<77> durch die Fehler des Feindes dazu eingeladen, die man benutzen muß, um ihn dafür zu strafen.

Diesen Grundregeln füge ich hinzu, daß unsre Kriege kurz und lebhaft sein müssen. Wir dürfen sie durchaus nicht in die Länge ziehen. Ein langwieriger Krieg zerstört nach und nach unsre vortreffliche Disziplin, entvölkert das Land und erschöpft unsre Hilfsquellen. Die Führer der preußischen Armeen müssen also, wenn auch mit aller Vorsicht, eine Entscheidung herbeizuführen suchen. Sie dürfen nicht so denken wie der Marschall von Luxemburg, als sein Sohn beim Kriege in Flandern zu ihm sagte: „Mich deucht, Vater, wir könnten noch die und die Stadt nehmen.“ Worauf der Marschall erwiderte: „Schweig still, kleiner Narr! Willst Du, daß wir nach Hanse gehen sollen, um Kohl zu pflanzen?“ Kurz, in betreff der Schlachten muß man den Grundsatz des Hohen Rats der Hebräer befolgen: „Es ist besser, ein Mensch sterbe für das Voll, denn daß das ganze Volt verderbe.“1

27. Kapitel Zufälle und unvermutete Ereignisse im Kriege2

Die Heerführer sind mehr zu beklagen, als man meint. Jedermann verurteilt sie, ohne sie zu hören. Die Zeitungen geben sie dem Spott der Welt preis, und unter Tausenden, die sie verdammen, versieht vielleicht nicht einer so viel, um das geringste Detachement zu führen. Ich bezwecke damit keine Apologie der Heerführer, die Fehler begehen; denn sie verdienen Tadel. Auch meinen eigenen Feldzug von 1744 will ich gern preisgeben und gestehen, daß ich bei viel Schnitzern nur wenig gut gemacht habe, so die Belagerung von Prag, den Rückzug und die Verteidigung von Kolin und schließlich den Rückzug nach Schlesien3. Doch genug davon! Hier will ich nur von den unglücklichen Ereignissen reden, gegen die weder Voraussicht noch reifliche


1 Evangelium Johannis XI, 50. — Zusatz von 1752: „Dafür endlich, wie man den Feind wegen eines von ihm begangenen Fehlers straft, lese man den Bericht über die Schlacht bei Senef (1674). Dort begann Prinz Condé ein Arrieregardengefecht mit dem Prinzen von Oranien oder mit Waldeck, weil dieser die Besetzung des Eingangs der Defileen versäumt hatte, die er passieren mußte, um seine Arrieregarde an sich zu ziehen. Man lese ferner den Bericht über die vom Marschall von Luxemburg gewonnene Schlacht bei Leuze (1691) und über die Schlacht bei Rocour“ (1746).

2 In der Fassung von 1752 sendet der König dem Folgenden die Bemerkung vorauf: „Dieser Abschnitt würde sehr lang, wollte ich das ganze Kapitel der Zufälle behandeln; ich will mich hier auf weniges beschränken, um zu zeigen, daß Geschicklichkeit und Glück beim Kriege erforderlich sind.“

3 Vgl. Bd. II, S. 174 f. 183.186 f.