<84> Ministerium in Versailles. Im Beginn des Jahres 1761 ließ es seinen Verbündeten eine schriftliche Erklärung des Inhalts zugehen, Frankreich habe im Verein mit seinen Alliierten vier Jahre lang vergebliche Anstrengung zur Vernichtung des Königs von Preußen gemacht und sehe sich nun nicht länger in der Lage, die ungeheuren bisher geleisteten Kosten weiter zu tragen. Auch würde bei einer Fortsetzung des Krieges dessen Schauplatz, Deutschland, völlig verwüstet und zugrunde gerichtet. So rate es also den anderen Mächten, für diesmal allen weiteren Eroberungs- und Vergrößerungsplänen zu entsagen und lieber ernstlich an die Wiederherstellung des Friedens zu denken.

Dieselbe Erklärung, nur in noch stärkeren Ausdrücken, erfolgte in Stockholm1. Der Grund war der, daß die Hofpartei im schwedischen Reichstage heftig gegen die französisch Gesinnten vorgegangen war. Der französischen Partei wurde vorgeworfen, sie habe den Krieg entzündet und genährt und Schweden zu seinem eigenen Verderben mit hineingezogen. So war die friedfertige Gesinnung, mit der die französische Erklärung prunkte, nur darauf berechnet, die erregten Geister zu beruhigen, der Hofpartei ihre Argumente zu entwinden und die im Solde Frankreichs stehenden Kreaturen im Reichsrat vor ihrem Sturze zu bewahren.

Die beiden Kaiserinnen und der König von Polen nahmen die französische Erklärung verschieden auf, je nachdem ihre Staatsinteressen davon betroffen wurden. Der König von Polen war im Grunde des Krieges müde. Allmählich sah er ein, daß sein Land der eigentliche Kriegsschauplatz sei und von seinen sogenannten Freunden ebenso zugrunde gerichtet werde, wie von seinen Feinden. Trotzdem hoffte er noch auf eine gewisse Entschädigung durch diplomatische Unterhandlungen. Die Kaiserin von Rußland war im Grunde friedliebend und hätte das Ende des Krieges herbeigesehnt; denn sie haßte Geschäfte, Arbeit und Blutvergießen. Indes war sie allen Einflüsterungen derer zugänglich, die Macht über sie hatten. Ihre Umgebung reizte sie auf. Man redete ihr ein, ein Friede wäre vor der völligen Niederwerfung Preußens mit ihrer eigenen Würde unvereinbar. Die Kaiserin-Königin dagegen hatte allein den Vorteil davon, daß ganz Europa sich zur Vernichtung ihres Hauptfeindes anstrengte. Sie hätte gewünscht, daß die Kriegsbegeisterung, die ihren Zwecken so förderlich war, noch weiter anhielte. Sie wollte die Waffen nicht eher niederlegen, als bis ihre Pläne gegen Preußen völlig verwirklicht waren. Um aber Frankreich nicht zu verstimmen und die widerstreitenden Interessen zum Schein auszugleichen, schlug sie einen allgemeinen Kongreß in Augsburg vor. Durch dies Entgegenkommen glaubte sie Frankreich zu schmeicheln und gleichzeitig vor den Augen der Welt ihre


1 Es handelt sich um die Mitteilung des Entwurfs einer Denkschrift mit Vorschlägen zur Wiederherstellung des allgemeinen Friedens, die Österreich und Frankreich mit ihren Verbündeten, Rußland, Schweden und Kursachsen, an England und Preußen richten sollten. Vgl. dafür im Anhang (Nr. 8) die Aufzeichnung des Königs „Betrachtungen über die Vorschläge der Franzosen und ihrer Verbündeten“.