18. Die Talente, die ein Ouartiermeister haben muß

Die Menschen sündigen am meisten darin, daß sie sich mit ungefähren Begriffen begnügen. Sie bemühen sich nicht genug, klare Vorstellungen von den Dingen zu erwerben, die ihres Amtes sind. So wird man geeignete Lagerplätze um so besser<199> aussuchen, je genauere Kenntnis man vom Gelände besitzt, und den Marsch der Kolonnen viel besser disponieren, als wenn man nur verworrene Begriffe von der Gegend hat, in der man operieren will. Um diesem Übelstande abzuhelfen, muß man sich die besten Karten, die zu haben sind, über die Länder verschaffen, von denen man glaubt, daß sie den Kriegsschauplatz bilden werden. Kann man unter irgend welchen Vorwänden Reisen unternehmen, um Berge, Wälder, Defileen und schwierige Pässe in Augenschein zu nehmen, sie gründlich zu prüfen und sich ihre Situation einzuprägen, so muß man es tun. Ein Edelmann, der sich diesem Handwerk widmet, muß viel natürliche Regsamkeit haben, damit ihm die Arbeit nicht schwer fällt. In jedem Lager muß er sich selbst erbieten, zur Erkundung des Umkreises kleine Patrouillen zu reiten, soweit der Feind es zuläßt. Dann kann er, wenn der Heerführer eine Bewegung beschlossen hat, über die Straßen und Gegenden Auskunft geben. Er hat die für die Truppen geeigneten Lagerplätze im Kopfe und erleichtert dem Heerführer durch die Beherrschung seines Handwerks die Ausführung seiner großen Pläne, sowohl bei Märschen wie bei Lagern.

Er muß sich bemühen, Landeseinwohner aufzutreiben, um von ihnen die nötigen Angaben zu erhalten, muß aber auch, wie ich im vorigen Abschnitt gesagt habe, bedenken, daß ein Bauer oder Schlächter kein Soldat ist, und daß ein Landwirt, ein Fuhrmann, ein Jäger und ein Soldat von ein und derselben Gegend eine ganz andre Beschreibung geben werden. Er muß also beim Ausfragen solcher Leute stets berücksichtigen, daß sie keine Militärs sind, und ihre Aussagen berichtigen, indem er die der Karte entnommenen Örtlichkeiten eingehend mit ihnen bespricht, unter Zugrundelegung der Straßen, auf denen die Armee marschieren soll.

Ich füge noch hinzu, daß man bei Anordnung der Märsche wohl darauf achten muß, daß nie mehr als eine deutsche Viertelmeile Abstand zwischen den einzelnen Kolonnen entsteht, besonders in der Nähe des Feindes, damit die Truppen sich gegenseitig Hilfe leisten können. Vor allem müssen die Quartiermeister, wenn der Feind nahe ist, ihre Sorgfalt und Genauigkeit verdoppeln: dann erhält der Heerführer durch ihre Arbeit wenigstens eine Skizze der Gegend, in der er operieren will, und kann seine Anordnungen zur Sicherung der Märsche oder seine Dispositionen für die Lager, die er beziehen will, oder für den Angriff im voraus treffen.

Offiziere, die sich als Quartiermeisier auszeichnen, werden nicht verfehlen, ihr Glück zu machen; denn sie erwerben sich durch ihre Praxis alle für einen Heerführer nötigen Kenntnisse, wie man in jedem sich darbietenden Falle gute Dispositionen trifft. Die einzige Ausnahme bilden die Feldzugspläne; doch sehen sie deren Ausführung beständig und werden sie ebensogut entwerfen, wenn sie ein scharfes, kluges und richtiges Urteil haben und stets darauf sinnen, wie man der Macht, mit der man im Kriege liegt, die empfindlichsten und entscheidendsten Schläge beibringen kann.

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Das ist ungefähr alles, was ich Euch in bezug auf die Märsche vorzuschreiben vermag. Ich muß aber noch bemerken, daß das Gebiet der Kriegskunst so ungeheuer ist, daß man sie nie auslernen kann, und daß die Erfahrung der künftigen Zeiten noch unaufhörlich neue Kenntnisse zu denen hinzufügen wird, die uns überliefert sind und die wir in unfern Tagen erworben haben.