37. Kapitel Was ein Detachementsführer zu beachten hat

Ein guter Detachementsführer gibt augenscheinliche Beweise seiner Talente und seiner Geschicklichkeit. Das ist der Weg zu den obersten Kommandostellen; denn er hat sich im kleinen mit den Grundsätzen und Regeln vertraut gemacht, die auch der Führung der größten Armeen zugrunde liegen. Er muß notwendig besonnen und zugleich unternehmend sein, d. h. dem Feinde so viel Schaden wie möglich tun, nachdem er sein Projekt gründlich überlegt und es geschickt disponiert hat. Er muß alle Vorteile und Nachteile des Geländes kennen, um jene zu benutzen und diese zu vermeiden. Überdies soll er die Gegend gut studiert haben, alle Straßen und Stellungen kennen, die er im Bedarfsfall gebrauchen kann, und mehr als eine Straße<181> wissen, auf der er sich zurückziehen kann, wenn ihn die Überlegenheit des Feindes dazu zwingt. Er muß Übung darin besitzen, seine und des Feindes Stellung richtig zu beurteilen, um sich geschickt zu verteidigen und den Feind unter möglichster Wahrung seines eignen Vorteils anzugreifen. Immerfort muß er auf neue Unternehmungen sinnen; denn das einzige Mittel, den Feind in Schach zu halten, besteht darin, ihn möglichst viel zu beschäftigen.

Jedes Lager, das er bezieht, soll er als Schlachtfeld ansehen; denn er kann von heut auf morgen angegriffen werden. Er muß eine gute Verteidigungsdisposition entwerfen und vor allem auch ihren Sinn und Inhalt den ihm unterstellten Offizieren genau erklären. Ferner muß er sowohl rechts und links wie auch im Rücken seiner Stellung Orte kennen, die er hat rekognoszieren lassen und die er zum Lager wählen kann, wenn er sich durch triftige Gründe zum Verlassen seiner Stellung genötigt sieht. Die Taktik muß ihm so vertraut sein, daß er alle Märsche nach den taktischen Regeln anlegen kann. Vor allem muß er an seine Nachhut denken, die bei der Art seiner Bewegungen stets einem Angriff ausgesetzt ist. Er muß dem Feinde ständig mißtrauen und bei allem, was dieser unternehmen kann, stets das Schlimmste voraussetzen, um sich dagegen zu sichern. Er muß streng auf Disziplin halten, damit seine Befehle gut ausgeführt werden, und die Offiziere zur größten Pflichttreue im Dienst und zu derselben Wachsamkeit anhalten, die er selbst übt. Namentlich aber muß er sich vor Überfällen hüten und durch geeignete Maßnahmen Vorsorge gegen die schlimmen Streiche treffen, die man ihm im Schutze der Nacht und der Dunkelheit zufügen könnte.

Bei den Detachements sind Patrouillen und Streifkorps am allernötigsten. Sie sind gleichsam die Ohren und Augen des Führers. Verläßt das Detachement die Armee zur Besetzung eines Defilees, das diese passieren will, so muß der Detachementsführer sich dort verschanzen und den Platz halten. Soll er hingegen den Feind beobachten, so kommt es nicht so sehr auf den Ott an, wo er sieht, sondern auf die Beobachtung selbst. Ist er in die Flanke des Feindes detachiert, um ihn zu beunruhigen, so muß er wachsam sein, um nicht von der Überzahl erdrückt zu werden. Wird er in den Rücken des Feindes geschickt, findet aber keine völlig unangreifbare Stellung, so muß er sie oft wechseln; denn bleibt er dort stehen, so läuft er Gefahr, von überlegenen Kräften selbst im Rücken gefaßt und vernichtet zu werden. Bei diesen gefährlichen Unternehmungen ist nichts so nützlich wie genaue Kenntnis der Wege. Ein geschickter Führer rettet sein Detachement und entzieht es der Verfolgung, indem er sich in eine durchschnittene Gegend wirft, sich durch Dörfer, Moräste, Bäche und Wälder deckt. Wie groß der Umweg auch sei, den er dabei macht, er bedeckt sich doch mit Ruhm durch seine Standhaftigkeit und die Kunst, die er bei seinem Rückzuge bewiesen hat.

Schon viele Truppen sind durch die Unentschlossenheit ihrer Führer verloren gegangen, die nicht wußten, wie sie sich helfen und wozu sie sich entscheiden sollten.<182> Vollends ist alles verloren, wenn der Führer selbst den Kopf verliert. So geschah es General Finck bei Maxen182-1. Seine Unentschlossenheit und seine schlechten Anordnungen führten den Verlust des ganzen Korps herbei. Denn wo hat man je gesehen, daß Husaren auf einen Berg gestellt wurden, um ihn zu verteidigen? Allein, wird man fragen, was soll man tun, wenn man detachiert worden ist und trotz aller Maßregeln gegen Überfälle doch angegriffen wird? Hierauf antworte ich: Man soll sein Leben so teuer wie möglich verkaufen und dem Feinde durch seinen tapferen Widerstand so viel Verluste beibringen, als das eigne Korps stark ist. Dann ist Eure Ehre gerettet. Aber wer an der Spitze eines Korps kapituliert, ist ein Ehrloser. Entweder hat ihn die Sorge um seine elende Bagage zu dieser Nichtswürdigkeit verleitet, oder nicht minder verabscheuungswürdige Feigheit.

Ich rate allen, die Ruf und Ehre nicht dem Eigennutz, ja dem Leben vorziehen, niemals den Waffenberuf zu ergreifen; denn früher oder später kommt ihre Schwäche doch zum Vorschein und macht sie zum Gegenstand der Verachtung und des Abscheus.


182-1 Vgl. Bd. IV, S. 24 f.