm von der Infanterie auf ein Werk geschehen soll, um sich solches zu bemeistern, so ist der Gebrauch, daß die Signale zum Sturm mit Bomben gegeben werden. Von dem commandirenden Generale wird gesagt, daß, wie gewöhnlich, dreimal aus 10 bis 12, mehr oder weniger, Mortiers auf einmal Bomben geworfen werden sollen. Das erste und zweite Mal müssen die Bomben mit Zündern auf einmal, zu sagen alle 10 oder 12 abgefeuert, das dritte Mal aber müssen Bomben ohne Zünder geworfen werden, so nicht crepiren, welches das Signal zum Sturm ist.


332-1 Die Vorlage ist deutsch abgefaßt.

332-2 Laufgräben.

332-3 umfaßt.

332-4 Siehe Plan.

332-5 Lunette.

332-6 Schießschalte.

334-1 Mauerzinnen.

334-2 Mörsern.

334-3 Lafetten.

334-4 ununterbrochen.

334-5 Wallinien.

334-6 bestreicht.

334-7 Seitenwerke und vorgeschobene Werke.

335-1 d. h. in sägeförmig gebrochener Linie.

335-2 vorgetrieben.

335-3 Hauptlinien.

335-4 Grabenverkleidung.

336-1 tief schießen.