33. Kapitel Der rechte Gebrauch der Kürassiere und Dragoner

Ich habe öfters mit Sorge und Verdruß bemerkt, daß unsre Infanteriegenerale sich sehr wenig um den Kavalleriedienst kümmern. Haben sie dann Kavallerie unter sich, so verlangen sie von ihr bisweilen Unausführbares, brauchen sie aber oft nicht zu dem, wozu sie berufen ist. Das veranlaßt mich, ihnen hier einen deutlichen Begriff von der Kavallerie zu geben, damit sie die Grundsätze und den Geist dieser Waffe kennen und künftig wissen, wie man sie verwenden muß.

Ebenen sind das rechte Feld für die Kavallerie. Alle ihre Bewegungen sollen rasch, ihre Ausführung schnell und ihre Attacken im Augenblick entscheidend sein. Darum muß die Kavallerie in flachem Lande den Hauptteil der Avant- und Arrieregarde bilden. In ebenem Gelände muß sie die Kette der Lagerwachen bilden, die von einer Kette von Husaren gedeckt wird. Man sucht die Wachen in Mulden oder hinter kleinen Gehölzen zu verbergen, damit der Feind weder ihre Stärke zählen noch sie durch einen Handstreich aufheben kann.

Ihr dürft die Kavallerie aber nie in morastigem Gelände verwenden; denn dort käme sie nicht weiter und bliebe im Sumpfe stecken. Ebensowenig in großen Wäl<176>dern, wo sie nicht fechten könnte. Auch in einem von tiefen Hohlwegen durchschnittenen Gelände dürft Ihr sie nicht attackieren lassen. Sie darf sich den Wäldern und Dörfern nicht nähern, aus denen sie von der Infanterie beschossen werden könnte. Vor allem aber laßt sie nie angesichts des Feindes durch Defileen gehen, in denen sie sicher ge-schlagen würde, wenn sie beim Passieren nicht durch Infanterie- und Artilleriefeuer gedeckt wird. Garnicht fechten kann die Kavallerie in felsigen und steilen Gebirgen. Ihre Attacken erfolgen in der Karriere, dazu aber muß das Gelände eben sein.

Da sich in den jetzigen Kriegen alles um Artillerie- und Stellungskämpfe dreht176-1, so müßt Ihr sehr darauf achten, daß Eure Kavallerie diesem verheerenden Feuer nicht unnötig ausgesetzt wird. Es würde sie vernichten, ohne daß sie Gelegenheit zur Gegenwehr hätte. Man muß also Mulden im Gelände aussuchen, wo sie vor dem Artilleriefeuer geschützt ist und frisch und unversehrt bis zu dem Augenblick bleibt, wo die Reihe an sie kommt. Dieser Moment tritt ein, wenn das feindliche Geschützfeuer nachläßt und die Infanterie schon geschossen hat. Hat Eure Infanterie dann die Schlacht noch nicht entschieden und der Feind steht nicht auf zu stellen Höhen, so laßt Eure Kavallerie, wie bei Zorndorf und Torgau, in Kolonnen gegen die feindliche Infanterie verbrechen176-2, und sie wird den Sieg erringen.

In der Ebene stellt man, wenn möglich, einige Infanteriebataillone auf die äußersten Kavalleriefiügel. Wird dann Eure Kavallerie auch geworfen, so kann sie sich im Schutze des Artillerie- und Gewehrfeuers wieder sammeln und den Feind von neuem angreifen. Auch in einer festen Stellung müßt Ihr Eure Kavallerie vor dem Geschützfeuer des Angreifers decken und sie nur zur völligen Vernichtung der Angriffstruppen verwenden, die durch Euer Kartätschfeuer schon halb aufgerieben sind, sowie zur Verfolgung des geworfenen Feindes. Überhaupt soll sie, soweit das Gelände es erlaubt, stets möglichst unter dem Schutz Eurer Artillerie stehen. Auch Infanterie und Kavallerie sollen sich immer gegenseitig unterstützen. Werden diese Maßnahmen richtig getroffen, so sind beide Waffen nahezu unbesieglich.


176-1 Vgl. S. 118 ff.

176-2 Für die Kolonnen-Attacke, d. h, für den Angriff mit Schwadronen in Linie hintereinander, vgl. die „Instruktion für die Generalmajore der Kavallerie“ vom 16. März 1759 (S. 312).