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21. Kapitel Flußübergänge

Steht der Feind am jenseitigen Ufer des Flusses, über den Ihr gehen wollt, so ist alle Gewalt vergebens, und Ihr müßt Eure Zuflucht zur List nehmen. Ist ein großer Strom zu passieren, so muß man sich Cäsars1 und des Prinzen Karl von Lothringen2 Rheinübergänge oder den Übergang des Prinzen Eugen über den Po3 zum Muster nehmen. Jene Feldherren schickten einige Detachements ab, um den Feind irrezuführen und ihm die Stelle zu verbergen, wo sie ihren Übergang bewerkstelligen wollten. An Orten, wo sie gar keine Absicht dazu hatten, ließen sie Ansialten zum Brückenschlag treffen, und ihre Hauptmacht gewann durch einen Nachtmarsch den nötigen Von sprung, um den Fluß zu überschreiten, bevor der Gegner es verhindern tonnte.

Man sucht sich solche Stellen aus, wo Inseln im Flusse den Übergang erleichtern, und hat auch gern am andern Ufer Waldungen oder sonst ein schwieriges Gelände, das den Feind am Angriff hindert, bevor Ihr herausgerückt seid. Die Maßregeln zu dergleichen Unternehmungen müssen ganz besonders sorgfältig getroffen werden, damit die Flöße, Pontons und alles Zubehör zur bestimmten Stunde an Ort und Stelle sind und jeder Pionier oder Schiffer weiß, was er zu tun hat. Vor allem muß man auch die Verwirrung verhüten, die bei solchen nächtlichen Unternehmungen nur zu leicht entsteht. Danach schickt man Truppen aufs andre Ufer, um daselbst Fuß zu fassen. Sie legen dort sogleich Verschanzungen und Verhaue an, die ihnen Deckung gewähren, bis die ganze Armee den Fluß überschritten hat. Bei allen Übergängen über breite Ströme muß man beide Brückenköpfe sorgfältig befestigen und gut besetzen. Man befestigt auch die Nächstliegenden Inseln zur Unterstützung der Verschanzungen, damit Euch der Feind in der Zeit, wo die Armee gegen ihn operiert, die Brücken nicht wegnehmen und zerstören kann.

Zum Übergang über schmale Flüsse wählt man eine Stelle, wo der Fluß eine Krümmung macht und das diesseitige Ufer hochliegt, sodaß es das andre beherrscht. Hier stellt man soviel Geschütze wie möglich auf und besetzt es mit Infanterie. Unter ihrem Schutze schlägt man seine Brücken und passiert sie alsdann. Da die Krümmung des Flusses das Gelände einschnürt, finden die schwächsten Abteilungen gleich eine Anlehnung. Man darf nur ganz langsam vorrücken und nur in dem Maße Terrain gewinnen, wie Truppen hinüberkommen und es besetzen können. Sind Furten vorhanden, so werden sie von der Kavallerie benutzt und zu dem Zweck hergerichtet.


1 De bello gallicco, IV, kap.l6—18.

2 Vgl.Bd.II, S.169 f.

3 Vielmehr über die Etsch (1701).