<127>

Grundsätze der Lagerkunst und der Taktik (1770)

Vorwort

dem letzten Kriege127-1 habe ich meinen Generalen eine Instruktion127-2 gegeben, die mir damals hinreichend erschien. Da der Feind aber eingesehen hat, welchen Schaden wir ihm in den ersten Kriegen127-3 zugefügt haben, so hat er seitdem seine Lagerkunst Taktik und Artillerie vervollkommnet127-4. Durch diese Fortschritte ist das Kriegführen komplizierter, schwieriger und gefährlicher geworden; denn nun haben wir nicht bloß mit Menschen zu kämpfen, sondern auch mit festen Stellungen und starker Artillerie, und die Vorsicht zu üben, die uns die Taktik lehrt. Schon das allein soll uns zum Studium dieser Teile der Kriegskunst veranlassen, damit wir unsern alten Ruhm wahren und neuen hinzufügen.

Das Studium des Geländes, seiner Vorteile und Mängel und seine Benutzung ist für einen General von größter Bedeutung; denn alle seine Kriegsoperationen drehen sich um Stellungen, die er vorteilhaft besetzen oder mit möglichst geringen Verlusten angreifen muß, oder um Gegenden, in denen er als Führer der Vorhut oder Nachhut zu kämpfen hat. In jedem Falle muß er sich auf die Kunst verstehen, die Truppen dem Gelände entsprechend zu gebrauchen, und die Regeln beherrschen, die uns die Erfahrung gelehrt hat.

Wer sich einbildet, ein General brauche nur Mut zu haben, der irrt sich sehr. Mut ist zwar eine wesentliche Eigenschaft für ihn, aber es müssen auch noch viele Kenntnisse<128> hinzutreten. Auch ein General, der auf Ordnung und Disziplin bei seinen Truppen hält, verdient gewiß Lob, aber das alles reicht zum Kriege nicht hin, sondern bei allem, was er tut, ist Urteilskraft nötig. Wie aber soll er sie erlangen, wenn ihm die Kenntnisse fehlen? Was ist ein General, der die Vorteile und Mängel des Geländes nicht erkennt und nicht alles benutzt, was es ihm bieten kann? Hat er die Regeln der Taktik nicht im Kopfe, so werden seine Dispositionen für Avant- und Arrieregarden, Märsche, Angriffe und Verteidigungen fehlerhaft sein; denn bei seiner Unwissenheit wird er vielleicht die Wichtigsten Maßregeln unterlassen. Es gibt Grundsätze für alles. Ich führe hier nur die unerläßlichsten an. Aber man muß sich die Mühe geben, selbst nachzudenken, und sich üben, damit sie einem vertraut und geläufig werden.

Wir müssen Lagerkunsi, Taktik und Artilleriewesen studieren und ihren rechten Gebrauch lernen. Die Infanteriegenerale müssen den Kavalleriedienst und die Kavalleriegenerale den Infanteriedienst verstehen, weil sie als Detachementsführer beide Waffen unter sich haben.

Ich suche die Armee, soviel an mir ist, in den besten Stand zu setzen, aber man vergesse nie, daß sie nur ein Werkzeug ist, das die Generale benutzen sollen, und daß dies Werkzeug, so gut es sei, nur bei rechtem Gebrauch etwas taugt.

So sehr ein tüchtiger General zu entschuldigen ist, wenn er schlechte Truppen kommandiert, die seine Befehle nicht auszuführen vermögen, so sehr müssen unsre Generale — ich sage es dreist heraus — alle Achtung verlieren, wenn sie mit so gut ausgebildeten Truppen durch ihre Unwissenheit Fehler und Torheiten begehen.

Wir müssen uns also wohl einprägen, daß wir künftig nur einen Artilleriekrieg zu führen und feste Stellungen anzugreifen haben. Das erfordert gründliche Kenntnis des Geländes und kunstgerechtes Ausnutzen aller seiner Vorteile, sowohl beim Angriff wie bei der Verteidigung.

Vorteilhaft bei der Verteidigung sind für die Infanterie und Artillerie Anhöhen und vor allem sanfte Abhänge, die gleichsam ein natürliches Glacis bilden. Hier wirkt das Feuer verheerend. Solche sanften Abhänge finden sich auch oft in der Ebene. Sie dürfen niemals unbenutzt bleiben. Auch Wälder mit guten Verhauen sind sehr nützlich. Überhaupt besieht der Vorteil einer festen Stellung darin, daß sie den Feind beim Angriff zum Abbrechen seiner Front zwingt, mag man nun hinter einem Bachlauf oder einem Verhau stehen.

Beherrschende Höhen sind noch vorteilhafter. Sie bringen die Artillerie des Feindes um jede Wirkung, da man nicht bergauf schießen kann. Sie schalten sein Gewehrfeuer aus, da er es beim Angriff nicht verwerten kann. Sie legen seine Kavallerie lahm, da sie in dem bergigen Gelände nicht fechten kann, und zwingen den Feind überhaupt, beim Erstürmen der Höhe seine Front zu brechen. Das aber ist der Augenblick, wo Euer Feuer ihn vernichten und seine Verwirrung zur Flucht machen muß.

<129>

Dagegen hat der Angreifer alle kleinen Bodenerhebungen zu benutzen, die seinen Truppen beim Anstürmen gegen die Stellung Schutz vor dem feindlichen Feuer zu bieten vermögen. Nie darf er eine Anhöhe unbesetzt lassen, auf der er ein paar Kanonen aufpflanzen kann. Stets muß er bestrebt sein, den Angriffspunkt der feindlichen Stellung unter Kreuzfeuer zu nehmen, soweit das Gelände und die Aufstellung des Gegners es irgend gestatten, um sich soviel wie möglich die Feuerüberlegenheit zu verschaffen. Er muß seine Angriffstruppen durch die Armee, die ihnen als Rückhalt dient, gut unterstützen und, wenn irgend ausführbar, einen seiner Angriffe in den Rücken des Feindes richten; denn das kann den Sieg entscheiden. Er darf also nichts unversucht lassen.

Da dieser Gegenstand ausführliches Eingehen auf Einzelheiten erfordert, wird es zweckmäßig sein, wenn ich die Darlegung meines Systems in Kapitel einteile, um methodischer, wenn auch so kurz wie möglich, zu verfahren. Ich hoffe, meine Generale werden bei Beherzigung dieser Grundsätze in künftigen Kriegen grobe Fehler vermeiden. Das wäre der schönste Lohn meiner Arbeit.

1. Kapitel Lagerkunst

Ein Lager ist ein Schlachtfeld, das man besetzt hat; denn zum Schlachtfeld wird es, sobald der Feind Euch angreift. Ihr müßt Euch daher angelegen sein lassen, es gut zu besetzen und die rechten Dispositionen zu treffen, damit Ihr nicht durch eigne Schuld eine Niederlage erleidet. Die Fortifikationskunst gibt uns die richtigen Grundsätze und Regeln der Lagerkunst an. Prüfen wir diese Regeln also.

Zur Befestigung wählt man ein vorteilhaftes Gelände, das von keiner Seite beherrscht wird. Man nimmt eine hochgelegene Gegend und keine Niederung. Man lehnt die Festung an einen Fluß an oder legt sie auf eine steile Höhe, und in Ermangelung dessen umgibt man sie rings mit befestigten Werken. Diese müssen sich durch Flankenfeuer gegenseitig unterstützen und von dahinter liegenden Werken unterstützt werden, so der gedeckte Weg von den Außenwerken, diese von den Ravelins und diese von den Bastionen. Die Werte des gedeckten Weges müssen mit ihrem Feuer alle Hohlwege und Mulden im Umkreis des Platzes bestreichen, damit der Feind sich nirgends heranschleichen und sich nicht unvermutet und ungesehen den Werten nähern kann.

Nach diesen Regeln muß also auch ein gutes Lager eingerichtet sein. Euer erstes Treffen stellt den gedeckten Weg dar und das zweite die Werke, die ihn verteidigen.<130> Eure Verteidigungslinie muß ausspringende Winlel haben, deren Anlage Euch das Gelände angibt. Alle Batterien Eures ersten Treffens müssen so aufgestellt sein, daß sie Kreuz- oder Flantenfeuer abgeben können, weil dies Eure Stärke verdoppelt. Eure Flanken müssen gut angelehnt und möglichst unangreifbar sein, sei es durch Flüsse, Moräste, Überschwemmungen oder Wälder, in denen Ihr Verhaue von 500 Schritt Tiefe anlegen laßt. Fehlen aber alle diese Hilfsmittel, so müssen sie durch feste Redouten geschützt werden, die durch eine gute Verschanzung miteinander verbunden sind.

Bei der Befestigung der Plätze sucht man den Feind so viel wie möglich auf einige Angriffspunkte zu beschränken. Das geschieht durch weit vorgeschobene, aussprin gende Winkel; denn der Feind kann sich niemals an die einspringenden Winkel wagen. Diese Methode ist um so besser, als sie den Feind zwingt, sich den Kopf an der Stelle einzurennen, wo Ihr Euren stärksten Widerstand vorbereitet habt und auf die Ihr Eure ganze Aufmerksamkeit konzentrieren könnt.

Die besten Festungen sind die, welche die Angriffsfront am meisten einschränken, z. B. durch Moräste, die der Feind nur auf schmalen Dämmen überschreiten kann. Der Vorteil besieht in der Feuerüberlegenheit, die eine solche Einrichtung bittet. Die besten Lager sind also die, die ein weites Gelände umfassen, in denen der Feind Euch aber nicht anders angreifen kann, als durch Überschreiten undurchwatbarer Flüsse auf Brücken, durch Annäherung über einen Damm oder auf einer Erdzunge, auf der sich nur wenige Bataillone in Front aufstellen lassen. Das alles gibt Euch eine gewaltige Feuerüberlegenheit, und ist der Feind so verwegen, Euch anzugreifen, so wird er gewiß geschlagen und alles, was sich durch das Defilee wagt, vernichtet.

Das zweite Treffen ist in jedem Fall eine gute Unterstützung für das erste. Jedoch hat es in der Ebene nicht die gleiche Gefechtskraft wie auf Anhöhen und Bergen, wo es in überhöhender Stellung hinter dem ersten Treffen sieht und so den Angreiser zwingt, zwei Siege zu erfechten, bevor er Herr der Stellung wird.

2. Kapitel Lager auf Anhöhen und Bergen

Nach Festsetzung dieser Grundregeln schreiten wir zu ihrer Anwendung. Wollt Ihr Anhöhen besetzen, die sanft in die Ebene abfallen und auf 3 000 Schritt Entfernung von keiner andern Höhe beherrscht werden, so stellt Ihr Euer erstes Treffen auf die halbe Höhe, auf die Mitte des Abhangs, und das zweite auf den Höhenkamm. Ge<131>lingt es dem Feinde auch, das erste Treffen zu werfen, so findet er den schwersten Teil der Arbeit erst bei der Vertreibung des zweiten Treffens. Er hat sozusagen nur den gedeckten Weg gestürmt und muß nun unverzüglich den Sturm auf die Werke selbst wagen. Achtet wohl darauf, Eure Flügel an steile Abstürze anzulehnen, sie zurückzubiegen und dadurch eine starke Flanke zu schaffen. Bei der Aufstellung Eures ersten Treffens ist darauf zu sehen, daß jedes Gewehr das ganze Schußfeld bis zum Fuße des Glacis beherrscht und der Feind sich beim Angriff nirgends hinter einem steil abfallenden Hang zu decken vermag. Vielmehr muß alles offen daliegen, und der geringste Hohlweg muß durch Geschütz- oder Gewehtfeuer bestrichen werden. Zu dem Zweck folgt Ihr bei Eurer Truppenaufstellung den Krümmungen des Geländes und schlagt Euch die gerade Linie gänzlich aus dem Sinn. Cure Kavallerie stellt Ihr außerhalb des Geschützfeuers derart hinter den beiden Infanterietreffen auf, daß Ihr jederzeit einige Schwadronen vorziehen und attackieren lassen könnt, falls der Feind, durch das Kartätsch- und Gewehrfeuer erschüttert, zu weichen beginnt. Dann laßt sie nach meiner Methode einHauen: sie werden die gesamten Angriffstruppen vernichten und gefangen nehmen.

Der günstigste Augenblick Eurer Verteidigung ist der, wo der Feind die Anhöhe zu ersteigen beginnt. Das ist der Triumph des Kleingewehrfeuers und der Kartätschen, zumal wenn Eure Infanterie so aufgestellt ist, daß ihr Schußfeld bis an den Fuß der Anhöhe reicht. Hat Eure Stellung Winkel, so verdreifacht das die Stärke der Verteidigung, und können Eure Geschütze das Gelände schräg bestreichen, so braucht Ihr um die Zurückweisung des Feindes nicht besorgt zu sein. Laßt aber Eure Infanterie nicht zur Verfolgung vorgehen, sondern in ihrer Stellung fest stehen bleiben. Findet sich Gelegenheit zum Verfolgen, so nehmt dazu die Kavallerie. Eure Avantgarde kann sich als Flankendeckung auf den rechten und Eure Arrieregarde auf den linken Flügel stellen. Eure Reserve müßt Ihr sorgfältig hinter der Stellung zurückhalten; sie ist die letzte Zuflucht. Stets müßt Ihr eine Reserve nach dem Stärkeverhältnis der Armee haben, und wäre es bei einem schwachen Korps auch nur ein Reservebataillon, es ist doch notwendig; denn frische Truppen, die in ein Gefecht eingreifen, haben eine gewaltige Überlegenheit über den abgematteten Angreifer. (Siehe Plan 1.)131-1

Erläuterungen zu Plan 1 (umstehend)

Da diese Stellung von keiner Seite beherrscht wird, so stellt Ihr Euer erstes Treffen auf das Glacis, das zweite auf den Höhenkamm. Das ist die vorteilhafteste Art der Truppenaufstellung. Sie läßt sich jedoch nicht immer anwenden, da man sich nach dem Gelände richten muß.

<132>

I Plan einer Anhöhe, die in die Ebene übergeht

<133>

3. Kapitel Stellungen auf hohen Bergen

Für Stellungen im Gebirge gelten andre Regeln als für lager auf Anhöhen. Denn die hohen Berge haben in ihrer Nachbarschaft andre, die oft nur durch Täler von 1 500 bis 2 000 Schritt Breite getrennt sind. Kann der Feind Artillerie auf diese Höhen bringen, so dürft Ihr Euer erstes Treffen nicht auf die Mitte des AbHangs stellen; denn sonst würden die feindlichen Kanonen die dort stehenden Truppen vernichten. Man muß sich also mit Besetzung des Bergkammes begnügen, wie wir es in den Lagern von Bärsdorf und Steinseifersdorf taten133-1. Solche Stellungen erfordern verdoppelte Aufmerksamkeit auf die Sicherung der Flanken und ebensoviel Wachsamkeit im Rücken wie in der Front. Man muß alle Straßen hinter dem Berge genau kennen, sowohl um seine Stellung ungehindert verlassen zu können, wie vor allem auch, um sich zu versichern, ob der Feind Euch nicht in den Rücken zu kommen sucht. Liegt eine bedrohliche Anhöhe hinter Euch, die Eure Stellung beherrscht oder Euch den Abzug streitig macht, so müßt Ihr sie unbedingt besetzen, und sei es nur mit einem Bataillon, das die Bergkuppe krönt. Ferner müßt Ihr je nach der Beschaffenheit der Gegend Streifkorps von Infanterie oder Kavallerie ausschicken, die Tag und Nacht alle Straßen abpatrouillieren, auf denen der Feind anrücken könnte.

Was die Besetzung der Stellung selbst betrifft, so müßt Ihr die von mir gegebenen Grundregeln befolgen und das erste Treffen stets so aufstellen, daß sein Feuer bis ins Tal reicht. Die Batterien müssen am Rande des Abhangs errichtet werden, und zwar soviel wie möglich derart, daß ihr Feuer sich kreuzt. Da es in den Bergen aber oft ausgeschlossen ist, die Talgründe mit Artillerie zu beschießen, so würde ich an den angreifbarsten Stellen meiner Front in gewissen Abständen Haufen fertig geladener Granaten bereitlegen lassen. Ist der Feind dann so verwegen, den Angriff zu unternehmen, so werden sie angezündet und auf seine Truppen herabgerollt. So steil Euer Berg auch sei, Ihr müßt stets leichte Truppen in den Talgrund oder auf die halbe Höhe des Berges stellen, um Euch vor Überfällen zu sichern, desgleichen auch in Euren Rücken.

Eine Stellung wie die oben beschriebene ist durch gewaltsame Angriffe nicht zu erobern. Man hat in ihr nichts als Überfälle, besonders bei Nacht, zu befürchten. Die leichten Truppen verhindern jeden Überfall; denn der Feind muß sie erst aus ihrem Posten vertreiben, bevor er sich Eurem Lager nähern kann. Ihr Feuer alarmiert Euch und läßt Euch Zeit genug, die Zelte abzubrechen und unter Gewehr zu treten. Bei Nacht laßt Ihr dann Leuchtkugeln steigen, um die Umgegend zu beleuchten. Ferner laßt<134> Ihr die Granaten hinunterrollen, wo der Angriff stattfindet, und Eure Infanterie in den Talgrund feuern. Alles zusammen wird beim Feinde die Unordnung und den Schrecken vermehren, die bei nächtlichen Unternehmungen stets unvermeidlich sind. Da man im Kriege die Vorsicht nie zu weit treiben kann, so wäre es gut, für jede Eurer Wachen ein Blockhaus oder eine verpalisadierte Schanze anzulegen, was alle feindlichen Unternehmungen vollends vereiteln wird.

4. Kapitel Lager in der Ebene und in durchschnittenem Gelände

Bei der Wahl Eures Lagers müßt Ihr zuerst darauf sehen, ein beherrschendes oder wenigstens nicht beherrschtes Gelände zu besetzen. Danach habt Ihr an die Anlehnung Eurer Flügel zu denken, sei es durch einen Wald, Morast, Bach, Fluß, Abgrund oder eine Anhöhe.

Habt Ihr einen Wald in der Flanke, so laßt Ihr darin einen starten Verhau anlegen, aber nicht aus planlos durcheinandergeworfenen Bäumen, sondern die Stämme müssen aufgeschichtet werden, derart, daß der Schaft Euch zugekehrt ist, der abgestutzte Wipfel aber dem Feinde entgegenstarrt. Vor diesem kunstgerechten Verhau laßt Ihr bis auf 500 Schritt Entfernung alle Bäume fällen, damit vor Eurer Flanke alles licht ist und der Feind sich nicht in dem Gehölz verstecken kann, um Euch auf 200 bis 300 Schritt mit Infanteriefeuer zu beschießen.

Befindet sich in Eurer Flanke ein Morast, so laßt ihn genau untersuchen, ob er auch wirklich unpassierbar ist. Dann könnt Ihr Euch daran anlehnen. Traut aber nie dem bloßen Augenschein.

Lehnt sich Eure Flanke an eine Anhöhe, so befestigt sie mit einigen durch eine Wallinie verbundene Schanzen, die aber sorgfältig angelegt und mit breitem und tiefem Graben versehen sein müssen. Legt darin starte Batterien an, die stets Flankenfeuer abgeben können. Erlaubt es das Gelände, so verstärkt die Stellung durch eine dahinter angelegte Redoute, die sie unterstützen kann, falls der Feind sie durchbricht. Die Redoute ist dann wie ein Ravelin, das den gedeckten Weg verteidigt.

Habt Ihr vor der Front ein Dorf, dessen Besetzung bei der Art Eurer Stellung erforderlich ist, so laßt die Front des Dorfes in einigem Abstand von den Häusern verschanzen. Habt Ihr aber keinen triftigen Grund zu seiner Besetzung, so legt nur ein paar Freibataillone hinein, um das Lager gegen Überfälle zu sichern. Dann muß der Feind sie vertreiben und somit schießen, und das ist für Euch sehr vorteilhaft; denn jede Infanterie, die schon geschossen hat, kann sich mit einer noch ganz frischen beim Angriff nicht messen.

<135>

Bevorzugt stets ein Gelände, das in sanfter Abdachung glacisartig abfällt; denn es bietet die größten Votteile für das Infanteriefeuer, und ein geschickter Heerführer muß alles benutzen. Beobachtet stets die Regel der Befestigungskunst, daß alle auf Eure Stellung zulaufenden Hohlwege unter Eurem Feuer liegen.

Habt Ihr nun alles in Eurem Lager angeordnet und eingerichtet, so reitet außen rings herum und stellt Euch die Aufgabe, es selbst anzugreifen. Dann werdet Ihr seine schwachen Punkte entdecken, die nötigen Verbesserungen vornehmen und die Verteidigungseinrichtungen verstärken. Dadurch kann Eure Stellung nur gewinnen.

Bei allen festen Stellungen gehört die Kavallerie ins dritte Treffen und muß möglichst vor dem Geschützfeuer gedeckt sein. Das hindert aber nicht, daß Ihr sie im Bedarfsfalle gebraucht, indem Ihr sie durch die Zwischenräume der Infanterie nach der Stelle vorgehen laßt, wo sie kämpfen soll. (Siehe Plan 2.)

2 Plan eines Lagers in der Ebene

Erläuterungen zu Plan 2

Hier ein Lager in der Ebene, das an sich nicht schlecht ist, aber künstlich verstärkt werden muß; denn die Überschwemmung ist mittels des aufgeworfenen Dammes hergestellt. Die vorgesandte Kavallerie A beobachtet den Feind. Um an Euch heranzukommen, muß er dies Korps über den Haufen werfen, eine doppelte Kavalleriekette durchbrechen und<136> zwei mit Freibataillonen besetzte Dörfer erobern. Diese leichten Truppen müssen beim Verlassen ihrer Stellung Feuer anlegen. Seht, wie die brennenden Dörfer B und C seine Angriffsfront einschränlen. Ihr könnt auf keiner Seile überflügelt werden und habt noch eine gute Reserve D, die Ihr nach Bedarf verwenden könnt. Die als Angriffspunkt zu betrachtende Stelle Eures Lagers ist Eure linke E. Demgemäß müßt Ihr eine starke Redoute hinter dem Gehölz F und in dem Gehölz selbst Verhaue anlegen.

5. Kapitel Lager im Hinterhalt

Es gibt eine Alt, sich zu lagern, in der Ihr dem Feind einen richtigen Hinterhalt legt. Indes ist zu bemerken, daß sich dazu nicht jedes Gelände eignet. Es müssen Gehölze und buschreiche Gegenden in der Nähe sein; in ganz offenem Gelände ist es weit schwerer.

Folgende Regeln kommen für solche Lager in Betracht. Die Aufstellung der Truppen findet nach den Grundsätzen der Lagerkunst statt, um ihre Verteidigung möglichst vorteilhaft zu gestalten. Das Gelände muß ganz wenige Angriffspunkte bieten, höchstens einen oder zwei. Ihr haltet Eure Truppen versteckt, und sobald der Feind den Punkt angreift, den Ihr dazu ausersehen habt, geht Ihr zur Offensive über und fallt den Angreifer Eurerseits an. Alles Unvermutete ist im Kriege von großer Wirkung, und solch ein gut ausgeführter Überfall kann Euch einen vollständigen Sieg verschaffen.

Um einen deutlichen Begriff davon zu geben, füge ich zwei verschiedene Pläne eines solchen Kunstgriffs bei. Da das Gelände unendlich abwechselt, muß jeder selbst zusehen, wie und bei welcher Gelegenheit er solche Verstecke am besten benutzt. Die Idee selbst ist gut und verdient, beibehalten zu werden.

In welcher Art von Gelände man sich aber auch lagern möge, als allgemeiner Grundsatz ist stets zu beachten, daß man dicht im Rücken keine Moräste oder Flüsse hat; denn sie würden im Fall einer Niederlage zur allgemeinen Vernichtung führen. Entweder entstände ein Gedränge auf der Brücke oder die Fliehenden stürzten sich selbst ins Wasser, oder der Feind machte sie sämtlich zu Gefangenen. (Siehe Plan 3 und 4.)

Erläuterungen zu Plan 3

Ich nenne derartige Lager Hinterhalte, weil ich dem Feinde die Stellung A präsentiere. Daraufhin trifft, er seine Disposition zum Angriff auf L. Dann schiebe ich meine Linie plötzlich nach C vor, werfe das Karree D in die Flanke seiner Angriffstruppen und meine Kavallerie E in die Flanke seiner Hauptmacht. So wird er vom Angreifer zum Angegriffenen und muß sich selbst verteidigen. Hieraus ergibt sich die Regel, daß man selbst beim Angriff so viel Anlehnung wie möglich nehmen und niemals vergessen soll, die Wälder in seiner Flanke zu besehen. (Siehe F.)

<137>

3 Plan eines Hinterhalts am Waldesrand

<138>

Erläuterungen zu Plan 4

Hier eine andre Idee eines Hinterhalts. Die Armee sieht in der Stellung A, aber die ganze Kavallerie und die Reserve bleibt nicht in der Stellung und hält sich zur fteien Verfügung. Angenommen, der Feind greift Euch von B aus an. Warum nicht die ganze Kavallerie über seinen linken Flügel C herfallen lassen und, wenn er geschlagen ist, mit Eurer Infanteriereserve D die linke Flanke seiner Infanterie beschießen? Ich bürge Euch dafür, er wird schleunigst an seinen Rückzug denken, und wenn diese unvermutete Bewegung allgemeine Verwirrung in seiner Armee anrichtet, könnt Ihr ihn vielleicht völlig schlagen.

6. Kapitel Lager hinter Bächen oder Flüssen

Stellt man sich hinter einem Bach oder Fluß auf, so muß man vorher alle Furten untersuchen lassen und sich dort besonders vorsehen.

Ist es ein Bach, so braucht man ihn nur abzudämmen, um eine Art von Überschwemmung herzustellen. Man besetzt das Ufer mit kleinen Abteilungen leichter Infanterie und stellt die Hauptmacht ein paar hundert Schritte dahinter in höher gelegenem Gelände auf. Diese Stellung muß das jenseitige Ufer beherrschen, auf dem der Feind anrücken kann. Eure Batterien verteidigen den Übergang, und unter ihrem Schutze könnt Ihr einige Bataillone vorschieben, die den Feind beim Übersetzen angreifen. Außerdem legt Ihr gute Schanzen an, die in der Kehle geschlossen und mit Geschütz besetzt sind, die alle Versuche des Feindes vereiteln werden.

Derartige Stellungen werden selten in der Front angegriffen, sondern der Feind sucht den Fluß oder Bach zumeist rechts oder links von Eurer Stellung zu überschreiten. Daher müßt Ihr Euer Hauptaugenmerk auf diese beiden Seiten richten, sei es, um den Feind bei seinem Übergang anzugreifen, sei es, daß Ihr schon im voraus Lager ausgesucht habt, die Ihr in Eurer und des Feindes Flanke beziehen könnt. Ihr müßt also beständig Streifkorps und Patrouillen unterwegs haben, damit Ihr von allem Meldung bekommt. Ein Heerführer muß stets mißtrauisch sein und alles vorhersehen, was ihm zustoßen kann, um dem beizeiten vorzubeugen und nie überrumpelt zu werden.

<139>

4 Plan eines Hinterhalts mit Kavallerie und Reserve

<140>

7. Kapitel Lager, die auf einen oder zwei Angriffspunkte beschränkt sind

öfters findet man in günstigem Gelände Lager, die von der Natur auf einige Angriffspunkte beschränkt find. Derart war das Lager von Schmottseiffen140-1, gegen das der Feind lediglich von Dörings Vorwerk anrücken konnte. Andre Gegenden verbieten solche Lager gänzlich. Wieder andren kann man jede beliebige Gestalt geben.

8. Kapitel Lager mit schmaler Angriffsfront

Die besten Lager sind die mit schmaler Angriffsfront. Angenommen, Ihr habt einen Morast oder einen engen Talgrund vor Euch, durch den nur 2 bis 3 Bataillone in Front gegen Euch vorrücken können, und Eure Armee sieht halbkreisförmig auf Anhöhen, die das Gelände beherrschen. Ihr sehet wohl ein, daß Euer Feuer dem feindlichen Korps, das gegen Euch vorgeht, sehr überlegen ist. D ese Feuerüberlegenheit wird Euch gewiß den Sieg geben; denn der Angreifer wird vernichtet und völlig aufgerieben, bevor er an Eure Stellung heran ist. Im Jahre 1759 standen wir in solch einem Lager bei Neustädtel in Schlesien den Russen gegenüber140-2.

9. Kapitel Verschanzungen

Läßt man Schanzen aufwerfen, so müssen sie in der Kehle geschlossen sein; denn sie werden stets von hinten erobert. Eure Verschanzung muß einen breiten und 10 Fuß tiefen Graben haben. Hat man keine Palisaden, so kann man sie mit spanischen Reitern umgeben, die fest in die Erde gerammt sind. Ist aber Holz vorhanden, so verdienen Palisaden den Vorzug.

<141>

Gute Brustwehren sollen 16 Fuß stark sein, und die Böschung muß so angelegt werden, daß der einzelne Mann sein Gewehr nur aufzulegen braucht, um die Stelle, wo der Angriff erfolgt, zu beschießen. Zur Verstärkung der Verschanzung dienen Flatterminen, die man wie richtige Minen in T-Form anlegt, um dieselbe Stelle dreimal sprengen zu können141-1. Sie sind sehr wirksam; denn nichts verstärkt eine Stellung so sehr und schreckt den Angreifer mehr ab. Nimmt man sich aber dergleichen vor, so muß man mit Fleiß daran arbeiten lassen und viele Arbeiter verwenden, um beizeiten fertig zu sein.

10. Kapitel Lager, die eine Gegend decken

Im Verteidigungskrieg muß man oft Lager aussuchen, die weite Landstriche decken. Ich will hiervon nur kurz reden. Die Natur selbst muß das Gelände dazu schaffen, da die Kunst es nicht Hervorbringen kann. Aber man muß solche Lager kennen und sie im Bedarfsfalle nicht unbenutzt lassen.

Ich kenne einige141-2, die ich angeben kann: für Niederschlesien die Stellung bei Landeshut, die wir 1759 inne hatten141-3. Sie umfaßt den Riegel, die Sieben Nothelfer und die Höhen von Reichenau, nebst dem Posten, den General Seydlitz besetzt hielt. Dies Lager deckt ganz Niederschlesien. Das Lager von Schmottseiffen141-4 deckt Schlesien nach Marklissa und Böhmen hin. Solange man dort sieht, wird der Feind es nie wagen, mit seiner Armee über den Bober zu gehen. Von derselben Art ist auch das<142> Lager bei Neustadt in Oberschlesien; denn der Feind wird niemals aus dem Gebirge heraustreten, solange man dort bleibt und ein Detachement bei Oppersdorf hat142-1. Das Lager von Schlettau und Meißen deckt ganz Sachsen.

Die Österreicher haben die Lager von Trautenau, Königgrätz und Olmütz.

In der Lausitz gibt es keine derartige Stellung, auch im Magdeburger Land nicht, und sobald man die Oder verläßt, findet man auch in der Mark keine Stellung, die die Hauptstadt deckt.

Die erwähnten starken Lager in Schlesien sind unangreifbar. Zudem bieten sie den Vorteil, daß der Feind um seine Lebensmittel besorgt wird, wenn er an ihnen vorbeirückt.

11. Kapitel Allzu ausgedehnte Stellungen

Nichts fühlt mehr in Versuchung als die zu weitläufigen Stellungen. Sie sind an sich zwar vorzüglich, aber zu ihrer vollen Besetzung und Verteidigung erfordern sie eine Armee von 80 000 Mann, und Ihr habt nur 40 000. In solchen Fällen darf man nie vergessen, daß ein Gelände an sich nichts vorstellt, sondern daß es die Menschen sind, die es verteidigen. Das Klügste, was man tun kann, ist, sich rechts oder links, vorwärts oder rückwärts davon eine andre Stellung zu suchen, die Euren Kräften besser entspricht und die Ihr daher halten könnt. Denn je mehr Ihr Euch ausdehnt, desto mehr schwächt Ihr Euch, und der Feind kann mit einem einzigen Vorstoß siegen. Gestattet ein zu großes Gelände jedoch, es zu teilen und nur ein Stück davon zu verteidigen, wo Eure Truppen dicht beisammen bleiben, so ist das gutzuheißen. Allein man muß sich dann verschanzen, Redouten anlegen und sich zu Erdarbeiten entschließen, ja manche Stellen verpalisadieren.

Am besten sind stets die Lager, zu deren Besetzung Ihr weniger Truppen braucht, als Ihr habt. Dann könnt Ihr zwei Treffen mit guter Reserve aufstellen und verzweifelten Widerstand leisten.

Gleichwohl lassen sich weite Landstriche verteidigen, namentlich im Gebirge. Ihr besetzt dann nur die Kuppen und einige Kämme der Berge mit ein paar Bataillonen und könnt Euch weit ausdehnen, zumal wenn die Zugänge zu den Bergen sehr stell sind. So läßt sich die Stellung bei Freiberg142-2 gut verteidigen. Die Mulde deckt sie. Sie hat felsige Ufer und ist nur auf drei Steinbrücken überschreitbar. Da Ihr auf den<143> Höhen steht, so braucht Ihr nur 3 Bataillone hinter jeder Brücke sich verschanzen zu lassen und die Front der Armee jenseits Freiberg gegen Brand zu richten, wo sie sich gleichfalls verschanzt, und den rechten Flügel hinter dem Galgen an Freibergsdorf anzulehnen. Dadurch haltet Ihr Eure Verbindung mit Schlettau offen.

Im Jahre 1759 verteidigte ich mit 30 000 Mann ein Gebiet von zwei Meilen in Schlesien, nämlich von Köben bis herrnstadt143-1. Freilich hatte ich die Bartsch vor mir, die zwischen Morästen fließt, und alle Übergänge waren von verschanzten Brigaden besetzt und verteidigt, die so vorteilhaft aufgestellt waren, daß auch 100 000 Mann sie nicht hätten zurückschlagen können143-2. Im Jahre 1758 verteidigten die Österreicher ebenso die Elbufer von Königgrätz bis Arnau143-3. Solche Beispiele zeigen, daß man alles, was man tun will, wohl erwägen und, bevor man handelt, nachdenken muß.

Man darf also nie eine Stellung einnehmen, ohne die Örtlichkeit genau zu kennen und ihre Vor- und Nachteile zu wissen. Nächstdem muß man in jedem Lager die Verteidigungsdisposition entwerfen und sie den Offizieren, die sie ausführen sollen, mitteilen; denn die Gedanken ihres Führers können sie nicht erraten. Sind sie aber gehörig instruiert, so kann man sie streng bestrafen, wenn sie die gegebenen Befehle nicht buchstäblich ausführen.

Erläuterungen zu Plan 5 (umstehend)

Ich gebe diesen Plan als Beispiel eines weitläufigen Geländes, das mit wenig Truppen zu halten ist. Von Köben bis Herrnstadt sind zwei Meilen, und ich hatte keine 30 000 Mann. Trotzdem mußte ich die ganze Front der Bartsch bis Herrnstadt halten. Ich machte folgendes. Ich lehnte meine linle bei A an die Oder und benutzte den starken Oderdamm als Verschanzung. Das Gros fand Aufstellung zwischen Köbnerheyde und Sophienthal hinter einem sumpfigen Walde, in dem ich gute Verhaue anlegen ließ. Das Dorf Schlaschwitz, von Sümpfen und Bachen umgeben, war mit starken Piketts besetzt. Hinter dem Defilee von Dahsau auf der Höhe L lagerte ein Detachement, sowohl zur Deckung meiner rechten Flanke, wie um dem Feinde rechtzeitig zuvorkommen zu können, da er mich über Herrnsiadt nicht umgehen konnte; schließlich auch, um Breslau und diesen ganzen Teil von Niederschlesien zu decken. Die Stellung westlich von Herrnstadt entschied alle unsre Operationen. Ich hatte dort nur 500 Husaren stehen, die mich von der geringsten feindlichen Bewegung des Feindes unterrichten sollten. Aus dieser Anordnung ersieht der Leser, daß meine Stellung bei Sophienthal unangreifbar war. Es stand mir also frei, mich nach rechts oder links zu wenden und dorthin zur Unterstützung zu rücken, wo der Feind hätte angreifen wollen.

Ich erreichte mein Ziel, nämlich dem Feind bei Herrnstadt zuvorzukommen, und zwang ihn dadurch, sich aus Wassermangel nach Polen zurückzuziehen. Denn die Bartsch lag im Schutz meines Infanteriefeuers, und da das Gelände nach Polen zu immerfort ansteigt, so fanden die Russen nirgends einen Fleck, wo sie ihre Pferde hätten tränken können.

Ich rate also allen, die ein weitläufiges Gelände verteidigen wollen, zuvor genau zu prüfen, ob es sich dazu eignet. Hier deckten mich die Bartschsümpft. Wer aber ein Gelände unbesonnen besetzt, das sich zu derartiger Verteidigung nicht eignet, würde vom Feinde streng gezüchtigt und, für seine Ungeschicklichkeit tüchtig geschlagen, wieder auf die Schulbank geschickt werden.

<144>

5 Plan des Lagers bei Sophienthal

<145>

12. Kapitel Wie man seine Stellung beurteilt

Zum besseren Verständnis der eben entwickelten Grundsätze füge ich hier den Plan der Höhen von Bornim145-1 hinzu. Er soll die Grundlage der Prüfung bilden, was ich an diesem Gelände vorteilhaft und nachteilig finde und wie man die Truppen darin aufstellen muß. Das kann zum Muster dienen, wie man seine Stellung beurteilen soll. Plan 6 zeigt Euch alles, was man über dies Gelände sagen kann.

Da aber das Gelände unendlich abwechselt, so vermag ich nicht alle möglichen Situationen zu prüfen, sondern es ist Sache eines jeden, die Gegend, in die die Verhältnisse ihn führen, richtig zu beurteilen.

Erläuterungen zu Plan 6 (umstehend)
Beurteilung der Höhen von Bornim

Die Höhen von Bornim zeigen mir sofort ein Lager, das mir vorteilhaft erscheint. Ich frage dabei nicht, ob es ein Gelände deckt oder nicht. Ich frage nur: wie muß ich meine Truppen aufstellen? Dort die Höhe A — soll ich sie besetzen oder nicht? Wie weit ist sie von den andren entfernt? 3 000 Schritt. Ich brauche sie also nicht; denn der Feind kann sie beim Angriff auf mich nicht benutzen. Welche Stellung ist nun am vorteilhaftesten? Die Höhe A, B oder C? Ohne Zweifel verdienen B und C den Vorzug vor A wegen ihrer Hihe, ihrer Ausdehnung und Lage. Ich werde A also nicht besetzen; denn griffe der Feind einen dort aufgestellten Teil meiner Truppen an, so müßte ich die guten Stellungen B und C verlassen, um mich ohne jeden Vorteil in der Ebene zu schlagen. Es handelt sich also nur noch darum, wie ich diese Stellung besetzen soll. Ich sehe, der Hügel B ist von keiner Seite beherrscht, folglich stelle ich mein erstes Treffen nebst meinen Batterien auf das Glacis D und errichte eine Batterie bei E, um das Dorf zu beherrschen. Das zweite Treffen stelle ich auf den Höhenkamm F, die Kavallerie dahinter bei G und ein paar Freibataillone in das Gehölz H. Meine Reserve stelle ich auf einer Hihe hinter mir bei J auf, um meine rechte Flanke zu decken; denn diese Höhe liegt nur 1 300 Schritte zurück. Dann besetze ich die Höhe C, aber vorsichtshalber nur die Kuppe des Weinbergs und den Abhang bei K, das zweite Treffen bei L und die Kavallerie bei M. Das Dorf Bornim besehe ich mit Freibataillonen, und die Höhe A benutze ich für die Vorposten der Kavallerie,

Nun zu meinem Verteidigungsplan. Der Feind kann mein Zentrum nicht angreifen. Er muß sich unbedingt für meinen rechten oder linken Flügel entscheiden. Greift er mich bei H an, wo ich meine Freibataillone habe, so sieht meine Reserve bei J, deren Flankenfeuer er aushalten muß. Wenn er mich auch vom Glacis D verdrängt, so wird er doch nie die Höhe B gewinnen. Greift er mich in meiner linken an, so habe ich dort eine starke Flanke, eine Ebene vor mir und meine Kavallerie, die dort fechten kann. Außerdem habe ich meine Reserve, die ich nach N werfen kann, um ihn dort anzugreifen. Ich kann sogar Truppen aus meinem Treffen D nehmen, mich damit begnügen, das zweite Treffen F intakt zu lassen, und mit dieser Infanterie und der Kavallerie G meinem linken Flügel zu Hilfe eilen. Schlimmstenfalls wird mich der Feind dann bei N zurückwerfen, aber niemals meine Stellung beim Weinberg K erobern.

Dies ist nur ein Beispiel für die Prüfung des Geländes. Gewöhnt Ihr Euch aber nicht daran, Eure lager in dieser Weise zu beurteilen, so werdet Ihr nie methodisch und regelrecht aufgestellt sein.

<146>

6 Plan der Gegend von Bornim

<147>

13. Kapitel Die Kenntnis der Regeln der Lagerkunst genügt nicht

Die oben aufgestellten Regeln sind gewiß gut und die einzigen, an die man sich halten muß. Es wäre aber ein großer Irrtum, zu glauben, daß diese Theorie allein hinreichte, um ein Meister in der Kunst zu sein. Die Schwierigkeiten merkt man erst, wenn man die Regeln in Anwendung bringen will.

Die Natur allein gibt Euch fast nie Stellungen, die allen Euren Wünschen entsprechen, sondern die Kunst muß ihnen immerfort zu Hilfe kommen, um die Mängel des Geländes zu verbessern. So bedient man sich, wie schon gesagt, eines Baches, um eine Überschwemmung herzustellen, legt an den schwächsten Punkten Redouten und Verschanzungen und in den Wäldern Verhaue an. Kurz, man nimmt die Kunst zu Hilfe, um die Natur zu vervollkommnen. Man stellt sich eine Viertelmeile vor-oder rückwärts auf, biegt einen Flügel zurück, schiebt den andern vor oder läßt die Mitte herausspringen. Mit einem Worte, man dreht und wendet sich hundertfach, um aus dem Gelände alle Vorteile zu ziehen, die es bieten kann. Dabei muß man aber tätig sein, alles mit eignen Augen sehen und Verstand haben, um alles zu benutzen. Der Offizier muß also stets fleißig und geschickt sein.

Oft findet man in der Nähe des Lagers kleine Berge, die zur Besetzung einladen. Ehe man sich aber dazu entschließt, überlege man reiflich, ob man sie besetzen soll oder nicht. Im vorigen Kapitel habe ich eine Probe davon gegeben, wie man ein Gelände beutteilen muß.

14. Kapitel Weitere Regeln über die Straßen und die vorgeschobenen Abteilungen, die bei der Wahl eines Lagers zu beachten sind

Alle oben angegebenen Regeln reichen noch nicht hin. Vor allem muß man die nach dem Lager führenden Straßen gut rekognoszieren lassen; denn auf ihnen muß der Feind gegen Euch anrücken, und nach ihrer Kenntnis regelt man die Lagerwachen und die Patrouillen, die man zur Erkundung verwendet.

Lagert man in der Ebene, so muß man notwendig leichte Truppen haben, die man vorschiebt und zur Beobachtung des Feindes hinter ein Defilee stellt. Auch sichelt man sich durch kleinere Detachements auf seinen Flanken gegen Überfälle.<148> Eine Armee muß wie eine Spinne sein, die ihre Fäden nach allen Seiten zieht und durch deren Erschütterung sofort von allem erfährt, was geschieht.

Aber diese theoretischen Kenntnisse, ich wiederhole es, dienen zu nichts, wenn man nicht eine gewisse Erfahrung hinzufügt. Man muß sich in der Auswahl des Geländes, im Treffen von Dispositionen üben und über den Gegenstand nachdenken: dann wird die Theorie, in die Praxis umgesetzt, Euch Gewandtheit in der Ausführung aller dieser Operationen geben und Euch lehren, die Anzahl der Truppen zu überschlagen, die ein Lagerplatz fassen kann.

15. Kapitel Wie man die Angriffstruppen und die Armee anlehnt

Der Angriffsflügel muß soviel wie möglich an ein Gehölz, einen Morast oder auch nur an einen Graben angelehnt werden. Bei Angriffen in der Ebene und auf freiem Felde wird dies öfters unmöglich. Findet sich aber z.B. auf dem rechten Flügel, der zum Angriff bestimmt ist, ein Wald, der bis zum linken Flügel des Feindes reicht, so muß zunächst ein Infanteriekorps, das in der Ebene durch Kavallerie gedeckt wird, vorangehen, um das Gehölz zu besetzen und die rechte Flanke der Armee, die man daran anlehnen will, zu sichern. Ja, diese Infanterie, die Ihr in das Gehölz gelegt habt, muß auch Eure Angriffstruppen während ihres Vorgehens schützen. Sonst lauft Ihr Gefahr, daß sie mitten im Vormarsch in der Flanke gefaßt und schmählich zurückgeschlagen werden. Die Schuld daran aber träfe Euch selbst.

Hat der Feind auf seinem Flügel eins der langgestreckten Dörfer, die in Schlesien häufig sind, so müßt Ihr es vor allen Dingen vom Feinde säubern und es selbst besetzen, um sicher gegen ihn vorgehen zu können. Ich füge hier den Plan eines Waldes bei, der diese wichtige Vorsichtsmaßregel hinreichend erklärt148-1.

Steht der Feind auf einer Anhöhe, so findet sich im Vormarsch oft keine Anlehnung im Gelände. In diesem Falle wendet man die Methode an, die ich beim Angriff<149> von Bergen empfehle, nämlich die angegriffene Höhe mit möglichst vielen Batterien zu beschießen und den Angriff durch die Armee, die ihm als Rückhalt dient, zu unterstützen. Sobald man sich aber der Höhe bemächtigt hat, wird sie selbst zu Eurem Stützpunkt. Dann habt Ihr wenigstens einen Flügel angelehnt, und die Armee, die ihm folgt, kann durch ihr Feuer leicht den andern unterstützen. (Siehe Plan 7.)

Erläuterungen zu Plan 7 (umstehend)

Hier seht Ihr, wenn Euer Angriff nicht von dem Flankenkorps begleitet wird, das am Waldrande entlang rückt, daß für den Feind nichts leichter ist, als Euren Angriff von demselben Gehölz aus zu flankieren. Angenommen, Ihr werdet geschlagen, so tragen die Truppen in dem Gehölz zur Deckung Cures Rückzuges und zum Schutz der Armee bei; denn sie dürfen Eure rechte Flanke nicht eher verlassen, als bis die ganze Armee sich zurückzieht. Dann erst geben sie die Stellung auf, die der Feind sonst zu Eurem großen Nachteil hätte ausnutzen können, und bilden, von einem Kavalleriekorps gedeckt, die Nachhut.

16. Kapitel Verschiedene Angriffe

Wir müssen unsre Schlachtpläne aus den Regeln der Belagerungskunst ableiten. Wie man heute den unterminierten gedeckten Weg nicht mehr ohne weiteres stürmt, da solche Sturmläufe zu ungewiß und mörderisch sind, so muß man auch in der Feldschlacht auf allgemeine Angriffe verzichten; denn man hätte zu große Verluste durch das Kartätschfeuer, und im Fall des Mißlingens wäre alles verloren. Da man bei geringerer Gefahr doch zum selben Ziele gelangen kann, muß man so wenig wie möglich aufs Spiel setzen und dem Glück nur das überlassen, was Geschicklichkeit ihm nicht streitig machen kann.

Die Ingenieure empfehlen Euch, die Festungswerke, gegen die der Angriff sich richtet, gut zu umfassen, um die Feuerüberlegenheit über den Verteidiger zu erlangen. Sie schreiben Euch vor, die Rikoschettbatterien so anzulegen, daß sie die Festungswerke der Länge nach bestreichen, mit Eurer ersten Parallele die zweite und dritte weit zu überflügeln, damit sie ihnen zum Rückhalt und zur Verteidigung dient, und aus der dritten Parallele mit Sappengängen vorzugehen, um Euch im gedeckten Weg einzunisten.

Eure beiden Treffen sind also Eure Parallelen. An der Angriffsstelle müßt Ihr Batterien errichten, um die Angriffstruppen zu unterstützen. Diese können mit den Sappengängen verglichen werden, mit denen man sich den ausspringenden Winkeln des Glacis nähert.

<150>

7 Plan für die Anlehnung der Armee

<151>

8 Plan eines Angriffs in der Ebene

<152>

In Plan 8 stelle ich einen Angriff in der Ebene dar. Ihr erseht daraus, wie er nach meinem System stattfinden soll. Ich habe den rechten Flügel zum Angriff bestimmt und den linken versagt; Ihr könnt es ebensogut umgekehrt machen. Die Kavallerie des Angriffsflügels muß eine Attacke machen, wenn anders die Stellung des Feindes es erlaubt. Ist das nicht möglich, so muß die Kavallerie warten, bis der Augenblick für sie gekommen ist.

Alle folgenden Pläne sind auf 60 Bataillone und 100 Schwadronen ohne die Freibataillone berechnet. (Siehe Plan 8.)

Erläuterungen zu Plan 8 (vorstehend)

Bei einem Gefecht in der Ebene ist es unmöglich, den Teil der feindlichen Armee, den man angreifen will, zu umfassen. Indes zeigt Euch dieser Plan, auf welche Weise ich die Rechte des Feindes umfasse. Meinen rechten Kavallerieflügel halte ich soweit wie möglich zurück, um ihn vor dem feindlichen Artilleriefeuer zu schützen. Am äußersten Ende (I) seht Ihr ein Karree von 4 Bataillonen mit ihren Geschützen, das ich dort formiert habe, um die feindliche Kavallerie zu beschießen und den Angriff der unsren zu unterstützen. Wird dann unsre Kavallerie auch zurückgeworfen, so schützt das Feuer der Flanke (2) und des Karrees sie hinreichend, um sich wieder zu sammeln, und die Husaren (Z) sind bei der Hand, um dem Feind in die Flanke zu fallen, falls er sie verfolgen sollte. Der Infanterieangriff wird von zwei Vortreffen (4 und 5) mit 150 Schritt Abstand ausgeführt. Dahinter folgt der rechte Infanterieflügel (6) mit 200 Schritt Abstand. Die erste Brigade (6) sieht 100 Schritt weiter vor als die zweite (7), diese 100 Schritt weiter vor als die dritte (8) und diese 100 Schritt weiter als die vierte (9). Ist also das erste Vortreffen noch 300 Schritt vom Feinde entfernt, so ist das zweite 450 Schritt ab, die erste Brigade 650 Schritt, die zweite 750 Schritt usw. Die zweite, dritte und vierte Brigade dürfen nicht zu rasch vorgehen, um nicht alles auf einmal aufs Spiel zu setzen. Hält Euer Angriff das Kartätschfeuer aus und bringt den Feind in Verwirrung, kann ihm vor allem Eure siegreiche Kavallerie in den Rücken fallen, so habt Ihr nichts eingesetzt als Eure Vortreffen und verliert nicht halb so viel leute, als wenn Ihr Eure ganze Schlachtfront ins Gefecht gebracht hättet. Denn das Kartätschfeuer ist zu mörderisch, und die ganze Schlachtfront könnte völlig vernichtet werden, wenn sie diesem Feuer ausgesetzt würde. Darum muß man sich bemühen, das Gros der Armee auf 800 Schritt vom Feinde zu halten, die größte Entfernung für Kartätschen. Zu beachten ist noch, daß die Artillerie des Verteidigers besser und schneller schießt als die des Angreifers. Man muß also alle Angriffsdispositionen mit größter Überlegung treffen und sein ganzes Artilleriefeuer, wie es auf dem Plan eingezeichnet ist, gegen den Teil der feindlichen Armee richten, dem Euer erster Angriff gilt. Überhaupt hat diese Methode noch den Vorteil, daß, wenn Eure Angriffe zurückgewiesen werden. Euer rechter Flügel sich hinter den linken zurückziehen kann und Ihr den Rückzug in voller Sicherheit auszuführen vermögt. Denn Ihr stößt dem Feinde Respekt ein durch die Überzahl Eurer noch frischen Truppen, die die wenigen, stark mitgenommenen Bataillone des Angriffs decken.

<153>

17. Kapitel Ein andrer Angriff in der Ebene

Es kommt vor, daß man mit einer schwachen Armee in flachem Lande sieht, z. B. zwischen Berlin und Frankfurt, Magdeburg und Halberstadt, bei Leipzig, zwischen Ratibor und Troppau usw. Wie soll man da seine Flügel anlehnen? Wie eine Stellung einnehmen, wo keine zu finden ist? Ich habe oft darüber nachgedacht; denn es kommt vor, daß man sich in solchem Gelände halten muß, um die allgemeine Sache nicht in Gefahr zu bringen. Nachfolgend der einzige Gedanke, der mir hierüber eingefallen ist und sich ausführen läßt.

Zum Lager wähle ich mir ein etwas tiefer liegendes Gelände, das mich nach dem Feinde zu deckt. Auf der Höhe vor meiner Front lasse ich Schanzen aufwerfen, damit der Feind glaubt, ich wollte dies Gelände verteidigen. Ein Dorf muß in der Gegend sein und befestigt werden. Habt Ihr einen Wald auf einem Flügel, so ist das von Vorteil; denn der ganze Plan läuft darauf hinaus, dem Feinde die Bewegung, die man vorhat, zu verbergen.

Bei dieser Stellung werden die feindlichen Generale, die mich rekognoszieren, ihre Disposition gegen das befestigte Dorf und meine mit Schanzen besetzte Front richten. Plan 9 stellt die Attacke meiner Kavallerie und den Marsch meiner Armee in die Flanke des Gegners dar. Plan 10 zeigt den Angriff meiner Infanterie, nachdem die feindliche Kavallerie geschlagen ist. Meine Kavallerie darf sich nicht eher in Bewegung setzen, als bis der Feind sich formieren will, damit er seine Disposition nicht mehr ändern kann.

Die Verschanzung des Dorfes und die Redoute vor Eurem rechten Flügel müssen stark mit Geschütz besetzt werden. Will der Feind seine Front verändern, so bekommt er notwendig das Feuer aus Eurem Dorf in die Flanke, und will er das Dorf angreifen, so fällt ihm Eure ganze Armee in die Flanke. Es hängt also alles von Eurer Kavallerieattacke ab. Gelingt sie, so ist die ganze feindliche Armee geschlagen. Derart kann man sich mit geringen Truppen dennoch den Sieg verschaffen. (Siehe Plan 9 und 10.)

Erläuterungen zu Plan 9 (umstehend)

Hier meine Angriffsdisposition. In dem Augenblick, wo der Feind sich entwickelt, geht meine Kavallerie vor, fällt der feindlichen in die Flanke und schlägt sie. Gleichzeitig rückt meine Infanterie vor. Ihre Stellung seht Ihr auf dem folgenden Plane.

Erläuterungen zu Plan 10 (umstehend)

Ihr seht die feindliche Kavallerie von meinem rechten Kavalleriefiügel geworfen. Meine Infanterie seht Ihr in der Flanke der feindlichen; das zweite Treffen umfaßt sie im Rücken. Der Feind kann gegen meine Armee nicht Front machen; denn sonst würde er

<154>

9 Angriff der Kavallerie

<155>

10 Marsch und Angriff unsrer Infanterie

<156>

dem Dorfe A und meiner Schanze B die Flanke bieten. Ich habe daher nur seine Reserve zu fürchten, falls er eine hat. Um diesem Übelstand zu begegnen, habe ich, wie Ihr seht, die Hälfte meines linken Kavallerieftügels nach meiner Rechten gezogen, um diese zu unterstützen und gegen die etwa auftretende Reserve vorzugehen.

18. Kapitel Angriff auf ein Dorf

Ich setze auch hier die Regeln und Methoden der Belagerungskunst voraus. Um also ein Dorf anzugreifen, das vor der feindlichen Armee liegt, müssen meine beiden Infanterietreffen die Grundlage meines Angriffs bilden. Ich lasse meine Batterien auffahren und formiere je nach den Umständen drei bis vier Kolonnen zum Angriff auf das Dorf, und zwar mit Abständen voneinander, damit die Artillerie zwischen ihnen hindurch schießen kann und sie beim Vorgehen gegen einen gemeinsamen Mittelpunkt nicht durcheinandergeraten.

Jede Kolonne hat drei Treffen mit 150 Schritt Abstand. Der Teil der Armee, der ihnen folgt, macht 900 Schritt vor dem Dorf halt und darf nicht eher vorrücken, als bis das Dorf genommen ist. Die Kavallerie bleibt noch weiter zurück und soweit irgend möglich vor dem Kanonenfeuer gedeckt. (Siehe Plan 11.)

Erläuterungen zu Plan 11

Nach den Regeln für den Festungsangriff sollen die Werke und Polygone, die man angreift, soviel wie möglich umfaßt werden. Ich habe mir mit dem Dorfe eine ungünstige Stellung ausgewählt, wie Ihr aus der Karte erseht. Trotzdem die feindliche Armee es beschützt, umfasse ich es soviel wie möglich. Seht die Aufstellung der Batterien A. Meine Infanterie steht 900 Schritt und weiter von dem Dorfe entfernt, außer dem Schußbereich der Kartätschen. Eingesetzt wird nur das Korps, das den Feind vertreiben soll, und zwar so, daß, wenn meine drei Angriffe sämtlich abgewiesen werden, die Angriffstruppen sich auf die Infanterie zurückziehen können, die von der Kavallerie in der Flanke gedeckt wird. Außerdem behalte ich mir eine Reserve B zurück, entweder um meine Angriffstruppen zu verstärken, wenn diese Erfolg haben, oder um sie im Falle des Rückzuges dort zu verwenden, wo es am nötigsten ist, Ist das Dorf genommen, so muß die Reserve mit bespanntem Geschütz vorrücken, um sich schleunigst in dem Dorfe festzusetzen. Unter seinem Schutz könnt Ihr dann die feindliche Schlachtfront angreifen und sie schlagen.

<157>

11 Angriff auf ein Dorf

<158>

19. Kapitel Angriffe gegen Anhöhen

Angriffe gegen Anhöhen sind das Allerschwierigste im Kriege; denn ein geschickter Feind besetzt sein Gelände so, daß man ihn auf keine Weise umgehen kann, vielmehr zum Angriff auf gewisse Angriffspunkte gezwungen ist, die mit fast unüberwindlichen Hindernissen gespickt sind. Ist man aber durch unabweisbare Notwendigkeit zu einem derartigen Wagnis gezwungen, was ist dann zu tun?

1. Die Stellung des Feindes ist genau zu rekognoszieren.

2. Sie ist wenn möglich im Rücken anzugreifen, während man ihm die Armee vor der Front zeigt. Ist das aber nicht möglich, so greift man

3. den höchsten Punkt seines Lagers an, und

4. stellt man seine Batterien auf allen Anhöhen auf, von denen sie die feindliche Stellung unter Kreuzfeuer nehmen können, und formiert seine Angriffskolonnen nach Plan 12.

Dabei ist besonders darauf zu achten, daß Eure Armee außerhalb des Kartätschfeuers bleibt, und daß die Anhöhe energisch angegriffen wird. Ist Eure Armee stark, so unternehmt Ihr zugleich einen Scheinangriff auf einer andren Seite, um die feindlichen Kräfte zu fesseln und die Aufmerksamkeit des Gegners zu teilen.

Nicht ohne Grund besiehe ich darauf, in erster Linie den höchsten Punkt der feindlichen Stellung anzugreifen, und zwar deshalb: Habt Ihr diesen Punkt genommen und Euch dort festgesetzt, so ist alles entschieden; denn Euer überhöhendes Feuer wird die übrige Stellung ohne große Mühe vom Feinde säubern. Greift Ihr dagegen eine geringere Höhe an und erobert sie, so habt Ihr damit noch nichts gewonnen, sondern die Hindernisse nehmen in dem Maße zu, wie Eure erschöpften Truppen davon abgeschreckt werden.

Der Leser wolle sich erinnern, daß alle meine Pläne auf die darin angegebenen Angriffe zugeschnitten sind, und daß es nicht möglich ist, jedes Gelände einzuzeichnen, auf dem man eine Schlacht liefern kann. Ein gescheiter Mann wird meine Grundsätze auf die näheren Umstände der anzugreifenden Stellungen selbst anzuwenden wissen. Ich erinnere nochmals daran, daß die Kavallerie bei allen Angriffen auf feste Stellungen nicht unnötig dem feindlichen Feuer ausgesetzt werden darf.

Plan 13 gibt das Schema eines Angriffs gegen den Rücken des Feindes in einem Gelände, das diese Disposition begünstigen kann.

Erläuterungen zu Plan 12

Hier der Plan eines Angriffs gegen die beherrschende Höhe der feindlichen Stellung A und eines Scheinangriffs B zur Erleichterung des wirklichen. Wie Ihr seht, umfasse ich mit meinen Batterien soviel wie möglich den Punkt, gegen den ich meinen Hauptstoß richte.

<159>

12 Plan eines wirklichen und eines Scheinangriffs

<160>

13 Plan eines Angriffs in den Rücken des Feindes

<161>

Da das Gelände mich aber so wenig begünstigt, muß der Angriffspunkt noch mehr umfaßt werden. Sobald Eure Truppen im Besitz der Höhen sind, müßt Ihr lauter bespannte Batterien haben, die dort auffahren kinnen. Ihr müßt alle Angriffstruppen mit Euren Treffen unterstützen; denn 12 Bataillone können nicht gegen eine ganze Armee fechten. Sieht der Feind seine Stellung A erobert, so wird er Euch noch eine Front C entgegenzustellen suchen. Da Ihr aber im Besitz der beherrschenden Höhe seid, die Euch die Feuerüberlegenheit gibt, werdet Ihr ihn leicht über den Haufen werfen.

Erläuterungen zu Plan 13

Hier habe ich das Korps A in den Rücken des Feindes geführt. In der Front beschieße ich ihn nur mit Kanonen. Meine Truppen sind gegen seine Batterien durch eine kleine AnHitze gedeckt. Ich warte ab, bis die Verwirrung beim Gegner zu Tage tritt. Dann falle ich mit allen Kräften und mit all meinen verschiedenen Korps über ihn her.

20. Kapitel Disposition beim Angriff der ganzen Armee auf einen Angriffspunkt

Oft ist eine Stellung nur von einer Seite angreifbar und bietet dann nur einen einzigen Angriffspunkt. Dann wird die ganze Armee gegen diesen Punkt gerichtet, darf aber selbst nur die zum Angriff bestimmten Truppen untersiützen und sie durch frische Truppen erneuern. Sind jedoch die Schwierigkeiten zu groß, so kann man den Angriff einstellen und die Angriffstruppen auf die Armee zurückgehen lassen. (Siehe Plan 14.) Die ganze Bewegung der Treffen ist ein Sich-nach-rechts-Ziehen zur Unterstützung der Angriffstruppen.

Erläuterungen zu Plan 14 (umstehend)

Ihr seht, daß ich meine ganze Armee gegen die Flanke des Feindes führe. Ich nehme mir vor, hier durchzubrechen. Meine Armee dient nur als Reserve der Angriffe und zu ihrer Unterstützung mit frischen Truppen. Da der rechte Flügel der nächste ist, muß er sie liefern, und von der übrigen Armee lasse ich durch eine halbe Wendung nach rechts die ihm entnommenen Truppen ersetzen.

<162>

14 Plan eines Angriffs auf die linke Flanke des Feindes

<163>

21. Kapitel Angriffe auf Verschanzungen

Diese Angriffe müssen nach denselben Grundsätzen erfolgen wie die vorhergehenden, nämlich: Anlage starker Batterien, die die Verschanzung unter Flankenfeuer nehmen und den Angriff durch starke Beschießung vorbereiten; Anordnung der Angriffstruppen etwa so, wie beim Angriff auf feste Stellungen; Aufstellung der Armee in solcher Entfernung von der Verschanzung, daß sie nicht unter dem Kartätschfeuer leidet.

Beim Angriff selbst muß eine Abteilung Faschinen tragen, um den Graben auszufüllen. Sobald Ihr in die Verschanzung eingedrungen seid, müßt Ihr Euch darin festsetzen, und die Infanterie darf nicht weiter vorrücken. Die Arbeiter müssen Öffnungen in der Verschanzung herstellen, damit die Kavallerie durch sie eindringen und den Sieg vollenden kann. Drängt Ihr dagegen zu hitzig nach, so kann es geschehen, daß Eure Infanterie, die beim Erstürmen der Verschanzung in Unordnung geraten ist, von der feindlichen Kavallerie, die sie in guter Ordnung erwartet, geworfen oder niedergemacht wird.

22. Kapitel Die Vorzüge meiner Angriffsmethode vor den andren

Wie Ihr gewiß schon bemerkt habt, befolge ich bei allen Angriffen beständig den Grundsatz, dem Feind einen Flügel zu versagen und ihn nur mit einem Teil der Armee anzugreifen163-1. Diese dient den Angriffstruppen als Rückhalt und soll nur nach und nach eingesetzt werden, je nachdem der Erfolg oder die Wahrscheinlichkeit des Gelingens dafür spricht. Diese Art des Angriffs gibt mir den Vorteil, daß ich nur so viel aufs Spiel setze, als mir gutdünkt. Sobald ich bei meinem Unternehmen äußere oder moralische Hindernisse bemerke, sieht es mir frei, darauf zu verzichten. Dann lasse ich meine Angriffskolonnen auf die Treffen zurückgehen und die ganze Armee stets unter dem Schutze der Artillerie außer Schußweite des Feindes rücken. Der Flügel, der dem Feinde am nächsten gestanden hat, setzt sich hinter den andern, den ich versagt hatte. So wird der versagte Flügel mein Rückhalt und deckt mich, falls ich geschlagen werde. Schlage ich also den Feind, so wird mein Sieg desto glänzender, und unterliege ich, so ist mein Verlust viel unerheblicher. Siehe Plan 15; er wird Euch das volle Verständnis geben.

<164>

15 Rückzug eines zurückgeworfenen Korps

<165>

Erläuterungen zu Plan 15

Dieser Plan zeigt, wie ein zurückgeworfenes Korps seinen Abzug bewerkstelligen muß. Ich betone jedoch, daß Ihr Euren Rückzug notwendig nach dem Gelände einrichten müßt. Ist A die Höhe und B die Niederung, so muß B zuerst geräumt weiden. Denn verfahrt Ihr anders, so überlaßt Ihr dem Feinde freiwillig den Vorteil des Geländes, und es ist ein unverzeihlicher Fehler, wenn Ihr die Vorteile, die Euch die Natur bietet, unbenutzt laßt. Dann setzt Ihr Euch durch eigene Schuld einer völligen Niederlage aus.

23. Kapitel Die beste Methode, dem Feind einen Flußübergang streitig zu machen

So oft man Stellung hinter einem Flusse nimmt, um den Übergang zu verteidigen, wird man den kürzeren ziehen. Denn der Feind findet durch eine Reihe von Kniffen früher oder später den rechten Augenblick, um Euch seinen Übergang zu verbergen. Ost hängt alles von der Wachsamkeit und Klugheit eines einzigen Offiziers ab, der Patrouille reitet. Zerteilt Ihr Cure Truppen, um die gefährdetesten Stellen des Flusses zu verteidigen, so kommt Ihr in Gefahr, im einzelnen geschlagen zu werden. Behaltet Ihr aber Eure Truppen zusammen, so ist das mindeste, was Euch geschehen kann, daß Ihr hastig zurückgehen müßt, um Euch eine andre Stellung zu suchen. In beiden Fällen habt Ihr das Spiel verloren, da Ihr des Feindes Absicht nicht habt verhindern können.

Darum verwerfe ich die alte Methode, einen Flußübergang zu verteidigen165-1, weil sie von der Erfahrung verurteilt wird. Ich schlage eine andre vor, die einfacher und sicherer ist. Von einem geschickten Heerführer angewandt, erspart sie Euch den Übelstand, vom Feind überrascht zu werden, zu spät Nachricht zu erhalten und vor allem, Eure Aufmerksamkeit teilen zu müssen, was nach meiner Ansicht das schlimmste ist. Ein einfacher Plan, den Ihr im Kopfe habt, muß alle Pläne des Feindes über den Haufen werfen.

Ich schlage also folgendes vor. Die einzige Methode, einen Fluß zu verteidigen, ist, sich davor aufzustellen. Man muß eine gute Verbindung mit dem andren Ufer haben und wenigstens zwei Schiffbrücken schlagen, deren Köpfe gut verschanzt sind. Eine halbe Meile davor bezieht man ein Lager, das so eingerichtet ist, daß der Feind beim Angriff darauf sicher geschlagen wird, auch wenn Eure Armee um ein Drittel schwächer ist als die seine.

<166>

Durch ein solches Lager, sage ich, hindert Ihr den Feind am Flußübergang; denn mag er rechts oder links an Euch vorbeimarschieren, um ihn zu passieren, er muß allemal seine Lebensmittel und Magazine, die er hinter sich hat, preisgeben. Das aber wird er sicher nicht tun. Was bleibt ihm also übrig? Ohne Zweifel wird er versuchen, ein Detachement über den Fluß zu werfen, aber dies Detachement muß im Halbkreis marschieren, um an den Fluß zu gelangen, Ihr hingegen braucht nur ein Detachement in gerader Linie über Eure Schiffbrücken gehen zu lassen und es an die Übergangsstelle des Feindes zu schicken, wo es ihn im einzelnen schlagen kann. Will aber die ganze feindliche Armee rechts oder links von Euch über den Fluß gehen, so fallt Ihr durch eine einfache Bewegung ihr in den Rücken und benutzt die schreckliche Verwirrung, in die der Feind bei Eurem Anmarsch geraten wird. Dieser Plan ist einfach. Er befreit Euch von allen Sorgen und konzentriert alle Eure Gedanken auf denselben Punkt.

24. Kapitel Flußübergänge

Ich will nur die Hauptpunkte dieses Kapitels berühren. Wollt Ihr über einen Fluß gehen, so besetzt die Anhöhen, die das andre Ufer beherrschen, und laßt dort 500 bis 600 Schritt rechts und links von der Stelle des Brückenschlags Batterien errichten. Die Avantgarde deckt den Brückenbau und nimmt spanische Reiter mit, hinter denen sie sich aufstellt; denn sie hat keine Zeit, eine gute Verschanzung aufzuwerfen. Die hinübergehenden Truppen lehnen sich stets mit beiden Flügeln an den Fluß an, so lange, bis die ganze Armee ihn überschritten hat.

Die gleichen Regeln gelten für den Rückzug über einen Fluß. Auf dem Ufer, das man verlassen will, legt man eine große Verschanzung an und in derselben Brückenköpfe zur Deckung des Rückzuges. Am andren Ufer, auf das Ihr zurückgehen wollt, müssen Anhöhen ausgesucht und dort Batterien errichtet werden, die den Übergang decken. Unter ihrem Schutz räumt Ihr die große Verschanzung und zieht Euch in die Brückenköpfe zurück, die mit Flatterminen versehen sein müssen, um sie beim Nachdrängen des Feindes auffliegen zu lassen166-1.

<167>

25. Kapitel Taktik und Anlage der Märsche

Zu unterscheiden ist zwischen Märschen in gewisser Entfernung vom Feinde und in der Nähe seiner Armee. Allgemein gilt als Regel, daß man in möglichst vielen Kolonnen marschiert. Bestimmend für ihre Anzahl sind die Straßen, die zu dem neuen Lager führen; denn es hilft Euch nichts, in zehn Kolonnen zu marschieren, wenn Ihr sie auf vier verringern müßt, um Euer Lager zu erreichen. Darum ist es am einfachsten und besten, den Marsch gleich in vier Kolonnen anzutreten.

In flachem Lande muß Eure Avantgarde vorwiegend aus Kavallerie bestehen. Dagegen reichen in waldigen und gebirgigen Gegenden 20 Husaren, viel leichte Infanterie und zu deren Unterstützung reguläre Infanterie hin. Marschiert Ihr in der Ebene, so müßt Ihr rechts und links von den Infanteriekolonnen Kavallerie haben, die das Gelände rekognosziert, damit Eure Infanterie nicht unversehens überfallen wird. Marschiert Ihr durch buschreiche Gegenden, so deckt Ihr Eure Flanken mit detachierter Infanterie und vermeidet tunlichst die Dörfer, besonders wegen der Kavallerie, die sich darin nicht wehren kann. Ist die Armee stark, so nimmt man die Reserve zur Deckung der dem Feinde zugekehrten Flanke.

Marschiert Ihr in der Nähe des Feindes, so traut ihm beständig zu, er wolle Euch auf dem Marsche angreifen, und seid auf alles gefaßt. Gebraucht die Vorsicht, mit Eurer Avantgarde und Reserve die Anhöhen, Berge und Gehölze zu besetzen, hinter denen Eure Truppen marschieren, damit Ihr für jeden Fall im Besitz des günstigsten Geländes seid. Will der Feind Euch dann angreifen, so kann Eure Armee sich sogleich formieren, ja seinen Unternehmungen mit Kühnheit und Vorteil entgegentreten.

Führt Euer Marsch durch große Wälder, so muß die Kavallerie von der Infanterie gedeckt werden, und zwar folgendermaßen. Man besetzt den Wald mit Infanterie und leichten Truppen, um den Weg auf der Seite des Feindes zu decken, und läßt die Schwadronen, mit Infanteriebataillonen vermischt, auf diesem Wege marschieren, sodaß sie unter dem Schutze der Infanterie den Wald sicher passieren. Man muß also das Gelände der Marschroute stets vorher studiert haben, die Marschdisposition zu Papier bringen und scharf darauf sehen, daß sie genau ausgeführt wird.

<168>

26. Kapitel Verschiedene Avantgarden

In allen Fällen muß die Avantgarde mit der größten Vorsicht marschieren. Die Husaren müssen zur Aufklärung vorausreiten und ihre Spitze eine halbe Meile vor den Haupttrupp vorausschicken. Sie müssen alle Gehölze, Dörfer, Talgründe, Eng? wege und Anhöhen absuchen, um die Fallen und Hinterhalte, die auf dem Wege gelegt sein können, zu entdecken und des Feindes Stellung, Stärke und Bewegungen auszukundschaften, damit der Heerführer alles, was vorgeht, im voraus erfährt, seine Vorkehrungen danach treffen und je nach den Umständen seine Anordnungen ändern kann. Wer diese Vorsichtsmaßregeln außer acht läßt, kann in einen Hinterhalt tappen oder unvermutet einem überlegenen feindlichen Korps gegenüberstehen, das ihn vernichtet, bevor er sich zurückziehen kann.

Marschiert die Armee nur aus einem Lager ins andre, so muß die Kavallerie den neuen Lagerplatz vom Feinde säubern und die Fourierschützen, die das Lager abstecken, decken. Die Infanterie168-1 kann hinter Hecken, Bäche, in Dörfer, Gehölze usw. gestellt werden. Ist der Feind aber nahe, so muß die Infanterie beisammen bleiben. In bergigen Gegenden muß sie die beherrschenden Kuppen und Rücken der Berge besetzen.

Wird eine Avantgarde vorgeschickt, um sich einer wichtigen Stellung zu bemächtigen, so muß sie diese so schnell wie möglich einnehmen, sich darin, soweit es die Zeit erlaubt, mit spanischen Reitern oder aufgeworfenen Befestigungen verschanzen und ihre Batterien gut in Stellung bringen. Marschiert eine Avantgarde geraden? wegs gegen den Feind, dem man eine Schlacht liefern will, so darf sie nur eine kleine Viertelmeile voraus sein und muß alles, was sie an Kavallerie und leichten Truppen vor sich findet, verjagen, sich aber wohl hüten, mit dem Feind ein ernstes Gefecht anzufangen, bevor die Armee herangerückt ist.

27. Kapitel Rückzug aus einem Lager in der Nähe des Feindes

Wir haben oft in großer Nähe des Feindes gelagert und haben dann unsre Etel? lung verlassen müssen, um uns wo anders hinzuwenden, wo unsre Gegenwart dringender nötig war. Ich halte es daher nicht für unangebracht, die Hauptregeln aufzustellen, von denen man in solchen Fällen nie abweichen darf.

<169>

Lagert Ihr im Gebirge und Eure Vorposten stehen angesichts des Feindes, so müßt Ihr die größte Vorsicht anwenden, um Euer Vorhaben zu verbergen, ja es womöglich selbst Eurer eignen Armee zu verheimlichen, damit Ihr nicht von einem elenden Deserteur verraten werdet. Könnt Ihr dem Feind Eure Bewegungen verbergen — ich meine, daß er das Hin- und Herfahren in Eurem Lager nicht beobachten kann —, so schickt Ihr Eure Bagage um Mittag unter einem annehmbaren Vorwand voraus, z. B. die Wagen sollen Fourage holen, oder es sollen der Ordnung halber nur sowenig Wagen wie möglich im Lager bleiben.

Kann aber der Feind alle Vorgänge in Eurem lager beobachten, so schickt die Bagage in der Nacht vor Eurem Aufbruch voraus, um Euch ihrer zu entledigen, und am Abend vor der Nacht Eures Abmarsches laßt Ihr in der Abenddämmerung Euer ganzes schweres Geschütz abfahren. Denn behaltet Ihr es bei Euch und es stürzen einige Kanonen in den Hohlwegen um, so hält das Eure Kolonnen auf. Schickt Ihr sie dagegen voraus, so mögen immerhin ein paar Kanonen umstürzen oder die Lafetten zerbrechen; es ist immer noch Zeit genug, sie aus den tiefen Gleisen herauszuziehen und die Straße für die Armee freizumachen.

Es kommt darauf an, Euren Marsch so zu beschleunigen, daß der Feind das vorteilhafte Gelände, das Ihr ihm überlaßt, nicht zu einem Angriff benutzen kann. Mithin müßt Ihr von den Anhöhen in so vielen Kolonnen herunterrücken, als Wege vorhanden sind. Nachher könnt Ihr Euch in der Ebene in die Marschordnung setzen, die Ihr Euch vorgenommen habt. Alle Lagerwachen der Kavallerie müssen so lange auf ihren Posten bleiben, bis Eure Armee ganz in die Ebene hinuntergerückt ist. Ja, Ihr sollt auch noch die Wachtfeuer der Infanterie durch Husaren unterhalten und sie<170> „Wer da?“ rufen lassen, als ob die Wachen noch am Fleck ständen. Danach ziehen sich die Kavalleriewachen und Husaren plötzlich auf ein vereinbartes Zeichen im Galopp auf die Armee zurück. Der Feind, der Eure Bewegung erst in diesem Augenblick wahrnimmt, kann Euch jetzt nicht mehr den geringsten Schaden zufügen, und so zieht Ihr Euch geschickt aus der Verlegenheit.

In der Ebene lagern beide Armeen selten so dicht beieinander. Tritt aber der Fall ein, so muß man die gleiche Vorsicht gebrauchen und sich der Bagage entledigen. Habt Ihr ein Defilee hinter Euch, so müßt Ihr ein Korps zu seiner Besetzung vorausschicken. Das schwere Geschütz aber sollt Ihr in der Ebene lieber bei Euch behalten, ob Ihr nun am Tage oder bei Nacht abmarschiert. Da alles im voraus geregelt ist, kann daraus kein Schade erwachsen; denn der Feind ist sehr in Verlegenheit, wie er Euch angreifen soll, da er ja Eure Disposition nicht kennt.

Wollt Ihr alle Nachhutgefechte vermeiden, so räumt Euer Lager möglichst geschwind, marschiert in so viel Kolonnen ab, als Ihr könnt, auch wenn Ihr diese Kolonnen nachher verringern müßt, falls die Anzahl der Straßen nicht für alle ausreicht. Im übrigen gilt dasselbe, was ich vom Rückzug aus Lagern im Gebirge gesagt habe. Man läßt die Husaren zurück, um die Wachtfeuer zu unterhalten und „Wer da?“ zu rufen. Sie müssen dann aber schleunigst der Armee nachfolgen, damit der Feind ihnen nichts anhaben kann. Hätte König Wilhelm III. sein Lager bei Senef des Nachts verlassen, so wäre seine Nachhut nicht von Conde geschlagen worden170-1.

Eine wichtige Vorsicht ist auch die vorherige gründliche Rekognoszierung der Straßen, wenn möglich durch die Generale selbst, die die Kolonnen führen sollen. Dadurch beugt man nach Kräften aller Unordnung vor, der gewöhnlichen Begleiterscheinung der Nachtmärsche.

28. Kapitel Verschiedene Arrieregarden

Es gibt verschiedene Arrieregarden: 1. zur Deckung der Queue der Armee auf dem Marsche von einem Lager ins andre, 2. zur Bedeckung der Bagage, z. zur Deckung geschlagener Armeen und zur Erleichterung ihres Rückzuges.

1. Die erste Art wird vom Feind angegriffen, wenn er Euren Marsch verzögern oder eine Stellung vor Euch erreichen möchte. Solche Kämpfe sind oft sehr erbittert<171> und gleichen kleinen Schlachten. Man muß sie nach Möglichkeit vermeiden; denn es ist nichts dabei zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Um sich in Sicherheit zurückzuziehen, müssen die Straßen, die man einschlagen will, mit Truppen besetzt sein, damit die vom Feinde bedrängte Arrieregarde unter ihrem Schutze zurückgehen kann. Diese Truppen werden auf Anhöhen gestellt, in Dörfer gelegt, am Waldrand oder hinter Defileen postiert. Unter ihrem Schutze können sich die letzten Truppen der Arrieregarde zurückziehen. Eure Batterien halten den Feind ab und gestatten Euch, den Marsch, wenn auch langsam, fortzusetzen. Wird die Arrieregarde zu sehr gedrängt, so benachrichtigt sie die Armee, die dann Halt macht und ihr Hilfe schickt.

Ich habe dem hitzig nachdrängenden Feinde öfters Hinterhalte gelegt und bin damit gut gefahren. Ich stellte einige Bataillone mit Kavallerie hinter Waldstücke. Die feindlichen Husaren wurden kräftig zurückgeschlagen und waren seitdem so vorsichtig, daß sie sich jedem Busch zu nähern fürchteten. Das geschah 1758 auf dem Marsche von Königgrätz nach Wisoka171-1.

2. Arrieregarden zur Deckung der Bagage sind die allerschwierigsten; denn die Truppen haben einen langen Wagenzug zu verteidigen. Verteilt man seine Bataillone in kleinen Trupps längs der ganzen Reihe, so ist man überall schwach. Hält man seine Truppen aber zusammen, so wird nichts gedeckt. Was soll man also tun? Das beste ist, wenn man den Wagenzug mit einer Viertelmeile Abstand auf der Seite des Feindes deckt und nur kleine Trupps bei der Avant- und Arrieregarde und zum Antreiben der Trainknechte läßt. Dann wird der Feind sich mehr als einmal besinnen, Euch anzugreifen. Macht er doch Miene dazu, so laßt Ihr die Wagen gleich auffahren. Beim Marsch in durchschnittenem Gelände müßt Ihr die Gegend durch Patrouillen gut abstreifen und alle Defileen besetzen lassen. Dann können Eure Wagen ganz sicher hindurchfahren. Laßt die ersten, wenn sie hindurch sind, gleich auffahren, bis die letzten passiert sind.

3. Zu Arrieregarden, die den Rückzug einer geschlagenen Armee decken, müßt Ihr die frischesten Truppen nehmen und sie hinter das nächste Defilee stellen, auf Anhöhen, in Dörfer, Gehölze, auf Dämme, bei Brücken oder was den Feind sonst aufhalten kann. Dort haben sie starke Batterien zu errichten. Die zurückflutende Infanterie ist nach Möglichkeit durch Kavallerie zu decken, und die auseinandergesprengten Truppen sind dahinter wieder zu sammeln. In solchen Fällen gilt es, standhafte Haltung zu zeigen171-2. Die guten Anordnungen des Arrieregardenführers können einen großen Teil des Heeres retten und somit Euren Verlust verringern.

<172>

29. Kapitel Angriff auf Arrieregarden

Grundregel: Prüft das Gelände genau. Der Feind marschiert weg, und folglich verändert es sich immerfort. Sucht Euch also auf seiner Marschlinie den Fleck aus, der Euch am günstigsten ist: wenn der Feind sich in einem Talgrunde, einem Hohlweg, einer Bergschlucht befindet oder durch Defileen zieht. Dann müßt Ihr ihn möglichst umzingeln, sein Korps von allen Seiten umfassen, keinen Fleck unbenutzt lassen, wo Ihr Batterien aufstellen könnt, und ihn fortwährend mit Eurer Kavallerie belästigen, um seinen Marfch zu verzögern und Eurer Infanterie Zeit zum herankommen zu verschaffen. Ist der Feind dann in einem für ihn nachteiligen Gelände, so müßt Ihr ihn herzhast angreifen, Euch die Vorteile des Geländes sichern und überall, wo Ihr nur könnt, ungestüm über ihn herfallen.

Beim Angriff auf einen Transportzug ist es am vorteilhaftesten, die Spitze in einem Defilee anzugreifen, um sie in Unordnung zu bringen, und mit aller Macht über die Queue herzufallen. Dann werden gewiß viele Wagen verloren gehen. Sind es nur Fouragewagen, so spannt man die Pferde aus und wirst die Wagen um. Es ist allemal ein Verlust für den Feind, und die Pferde kann man sicher, die Wagen aber nicht so leicht fortschaffen.

Greift Ihr die Arrieregarde einer geschlagenen Armee an, so richtet Euch nach dem Gelände. Ist sie in guter Stellung, so müßt Ihr sie ungeschoren lassen. Ist sie aber im Abmarsch, so umzingelt sie von allen Seiten und greift sie mit größtem Ungestüm an. Wird die Arrieregarde geworfen, so könnt Ihr von der geschlagenen Armee so viel Gefangene machen, als Ihr Euch die Mühe gebt.

30. Kapitel Grüne und trockne Fourage

Sobald man sich auch nur wenig von seiner Grenze entfernt, kann man für die Kavallerie keine Magazine mitführen. Man muß die Fourage also aus dem feindlichen Land nehmen, in dem man sich befindet. Grünfutter nimmt man von den Feldern, trocknes Futter nach der Ernte aus den Dörfern. Da der Feind sich solchen Fouragierungen oft widersetzt und es dabei bisweilen zu heftigen Kämpfen kommt, so müssen den Generalen die Hauptregeln vorgeschrieben werden, die sie beständig vor Augen haben sollen, wenn sie zu Fouragierungen kommandiert werden.

<173>

In den Jahren 1744 und 1745 hatten wir zur Bedeckung der Fourageure oft Korps von 10 000 Mann. Erlaubt es das Gelände und ist die Bedeckung stark genug, so rückt man in zwei Kolonnen zum Fouragieren. Eine Vorhut von Infanterie und Kavallerie marschiert voraus. Dann kommt das Gros der Infanterie und Kavallerie, dann die Fourageure, die sämtlich bewaffnet sein müssen, dann die Pferde der Artillerie, der Proviantwagen und die Park- und Zugpferde der Infanterie, schließlich die Nachhut der Bedeckung, die wieder aus Infanterie und Kavallerie besieht. Auf die beiden Flanken der Marschkolonne werden Kavallerietrupps verteilt, die den Flankenschutz übernehmen und kleine Seitenpatrouillen ausschicken.

An der Stelle angelangt, wo die Fouragierung stattfinden soll, trifft man seine Dispositionen zur bestmöglichen Verteidigung des Platzes. Man schont das noch auf dem Felde stehende Getreide nach Möglichkeit, damit es nicht ohne Not verdorben wird, und schlägt deshalb auch nur einen einzigen Weg ein, um die Saat nicht zu verwüsten. Rings um den Platz zieht man eine schwache Kavalleriekette, die von drei bis vier starken Reserven unterstützt wird. Ein noch stärkeres Korps Kavallerie behält sich der General als Reserve vor, um mit ihm nach der Stelle zu rücken, gegen die der Feind seinen Hauptangriff richtet. Die Infanterie wird hinter Hecken, Bächen, am Rand eines Gehölzes oder eines Dorfes aufgestellt. Auch von ihr behält der General eine Reserve zurück, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

Danach werden die Felder auf die verschiedenen Korps verteilt, die Fourage holen sollen, und man läßt die Fourageure an die Arbeit gehen. Ist alles fertig und aufgeladen, so werden die Fourageure mit leichter Bedeckung vorausgeschickt. Dann wird die Infanterie, hiernach die Kavallerie zusammengezogen, und beide bilden die Nachhut der Fourageure.

Leichter ist die Beitreibung von trockner Fourage. Die Marschordnung bleibt die gleiche. Sobald man an das Dorf kommt, das ausfouragiert werden soll, stellt man einige Kavallerieabteilungen im Umkreis auf und postiert die Infanterie hinter den Hecken des Dorfes. Dann verteilt man die Scheunen auf die verschiedenen Korps, und jedes lädt so viel auf, als es braucht. Reicht ein Dorf nicht aus, so müßt Ihr, wenn es rein ausfouragiert ist, das gleiche Spiel beim nächsten Dorfe wiederholen. Nie aber darf an zwei Orten zugleich fouragiert werden; denn durch die Teilung der Truppen schwächt Ihr Euch. Dagegen bleibt Ihr stets stark genug, wenn Ihr ein Dorf nach dem andren vornehmt. Für den Rückzug gilt das gleiche wie bei der grünen Fourage.

<174>

31. Kapitel Reservelager, die der Heerführer im voraus rekognosziert haben soll

Sobald man dicht am Feinde lagert oder seiner Stellung nahe steht, wird ein verständiger Heerführer vorsichtshalber in der Umgegend ein paar Stellungen aussuchen lassen, um für den Fall, daß ihm ein Unglück zustößt, Reservelager zu haben. Wird er geschlagen, so weiß er gleich, wohin er sich zurückziehen soll. Es ist ein sicherer Grundsatz: je kürzer Euer Rückzug ist, um so mehr gewinnt Ihr dabei. Ihr könnt Eure zersprengten Truppen desto schneller sammeln, und der Feind macht nicht soviel Gefangene, als wenn Euer Rückzug sehr lange währt. Außerdem könnt Ihr bequem noch eine große Zahl Eurer Verwundeten retten. Die standhafte Haltung, die Ihr bei einem so kurzen Rückzuge zeigt, imponiert dem Sieger. Er sieht, daß Ihr den Mut nicht verloren habt und nicht ohne Hilfsmittel seid. Dieser Entschluß ist nicht allein der ehrenvollste und rühmlichste, sondern auch der sicherste; denn der Feind setzt sich, so glänzend sein Sieg auch sei, nach einer gewonnenen Schlacht nie gern so schnell neuen Gefahren aus. Ich habe oft Erfolge über meine Feinde errungen und stets gefunden, daß es schwer war, die Truppen von neuem ins Feuer zu führen. Sie sind des Kämpfens müde und davon abgeschreckt. Man muß wenigstens ein paar Tage Pause machen, bevor man sie neuer Gefahr aussetzt, und das reicht hin, um Euch in der eingenommenen Stellung gut zu verschanzen.

32. Kapitel Wann man den Feind verfolgen und wann man ihm goldene Brücken bauen soll

Schlagt Ihr den Feind in einem ebenen Lande, so müßt Ihr ihn mit aller möglichen Energie verfolgen und nicht eher ruhen, als bis Eure Kavallerie die feindliche gänzlich zerstreut hat. Belästigt den Feind fortwährend und laßt ihm keine Ruhe, so werdet Ihr nach wenigen Tagen den größten Teil seiner Infanterie vernichtet haben, wozu dann noch der Verlust seiner ganzen Bagage kommt. Isi aber der Kriegsschauplatz in einem bergigen Lande, wo Eure Kavallerie fast unnütz wird, so könnt Ihr den geschlagenen Feind nicht weit verfolgen; denn er läuft in seiner Unordnung<175> rasch, während Ihr ihm nur in Ordnung und somit nur langsam folgen könnt. Dadurch gewinnt er Zeit, irgend ein Defilee zu besetzen, um seinen Rückzug zu decken. Wirft er sich in Gebirgspässe, so hütet Euch, ihm auf dem Fuße zu folgen; denn man darf sich nie in Defileen wagen, ohne Herr der beiderseitigen Höhen zu sein. Sonst läuft man Gefahr, in irgend einem Talgrunde von dem Feinde, der die Höhen besetzt hat, völlig geschlagen zu werden.

33. Kapitel Der rechte Gebrauch der Kürassiere und Dragoner

Ich habe öfters mit Sorge und Verdruß bemerkt, daß unsre Infanteriegenerale sich sehr wenig um den Kavalleriedienst kümmern. Haben sie dann Kavallerie unter sich, so verlangen sie von ihr bisweilen Unausführbares, brauchen sie aber oft nicht zu dem, wozu sie berufen ist. Das veranlaßt mich, ihnen hier einen deutlichen Begriff von der Kavallerie zu geben, damit sie die Grundsätze und den Geist dieser Waffe kennen und künftig wissen, wie man sie verwenden muß.

Ebenen sind das rechte Feld für die Kavallerie. Alle ihre Bewegungen sollen rasch, ihre Ausführung schnell und ihre Attacken im Augenblick entscheidend sein. Darum muß die Kavallerie in flachem Lande den Hauptteil der Avant- und Arrieregarde bilden. In ebenem Gelände muß sie die Kette der Lagerwachen bilden, die von einer Kette von Husaren gedeckt wird. Man sucht die Wachen in Mulden oder hinter kleinen Gehölzen zu verbergen, damit der Feind weder ihre Stärke zählen noch sie durch einen Handstreich aufheben kann.

Ihr dürft die Kavallerie aber nie in morastigem Gelände verwenden; denn dort käme sie nicht weiter und bliebe im Sumpfe stecken. Ebensowenig in großen Wäl<176>dern, wo sie nicht fechten könnte. Auch in einem von tiefen Hohlwegen durchschnittenen Gelände dürft Ihr sie nicht attackieren lassen. Sie darf sich den Wäldern und Dörfern nicht nähern, aus denen sie von der Infanterie beschossen werden könnte. Vor allem aber laßt sie nie angesichts des Feindes durch Defileen gehen, in denen sie sicher ge-schlagen würde, wenn sie beim Passieren nicht durch Infanterie- und Artilleriefeuer gedeckt wird. Garnicht fechten kann die Kavallerie in felsigen und steilen Gebirgen. Ihre Attacken erfolgen in der Karriere, dazu aber muß das Gelände eben sein.

Da sich in den jetzigen Kriegen alles um Artillerie- und Stellungskämpfe dreht176-1, so müßt Ihr sehr darauf achten, daß Eure Kavallerie diesem verheerenden Feuer nicht unnötig ausgesetzt wird. Es würde sie vernichten, ohne daß sie Gelegenheit zur Gegenwehr hätte. Man muß also Mulden im Gelände aussuchen, wo sie vor dem Artilleriefeuer geschützt ist und frisch und unversehrt bis zu dem Augenblick bleibt, wo die Reihe an sie kommt. Dieser Moment tritt ein, wenn das feindliche Geschützfeuer nachläßt und die Infanterie schon geschossen hat. Hat Eure Infanterie dann die Schlacht noch nicht entschieden und der Feind steht nicht auf zu stellen Höhen, so laßt Eure Kavallerie, wie bei Zorndorf und Torgau, in Kolonnen gegen die feindliche Infanterie verbrechen176-2, und sie wird den Sieg erringen.

In der Ebene stellt man, wenn möglich, einige Infanteriebataillone auf die äußersten Kavalleriefiügel. Wird dann Eure Kavallerie auch geworfen, so kann sie sich im Schutze des Artillerie- und Gewehrfeuers wieder sammeln und den Feind von neuem angreifen. Auch in einer festen Stellung müßt Ihr Eure Kavallerie vor dem Geschützfeuer des Angreifers decken und sie nur zur völligen Vernichtung der Angriffstruppen verwenden, die durch Euer Kartätschfeuer schon halb aufgerieben sind, sowie zur Verfolgung des geworfenen Feindes. Überhaupt soll sie, soweit das Gelände es erlaubt, stets möglichst unter dem Schutz Eurer Artillerie stehen. Auch Infanterie und Kavallerie sollen sich immer gegenseitig unterstützen. Werden diese Maßnahmen richtig getroffen, so sind beide Waffen nahezu unbesieglich.

34. Kapitel Die Husaren

Wir verlangen von unsern Husaren, daß sie in der Schlacht das gleiche leisten wie die Kürassiere und Dragoner. Sie können also ins zweite Treffen oder auf die Flanken der Kavalleriefiügel gestellt werden, um sie zu decken oder den Feind bei<177> der Attacke zu überflügeln und ihm in den Rücken zu fallen. Ist der Feind geschlagen, so verfolgen sie ihn, und die schwere Kavallerie folgt zu ihrer Unterstützung. Bei Attacken auf Infanterie ziehe ich jedoch die Kürassiere vor, weil diese sich auf ihre Kürasse verlassen.

Sobald man Husaren detachiert und sie einen weiten Ritt zu machen haben, muß man einige Defileen besetzen, die sie bei ihrem Rückzug zu passieren haben. Dazu nimmt man Dragoner nebst einigen Feldstücken. Der Zweck ist, ihnen den Rücken frei zu halten, damit sie beim Rückzuge nicht in Gefahr kommen, vom Feind aufgerieben zu werden. Die Dragoner können absitzen und den Rückzug durch Karabinerfeuer decken.

Man kann mit Husaren Städte wegnehmen, wenn sie nicht von regulärer Infanterie verteidigt sind. Derart nahmen wir Pegau177-1. Ein Damm führte zum Stadttor, auf dessen Turm der Feind einige Truppen zur Verteidigung gestellt hatte. Man ließ 50 Husaren absitzen und das Stadttor mit Balken einstoßen. Unterdessen hielt das Regiment außer Flintenschußweite zu Pferde. Sobald das Tor erbrochen war, drang das Regiment in Karriere in die Stadt ein und nahm alles, was vom Feinde darin war, gefangen. Im selben Jahre (1757) nahmen wir auf die gleiche Weise Neumarkt177-2, das der Feind mit zwei Pandurenbataillonen besetzt hatte. Die Zietenhusaren, die die Stadt umgangen hatten, griffen sie an, als sie sich durch ein andres Stadttor retten wollten, und nahmen sie sämtlich gefangen, während andre Truppen in der Art wie bei Pegau das Parchwitzer Tor stürmten.

Vor allem sind die Husaren zum Nachrichtendienst bestimmt. Sie müssen die geringsten Bewegungen der feindlichen Armee melden. Sie streifen immerfort im<178> Felde umher, können sich in den Rücken des Feindes schleichen und Meldung bringen, was dort geschieht. In Feindesland erhält man durch sie binnen kurzem Kenntnis der Straßen und der Gegend. Sie sind Eure Ohren und Augen.

35. Kapitel Die Freibataillone

Großen Nutzen kann die leichte Infanterie bieten, obwohl die, die wir uns beschaffen können178-1, nicht so hervorragend ist; denn hastig ausgehobene neue Truppen können nicht viel leisten. Wie sie aber auch sein mögen, bei rechtem Gebrauch werden sie doch nützlich. Beim Angriff bilden sie das Vortreffen, wie Ihr aus meinen Plänen erseht. Sie müssen dreist auf den Feind losgehen, um sein Feuer auf sich zu lenken und einige Verwirrung unter den feindlichen Truppen anzurichten. Das erleichtert die Arbeit des zweiten Angriffstreffens, das geschlossen und in guter Ordnung vorrückt. Jedenfalls aber muß man angreifenden Freibataillonen stets reguläre Infanterie nachfolgen lassen, die sie durch die Furcht vor ihren Bajonetten zu kräftigem und nachdrücklichem Vorgehen anspornt.

Bei Gefechten in der Ebene müssen die Freibataillone an das äußerste Ende des dem Feinde versagten Flügels gestellt werden, wo sie die Bagage decken können. Von größtem Nutzen aber sind sie in durchschnittenem Gelände, wo man sie vor der Front und den Flanken der Armee eine Kette bilden läßt, wobei sie sich hinter Bächen aufstellen oder Dörfer oder Waldränder besetzen. Jedenfalls sichern sie Euch vor allen Überfällen; denn der Feind kann Euch nicht eher angreifen, als bis er sie verjagt hat. Inzwischen habt Ihr Zeit genug, Euch in Schlachtordnung aufzustellen.

Lagert Ihr in einer buschreichen Gegend oder in schwierigem Berggelände, so übernehmen die Freibataillone die Patrouillen. Auch könnt Ihr sie in solchen Gegenden zu allen Unternehmungen benutzen, die auf einen Überfall abzielen. Sie leisten dann die gleichen Dienste wie die Husaren in der Ebene. Indes dürft Ihr ihnen nie wichtige Stellungen oder solche anvertrauen, die gehalten weiden sollen; denn ihnen fehlt die Widerstandskraft. Überhaupt würde man sich sehr verrechnen, wenn man so unklug wäre, sie zu Dingen zu gebrauchen, auf die sie sich nicht verstehen.

<179>

36. Kapitel Die Feldartillerie

Da die Artillerie ein so wichtiger Faktor im Kriege geworden ist, kann ich nicht umhin, ein paar Worte darüber zu sagen, damit jeder General, der sie unter seinem Kommando hat, insbesondere bei den Detachements, weiß, wie er sie mit Vorteil gebrauchen kann.

Es ist bei uns Grundsatz, daß jedes Bataillon des ersten Treffens mit 2 sechspfündigen Kanonen und 1 siebenpfündigen Haubitze versehen ist. Das zweite Treffen hat nur 2 dreipfündige Kanonen. Jede Brigade bekommt eine Batterie von 10 Zwölfpfündern. Die größten Kanonen, die eigentlichen Batteriestücke, werden auf die Flügel beider Treffen verteilt. Außerdem erhält jede Armee noch eine Batterie von 40 zehnpfündigen Haubitzen. Diese allgemeine Verteilung bezweckt, daß man im Bedarfsfall Kanonen jedes Kalibers bei der Hand hat, sodaß man sie nach Gutdünken verwenden und je nach den Umständen aufstellen kann.

Aus den voraufgeschickten Plänen werdet Ihr ersehen haben, wie man diese Batterien anordnet, um Angriffe in der Ebene oder auf Anhöhen und Dörfer zu unterstützen. Die Artillerieoffiziere mögen sich hierbei gesagt sein lassen, daß es nicht allein auf vieles und schnelles Schießen ankommt, sondern auch auf gutes Zielen und richtige Feuerleitung. Sie müssen ihr Feuer auf den Angriffspunkt konzentrieren und die feindlichen Batterien, die auf unsre Truppen schießen, nach Möglichkeit zum Schweigen bringen; denn der Infanterist kann während des Vorrückens nicht schießen und würde vom feindlichen Feuer vernichtet werden, wenn unsre Batterien ihn nicht unterstützten. Hat der Feind eine Anhöhe besetzt, so muß man andre Höhen suchen, auf denen man Batterien errichtet. Sind keine vorhanden, so bedient man sich der Haubitzen und stellt sie derart auf, daß sie den Angriffspunkt der feindlichen Stellung unter Kreuzfeuer nehmen. Das ist das einzige Mittel, ein so schwieriges Unternehmen mit Erfolg durchzuführen. Könnt Ihr aber weder Kanonen noch Haubitzen verwenden, so laßt von Eurem Vorhaben ab und sinnt auf andre Mittel, den Feind aus seiner Stellung zu vertreiben.

Die Artillerie leistet also beim Angriff auf eine feste Stellung wichtige Dienste, aber noch wichtiger wird sie bei der Verteidigung. Eine gut gewählte Stellung muß den Angreifer nicht nur des Gebrauchs seiner Kavallerie, sondern auch seiner Artillerie, ja sozusagen selbst seiner Infanterie berauben179-1. Denn die Kavallerie kann eine so heftige Kanonade nicht aushalten und würde sie doch auf sich ziehen, wenn sie der Stellung zu nahe käme. Die Anhöhe, auf der Ihr sieht, vereitelt sein Artilleriefeuer; denn bergauf kann man nicht schießen, und die feindliche Infanterie, die während<180> des Angriffs nicht feuern darf, rückt gegen Euch an, als wäre sie nur mit Knüppeln bewaffnet. Um alle diese Vorteile zu erlangen, müßt Ihr die Hauptangriffspunkte Eurer Stellung mit Kanonen spicken, Eure Batterien müssen das Gelände unter Kreuzfeuer nehmen können, die Kanoniere gut zielen und alle Entfernungen kennen. Ferner müssen sie zur rechten Zeit mit Kartätschen schießen und die Kugeln der Sechspfünder gut rikoschettieren lassen. Auch müssen die Kanoniere rechtzeitig Bescheid erhalten, wenn Ihr Eure Kavallerie vorbrechen lassen wollt.

Beim Rückzuge aus einer Stellung muß das schwere Geschütz allemal zuerst weggeschickt werden. Ist der Abhang sehr steil, so müssen auch die Feldstücke vorausgehen; sonst kann es geschehen, daß sie beim herunterfahren umwerfen und verloren gehen, was eine Schande für die Truppen ist. Wird Eure Armee geschlagen, so müßt Ihr zunächst daran denken, das Geschütz zu retten, soweit es noch möglich ist. Zugleich muß man sich bemühen, dem Korps, das den Rückzug deckt, und der ersten Stellung, wo sich die Truppen wieder sammeln sollen, so schnell wie möglich einige Batterien zuzuschicken. Ferner sollen die Artillerieoffiziere besonders dafür sorgen, daß sie in allen Stellungen außer der gewöhnlichen Munition noch Reservemunition vorrätig haben. Bei jeder Brigade muß welche vorhanden sein, damit man nicht geschlagen wird, nur weil Pulver und Kugeln ausgehen; denn das kann bei einem sehr hartnäckigen Gefecht vorkommen.

Von der leichten Artillerie sage ich hier nichts, weil ihre Offiziere wissen, welchen Dienst man von ihnen erwartet. Auch sind sie vollauf imstande, alles mögliche, was von ihnen verlangt wird, auszuführen.

37. Kapitel Was ein Detachementsführer zu beachten hat

Ein guter Detachementsführer gibt augenscheinliche Beweise seiner Talente und seiner Geschicklichkeit. Das ist der Weg zu den obersten Kommandostellen; denn er hat sich im kleinen mit den Grundsätzen und Regeln vertraut gemacht, die auch der Führung der größten Armeen zugrunde liegen. Er muß notwendig besonnen und zugleich unternehmend sein, d. h. dem Feinde so viel Schaden wie möglich tun, nachdem er sein Projekt gründlich überlegt und es geschickt disponiert hat. Er muß alle Vorteile und Nachteile des Geländes kennen, um jene zu benutzen und diese zu vermeiden. Überdies soll er die Gegend gut studiert haben, alle Straßen und Stellungen kennen, die er im Bedarfsfall gebrauchen kann, und mehr als eine Straße<181> wissen, auf der er sich zurückziehen kann, wenn ihn die Überlegenheit des Feindes dazu zwingt. Er muß Übung darin besitzen, seine und des Feindes Stellung richtig zu beurteilen, um sich geschickt zu verteidigen und den Feind unter möglichster Wahrung seines eignen Vorteils anzugreifen. Immerfort muß er auf neue Unternehmungen sinnen; denn das einzige Mittel, den Feind in Schach zu halten, besteht darin, ihn möglichst viel zu beschäftigen.

Jedes Lager, das er bezieht, soll er als Schlachtfeld ansehen; denn er kann von heut auf morgen angegriffen werden. Er muß eine gute Verteidigungsdisposition entwerfen und vor allem auch ihren Sinn und Inhalt den ihm unterstellten Offizieren genau erklären. Ferner muß er sowohl rechts und links wie auch im Rücken seiner Stellung Orte kennen, die er hat rekognoszieren lassen und die er zum Lager wählen kann, wenn er sich durch triftige Gründe zum Verlassen seiner Stellung genötigt sieht. Die Taktik muß ihm so vertraut sein, daß er alle Märsche nach den taktischen Regeln anlegen kann. Vor allem muß er an seine Nachhut denken, die bei der Art seiner Bewegungen stets einem Angriff ausgesetzt ist. Er muß dem Feinde ständig mißtrauen und bei allem, was dieser unternehmen kann, stets das Schlimmste voraussetzen, um sich dagegen zu sichern. Er muß streng auf Disziplin halten, damit seine Befehle gut ausgeführt werden, und die Offiziere zur größten Pflichttreue im Dienst und zu derselben Wachsamkeit anhalten, die er selbst übt. Namentlich aber muß er sich vor Überfällen hüten und durch geeignete Maßnahmen Vorsorge gegen die schlimmen Streiche treffen, die man ihm im Schutze der Nacht und der Dunkelheit zufügen könnte.

Bei den Detachements sind Patrouillen und Streifkorps am allernötigsten. Sie sind gleichsam die Ohren und Augen des Führers. Verläßt das Detachement die Armee zur Besetzung eines Defilees, das diese passieren will, so muß der Detachementsführer sich dort verschanzen und den Platz halten. Soll er hingegen den Feind beobachten, so kommt es nicht so sehr auf den Ott an, wo er sieht, sondern auf die Beobachtung selbst. Ist er in die Flanke des Feindes detachiert, um ihn zu beunruhigen, so muß er wachsam sein, um nicht von der Überzahl erdrückt zu werden. Wird er in den Rücken des Feindes geschickt, findet aber keine völlig unangreifbare Stellung, so muß er sie oft wechseln; denn bleibt er dort stehen, so läuft er Gefahr, von überlegenen Kräften selbst im Rücken gefaßt und vernichtet zu werden. Bei diesen gefährlichen Unternehmungen ist nichts so nützlich wie genaue Kenntnis der Wege. Ein geschickter Führer rettet sein Detachement und entzieht es der Verfolgung, indem er sich in eine durchschnittene Gegend wirft, sich durch Dörfer, Moräste, Bäche und Wälder deckt. Wie groß der Umweg auch sei, den er dabei macht, er bedeckt sich doch mit Ruhm durch seine Standhaftigkeit und die Kunst, die er bei seinem Rückzuge bewiesen hat.

Schon viele Truppen sind durch die Unentschlossenheit ihrer Führer verloren gegangen, die nicht wußten, wie sie sich helfen und wozu sie sich entscheiden sollten.<182> Vollends ist alles verloren, wenn der Führer selbst den Kopf verliert. So geschah es General Finck bei Maxen182-1. Seine Unentschlossenheit und seine schlechten Anordnungen führten den Verlust des ganzen Korps herbei. Denn wo hat man je gesehen, daß Husaren auf einen Berg gestellt wurden, um ihn zu verteidigen? Allein, wird man fragen, was soll man tun, wenn man detachiert worden ist und trotz aller Maßregeln gegen Überfälle doch angegriffen wird? Hierauf antworte ich: Man soll sein Leben so teuer wie möglich verkaufen und dem Feinde durch seinen tapferen Widerstand so viel Verluste beibringen, als das eigne Korps stark ist. Dann ist Eure Ehre gerettet. Aber wer an der Spitze eines Korps kapituliert, ist ein Ehrloser. Entweder hat ihn die Sorge um seine elende Bagage zu dieser Nichtswürdigkeit verleitet, oder nicht minder verabscheuungswürdige Feigheit.

Ich rate allen, die Ruf und Ehre nicht dem Eigennutz, ja dem Leben vorziehen, niemals den Waffenberuf zu ergreifen; denn früher oder später kommt ihre Schwäche doch zum Vorschein und macht sie zum Gegenstand der Verachtung und des Abscheus.

38. Kapitel Der Verteidigungskrieg182-2

Eine wichtige Eigenschaft eines Heerführers ist, für den Feind unerforschlich zu sein und ihm alle geplanten Bewegungen zu verbergen. Das hängt teUs von der Geheimhaltung, teils von der Art ab, wie man seine Pläne einkleidet. Vollends notwendig wird diese Eigenschaft, wenn man ein schwächeres Korps als der Feind kommandiert. Die Franzosen nennen diese Art Verteidigungskrieg standhafte Kriegführung: Fuerre cje cnntenance. Sie besieht darin, daß man gelassen bleibt, dem Feind imponiert und durch allerlei Listen seinen Endzweck zu erreichen weiß, nämlich dem Feind die Stirn zu bieten, ohne geschlagen zu werden. Bewerkstelligt wird das durch Lager, die ein gutes Defilee vor sich haben und in denen man die Truppen perspektivisch lagern läßt, sodaß sie doppelt so stark erscheinen, als sie wirklich sind. Entweder läßt man einige Zelte an einem Waldrand entlang ausschlagen, oder man besetzt ein paar Hügelrücken, läßt aber die Talgründe leer. Von weitem sieht es dann so aus, als ob Ihr weit mehr Truppen hättet, als es tatsächlich der Fall ist. Ferner kann der Feind irregeführt werden durch Märsche, besonders in buschreichem Gelände, wo man ihm verschiedene Kolonnenspitzen zeigt, gleich als wollte man nach einer bestimmten Gegend marschieren, während man in Wirklichkeit anderswo hinrückt. Er<183> läßt sich dadurch täuschen und erwartet Euch an einer Stelle, wohin Ihr gar nicht marschieren wollt. Bei Rückzügen laßt Ihr Eure Lager am Tage vor der Nacht, wo Ihr abmarschieren wollt, befestigen. Bei Arrieregarden macht Ihr Miene, als wolltet Ihr hinter einem Defilee standhalten, verlaßt es dann aber plötzlich, sobald Ihr ein andres hinter Euch besetzt habt.

Kurz, ich fände kein Ende, wollte ich auf jede der verschiedenen Listen eingehen, die der Verteidigungskrieg liefert; einige Proben mögen genügen. Wer diese Art Kriegführung studieren will, findet im vorstehenden Abriß genug, um seine Einbildungskraft zu beleben. Dies Studium ist um so unentbehrlicher, als jeder Detachementsführer davon wenigstens einen rechten Begriff haben soll, und wäre es nur, um sich durch die Scheinmanöver des Feindes nicht irreführen zu lassen. Aber noch besser ist es, man versteht dergleichen selbst auszuführen; denn man hat es oft nötig.

Ich ermahne und bitte also meine Offiziere, sich mit all diesen Ideen vertraut zu machen. Ich habe den Stoff möglichst zusammengedrängt, damit die Grundregeln sich dem Gedächtnis leichter einprägen. Aber man muß sich auch im Gelände üben, Fertigkeit in seiner raschen und richtigen Beurteilung erlangen, stets die Regeln der Taktik vor Augen haben, selber Dispositionen entwerfen und sie nachher auf ihre Zuverlässigkeit prüfen, sei es für Märsche, Avant- und Arrieregarden, Lager, Angriffe und Verteidigungen. Man muß über den Verteidigungskrieg selber nachdenken und sich so im Frieden auf alles vorbereiten, damit man sich im Kriege hervortun kann. Wer seine Zeit derart anwendet, wird die köstlichsten Früchte ernten, sobald die Feindseligkeiten ausbrechen, und die Achtung aller Menschen erringen, ungerechnet die Ehre und den Ruhm, der ihm daraus erwächst.


127-1 Dem Siebenjährigen Kriege.

127-2 Die „Generalprinzipien des Krieges“.

127-3 Den Schlesischen kriegen.

127-4 Vgl. S. 118 ff.

131-1 Von den 37 Plänen der Originalausgabe sind hier nur die zum Verständnis des Textes unerläßlichsten in verkleinertem Maßstabe wiedergegeben.

133-1 Das Lager von Bärsdorf, südlich von Schweidnitz, bezog der König am 18. September 1760 nach der Schlacht von Liegnitz (vgl. Bd. IV, S, 60f.). Das von Steinseifersdorf, ebenfalls bei Schweidnitz, wurde mehrfach besetzt, zuletzt 1762 während der Belagerung von Lchweidnitz (vgl. Bd. IV, S. 156f.).

140-1 Zwischen Löwenberg und Greiffenberg. Vgl. Bd. III, S. 5 und 89: IV, S. II. 13.

140-2 Vgl. Bd. IV, S. 20. Hier folgt der Plan eines Lagers, dessen Verteidigungsanlage zwischen Fluß und Wald sich mit Plan II der „Generalprinzipien“ (vgl. S. 63) deckt.

141-1 Vgl. Bd. VII, S. 177.

141-2 Vgl. Bd. III, S. 5.

141-3 Vgl. Bd. IV S. 10.

141-4 Vgl. S. 140.

142-1 Vgl. Bd. IV, S. 10.

142-2 Vgl. Bd. IV, S. 25.

143-1 Vgl. Bd. IV, S. 21 f.

143-2 Siehe Plan 5.

143-3 Vgl. Bd. III, S. 134 ff.

145-1 Bei Potsdam.

148-1 Der hier nicht wiedergegebene Plan zeigt das gleiche Gelände wie Plan 7 (S. 150), nur die Truppeneinzeichnung ist verändert: die Armee parallel mit der feindlichen Stellung anmarschierend und die Avantgarde, die gerade in das Gehilz einrückt, von Kavallerie gedeckt. Die Erläuterung sagt: „Es ist ein allgemeiner Grundsatz, daß eine Infanterieabteilung, die durch die Ebene rückt, von Kavallerie gedeckt wird. Noch nötiger ist dies, wenn sie zur Unterstützung der Armee vorgeht, um ein Gehölz, ein Dorf, eine Anhöhe zu besetzen; denn griffe der Feind sie unterwegs mit seiner Kavallerie an, so hielte er sie zum mindesten auf und fände derweilen Zeit, eine starke Infanterieabteilung an die Stelle zu werfen, die Ihr besetzen wolltet. Dadurch wäre Euer ganzer Angriffsplan vereitelt.“

163-1 Vgl. S. 65. 121. 152.

165-1 Vgl. Kapitel 22 der „Generalprinzipien des Krieges“ (S. 53 f.), das die alte Methode wiedergibt.

166-1 Vgl. S. 48.

168-1 D. h. die Bedeckung der Founerschützen.

170-1 Vgl. S. 77, Anm. 1.

171-1 Vgl. Bd. III, S. 135;.

171-2 Vgl. S. 113 und 182.

176-1 Vgl. S. 118 ff.

176-2 Für die Kolonnen-Attacke, d. h, für den Angriff mit Schwadronen in Linie hintereinander, vgl. die „Instruktion für die Generalmajore der Kavallerie“ vom 16. März 1759 (S. 312).

177-1 Vgl. Bd. III, S. 90 f.

177-2 Vgl. Bd. III, S. 105 f.

178-1 Freitruppen wurden erst nach Eröffnung des Krieges ausgehoben. Vgl. S. 129 f. und 114.

179-1 Vgl. dazu die Schilderung des Lagers bei Bunzelwitz von 1761 (Bd. IV, S. 100).

182-1 Vgl. Bd. IV, S. 24 f.

182-2 Nach der Übersetzung von 1771. Im Original steht Guerre de¼ue,-re äe , d, h. standhafte Kriegführung,