15. Kapitel Kennzeichen, an denen man des Feindes Absichten erraten kann

Vor Eröffnung des Feldzuges erkennt man die Pläne des Feindes am sichersten daran, welchen Ort er für seine Magazine bestimmt. Legen z. B. die Österreicher ihre Magazine in Olmütz an, so kann man sicher sein, daß sie einen Angriff auf Oberschlesien vorhaben. Errichten sie die Magazine in Königgrätz, dann ist Schlesien nach Schweidnitz zu bedroht. Als die Sachsen die Kurmark angreifen wollten40-2, wiesen ihre Magazine den Weg, den sie einschlagen wollten; denn ihre Depots waren in Zittau, Görlitz und Guben, also auf dem geraden Wege nach Krossen. Das erste also, was man zu ermitteln hat, ist: wo errichtet der Feind seine Magazine? Die Franzosen haben, um den Verbündeten40-3 ihre Pläne zu verschleiern, doppelte Lebensmitteldepots angelegt, einige an der Maas, andere an der Scheide. Stehen die österreicher im Felde, so kann man ihre Marschtage erraten; denn sie haben die unverbrüchliche Regel, daß der Soldat an allen Marschtagen kochen muß. Sieht man also um 5 oder 8 Uhr früh viel Rauch in ihrem Lager, so kann man mit Sicherheit darauf rechnen, daß sie am selben Tage etwas unternehmen werden. So oft die Österreicher eine Schlacht liefern wollen, ziehen sie alle starten Detachements von leichten Truppen an sich. Sobald man das bemerkt, muß man auf seiner Hut sein. Greift man eine von Ungarn besetzte Stellung an und diese halten stand, so kann man daraus mit Bestimmtheit schließen, daß ihre Armee ganz nahe und bereit ist, sie zu unterstützen. Schieben sich ihre leichten Truppen zwischen Euch und ein von Euch ausgeschicktes Detachement, so könnt Ihr daraus schließen, daß der Feind Absichten auf das Detachement hat, und danach Eure Maßnahmen treffen. Ich füge noch hinzu: setzt<41> der Feind Euch jedesmal denselben General entgegen, so könnt Ihr ihm sein Benehmen ablernen und seine Absichten aus seinen Gewohnheiten und seiner Methode erraten41-1.


40-2 1745; (vgl. Bd. II, S. 245 ff.).

40-3 Gemeint sind die Österreicher, Engländer und Holländer, denen die Franzosen im Österreichischen Erbfolgekrieg gegenüberstanden.

41-1 Vgl. Bd. IV, S. 51. — Zusatz von 1752: „Zieht Ihr das Land wohl in Betracht, das als Kriegsschauplatz dient, die von Euch befehligte Armee, die Sicherheit ihrer Magazine, die Stärke der Festungen und die Mittel, die der Feind für ihren Angriff besitzt oder nicht besitzt, all das Übel, das die feindlichen leichten Truppen Euch in den Flanken, im Rücken oder bei einer Diversion zufügen können — erwägt Ihr, sage ich, all dies sorgsam und ohne Selbstbescheinigung, dann kinnt Ihr darauf rechnen, daß ein geschickter Feind gerade das tun wird, was Euch am meisten schaden kann, daß dies seine Absicht ist, und daß man ihr, wenn möglich, sofort entgegentreten muß.“