23. Kapitel Die beste Methode, dem Feind einen Flußübergang streitig zu machen

So oft man Stellung hinter einem Flusse nimmt, um den Übergang zu verteidigen, wird man den kürzeren ziehen. Denn der Feind findet durch eine Reihe von Kniffen früher oder später den rechten Augenblick, um Euch seinen Übergang zu verbergen. Ost hängt alles von der Wachsamkeit und Klugheit eines einzigen Offiziers ab, der Patrouille reitet. Zerteilt Ihr Cure Truppen, um die gefährdetesten Stellen des Flusses zu verteidigen, so kommt Ihr in Gefahr, im einzelnen geschlagen zu werden. Behaltet Ihr aber Eure Truppen zusammen, so ist das mindeste, was Euch geschehen kann, daß Ihr hastig zurückgehen müßt, um Euch eine andre Stellung zu suchen. In beiden Fällen habt Ihr das Spiel verloren, da Ihr des Feindes Absicht nicht habt verhindern können.

Darum verwerfe ich die alte Methode, einen Flußübergang zu verteidigen165-1, weil sie von der Erfahrung verurteilt wird. Ich schlage eine andre vor, die einfacher und sicherer ist. Von einem geschickten Heerführer angewandt, erspart sie Euch den Übelstand, vom Feind überrascht zu werden, zu spät Nachricht zu erhalten und vor allem, Eure Aufmerksamkeit teilen zu müssen, was nach meiner Ansicht das schlimmste ist. Ein einfacher Plan, den Ihr im Kopfe habt, muß alle Pläne des Feindes über den Haufen werfen.

Ich schlage also folgendes vor. Die einzige Methode, einen Fluß zu verteidigen, ist, sich davor aufzustellen. Man muß eine gute Verbindung mit dem andren Ufer haben und wenigstens zwei Schiffbrücken schlagen, deren Köpfe gut verschanzt sind. Eine halbe Meile davor bezieht man ein Lager, das so eingerichtet ist, daß der Feind beim Angriff darauf sicher geschlagen wird, auch wenn Eure Armee um ein Drittel schwächer ist als die seine.

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Durch ein solches Lager, sage ich, hindert Ihr den Feind am Flußübergang; denn mag er rechts oder links an Euch vorbeimarschieren, um ihn zu passieren, er muß allemal seine Lebensmittel und Magazine, die er hinter sich hat, preisgeben. Das aber wird er sicher nicht tun. Was bleibt ihm also übrig? Ohne Zweifel wird er versuchen, ein Detachement über den Fluß zu werfen, aber dies Detachement muß im Halbkreis marschieren, um an den Fluß zu gelangen, Ihr hingegen braucht nur ein Detachement in gerader Linie über Eure Schiffbrücken gehen zu lassen und es an die Übergangsstelle des Feindes zu schicken, wo es ihn im einzelnen schlagen kann. Will aber die ganze feindliche Armee rechts oder links von Euch über den Fluß gehen, so fallt Ihr durch eine einfache Bewegung ihr in den Rücken und benutzt die schreckliche Verwirrung, in die der Feind bei Eurem Anmarsch geraten wird. Dieser Plan ist einfach. Er befreit Euch von allen Sorgen und konzentriert alle Eure Gedanken auf denselben Punkt.


165-1 Vgl. Kapitel 22 der „Generalprinzipien des Krieges“ (S. 53 f.), das die alte Methode wiedergibt.