<379> Käuflichkeit der Ämter, der damals zur Beschaffung des Lösegeldes für den König eingeführt werden mußte, ist ein Denkmal, das immerfort an jene schimpfliche Epoche erinnert.

In einer Lage, die jeden andren überwältigt hätte, zeigte sich unser flüchtiger Held noch immer bewundernswürdig im Ersinnen von Hilfsmitteln gegen sein Unglück. Während seines Rückzuges sann er auf Mittel, die Pforte gegen Rußland aufzustacheln. So zog er aus seinem Mißgeschick selbst die Mittel, sich wieder emporzuarbeiten. Allerdings sehe ich mit Betrübnis, wie der Held sich in der Türkei zum Höfling des Großherrn erniedrigt und um tausend Beutel bettelt. Welcher Eigensinn oder welch unbegreifliche Hartnäckigkeit, im Lande eines Fürsten zu bleiben, der ihn nicht mehr dulden wollte! Ich wünschte, man könnte aus seiner Geschichte den romanhaften Kampf von Bender auslöschen. Wieviel Zeit ging da unten in Bessarabien in Wahnhoffnungen verloren, während der Hilferuf Schwedens und das Pflichtgefühl den König zur Verteidigung seiner Staaten aufforderten, die in seiner Abwesenheit sozusagen verwaist waren und seit einiger Zeit auf allen Seiten von den Feinden verheert wurden!

Die Pläne, die man ihm seit seiner Rückkehr nach Pommern zuschreibt und die manche auf Rechnung von Görtz setzen1, erscheinen mir so umfassend, so außerordentlich, so wenig der Lage und Erschöpfung seines Landes angemessen, daß man mir zur Schonung seines Ruhmes gestatten möge, sie mit Stillschweigen zu übergehen.

Der an Erfolgen und Mißerfolgen so reiche Krieg war von Schwedens Feinden begonnen worden. Karl war also gezwungen, sich ihrer Angriffe zu erwehren, und im Zustande berechtigter Verteidigung. Seine Nachbarn kannten ihn nicht und griffen ihn an, weil sie ihn wegen seiner Jugend geringschätzten. Solange er Glück hatte und furchtgebietend erschien, beneidete ihn Europa. Sobald aber das Glück ihn verließ, fielen die verbündeten Mächte über ihn her, um ihn auszurauben. Hätte unser Held ebensoviel Mäßigung wie Mut besessen, hätte er seinen Triumphen selbst ein Ziel gesetzt und sich mit dem Zaren verständigt, solange es noch in seiner Hand lag, Frieden zu schließen, er hätte die Mißgunst seiner Neider erstickt. Nun aber, wo er ihnen nicht mehr furchtbar erschien, wollten sie sich mit den Trümmern seines Reiches vergrößern. Doch Karl war in seiner Leidenschaft keiner Mäßigung fähig. Er wollte alles ertrotzen und über andre Herrscher despotisch schalten. Er wähnte, Könige bekriegen und entthronen sei eins.


1 Nach seiner Rückkehr aus derTürkei (1715) plante Karl XII, aus Haß gegen Georg!,, der ihm die Herzogtümer Bremen und Nerden entrissen hatte, ein Bündnis mit Rußland und die Wiedererhebung der Stuarts auf den englischen Thron (vgl. Bd. I, S. 135). Er fiel 1718 im Kampfe gegen Norwegen Vor Friedrichshall, während sein Minister Görtz 1719 auf dem Schaffott endete.