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Ganz ähnlich war der Plan, die Franzosen und Bayern bei Höchstädt anzugreifen. Sie wurden geschlagen1. Der Verlust der Schlacht zwang sie zur Räumung von Bayern und Schwaben, und sie fühlten sich nicht eher sicher, als bis sie über den Rhein gegangen waren. Ich nenne Euch stets den Prinzen Eugen als den größten Kriegshelden unsres Jahrhunderts. Folgt ihm nach Ungarn. Seht, wie er die Belagerung von Belgrad unternimmt, wie er selbst von den Türken belagert wird und ruhig abwartet, bis sie zum Teil einen kleinen Bach überschritten haben, der sie von seiner Armee trennte, um dann über sie herzufallen und einen entscheidenden Sieg davonzutragen, der den Großherrn zum Friedensschluß und zur Abtretung schöner Provinzen an den Kaiser zwang2.

Wer die Feldzüge des Prinzen Eugen liest, darf sich nicht damit begnügen, sein Gedächtnis mit militärischen Tatsachen anzufüllen. Er muß vor allem danach trachten, die großen Gesichtspunkte zu erfassen und ebenso zu denken. Es genügt nicht, in der Person des Prinzen Eugen das Muster eines großen Feldherrn studiert zu haben.

Nicht minder nützlich ist die Prüfung der Fehler, die die Minister der Höfe oder die Heerführer aus Mangel an Urteil und Kenntnissen begingen, indem sie die Pläne ihrer Unternehmungen schlecht entwarfen. Solche Beispiele sind nur zu zahlreich. Ich will nicht im Altertum herumstöbern, um Euch die Mißgriffe vergangener Zeiten in Erinnerung zu bringen, sondern nur die modernen Torheiten anführen, wo der Gang der Ereignisse Euch vertrauter und besser bekannt ist.

Karl XII. kommt mir zuerst in den Sinn, vielleicht der tapferste und inkonsequenteste Feldherr, den es je gab3. Wie Ihr wißt, schlug er die Russen bei Narwa (1700). Die Staatsraison und militärische Gründe erheischten, daß er bei Beginn des Frühlings nach Esthland marschierte, von dort den Zaren vertrieb, Petersburg zurückeroberte, den Zaren zum Frieden zwang und ihn auf seine alten Grenzen beschränkte. Ihr erkennt deutlich, daß er nach der Niederwerfung seines gefährlichsten Gegners unumschränkt über Polen hätte verfügen können; denn niemand hätte sich ihm zu widersetzen gewagt. Was aber tut er? Anstatt einen so vernünftigen Plan zu befolgen, kommt er auf den Einfall, sich mit den polnischen Woywoden herumzuschlagen und ein paar Händevoll Sachsen hier- und dorthin zu treiben. Dadurch läßt er dem Zaren Zeit, seine Truppen zu schulen, tüchtige Generale in seinen Dienst zu nehmen, kurz, all die Einrichtungen und Vorkehrungen zu treffen, die Karls völlige Niederlage bei Pultawa (1709) herbeiführen sollten. Was sollen wir vollends von Karls XII. Zug nach der Ukraine sagen, von wo er nach Moskau vordringen wollte? Wenn je ein Plan gegen Vernunft und gesunden Menschenverstand gefaßt ward, so ist es dieser. Seine Absicht war, den Zaren zu entthronen. Dies Vorhaben überstieg


1 13. August 1704.

2 Schlacht bei Belgrad, 16. August 1717, und Friedensschluß zu Paffarowitz (1718).

3 Vgl. den Aufsatz „Betrachtungen über die militärischen Talente und den Charakter Karls XII,“ (S. 367 ff.).