<180>rationen zu einigen; der geringe Grad von Einigkeit unter den russischen und österreichischen Generalen, die argwöhnisch wurden, gerade wenn die Gelegenheit kraftvolles Handeln zur Vernichtung Preußens erforderte, was ihnen auch hätte gelingen können.

2. Die allzu verschlagene und tückische Staatskunst des Wiener Hofes, der die schwierigsten und gewagtesten Unternehmungen auf seine Verbündeten abwälzte, um am Ende des Krieges sein Heer in besserem Zustand und vollzähliger zu haben als die anderen Mächte. Daher kam es, daß die österreichischen Generale es bei verschiedenen Gelegenheiten aus übertriebener Vorsicht verabsäumten, den Preußen den Gnadenstoß zu geben, als diese in verzweifelter Lage und dem Untergang nahe waren.

3. Der Tod der Kaiserin Elisabeth, die auch das Bündnis mit Österreich mit ins Grab nahm, der Abfall der Russen, das Bündnis der Preußen mit Peter III. und schließlich die Absendung des russischen Hilfskorps nach Schlesien.

Prüfen wir andrerseits die Ursachen für die Verluste der Franzosen, so bemerken wir zunächst den Fehler, sich in die deutschen Wirren einzumischen. Mit England führten sie bisher nur einen Seekrieg. Nun schlugen sie einen verkehrten Weg ein und vernachlässigten die Hauptsache, um etwas anderes zu betreiben, das sie eigentlich garnichts anging. Bisher waren sie den Engländern zur See überlegen gewesen. Sobald aber ihre Aufmerksamkeit durch den Kontinentalkrieg abgelenkt wurde und ihre Heere in Deutschland all die Geldmittel verschlangen, die sie zur Vermehrung ihrer Flotte hätten verwenden sollen, gebrach es ihrer Marine am Nötigsten. So erlangten die Engländer das Übergewicht und blieben Sieger in allen Weltteilen. Überdies gingen die ungeheuren Summen, die Ludwig XV. als Subsidien zahlte, und die Kosten für den Unterhalt der Heere in Deutschland außer Landes. Dadurch wurde der Geldumlauf in Paris wie in den Provinzen um die Hälfte vermindert. Um das Unglück voll zu machen, begingen die Feldherren, die der Hof an die Spitze der Armeen stellte und die sich alle für einen Turenne hielten, Fehler, die man einem Anfänger nicht verziehen hätte.

Mögen solche Beispiele wenigstens die großen Projektenmacher unter den Staatsmännern belehren, daß der menschliche Geist, so umsichtig er auch sei, doch niemals all die feinen Verkettungen so zu durchschauen vermag, um Ereignisse, die von künftigen Zufällen abhängen, vorauszusehen oder herbeizuführen. Wir erklären recht gut das Vergangene, weil dessen Ursachen offen daliegen, aber wir irren stets über das Kommende; denn die Ursachen zweiter Ordnung1 entziehen sich unsern verwegenen Blicken.

Es ist keine Besonderheit unsres Jahrhunderts, daß Staatsmänner sich täuschen. So war es in allen Zeiten, wo der menschliche Ehrgeiz große Pläne gebar. Um sich davon zu überzeugen, erinnere man sich nur der Geschichte der berühmten Ligue von Cambrai2, des Scheiterns der Armada, der Kriege Philipps II. gegen die Niederlande,


1 Darunter versteht der König die Ursachen, „deren Spiel man erst nachträglich bemerkt, deren Wirkungen aber in der allgemeinen Ordnung der Dinge einbegriffen sind“.

2 Vgl. Bd. IIl, S. 187.