<370> binnen sechs Wochen zu einem für den Herzog von Holstein vorteilhaften Frieden1. Das ist im Plan wie in der Ausführung bewundernswürdig. Mit diesem Probestück stellt Karl sich Scipio gleich, der den Krieg nach Afrika hinübertrug, um Hannibals Abberufung aus Italien herbeizuführen.

Von Seeland folge ich dem jungen Helden nach Livland. Seine Truppen kommen mit erstaunlicher Schnelligkeit an. Auf diesen Zug paßt Cäsars veni, vidi, vici. Die edle Begeisterung, die den König beseelte, teilt sich seinen Lesern mit. Die Erzählung der Heldentaten, die dem großen Siege2 vorangingen und ihn begleiteten, ist hinreißend. Karls Handlungsweise war klug, zwar kühn, aber nicht tollkühn. Er mußte Narwa entsetzen, das der Zar persönlich belagerte; mithin mußte er die Russen angreifen und schlagen. Ihr zahlreiches Heer war nur eine Horde schlecht bewaffneter und undisziplinierter Barbaren ohne gute Führer. Die Schweden durften sich also den Moskowitern für ebenso überlegen halten wie die Spanier den wilden Völkerschaften Amerikas. Der Erfolg entsprach der Erwartung durchaus, und die Welt erfuhr mit Staunen, daß 8 000 Schweden 80 000 Russen besiegt und zersprengt hatten3.

Von dieser Stätte des Triumphes begleite ich unsern Helden an die Ufer der Düna, den einzigen Ort, wo er List angewandt hat, und zwar mit Geschick. Die Sachsen verteidigten das jenseitige Flußufer. Karl führte sie durch eine neue, von ihm erfundene Kriegslist irre. Unter dem Schutze künstlich hervorgebrachten Rauches, der seine Bewegungen verhüllt, geht er über den Fluß, noch ehe der alte Steinau, der die Sachsen befehligte, es merkt. Die Schweden sind ebenso schnell in Schlachtordnung gestellt als ausgeschifft. Nach einigen Kavallerieattacken und schwachem Infanteriefeuer schlagen sie die Sachsen in die Flucht und zerstreuen sie4. Welch bewundernswertes Verfahren beim Flußübergange! Welche Geistesgegenwart und Tatkraft, den Truppen gleich beim Landen ein geeignetes Schlachtfeld zu geben! Welche Tapferkeit, in so kurzer Zeit die Entscheidung herbeizuführen!

Solche mustergültigen Leistungen verdienen das Lob der Mit- und Nachwelt. Aber daß gerade die ersten Feldzüge Karls XII, seine vollkommensten Heldentaten sind, muß jedermann in Erstaunen setzen. Vielleicht verwöhnte ihn das Glück durch zuviel Gunst und verdarb ihn. Vielleicht glaubte er, die Kunst sei für den unnütz, dem nichts widersteht. Vielleicht auch verleitete ihn seine allerdings bewundernswerte Tapferkeit oft, bloß verwegen zu sein.

Bisher hatte Karl seine Waffen gegen den Feind gewandt, dessen Bekämpfung sein Interesse gebot. Seit der Schlacht an der Düna verliert man aber den leitenden Faden. Man sieht nur eine Menge Unternehmungen ohne Plan und Zusammenhang, freilich untermischt mit glänzenden Taten, aber nicht auf das Hauptziel gerichtet, das der König sich in jenem Kriege stecken mußte.


1 Friede von Travendal, 18. August 1700.

2 Bei Narwa am 20. November 1700.

3 Die Zahl der Russen betrug vielmehr nur 40 000 Mann.

4 Schlacht an der Düna am 18. Juli 1701.