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Entwurf zur „Darlegung der Gründe, aus denen der König sich genötigt sieht, dem Kaiser Hilfstruppen zu stellen“175-1
(August 1744)

Da der König die Wirren nicht mehr mit ansehen konnte, die das Reich zerreißen, seine Grundlagen erschüttern und die Macht des Kaisers175-2 zu vernichten drohen, hat er sich als Reichsfürst gezwungen gesehen, für die Sache des Vaterlandes einzutreten und die Macht, die Gott ihm verliehen hat, zur Wiederherstellung von Frieden, Ordnung und Freiheit in Deutschland zu benutzen. Seine Majestät hat alles versucht, um einen gütlichen Vergleich herbeizuführen, und alles vermieden, was ihn durch die natürliche Verkettung der Dinge zu Feindseligkeiten veranlassen mußte. Sein Gesandter in Wien, Graf Dohna175-3, hat alle möglichen Vorstellungen gemacht, um den Wiener Hof zu friedlichen Gesinnungen zu bekehren. Wie oft hat er ihm nicht vorgeschlagen, den Kaiser zum Abschluß eines billigen Vergleichs zu bewegen, zumal der große und edelmütige Fürst bereit war, den größten Teil seiner Ansprüche auf das österreichische Erbe aufzugeben, um seinem Vaterlande die Ruhe und den Frieden zu erhalten. Aber der Wiener Hof hat in seiner hochmütigen Rachsucht nie darein gewilligt. Er wollte von Frieden nichts wissen, vielmehr wünschte er den Kriegsbrand über ganz Europa zu verbreiten, um das Gleichgewicht der Mächte zu zerstören, die sich seinen ehrgeizigen Plänen widersetzten, und sie und ihre Bundesgenossen völlig seinem Willen zu unterwerfen. Welche Anstrengungen hat der König nicht auch durch seine Gesandten beim König von England gemacht, als er in seinem Lager bei Worms war, um zu verhindern, daß dieser sein Vaterland zerrisse und ohne Scheu unsere Verfassung zerstörte!175-4 Um die Republik Holland zu bewegen, die Friedensvermittlung zu übernehmen, hat der König sogar die Reichsfürsten vermocht, sich daran zu beteiligen. Aber sei es, daß die Generalstaaten, die die Hals<176>siarrigkeit des Wiener Hofes und die Hinterabsichten seiner Alliierten nur zu gut kennen, sich nicht getraut haben, diese Vermittlung zu übernehmen, sei es, daß ihre republikanische Verfassung den raschen Entschlüssen hinderlich war, die bei dergleichen Verhandlungen nötig sind: die Generalstaaten lehnten das Anerbieten ab.

Nachdem also Seine Majestät umsonst so vieles versucht hat, um dem Reiche Ordnung und Frieden wiederzugeben, sieht er sich durch das Bündnis der kurfürstlichen Häuser vom Jahre (1744)176-1, sowie in seiner Eigenschaft als einer der vornehmsten Reichsstände gezwungen, das Reich vor dem völligen Untergang zu retten. Zu diesem Zweck stellt er dem Kaiser eine große Zahl seiner Truppen als Hilfskontingent, um mit ihnen die Königin von Ungarn zu bekriegen, seine unversöhnliche Feindin, die in ihrem hochmütigen Stolz und Ehrgeiz auf weiter nichts sinnt, als ganz Deutschland unter ihr hartes Joch zu beugen.


175-1 Mit einem Manifest gegen Österreich, dessen erster eigenhändiger Entwurf oben mitgeteilt wird, eröffnete König Friedrich im August 1744 den Zweiten Schlesischen Krieg (vgl. Bb. II, S. 173).

175-2 Karl VII., Kurfürst von Bayern.

175-3 Graf Friedrich Ludwig Dohna.

175-4 Für die Sendung des Grafen Karl Wilhelm von Finckenstein nach Worms im Sommer 1743 vgl. Bd. II, S. 143 f.

176-1 Die Frankfurter Union vom 22. Mai 1744 (vgl. Bd. II, S. 173).