<12> Die beiden Armeen hielten sich mit Rekognoszierungen auf, die zu nichts führten. Am 14. rückten die Russen vor. Sie zogen ganz nahe an der preußischen Armee hin, aber in einer Unordnung, die Graf Dohna bei einiger Entschlossenheit wohl hätte ausnützen können. Indes traf er durchgehends so schlechte Maßnahmen, daß er durch seine eigene Nachlässigkeit einen Teil seiner Bäckerei und seines Proviants verlor, was ihn zum Rückzug auf Züllichau zwang. Der König erfuhr von der bei Dohnas Armee herrschenden Verwirrung und von der Uneinigkeit unter den Generalen. Er schickte deshalb Wedell dorthin, der das Kommando als Diktator übernahm1, obgleich er nicht der Rangälteste war.

An dem Abend, wo Wedell in Züllichau eintraf2, lagerte Ssaltykow3 bei Bomst und umging in der Nacht die Stellung der Preußen so geschickt, daß ein Teil der Russen bereits im Rücken der Preußen stand und das Defilee von Kay zwischen ihrem Lager und dem Wege nach Krossen besetzt hielt. Niemand hatte es bemerkt: solche Nachlässigkeit im Dienst herrschte bei der Armee, deren Kommando Wedell soeben übernommen hatte. Mit eigenen Augen überzeugte sich dieser nun von der feindlichen Umgehung, rekognoszierte darauf das Lager von Bomst und bemerkte dort nur noch das Ende der Kolonnen und die Nachhut auf ihrem Weg nach Krossen. Sofort ließ er die Zelte abbrechen, setzte sich in Marsch und griff die feindlichen Truppen in ihrer Stellung bei Kay an, in der Hoffnung, sie vor Eintreffen ihrer Hauptarmee zu schlagen. Allein die Sache ging anders aus. Die Stellung der Russen war gut. Man konnte sie nur in einer Frontbreite von 7 Bataillonen, rechts und links von Sümpfen eingeengt, angreifen. Die Russen standen halbmondförmig in drei Treffen auf fichtenbewachsenen Hügeln. Es gelang Wedell, das erste Treffen zu durchbrechen. Als er aber das zweite angreifen wollte, geriet seine Infanterie in ein so heftiges Kreuzfeuer von Kartätschen aus verschiedenen Batterien, daß sie sich nicht zu halten vermochte. Dreimal wurde der Ansturm erneuert, aber umsonst! Das Schlimmste aber war, daß Wedell der feindlichen Artillerie kein hinreichendes Geschütz gegenüberstellen konnte. Er hatte viel Leute verloren, und bei der geringen Aussicht auf Erfolg wollte er nicht noch den Rest unnütz opfern. So entschloß er sich zum Rückzug (23. Juli). Am folgenden Tage gingen die Truppen bei Tschicherzig über die Oder und lagerten bei Sawade. Ssaltykow rückte mit den Russen nach Krossen. In der Schlacht bei Kay verlor Wedell 4 000 bis 5 000 Mann. Der Feind dagegen hatte bei dem für ihn vorteilhaften Gelände augenscheinlich geringe Verluste.

Wedells Niederlage warf alle bisherigen Maßregeln des Königs völlig über den Haufen. Jetzt konnte Wedell dem weiteren Vordringen Ssaltykows ohne beträchtliche Verstärkungen nicht entgegentreten. Durch dessen Stellung bei Krossen waren Frankfurt und Küstrin gefährdet. Falls nicht binnen kurzem eine preußische Armee zur Verteidigung der Oder gegen Frankfurt vorrückte, war Berlin den schlimmsten Zufällen


1 Vgl. Anhang, Nr. 1.

2 22. Juli 1759.

3 Der Führer der russischen Armee.