<38> Zu dem Zwecke verteilt man die Truppen derart, daß man sie rasch wieder zusammenziehen kann. Dann fällt man über die Quartiere des Feindes her. Gelingt es, so kann man in vierzehn Tagen die Mißerfolge eines ganzen Feldzuges wettmachen. Man lese die beiden letzten Feldzüge Turennes und studiere sie oft. Es sind Meisterstücke von Kriegslisten aus neuerer Zeit.

Die Kriegslisten, deren man sich im Altertum bediente, sind jetzt den leichten Truppen zugefallen. Sie legen Hinterhalte und locken den Feind durch verstellte Flucht in Defileen, um ihn dann niederzuhauen. Heutzutage sind wohl wenige Feldherren mehr so unwissend, in so grobe Hinterhalte zu fallen. Allerdings geschah dies Karl XII. bei Pultawa durch den Verrat eines Tattarenfürsten1 und Peter dem Großen am Pruth durch die Schuld eines Landesfürsten (1711)2. Beide hatten ihnen Lebensmittel versprochen, konnten sie aber nicht beschaffen.

Über den Kleinkrieg der Streifkorps oder Detachements habe ich in meinem Militärreglement3 lang und breit gehandelt. Da ich nichts hinzufügen kann, verweise ich alle darauf, die sich ihr Gedächtnis in diesem Punkte auffrischen wollen4.

14. Kapitel Spione und ihre Anwendung und wie man sich Nachrichten vom Feinde verschafft

Wüßte man die Absichten des Feindes stets voraus, so wäre man ihm auch mit einer schwächeren Armee überlegen. Alle Heerführer suchen sich diesen Vorteil zu verschaffen, aber es gelingt ihnen nicht immer. Es gibt vier Arten von Spionen: kleine Leute, die sich zu diesem Handwerk hergeben, doppelte Spione, Spione in wichtiger Stellung und endlich solche, die man zu diesem leidigen Geschäft zwingt.

Die kleinen Leute, nämlich Bürger, die man ins feindliche Lager schickt, Bauern, Priester usw. können zu weiter nichts gebraucht werden, als zur Feststellung des feindlichen Lagerplatzes. Ihre Berichte sind zumeist so wirr und unverständlich, daß man dadurch Ungewisser wird, als wenn man in der größten Unwissenheit über den


1 Mazeppa.

2 Demetrius Cantemir, Fürst der Moldau.

3 Reglement vor die Königl. Preußische Kavallerie-Regiment, S. 258—262: „Was die Offiziers, wann sie auf Parteien ausgeschicket werden, zu observiren haben.“

4 Zusatz von 1752: „Will man aus neuerer Zeit ein Beispiel dafür haben, wie man den Feind zu Detachierungen zwingt, so lest man den schönen Feldzug nach, den der Marschall von luxemburg in Flandern gegen König Wilhelm fühtte und der 1693 mit der Schlacht von landen oder Neerwinden endete.“ Gemeint ist das Wert von Charles Sevin Marquis de Quincy (1666—1736): „Histoire militaire du règne de Louis le Grand“ (Paris 1726).