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II. Aus der Instruction für die Generalmajors von der Kavallerie306-1
(14. August 1748)

Was bei den Bataillen zu observiren

So viele differente Terrains sich finden, so viele sind auch differente Bataillen; es ist also ohnmöglich voraus zu sagen, was bei einer jeden Bataille vorkommen kann. Ich attachire Mich demnach hierunter nur an die General-Regeln, um solche nebst meinen Ordres den Generalen zu imprimiren; bei differenten Vorfallenheiten kommt es auf die Habileté und Pr´sence d'esprit306-2 eines jeden Generals an.

Bei allen Bataillen im fteien Felde muß die Cavallerie gleich auf den Feind losgehen und ihn attaquiren; dieses ist eine Hauptregel und Mein ernstlichster Befehl. Dieserwegen wird eben auf das geschwinde Formiren der Armee so sehr gehalten, damit man immer eher fertig sei wie der Feind, und daß man von solchem nicht surpreniret werden könne. Ist unsere Cavallerie formiret und die feindliche sodann noch mit Aufmarschiren beschäftiget, so haben unsere Leute nur halbe Arbeit, wenn sie in solcher Bewegung attaquiren.

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Die Attaque von der Cavallerie geschiehet zuerst im Trabe, darnach im Galopp und dann in voller Carriere. Hierbei muß wohl und als eine Sache, die sehr wichtig bei der Attaque ist, observiret werden, daß die ganze Linie mit gestimmter Macht dem Feinde auf einmal auf den Hals falle, und nicht truppweise oder ein Regiment nach dem andern. Um solches zu bewerkstelligen, so müssen die Commandeurs der Escadrons zugleich antraben, zugleich in Galopp fallen, auch die ganze Linie zugleich an den Feind heranjagen. Wenn dergestalt die große Mauer geschlossen und mit Impetuosität307-1 auf einmal an den Feind herankommet, so kann ihr ohnmöglich etwas Widerstand thun. Sollte etwa im ersten Treffen eine Cscadron, es sei wegen eines Grabens oder dergleichen, in Confusion gekommen sein, so muß sofort die nächste Escadron vom zweiten Treffen hereinrücken; sollte es auch etwa an einem oder anderem Orte des ersten Treffens schwer halten, so muß das zweite Tressen, sonder Befehl noch Ordre dazu zu erwarten, sogleich secundiren. Wenn die erste Attaque vorbei ist, so muß ein jeder General mit seiner Brigade, auch wohl ein jeder Rittmeister mit seiner Cscadron das, was von dem Feinde noch vor ihm hält, attaquiren und wegjagen; die Escadrons sowohl als die Regimenter müssen sich einander getreulichst beistehen und secundiren, bis sie den Feind völlig in die Flucht haben.

Wenn die feindliche Cavallerie bis über das nächste Defile getrieben worden ist, alsdann gebühret der Cavallerie, zwei Sachen zu thun, nämlich, daß etwas von ihr detachiret werden muß, damit die feindliche Cavallerie nicht wieder zurückkommen darf, und daß das Uebrige sodann sich der feindlichen Infanterie in den Rücken setze, um ihr die Retraite abzuschneiden. Will man auch des Feindes Infanterie in die Flanke und in das zweite Treffen fallen, so ist solches sehr gut; nur muß alsdann ein Officier nach unserer Infanterie geschicket werden, damit solche davon avertiret werde und nicht auf die Infanterie vom Feinde schieße, wenn unsere Cavallerie solche attaquiren will, als wodurch unsere Cavallerie sonst leicht in Confusion gebracht werden könnte.

Wenn man eine Bataille in bergigen und difficilen Gegenden hat, so ist es nicht möglich, daß die große Attaque zugleich geschehen kann, sondern es muß alsdann ein jeder General das Beste bei seiner Brigade thun, denn das Terrain ist an solchen Orten sehr unterschiedlich, und wenn da nicht ein jeder General sein Terrain zu judiciren und von der geringsten Gelegenheit, welche sich äußert, zu Profitiren weiß, so kann es nicht gut gehen. Wo Gräben sind, da schreiet der Commandeur der Escadron: Graben! Alsdann setzet das erste Glied herüber, das zweite und dritte Glied öffnen sich und setzen geöffnet herüber, schließen aber sodann gleich wieder auf das erste Glied; alsdann die Attaque prosequiret307-2 wird.

Bei dergleichen Affairen müssen die Generale sowohl vor- als seitwärts sehen, um ihre Nachbaren bei Zeiten zu secundiren, jedoch müssen sie den Feind so scharf und<308> so frisch attaquiren, als es nur immer möglich ist. Attaquiren sie stark und geschlossen, so können sich die Escadrons nicht meliren und ist also zu vermuthen, daß der Feind sonder großen Widerstand zum Weichen gezwungen werden wird; attaquiren sie aber nicht recht geschlossen, so können sich die Escadrons meliren, und alsdann decidiret308-1 der gemeine Mann die Sache. Weil dieses aber journalier308-2 ist, so müssen die Escadrons so geschlossen attaquiren, als es sich nur immer thun lässet, weshalb das erste Treffen fast ohne Intervallen bleiben muß, damit der Feind von keiner Flanke einer Escadron profitiren möge.

Wenn die ganze feindliche Cavallerie dergestalt weggesprenget ist, alsdann kann an die feindliche Infanterie gedacht werden, auf die Art, wie schon vorhin erwähnet worden ist. Ich erinnere nur dieses noch dabei, daß die Attaque auf die Flanke der beiden feindlichen Treffen die sicherste und kürzeste ist, indem sodann die Linien wie ein Kartenhaus übern Haufen gehen.

Bei gewissen Gelegenheiten, wenn Posten308-3 oder retranchirte308-4 attaquiret werden müssen, so kommt die Cavallerie in das zweite oder dritte Treffen; alsdann kann sie nicht eher gebrauchet werden, bis die Infanterie den Posten gewonnen hat. Ist die feindliche Infanterie geschlagen, so pfleget alsdann in solchen Gelegenheiten die feindliche Cavallerie erstere gern bedecken zu wollen, wo wieder unsererseits sodann die Cavallerie durch die Lücken der Infanterie gezogen werden muß. Wenn nun feindliche Cavallerie gegen sie stehet, so müssen sich die Brigaden erst ordentlich formiren, bevor sie darauf losgehen; wäre es aber, wie es auch öfters in Bataillen zu arriviren pfleget, daß die feindliche Infanterie allein da wäre, so kann die Cavallerie selbige ohne alle Complimente attaquiren, so wie das Baireuthsche Regiment bei Hohenfriedeberg davon ein Exempel gegeben hat308-5. Die Attaquen von der Cavallerie sind bei dergleichen Gelegenheiten ganz sicher; wenn die feindliche Infanterie zu kräuseln anfängt, alsdann darf die Cavallerie nur gerade darauf zu jagen, sich so viel wie möglich ausbreiten und die Tête der Flüchtlinge gewinnen, wodurch sodann alles, was zwischen unserer Infanterie und Cavallerie sich befindet, gewiß unser ist.

Die Cavallerie muß niemals zu nahe an große Wälder verfolgen, auch nicht über Defiles gehen, wohl aber bis ganz dicht an das Défilé poussiren308-6.

Von den Detachements

Ein General von der Cavallerie, der ein Detachement commandiren will, muß nicht allein den Dienst der Cavallerie, sondern auch den von der Infanterie verstehen, und vice versa308-7

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Es werden dannenhero diejenigen Generale sich bei Mir am meisten recommandiren, welche sich auf den einen Dienst sowohl, als auf den andern appliciren. Es werden besondere Qualitäten von demjenigen erfordert, welcher das Commando über ein Detachement führen will; ein solcher General muß

1. sich aller Nahrungssorgen wegen seines unterhabenden Detachements annehmen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, und seine Anstalten so gut machen, daß seinem Corps nichts, was nur möglich ist, abgehe. Das Corps, es mag nun Infanterie oder Cavallerie sein, ist dem Generale so aufgetragen, als wie sein eigenes Regiment; folglich ist er für dessen Conservation, guten Stand, Ordnung und Nachlebung der Ordres schlechterdings eben so responsable, als wie er solches für sein eigenes Regiment sein muß; derowegen er sich gegen die Officiere die Auctorität, so ihm zukommt, geben und dahin sehen muß, daß alles, was die gute Ordnung erfordert, mit der äußersten Accuratesse beobachtet werden müsse, daß die Pferde von der Cavallerie in gutem Stande seien und daß die Infanterie nicht verloddern müsse, daß das Corps gut genähret werde, daß keine Desertion einreiße und in summa, daß alles und jedes observiret werde, was das Reglement und des Königs Ordres mit sich bringen.

Die Connaissance vom Lande ist der zweite Artikel, welchen ein solcher General wohl inne haben muß, und ist dieser Artikel ihm eben so important als die vorgemeldeten Qualitäten; denn die mehresten Detachements geschehen entweder, um Convois zu decken, oder aber dem Feinde in seinen Mouvements, Convois und Fouragirungen hinderlich zu sein309-1...

Bei allen dergleichen Expeditionen und überhaupt bei allem, was die KriegsOperationes angehet, wird das Secret und die Verschwiegenheit auf das alleräußerste recommandiret; denn wenn der Feind von demjenigen Nachricht bekommen sollte, was man auf ihn intendiret309-2 so muß der Coup ganz gewiß fehlschlagen. Ueberhaupt aber wäre es sehr schlecht und verächtlich, wenn es unter Meinen Generalen dergleichen Personen geben sollte, die nicht mehr als Weiber schweigen könnten.

Übrigens recommandire Ich den Generalen vor allen Dingen, daß sie jederzeit die Infanterie sowohl als die Cavallerie so gebrauchen sollen, wie es ihr Dienst ist, gebrauchet zu werden309-3; ferner, daß wenn Marches geschehen, Arrieregarden gemachet, Escorten und Partien309-4 geschicket werden, sie alsdann die Cavallerie allemal so stellen sollen, daß dieselbe Terrain hat, ihre Attaques zu machen. Die Infanterie hergegen kann gebrauchet werden, wie man will, nur verbiete Ich auf das allerernstlichste, daß solche niemals in Häuser gesteckt werde, als woraus nichts anders<310> wie Unglück erfolgen kann. Dieselbe hinter Zäune zu legen, solches gehet an; doch muß man alsdann solche Wege machen, damit es hinten offen sei und daß man ihr leicht Succurs schicken könne. Im Uebrigen ist das Genie von unsern Soldaten, zu attaquiren, es ist solches auch schon ganz recht; sollte es aber nicht möglich sein, zu attaquiren, und hätte man von einer größern Uebermacht des Feindes was zu besorgen, so ist es besser, daß man sich bei Zeiten ab- und zurückziehe...

Die Generale müssen im Felde sowohl, als bei allen andern Gelegenheiten darauf halten und ein wachsames Auge haben, daß nicht so viele Montirungs-Stücke liederlicherweise verquisiet werden und verloren gehen. Nach der Erfahrung, so Ich von den vorigen Zeiten gehabt habe, ist es schändlich gewesen, zu sehen, was für eine Menge von Sätteln, Halftern, Pistolen und Schabracken verloren gegangen sind. Wenn Meine Generale von der Kavallerie darauf nur einige Attention gehabt hätten, so würden sie selbst gefunden haben, daß es eine wahre Unmöglichkeit, so viel von dergleichen Sachen wiederum anzuschaffen, als davon mehrentheils leichtsinnigerweise verloren gegangen ist; dahero Ich ihnen mehrere Attention darauf zu haben, als bisher geschehen ist, bestens recommandire.

Uebrigens ist Meine Methode, den Cuirassieren, so viel nur immer möglich ist, des Winters Ruhe zu geben, weil alsdann die Pferde gut ausgefüttert, die jungen Leute und Recruten aber, wie auch die jungen Pferde, aut dressiret werden müssen...


306-1 Die Vorlage ist deutsch abgefaßt.

306-2 Geschicklichkeit und Geistesgegenwart.

307-1 Ungestüm.

307-2 fortgesetzt.

308-1 entscheidet.

308-2 unsicher.

308-3 feste Stellungen.

308-4 verschanzte.

308-5 Vgl. Bd. II, S. 220.

308-6 treiben.

308-7 umgekehrt.

309-1 Die folgenden Absätze über die Wahl vorteilhafter Lager und die Aufgaben der Detachements, sowie der Schluß decken sich ganz mit den Weisungen in der Instruktion für die Generalmajore der Infanterie vom 14. August 1748 (vgl. S. 266 ff.).

309-2 vorhat.

309-3 d. h. wie es ihrer Fechtart entspricht,

309-4 Bedeckungen und Streitkorps.