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Die Werke
Friedrichs des Großen
In deutscher Übersetzung
Zehn Bände
Mit Illustrationen
von
Adolph V.Menzel
Verlag von Reimar Hobbing in Berlin
1 9 1 3

<III>

Die Werke
Friedrichs des Großen
Dritter Band
Geschichte des Siebenjährigen Krieges
Erster Teil
Herausgegeben von Gustav Berthold Volz
deutsch von
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
und Thassilo von Scheffer
Verlag von Reimar Hobbing in Berlin
1 9 1 3

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Einleitung des Herausgebers

Gleichwie nach den Friedensschlüssen von Breslau und Dresden, begann König Friedrich alsbald nach dem Hubertusburger Frieden die Darstellung der Geschichte des eben vollendeten Krieges. Allerdings hatte er sich zunächst ablehnend verhalten, als Graf Algarotti ihn dazu aufforderte. „Die Geschehnisse dieses Krieges“, so erwiderte er am 14. April 1763 dem Freunde, „lohnen nicht die Mühe, sie der Nachwelt zu überliefern.“ Er sei weder ein so großer Feldherr, daß man sein Leben und seine Taten beschreiben solle, noch ein so guter Geschichtsschreiber, um selber Werke zu veröffentlichen. Aber der Monat war noch nicht verstrichen, als er bereits an die Aufgabe heranging. Noch vor Jahresschluß war die Niederschrift des Werkes vollendet, wie das Datum des 17. Dezember 1763 beweist, das er unter das letzte Kapitel setzte. Am 3. März 1764 schloß er das „Vorwort“ ab. Eine letzte Durchsicht folgte.

Noch zweimal gedenkt Friedrich in den Briefen des Frühjahrs 1764 seines neuen Werkes, der Aufzeichnung seiner „militärischen und politischen Torheiten“, wie er drastisch sagt. Am 7. April 1764 versteigt er sich sogar zu der Erklärung, seine eben vollendeten Denkwürdigkeiten überzeugten ihn mehr und mehr, daß Geschichte schreiben hieße, „die Torheiten der Menschen und das Spiel des Zufalls zusammenstellen“. Voll bitterem Sarkasmus wiederholte er damit das resignierte Bekenntnis, das er bereits im „Vorwort“ und am Schlusse der Geschichte des Zweiten Schlesischen Krieges abgelegt hatte, daß das Ergebnis die ungeheuren Anstrengungen und Opfer des langen Krieges nicht lohneV-1. Denn auch der Siebenjährige Krieg hatte keine neuen Erwerbungen gebracht.

Erst nach dem Tode des Königs, bei der Herausgabe der nachgelassenen Werke im Jahre 1788 hat die „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ ihren Titel empfangen; denn sie war bisher ohne Titel geblieben. Sie war auch nicht mehr als Fortsetzung der „Geschichte Brandenburgs“ bezeichnet. Die Erklärung dafür liegt wohl in dem Umstande, daß dieses Werk einen anderen Charakter trägt als seine Vorgänger. Es ist eine Tendenzschrift. Ausdrücklich gibt Friedrich im „Vorwort“ als seine Absicht an, seine eigene Haltung, die Schilderhebung im Herbste 1756 zu<VI> rechtfertigen. Im weiteren Verlauf der Darstellung herrscht dann aber fast ausschließlich der militärisch-didaktische Gesichtspunkt vor. Der Erzählung der kriegerischen Vorgänge ist denn auch der weitaus größte Teil des Buches gewidmet.

Zu der knappen Darstellung des Königs, die über einiges kurz hinweggeht, anderes ganz beiseite läßt, bilden die in den „Anhängen“ mitgeteilten Schriftstücke von seiner Hand eine wesentliche Ergänzung. Sie rücken so manchen Vorgang auch erst in scharfe und richtige Beleuchtung. Vor allem aber enthalten sie wertvolle Beiträge zur Charakteristik Friedrichs selbst, mag er, wie in den Manifesten und politischen Denkschriften, als Staatsmann die Feder führen oder in den militärischen Instruktionen und Entwürfen als Feldherr vor uns erscheinen. Für die nähere Erläuterung dürfen wir auf die Fußnoten der einzelnen Stücke verweisen.

Endlich ist noch der mannigfach ausgeschmückten Sage zu gedenken, die sich an die „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ knüpft. Danach soll ihre Niederschrift in der heut vorliegenden Form nicht die erste sein. Es heißt, ein Brand im Zimmer des Königs habe das fertige Manuskript vernichtet und Friedrich darauf die Geschichte des Krieges nochmals verfaßt. Durch einen Brief des Kabinettssekretärs Eichel an den Minister Graf Finckenstein vom 2. Oktober 1763 wird allerdings die Tatsache des Brandes bezeugt. Während einer kurzen Abwesenheit des Monarchen fiel am Abend des 1. Oktober von brennenden Lichtern ein Funke auf den Arbeitstisch. Die Flamme, so berichtet Eichel, habe „die eigenhändigen Aufsätze von denen Campagnen des letztren Krieges ergriffen und einen guten, wo nicht mehristen Teil von solchen verbrannt, sodaß, als bald darauf des Königs Majestät in erwähnter Kammer zurückgekommen, Sie nur etwas davon sauviren können.“ Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei jenen zugrunde gegangenen „eigenhändigen Aufsätzen“ um Berichte vom Kriegsschauplatz, wie Friedrich sie unmittelbar nach den Ereignissen zur Mitteilung an die Öffentlichkeit abzufassen pflegte, oder um einige der auch im „Vorwort“ erwähnten „Denkschriften“, die er am Ende jedes Feldzuges aufgesetzt hatte und jetzt für die Ausarbeitung der Geschichte des Krieges benutzte, vielleicht auch um einzelne Stücke der Niederschrift selbst. Aber keinesfalls kommt die Vernichtung der Darstellung des ganzen Krieges in Frage; denn aus dem Stande der Vorarbeiten läßt sich der bündige Nachweis führen, daß zum Zeitpunkt des Brandes überhaupt erst einige Kapitel fertiggestellt waren.

Dagegen sind Anzeichen dafür vorhanden, daß Friedrich im Anschluß an die Revision der „Geschichte meiner Zeit“ im Sommer 1775 auch eine Umarbeitung der „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ ins Auge faßte. Er ließ sich von dieser eine Abschrift machen. Anfang September war sie in seinen Händen. Doch die schwere Erkrankung, die ihn im Winter 1775/76 heimsuchte, setzte zunächst allen weiteren literarischen Plänen ein Ende. Aber auch späterhin, als er seine historischen Arbeiten wiederaufnahm, ist er auf den Gedanken einer neuen Bearbeitung dieses Werkes nicht mehr zurückgekommen.

<VII>

Die Übersetzung des Textes der „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ stammt von Thassilo von Scheffer, die der „Anhänge“ von Friedrich von Oppeln-Bronikowski.

Der französische Text, der der Übertragung der „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ zugrunde liegt, ist abgedruckt in den „Œuvres de Frédéric le Grand“, Bd. 4 und 5. Was die „Anhänge“ zu Bd. 3 und 4 unserer Ausgabe betrifft, so sind die „Rechtfertigung meines politischen Verhaltens“ und „Die Gründe meines militärischen Verhaltens“ veröffentlicht nach dem Druck in den „Œuvres“, Bd. 27, Teil 3, die Entwürfe der Manifeste gegen Österreich und Sachsen sowie das Manifest gegen Österreich vom August 1756 nach dem dritten Bande der „Preußischen Staatsschriften aus der Regierungszeit König Friedrichs II.“ (herausgegeben von O. Krauste, Berlin 1892), alle übrigen Stücke nach der „Politischen Correspondenz Friedrichs des Großen“, Bd. 12 bis 21 (Berlin 1884—1894). Für die „Rede des Königs vor der Schlacht bei Leuthen“ ist die Fußnote zum Text zu vergleichen.

Die Pläne zu den Schlachten des Siebenjährigen Krieges sind dem vierten Bande angefügt.

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Geschichte des Siebenjährigen Krieges

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Vorwort

Meine Darstellung der beiden Kriege, die wir in Schlesien und Böhmen geführt haben, war das Werk eines jungen Mannes, eine Folge jener Schreibwut, die in Europa epidemisch geworden ist. Seit dem Frieden von 1746 jedoch habe ich der Geschichtsschreibung entsagt; denn politisches Ränkespiel, das zu keinen Ergebnissen führt, verdient so wenig Beachtung wie gesellschaftlicher Klatsch. Ein paar Einzelheiten aus der inneren Staatsverwaltung aber liefern noch keinen genügenden Stoff zur Geschichtsschreibung. Erst der 1756 ausgebrochene Krieg hat meinen Entschluß umgestoßen. Der Krieg war mit so viel Geschick und Kunstfertigkeit herbeigeführt und die Übermacht der Feinde, die gegen Preußen im Felde standen, so gewaltig, daß mir ein solcher Gegenstand der Überlieferung an die Nachwelt wohl würdig erschien. Zu diesem Zwecke setzte ich am Ende jedes Feldzuges eine Denkschrift über die Ereignisse auf, die mir noch frisch im Gedächtnis hafteten. Und da die Kriegsbegebenheiten aufs engste mit der Politik zusammenhängen, sah ich mich genötigt, auch diese in meine Darstellung aufzunehmen.

Ich habe dabei mein Augenmerk besonders auf zweierlei gerichtet: einmal, der Nachwelt klar zu beweisen, daß die Vermeidung des Krieges nicht von mir abhing und daß Ehre und Wohlfahrt des Staates mir die Annahme anderer Friedensbedingungen verboten, als solcher, unter denen der Friede zustande gekommen ist. Zweitens wollte ich alle militärischen Operationen so klar und genau schildern, als ich irgend vermochte. Hinterlassen wollte ich eine authentische Zusammenstellung der vorteilhaften und nachteiligen Stellungen in den Provinzen und Staaten, die den Schauplatz eines Krieges zwischen den Häusern Brandenburg und Österreich bilden können.

Der Erfolg eines Krieges hängt großenteils von der Geschicklichkeit des Feldherrn ab, von der Kenntnis der Gegend, in der er operiert, und von der Kunst der Geländebenutzung, die darin besteht, daß man den Feind an der Besetzung einer für ihn vorteilhaften Position hindert oder sich selbst die für die eignen Pläne günstigste Stellung aussucht. Dafür wird man in diesem Buch eine Menge Beispiele finden und bei näherer Betrachtung leicht erkennen, welche Vorteile die Österreicher und die Preußen aus gewissen Positionen gezogen haben. Gott verhüte einen zweiten so verwickelten<4> und schwierigen Krieg, wie den eben beendeten! Wahrscheinlich ist es nicht, daß die gleiche Verkettung von Ursachen in absehbarer Zeit die gleiche Konstellation herbeiführt.

Hat Preußen nicht gegen so viele Mächte auf einmal zu kämpfen, so wird es immer die Mark Brandenburg und Schlesien decken können, die Mark, indem es den Krieg nach Sachsen trägt, und Schlesien, indem es mit dem Heere sofort in Böhmen einbricht. Für diesen Fall wird meine genaue Beschreibung der Lager in Sachsen und Böhmen von dauerndem Nutzen sein und den künftigen Heerführern viel Arbeit ersparen. Denn zum Schwierigsten im Kriege gehört die schnelle Orientierung in einer wenig bekannten Gegend. Man muß dann oft aufs Geratewohl irgendeine Stellung einnehmen, da man die zuweilen ganz in der Nähe liegenden guten Positionen nicht kennt. Man tappt also umher, und bei schlechter Wahl seines Lagers setzt man sich den größten Gefahren aus. Dagegen ist man bei Benutzung schon erprobter Lagerplätze seiner Sache sicher und kann methodischer verfahren.

Hierbei sei bemerkt, daß ein Lager je nach den Umständen gut oder schlecht sein kann. So ist das Lager bei Torgau vortrefflich, wenn man über 70 000 Mann verfügt, mit denen man es in seiner ganzen Ausdehnung besetzen kann. Hat man dagegen nur 30 000, der Feind aber 60 000 Mann, so ist es mangelhaft, weil man seine Stellung dann zu sehr ausdehnen muß und sich dadurch selbst schwächt. Wenn der Feind nur will, kann er dann hier oder dort an einer schwach besetzten Stelle durchbrechen. Ein Lager ist wie ein Kleid. Es darf für seinen Träger weder zu eng noch zu weit sein. Bleibt einem aber die Wahl, so ist es besser, man hat zu viel Leute, die man nicht zu lassen weiß, als zu wenig. Andere Lager decken wohl einen gewissen Terrainabschnitt, werden aber unbrauchbar, sobald der Feind die Richtung seiner Operationen ändert. So zum Beispiel ist das Lager bei Landeshut ganz ausgezeichnet zur Deckung von Niederschlesien. Es wird aber schlecht und unhaltbar, sobald die Kaiserlichen Glatz oder Martha besetzt haben, weil sie es dann völlig umklammern.

In solchen Fällen muß unser gesundes Urteil uns unser Tun und Lassen vorschreiben. Jedenfalls muß man sklavische Nachahmung vermeiden, sonst würde man sicher falsch handeln. Warum? Weil zwei Menschen sich niemals in völlig gleicher Lage befinden. In manchem wird sich ihre Lage ja vergleichen lassen. Bei genauem Zusehen aber wird man unendliche Verschiedenheiten in den Einzelheiten entdecken, denn die Natur bietet uns in ihrer Unerschöpflichkeit immer wieder ein anderes Bild und wiederholt nie die gleichen Ereignisse. Es wäre also ein falscher Schluß, wenn man sagen wollte: „Der Marschall von Luxemburg befand sich in der gleichen Lage wie ich jetzt. Auf die und die Weise hat er sich herausgezogen: ich will also dasselbe tun.“ Ereignisse der Vergangenheit sollen lediglich der Einbildungskraft Nahrung liefern und unser Gedächtnis mit Kenntnissen ausstatten. Sie bilden nur eine Sammlung von Ideen und liefern uns den Rohstoff, den die Urteilskraft erst in ihrem Schmelztiegel läutern muß.

Ich wiederhole also: die Einzelheiten des letzten Krieges sollen nur den Schatz unseres militärischen Wissens bereichern und die Aufmerksamkeit auf einige wichtige<5> Positionen lenken, die so lange die gleichen bleiben werden, als die Gegenden sich nicht verändern und die Natur sich nicht völlig umgestaltet. Solche wichtigen Stellungen sind: das Lager von Peterswald5-1 für den, der durch Sachsen in Böhmen eindringen will, das Lager von Schlettau und Freiberg für den, der weder den Plauenschen Grund noch Dippoldiswalde zu besetzen vermag, das Lager von Landeshut bei Friedland in Schlesien, falls man gleichzeitig zur Deckung der Grenze ein Detachement in die Grafschaft Glatz legt, ferner die Lager von Schmottseiffen und Löwenberg zur Deckung der Lausitzer Grenze, die Stellung bei Hotzenplotz5-2 zur Deckung von Oberschlesien, das Lager bei Olmütz, das die Preußen im Jahre 1758 besetzt hielten, das Lager von Wisoka bei Nachod, das von Hlinay5-3 in Böhmen und schließlich die Lager von Bunzelwitz, Pilzen5-4, Siegroth5-5, Neiße, der Zeiskenberg5-6, die Höhen von Bärsdorf und Dittmannsdorf5-7 usw.

Wahrscheinlich werden die österreichischen Generale nicht von der Methode des Feldmarschalls Daun abgehen, die unstreitig gut ist. In einem künftigen Kriege werden sie also wieder auf gute Stellungen bedacht sein, genau wie in dem eben beendeten. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß es verkehrt ist, den Feind in bergiger Stellung oder auf durchschnittenem Gelände vorschnell anzugreifen. Ich bin manchmal in diese Notlage gekommen und habe das Äußerste wagen müssen. Wird der Krieg aber mit gleichen Kräften geführt, so kann man sich durch List und Geschick gewissere Vorteile verschaffen, ohne sich solchen Gefahren auszusetzen. Man suche nur recht viele kleine Vorteile zu erreichen, so ergibt sich am Ende ein großer. Überdies ist ein Angriff auf eine wohlverteidigte Stellung ein tüchtiges Stück Arbeit. Man kann leicht zurückgeworfen und geschlagen werden oder die Einnahme nur mit einem Opfer von 15 000 bis 20 000 Mann erkaufen, und das reißt eine böse Lücke in eine Armee. Rekruten — vorausgesetzt, daß sie im Überfluß vorhanden sind — können die Zahl der Verluste zwar ersetzen, nicht aber ihre Qualität. Die Ergänzung der Armee entvölkert das Land, die Mannschaften werden minderwertig, und bei langer Dauer des Krieges kommandiert man schließlich nur noch eine Schar von schlecht einexerzierten und schlecht disziplinierten Bauern, mit denen man sich kaum vor dem Feinde blicken lassen darf. Mag man in schlimmen Lagen immerhin von der Regel abweichen, nur in der Not darf man zu verzweifelten Mitteln greifen. Gibt man dem Kranken doch auch dann nur ein Brechmittel, wenn man keine andere Rettung mehr weiß. Abgesehen von solchen Notfällen aber sollte man nach meiner Ansicht mit größerer Behutsamkeit verfahren und jeden Schritt mit Umsicht und Überlegung tun. Denn der geschickteste Feldherr ist der, der das wenigste dem Zufall überläßt.

Zum Schluß noch ein Wort über den von mir gewählten Stil. Ich war des „Ich“ und „Mir“ so müde, daß ich mich entschloß, alles auf mich Bezügliche in der dritten<6> Person zu berichten. In einem so umfangreichen Werke wäre es mir unerträglich erschienen, immerzu von mir in der ersten Person zu reden. Ferner habe ich mir strenge Wahrhaftigkeit und Unparteilichkeit zur Regel gemacht, denn durch Bissigkeit und Gehässigkeit kann ein Autor niemanden belehren. Auch ist es ein Zeichen von Schwäche, ja von niedriger Gesinnung, von seinen Feinden nichts Gutes zu reden und ihnen die verdiente Gerechtigkeit schuldig zu bleiben. Sollte ich von dieser mir gezogenen Richtschnur ungewollt abgewichen sein, so möge die Nachwelt mir verzeihen und mich berichtigen, wo ich es verdiene.

Alles, was ich dem Gesagten noch hinzufügen könnte, wäre überflüssig, ja bei einem Werke, das wie dieses nur zur Lektüre für wenige Personen bestimmt ist, könnte das Vorwort vielleicht ganz fortbleiben.

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1. Kapitel

Innere Einrichtungen Preußens und Österreichs während des Friedens.

Dank dem Frieden, dessen sich Europa erfreute, konnten sich alle Mächte den inneren Reformen in ihren Staaten widmen. Der König von Preußen begann mit der Beseitigung der Mißbräuche, die sich in die Verwaltung eingeschlichen hatten. Er bemühte sich, durch Anlagen aller Art die Einkünfte zu vermehren. Er arbeitete an der Befestigung der Mannszucht im Heere, am Ausbau der Festungen. Er ließ Vorräte von Waffen und Kriegsmaterial anlegen, die ein Heer nötig hat und im Felde in ungeheurer Menge verbraucht. Die Rechtspflege lag unter der Regierung seines Vaters sehr danieder. Sie war so voller Mißbräuche, daß sie besonderer Sorgfalt und Aufmerksamkeit bedurfte. Allgemein wurden die Gesetze umgangen. Die Anwälte trieben mit Treu und Glauben ein schändliches Gewerbe. Wer reich war, gewann seine Sache, und der Arme verlor sie. Die Mißstände wurden von Tag zu Tag unerträglicher und erheischten dringend Abhilfe. Nicht nur der Stand der Richter, Advokaten und Anwälte war reformbedürftig, sondern auch die Gesetze. Sie mußten klarer gefaßt und vor allem von dem Formelkram befreit werden, der mit dem Kern der Sache nichts zu tun hatte und den Prozeß nur in die Länge zog. Mit dieser Arbeit beauftragte der König seinen Großkanzler Cocceji7-1, einen Mann von lauterem und geradem Charakter, der durch seine Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit der besten Zeiten der römischen Republik würdig war. Weise und aufgeklärt, ein neuer Tribonian, schien er für die Gesetzgebung und das Glück der Menschen geboren zu sein. Der kluge Rechtsgelehrte unternahm das schwierige und heikle Reformwerk mit solchem Eifer, daß die obersten Gerichtshöfe schon nach einem Jahre mühevoller Arbeit von allen Elementen, die sie ent<8>ehrten, gesäubert und mit rechtlichen Beamten besetzt waren. Das neue Gesetzbuch8-1, das gleiche Geltung für alle preußischen Provinzen hatte, wurde fertiggestellt und nach Annahme durch die Stände veröffentlicht. Man hatte aber auch die Zukunft bedacht. Da die Erfahrung lehrt, daß die besten Einrichtungen schlecht und unbrauchbar werden, wenn man sie aus den Augen verliert und ihre Hüter nicht immer von neuem auf die Prinzipien hinweist, auf denen sie beruhen, so bestimmte der König, daß alle drei Jahre eine allgemeine Visitation der obersten Gerichtshöfe stattfinden sollte. Ihr Zweck war, die Befolgung der neuen Gesetze zu sichern und pflichtvergessene Justizbeamte zu bestrafen8-2. Diese Reform der Rechtspflege förderte die öffentliche Wohlfahrt, denn nun war der Besitz jeder Familie durchaus gesichert, die Gesetze waren allein maßgebend, und jedermann konnte unter ihrem Schutze in Frieden leben.

Soviel Mühe sich auch der verstorbene König um die Ordnung der Staatsfinanzen gegeben hatte, er hatte doch nicht alles tun können. Ihm fehlten Zeit und Mittel zur Durchführung einer so großen Aufgabe, und so blieb noch ungeheuer viel zu verbessern. Ländereien mußten urbar gemacht, Manufakturen eingeführt, die Handelsbeziehungen erweitert und die Industrie aufgemuntert werden. Die ersten Regierungsjahre des Königs waren von Kriegen erfüllt. Er konnte sein Augenmerk nicht eher auf die inneren Zustände richten, als bis die äußere Ruhe gesichert war.

Längs des Oderlaufes von Swinemünde bis Küstrin dehnten sich öde Sümpfe, die vielleicht schon von alters her brachlagen. Nun wurde ein Plan zur Urbarmachung dieser Landstriche ausgearbeitet. Von Küstrin bis Wriezen wurde ein Kanal gegraben, der das Sumpfgebiet entwässerte, und zweitausend Familien wurden dort angesiedelt. Die Entsumpfung wurde von Schwedt bis über Stettin hinaus fortgesetzt. Auf dem gewonnenen Boden fanden zwölfhundert Familien ein angenehmes, einträgliches Dasein. So entstand eine neue kleine Provinz durch den Sieg des Fleißes über Unwissenheit und Trägheit. Die ziemlich bedeutenden Wollfabriken hatten Mangel an Spinnern. Der König ließ Arbeiter aus dem Auslande kommen und siedelte sie in Dörfern zu je zweihundert Familien an. Im Herzogtum Magdeburg war es von jeher Brauch, daß die Bewohner des Vogtlandes zur Ernte kamen und hernach in ihre Heimat zurückkehrten. Der König gab ihnen Wohnstätten im Lande selbst und siedelte dadurch viele in seinen Staaten an. Dank diesen verschiedenen Maßnahmen erhielt das Land während des Friedens einen Zuwachs von zweihundertachtzig neugegründeten Dörfern.

Über der Fürsorge für das Land wurden jedoch die Städte nicht vernachlässigt. Der König erbaute eine neue Stadt an der Swine, die von ihr den Namen erhielt, und legte dort zugleich einen Hafen an, indem er den Kanal vertiefen und das Becken aus<9>baggern ließ. Dadurch gewann die Stadt Stettin den Zoll, den sie früher bei der Durchfahrt in Wolgast an Schweden hatte zahlen müssen. Das trug viel zum Aufblühen des Handels und zur Anziehung der Fremden bei. In allen Städten entstanden neue Fabriken. Manufakturen für Samt und feine Stoffe fanden den angemessensten Platz in Berlin, die für leichten Samt und schlichte Stoffe in Potsdam. Splitgerber versorgte alle Provinzen mit Zucker aus seiner Siederei in Berlin. Die Stadt Brandenburg blühte durch eine Barchentfabrik auf. Russisches Leder wurde in Frankfurt an der Oder hergestellt, seidene Strümpfe und Taschentücher in Berlin, Magdeburg und Potsdam. Die Wegelische Fabrik vergrößerte sich um das Doppelte. Überall in den Provinzen wurde die Anpflanzung von Maulbeerbäumen gefördert. Die Geistlichen gingen den Züchtern mit gutem Beispiel voran und lehrten sie, das wertvolle, aus Indien stammende Insekt zu züchten, dessen Gespinst die Seide liefert. Wo es ausgedehnte Waldungen gab, deren Abholzung sich wegen zu großer Entfernung von den Flußläufen nicht lohnte, legte man Eisenhütten an, die binnen kurzem eiserne Kanonen, Kugeln und Bomben für die Festungen und den Heeresbedarf lieferten. Im Fürstentum Minden und in der Grafschaft Mark erschloß man neue Salzquellen und beutete sie aus. Die Salinen in Halle wurden verbessert durch Anlage von Gradierwerken, durch die man viel Holz sparte. Kurz, die Industrie wurde in der Hauptstadt wie in den Provinzen gefördert.

Der König brachte das Stapelrecht, das Sachsen der Stadt Magdeburg streitig gemacht hatte, zu neuer Geltung und stellte durch einige neue Grenzzölle das Gleichgewicht zwischen dem Handel der preußischen Provinzen und dem sächsischen so ziemlich her. Die Emdener Kompagnie knüpfte einen wichtigen Handelsverkehr mit China an. Durch Herabsetzung der Ausfuhrzölle in Stettin, Königsberg und Kolberg stiegen die Zolleinnahmen auf das Doppelte. Die Folge dieser verschiedenen Finanzoperationen war, daß im Jahre 1756 die Staatseinkünfte um 1 200 000 Taler gestiegen waren, ungerechnet die Einnahmen aus Schlesien und Ostfriesland9-1, und ohne daß der König seinem Volke einen Pfennig an neuen Steuern aufbürdete. Eine Volkszählung in allen Provinzen ergab, daß die Zahl der Einwohner auf 5 300 000 Seelen gestiegen war. Da es nun eine feststehende Tatsache ist, daß die Zahl der Bevölkerung den Reichtum der Staaten bildet, so konnte sich Preußen für doppelt so stark schätzen als in den letzten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms, des Vaters des Königs.

Aber die Finanzen und die Rechtspflege nahmen die Aufmerksamkeit des Königs nicht ausschließlich in Anspruch. Auch das Heer, das Werkzeug des Ruhmes und der Erhaltung der Staaten, wurde nicht vernachlässigt. Der König wachte selbst sorgfältig über die Wahrung der Mannszucht und des Gehorsams. In allen Provinzen wurden die Truppen Jahr für Jahr regelmäßig in Lagern versammelt, um in den<10> großen Evolutionen und Kriegsmanövern ausgebildet zu werden. Die Infanterie übte sich in den verschiedenen Arten des Aufmarsches, in Gefechtsformationen, im Angriff auf freiem Felde und gegen befestigte Stellungen, in der Verteidigung von Ortschaften und Verschanzungen, in Flußübergängen, in verdeckten Rückzugsabmärschen, in Rückzügen, kurz in allen Manövern, die vor dem Feind in Betracht kommen. Die Kavallerie übte sich in den verschiedenen Angriffsarten, geschlossen und mit Abständen, im Rekognoszieren, im Einholen von trockner und grüner Fourage, in verschiedenen Formationen, im Einhalten angegebener Richtungspunkte zum Aufmarsch in Linie. Bei einigen Regimentern, deren Kantons stark bevölkert waren, wurde die Zahl der Überkompletten auf 36 erhöht10-1. Die anderen hatten 24 pro Kompagnie. So vermehrten die Überkompletten die Armee ohne jede neue Aushebung im ganzen um zehntausend Mann. An der Spitze aller Bataillone und Kavallerieregimenter standen alte Kommandeure, erprobte, tapfere und verdiente Offiziere. Die Hauptleute waren reife, tüchtige, wackere Männer, die Subalternen auserlesen, viele begabt und einer höheren Stellung wert. Kurz, ein bewundernswerter Fleiß und Wetteifer beseelten die Armee. Bei den Generalen traf das nicht in gleichem Maße zu, obgleich sich unter ihnen sehr verdienstvolle Männer befanden. Die meisten besaßen zwar große Tapferkeit, waren aber zu nachlässig. Das Avancement erfolgte nach der Rangordnung, sodaß das Dienstalter und nicht die Begabung den Ausschlag gab. Das war ein alter Mißbrauch, der in den vorhergehenden Kriegen<11> nur deshalb keine bösen Folgen gehabt hatte, weil der König mit einer einzigen Armee operierte und daher nicht zu vielen Detachierungen genötigt war. Auch waren die österreichischen Truppen und Generale, mit denen man kämpfte, nur mittelmäßig und ließen die taktischen Regeln völlig außer acht. So war es für den König denn ein großer Gewinn, daß er aus Rußland den Marschall Keith11-1 in seine Dienste zog. Das war ein Mann von angenehmen Umgangsformen, sittenrein und tüchtig, erfahren in seinem Beruf und bei feinster Lebensart von heroischer Tapferkeit in der Schlacht.

Das Artilleriekorps wurde verstärkt. Der König brachte es auf drei Bataillone. Das letzte wurde für die Garnisonen bestimmt. Das Korps war gut einexerziert und in vortrefflichem Zustand, aber nicht stark genug bei dem riesigen Aufwand an Artillerie und Feuerschlünden, der bald in den Armeen Mode wurde. Dazu hätte es der doppelten Anzahl bedurft. Da aber die massenhafte Verwendung von Artillerie in den bisherigen Kriegen nicht gebräuchlich war und die zwei Bataillone allen Ansprüchen genügt hatten, so dachte man gar nicht an ihre Vermehrung.

Während des Friedens wurde Schweidnitz befestigt, und die Festungswerke in Neiße, Kosel, Glatz und Glogau wurden ausgebaut. Schweidnitz wurde zum Depot für die Armee bestimmt, für den Fall, daß der Krieg sich über die Grenze nach Böhmen hinüberspielen sollte. Da die Österreicher sich im letzten Kriege wenig gewandt im Angriff und der Verteidigung fester Plätze gezeigt hatten, so begnügte man sich mit ganz leichter Befestigung. Das war indes ein Rechenfehler; denn Festungen soll man nicht für eine gewisse Zeit, sondern für die Dauer anlegen. Und wer bürgte denn auch dafür, daß die Kaiserin-Königin nicht irgendeinen geschickten Ingenieur in ihre Dienste zog, der der österreichischen Armee die ihr fehlende Kunst lehrte, ja sie zum Allgemeingut machte? Später sollte man Grund genug haben, die begangenen Fehler zu bereuen und künftig genauer zu überlegen.

Dagegen sah man voraus, daß es zum Kriegführen noch nicht genügt, wenn eine Armee in gutem Zustand und gut unterhalten ist, sondern daß man auch große Reservevorräte zu ihrer Bewaffnung und Bekleidung, sozusagen zu ihrer Wiederherstellung braucht. Aus dem Grunde wurde aller mögliche Kriegsbedarf, Sättel, Steigbügel, Zaumzeuge, Stiefel, Patronentaschen, Degengehänge usw. aufgespeichert. Im Berliner Zeughause lagerten 50 000 Flinten, 20 000 Säbel, 12 000 Degen, ebenso viele Pistolen, Karabiner und Wehrgehenke, kurz, Ausrüstungsgegenstände aller Art, die fortwährender Erneuerung bedürfen, und zu deren rascher Lieferung die Zeit nicht immer ausreicht. Ferner hatte man zahlreiches Belagerungsgeschütz gießen lassen, insgesamt 80 Kanonen und 20 Mörser, die in der Festung Neiße lagen. Die hergestellten Pulvervorräte beliefen sich auf 56 000 Zentner, die auf die verschiedenen festen Plätze des Königreiches verteilt waren. Die Vorratsmagazine enthielten 36 000 Wispel<12> Mehl und 12 000 Wispel Hafer. Dank diesen im voraus getroffenen Maßnahmen war alles bereit für den Krieg, den man vorhersah und der auch nicht mehr fern schien.

Im Jahre 1755 vermehrte der König sogar die Garnisonregimenter. Die schlesischen wurden um 8, die ostpreußischen um 4, die kurmärkischen um 2 Bataillone verstärkt, zusammen 14 Bataillone12-1. In einem armen Lande findet der Herrscher keine Hilfsquellen im Geldbeutel seiner Untertanen, und so ist es seine Pflicht, durch Klugheit und gute Wirtschaft die Mittel für notwendige, außerordentliche Ausgaben zu beschaffen. Speichern doch auch die Ameisen im Sommer auf, was sie im Winter brauchen! So soll auch ein Fürst im Frieden das Geld sparen, das er im Kriege ausgeben muß. Dieser leider so wichtige Punkt wurde nicht außer acht gelassen, und so war denn Preußen imstande, einige Feldzüge aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Kurz, es war bereit, beim ersten Zeichen auf dem Kampfplatz zu erscheinen und sich mit seinen Feinden zu messen. Im folgenden wird sich zeigen, wie nützlich diese Vorsicht war, und wie notwendig es für den König von Preußen bei der eigenartigen Lage seiner Provinzen ist, gerüstet und auf alle Ereignisse gefaßt zu sein, will er nicht zum Spielball seiner Nachbarn und Feinde werden. Ja, man hätte noch mehr tun sollen, wenn es die Mittel des Staates erlaubt hätten. Denn in der Kaiserin-Königin hatte der König eine ehrgeizige und rachsüchtige Feindin, und was die Gefahr erhöhte, sie war eine Frau, starrköpfig und unversöhnlich. Schmiedete die Kaiserin-Königin doch in der Stille ihres Kabinetts schon damals die großen Pläne, die sie in der Folgezeit zur Ausführung brachte.

Der stolzen, vom Ehrgeiz verzehrten Frau war jeder Weg recht, der zum Ruhme führte. Sie schuf in ihren Finanzen eine ihren Vorfahren unbekannte Ordnung und brachte durch gute Wirtschaft nicht nur wieder ein, was sie durch die Abtretung mehrerer Provinzen an die Könige von Preußen und von Sardinien verloren hatte12-2, sondern vermehrte ihre Einkünfte auch noch um ein beträchtliches. Mit der Leitung ihrer Finanzen betraute sie den Grafen Haugwitz12-3. Unter seiner Verwaltung stiegen die Einkünfte der Kaiserin auf 36 Millionen Gulden, gleich 24 Millionen Talern. Ihr Vater, Kaiser Karl VI., der noch das Königreich Neapel, Serbien und Schlesien besaß, hatte trotzdem nicht soviel gehabt. Ihr kaiserlicher Gemahl, der sich nicht in die Regierungsgeschäfte zu mischen wagte, wurde Geschäftsmann. Er sparte alle Jahre große Summen aus seinen toskanischen Einkünften und legte sie nutzbringend im Handel an. Er errichtete Fabriken, lieh auf Pfand, ja, er übernahm die Lieferung der Uniformen, Waffen, Pferde und der Ordonnanzkleider für die gesamte kaiserliche Armee. In Gemeinschaft mit einem Grafen Bolza und einem Kaufmann namens Schimmelmann hatte er die sächsischen Zölle gepachtet. Im Jahre 1756 lieferte er sogar die Fourage und das Mehl für die preußische Armee, ob<13>wohl der König von Preußen mit der Kaiserin, seiner eigenen Gemahlin, im Kriege lag. Während des Krieges schoß der Kaiser ihr bedeutende Summen auf sicheres Unterpfand vor. Mit einem Wort: er war der Bankier des Hofes, und da er nun einmal König von Jerusalem war13-1, so schloß er sich den uralten Gebräuchen des jüdischen Volkes an.

Die Kaiserin hatte in den vorhergehenden Kriegen die Notwendigkeit einer besseren Disziplinierung ihrer Armee erkannt. Sie machte tatkräftige Männer zu Generalen, die imstande waren, Mannszucht in die Truppen zu bringen. Sie pensionierte alte Offiziere, die ihrer Stellung nicht mehr gewachsen waren, und ersetzte sie durch jüngere Leute von Rang, die Eifer und Liebe zum Kriegshandwerk zeigten. Jahr für Jahr wurden die Truppen in den Provinzen in Feldlagern versammelt und von kommissarischen Inspekteuren geschult, die mit den großen Kriegsmanövern vertraut und dafür ausgebildet waren. Die Kaiserin selbst begab sich zu wiederholten Malen in die Lager von Prag und von Olmütz, um die Truppen durch ihre Gegenwart und durch Belohnungen anzufeuern. Besser als irgendein Fürst verstand sie sich auf schmeichelhafte Auszeichnungen, auf die jeder im Staatsdienst Stehende so großen Wert legt. Sie belohnte die von ihren Generalen empfohlenen Offiziere und verstand überall den Wetteifer, die Talente und den Wunsch, ihr zu gefallen, wachzurufen. Zugleich wurde eine Artillerieschule unter der Leitung des Fürsten von Liechtenstein gegründet. Er brachte das Korps auf 6 Bataillone und führte in der Verwendung der Kanonen jenen unerhörten Mißbrauch ein, der heute üblich ist. In seinem Diensteifer für die Kaiserin gab er über 100 000 Taler aus eigenen Mitteln dazu. Um schließlich nichts zu verabsäumen, was mit dem Heerwesen zusammenhing, gründete die Kaiserin in der Nähe von Wien eine Anstalt, wo die adlige Jugend in allen Kriegswissenschaften unterrichtet wurde13-2. Sie zog geschickte Lehrer der Geometrie, der Befestigungskunst, der Geographie und Geschichte zur Ausbildung fähiger Leute heran, sodaß hier eine Pflanzschule von Offizieren für ihre Armee entstand. Durch ihre Fürsorge erlangte das Militär in Österreich einen Grad der Vollkommenheit, wie es ihn unter den Kaisern aus dem Hause Österreich nie besessen hat. So führte eine Frau Vorsätze durch, die eines großen Mannes würdig waren.

Die Kaiserin, die auf alle Zweige der Staatsverwaltung ein wachsames Auge hatte, war mit der Leitung der auswärtigen Politik unzufrieden und übertrug sie am Ende des Jahres 1753 dem Grafen Kaunitz13-3. Sie machte ihn zum Premierminister, um alle Fäden der Regierung in einer Hand zu vereinigen. Wir werden noch Gelegenheit haben, diesen Mann, der eine so große Rolle gespielt hat, eingehender zu schildern. Er ging auf alle Stimmungen seiner Gebieterin ein, verstand es, ihren Leidenschaften zu schmeicheln und sich das volle Vertrauen der Kaiserin zu gewinnen.<14> Seit dem Tage, wo er das Ministerium übernahm, arbeitete er an dem Abschluß von Bündnissen und an der Isolierung des Königs von Preußen, um die Verwirklichung des Planes anzubahnen, der der Kaiserin am Herzen lag: nämlich Schlesien zurückzuerobern und den König von Preußen zu demütigen. Da aber hiervon eigentlich das zweite Kapitel handeln soll, so wollen wir vorläufig noch nichts darüber sagen.

Derart rüsteten Preußen und Österreich während des Friedens zum Kriege, wie zwei Fechter, die ihre Waffen schärfen und vor Ungeduld brennen, sie zu kreuzen.

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2. Kapitel

Kriegerische und politische Ereignisse von 1746 bis 1756.

Mit dem Dresdener Frieden ging es wie mit den meisten politischen Verträgen. Er tat zwar den Feindseligkeiten Einhalt, ließ aber die Keime der Zwietracht zwischen Österreich und Preußen bestehen. So sehr sich der Wiener Hof auch verstellte, der Verlust Schlesiens hatte ihn zu tief getroffen. Mochte er sich auch alle Mühe geben, Haß und Erbitterung zu verbergen, er lieferte doch deutliche Beweise von beidem. So war also der Krieg zwischen beiden Mächten eigentlich nicht beendet, sondern hatte nur die Form gewechselt. Statt daß sich die Heere im Felde schlugen, setzten die Österreicher die Feindseligkeiten im Schoße ihres Kabinetts fort. Intrigen und Listen, Lug und Trug, das waren ihre Waffen, um Preußen mit allen europäischen Höfen zu entzweien und ihm Feinde zu schaffen — womöglich bis ans Ende der Welt. Für diese Machenschaften werden wir genügende Beweise erbringen. Der Ordnung und Klarheit halber wollen wir aber die wichtigsten Ereignisse an den verschiedenen europäischen Höfen der Reihe nach durchgehen.

Da der Krieg zwischen dem Wiener Hof und England einerseits, zwischen Frankreich und Spanien andrerseits nach dem Frieden zu Dresden unentwegt fortdauerte, so müssen wir eine kurze Darstellung der Kriegsereignisse geben, um nichts zu übergehen, was zum Verständnis unserer Geschichte beitragen könnte.

Die Heere der Kaiserin und der Verbündeten15-1 hatten in Flandern, wo der Marschall von Sachsen befehligte, kein Glück. Am Ende des Jahres gewann der Marschall die Schlacht von Rocoux (11. Oktober 1746). Die Schuld an ihrem Verlust gab man teils dem Fürsten von Waldeck15-2 und seiner schlechten Stellung, teils den Österreichern, die die Holländer nicht unterstützt hatten. Als Prinz Karl von Lothringen die Niederlage der Holländer sah, beauftragte er den Prinzen Ludwig von Braunschweig mit der Deckung ihres Rückzuges. Prinz Ludwig führte seinen Auf<16>trag so gut aus, daß die Verbündeten Maastricht erreichten, ohne daß ihnen die nachsetzenden Franzosen etwas anhaben konnten.

Den Feldzug des nächsten Jahres eröffnete der Marschall von Sachsen mit der Einnahme der meisten festen Plätze im holländischen Flandern. Ludwig XV. begab sich persönlich zur Armee, aber die Anwesenheit des Königs und seiner Minister war nur eine Erschwerung für den Marschall von Sachsen und fiel dem Heere sehr zur Last. Die Höflinge brachten ihre Intrigen auch ins Feldlager mit und arbeiteten überall dem General entgegen. Außerdem erforderte die große Hofhaltung täglich 10 000 Rationen für die Pferde. Aber trotz des Versailler Hofes behielt der Marschall von Sachsen in diesem Feldzug die Oberhand über die Feinde Frankreichs. Ursprünglich hatte er Maastricht belagern wollen. Um den Feind über seine Absicht zu täuschen, machte er eine Scheinbewegung gegen Bergen op Zoom. Der Herzog von Cumberland16-1 durchschaute die List und rückte in Eilmärschen auf Maastricht. Als der Marschall von Sachsen sah, daß der Feind ihm zuvorgekommen war, verließ er schleunigst sein Lager bei Mecheln und rückte auf die Höhen von Herberen jenseits St.-Trond. Die Verbündeten, die schon am Tage vorher bei der Komturei Jonc eingetroffen waren, hatten die Besetzung jenes wichtigen Höhenzuges versäumt. Unentschlossen in der Wahl des Schlachtfeldes und schwankend in ihren Entschlüssen, setzten sie Dörfer in Brand und löschten sie wieder, legten Truppen hinein und zogen sie wieder heraus. Ja, nachdem sie das Dorf Laveld noch am Morgen der Schlacht angezündet hatten, löschten sie das Feuer wieder und besetzten das Dorf, obgleich es 2 000 Schritt vor ihrer Front lag.

Bei Laveld begann die Schlacht (2. Juli 1747). Der Marschall von Sachsen, dem die planlosen Bewegungen der Verbündeten nicht entgangen waren, hielt das Dorf für unbesetzt und wollte sich seiner bemächtigen, fand es aber im Besitz des Feindes. Sofort begann er den Angriff. Nach wiederholtem Anstürmen und nach Aufopferung vieler Leute blieben die Franzosen schließlich Sieger. Die Einnahme von Laveld entschied den Kampf. Die Verbündeten zogen sich auf Maastricht zurück, ohne daß der Marschall von Sachsen sie verfolgt hätte. Denn Clermont-Tonnerre unterließ es trotz wiederholter Befehle, den Feind mit seiner Kavallerie anzugreifen: ein Ungehorsam gegen den Oberfeldherrn, für den er den Marschallsstab erhielt. So brachte der Sieg Ludwig XV. eigentlich nur den fruchtlosen Vorteil, auf dem Schlachtfelde kampieren zu können, und der Herzog von Cumberland rettete trotz seiner Niederlage Maastricht vor einer Belagerung.

Um jedoch nicht den ganzen Feldzug unnütz verstreichen zu lassen, wandte sich der Marschall von Sachsen gegen Bergen op Zoom und betraute Löwendahl mit dieser schwierigen Unternehmung. Coehoorns16-2 ausgezeichnete Festungswerke und die mit<17> bewundernswerter Kunst angelegten Minen waren fast die einzigen Verteidigungsmittel des Platzes. Der Gouverneur, Cronström, war neunzig Jahre alt und sein Geist ebenso gebrechlich wie sein Körper. Die Besatzung war nicht gerade hervorragend und die Offiziere ohne jede Erfahrung. Sie wußten nicht einmal, ob sie zur Verteidigung die Minen oder die Unterwassersetzung vorziehen sollten. Sie teilten also das Schicksal von Buridans Esel, der zwischen zwei Scheffeln Hafer gestorben sein soll, weil er sich zu keiner Wahl entschließen konnte17-1. Die Franzosen schritten zum Sturm und eroberten den Platz fast ohne Widerstand (16. September 1747). Der Gouverneur hatte kaum Zeit, sich in Nachtmütze und Schlafrock zu retten. Mit dieser Heldentat endeten für das Jahr 1747 die Erfolge der Franzosen in Flandern.

In Italien und in der Provence hatten die Kaiserlichen mehr Glück. Allerdings vereitelte eine Revolution in Genua den Zug des Grafen Browne17-2 gegen Toulon. Sie war ein Werk des Zufalls. Die Österreicher hatten einige Bürger mißhandelt, die Geschütze nach Antibes verschifften. Das Volk rottete sich zusammen, ergriff die Partei der Mißhandelten und verjagte in seiner ersten Wut den Marchese Botta und die ganze österreichische Besatzung aus Genua. Infolge dieses Racheaktes gingen dem Heere in der Provence die Lebensmittel und die Munition aus, und Browne mußte sich von dort zurückziehen. Auf dem Rückmarsch belagerte er Genua, das sich aber behauptete. Frankreich sandte Hilfstruppen unter Bouflers und später unter dem Herzog von Richelieu, die beide durch geeignete Maßnahmen alle Anstrengungen der Österreicher vereitelten. Nach Brownes Rückzug wollten die unter Belle-Isle17-3 vereinigten französischen und spanischen Truppen sich wieder nach Italien Bahn brechen. Die Franzosen erschienen zuerst am Col d'Assiette. Belle-Isle fand ihn nur schwach verteidigt und glaubte, den Durchmarsch erzwingen zu können. Er ließ die Spanier zum gemeinsamen Angriff auffordern. Sie brauchten aber drei Tage, bis sie herangerückt waren. Dadurch gewann der König von Sardinien17-4 Zeit zur stärkeren Besetzung des für ihn so wichtigen Passes. Unterdessen kamen die Spanier heran. Obgleich die Verhältnisse nun nicht mehr die gleichen waren, wollte Belle-Isle doch sein Vorhaben nicht aufgeben. Er griff die Sardinier mit großer Energie an und bot alles auf, was Mut und Kühnheit vermag, wurde aber getötet, als er eigenhändig eine Palisade der feindlichen Verschanzungen niederriß. Da er die Hindernisse nicht zu überwinden vermochte, die ihm Natur und Kunst entgegenstellten, so trugen seine Anstrengungen nur zur Vermehrung der Verluste bei. Die Franzosen und Spanier wurden überall geworfen, und ganz Frankreich betrauerte den Verlust so vieler Offiziere aus den vornehmsten Häusern. Die Öffentlichkeit, die so oft ungerecht und vorurteilsvoll ist und in diesem Falle augenscheinlich mangelhaft unter<18>richtet war, verurteilte das Unternehmen als tollkühn. Und doch war es nur kühn und wäre auch gelungen, hätte Belle-Isle seinen Plan sofort ausführen können. Nur die Langsamkeit der Spanier brachte ihn um die Lorbeeren, nach denen er schon die Hand ausstreckte.

Indessen entschädigten sich die Franzosen in Flandern für ihre Mißerfolge jenseits der Alpen. Der Siegergeist des Marschalls von Sachsen bezwang alle Feinde Frankreichs. Der Marschall eröffnete den Feldzug (1748) mit dem Aufbruch in mehreren Kolonnen, deren eine Luxemburg, die zweite Herzogenbusch, die dritte Venlo bedrohte. Sie vereinigten sich bei Maastricht, schlossen es ein und fingen an, es zu belagern.

So glänzend auch die Erfolge des Marschalls von Sachsen waren, so begannen selbst seine Triumphe Frankreich beschwerlich zu fallen. Lag man doch schon das achte Jahr im Felde, und die Fortsetzung des anfangs unglücklichen Krieges erschöpfte die Nation. Alle kriegführenden Mächte begannen des Kampfes müde zu werden, der nach so manchem Wechsel seiner Ursachen schließlich grundlos geworden war. Die Erbitterung war verraucht. Man dachte ernstlich an Frieden und fing an zu unterhandeln. Jedes Land fühlte seine geheimen Wunden und bedurfte zu ihrer Heilung der Ruhe. Die Engländer fürchteten das Anwachsen ihrer Staatsschuld, dieses Meisterwerkes eines imaginären Kredits, dessen Mißbrauch einen allgemeinen Bankrott nach sich zieht. Der kaiserliche Hof, durch englische Subsidien unterstützt, hätte den Krieg allerdings so lange fortgesetzt, wie ihm seine Verbündeten die Mittel dazu gestellt hätten. Dennoch war er auch zum Frieden geneigt. Er wollte seine Kräfte für ein Vorhaben aufsparen, das ihm mehr als der flandrische Krieg am Herzen lag. Frankreich litt unter seinen großen Ausgaben und mußte obendrein in den südlichen Provinzen, deren Häfen durch die englische Flotte blockiert wurden, eine Hungersnot befürchten. Zu diesen politischen Gründen, die das Versailler Ministerium offen anführte, traten als ausschlaggebend einige geheime Motive. Seit kurzem18-1 war Frau von Pompadour die Mätresse des Königs. Sie fürchtete, bei der Fortdauer des Krieges könne Ludwig XV. sich alljährlich an die Spitze seiner Truppen stellen. Zeiten der Abwesenheit aber sind gefährlich für Günstlinge und Mätressen. Sie erkannte, daß sie das Herz ihres Liebhabers nur zu fesseln vermochte, wenn sie jeden Vorwand zu einer Trennung beseitigte, mit einem Worte, daß Friede geschlossen werden mußte. Daran arbeitete sie nun mit aller Macht. Als Saint-Séverin, der französische Bevollmächtigte, von Versailles nach Aachen abreiste, sagte sie zu ihm: „Vergessen Sie nicht: Sie dürfen keinesfalls ohne den Frieden zurückkommen. Der König will ihn um jeden Preis!“

Der Friedenskongreß trat in Aachen zusammen. Maastricht ergab sich18-2, und der Friede18-3 wurde verkündet. Frankreich gab alle seine Eroberungen in Flandern und<19> Brabant an Österreich heraus. Dafür trat die Kaiserin dem Infanten Don Philipp Parma und Piacenza ab, die indessen später an Österreich zurückfallen sollten; denn es wurde bestimmt, daß Don Philipp, sobald der Infant Don Carlos den spanischen Thron bestiege, sein Nachfolger in Neapel würde19-1. Merkwürdigerweise wurde der Artikel in dieser Form festgesetzt, ohne daß die Könige von Spanien und Neapel, ja sogar Don Philipp das geringste davon erfuhren oder gar ihre Zustimmung erteilten. Sie beschwerten sich denn auch und protestierten gegen alle in Aachen getroffenen Bestimmungen, die die Unabhängigkeit ihrer Kronen verletzten. Frankreichs und Englands Interessen wurden im 9. Artikel geregelt. England verpflichtete sich, Kap Breton an Frankreich zurückzugeben, und beide Mächte garantierten sich ihren beiderseitigen Besitzstand in Amerika nach dem Wortlaut des Utrechter Vertrages. Jedoch kamen sie überein, Kommissare zur Beilegung einiger Grenzstreitigkeiten in Kanada zu entsenden. Im Artikel 22 endlich wurde der Besitz Schlesiens dem König von Preußen von allen Mächten garantiert.

Sieht man sich diesen Frieden mit einiger Aufmerksamkeit an, so erscheint er deutlich als das Werk eines plötzlichen, hastig verwirklichten Einfalles. Um sich aus einer<20> augenblicklichen Notlage zu befreien, opferten die Mächte ihre zukünftigen Interessen. Einerseits löschte man zwar den europäischen Brand, andrerseits aber häufte man reichlichen Zündstoff auf, der bei der ersten Gelegenheit Feuer fangen mußte. Es brauchte nur der König von Spanien zu sterben, so brachen neue Unruhen aus. Auch die noch unerledigte Grenzregulierung in Kanada mußte Frankreich und England eines Tages notwendigerweise in Händel verwickeln. Öfters genügt ein weiteres Kriegsjahr oder einige Festigkeit bei den Verhandlungen, um die Streitigkeiten der Fürsten für lange zu schlichten, aber gewöhnlich zieht man halbe Maßregeln einer gründlichen Abhilfe vor und schließt einen voreiligen Waffenstillstand anstatt eines dauerhaften Friedens.

Der Wiener Hof hatte durch den Erbfolgekrieg die schlesischen Herzogtümer, Parma und Piacenza verloren. Nur mit Ungeduld ertrug er die Verminderung seiner Macht und schob die Hauptschuld den Engländern zu, mit der nicht völlig grundlosen Beschuldigung, sie hätten die Interessen ihrer Verbündeten den eigenen geopfert. Die Folge davon war, daß man in Wien des englischen Bündnisses überdrüssig wurde und geneigt war, seine Fühler nach Versailles auszustrecken. Man wollte versuchen, Frankreich und Preußen zu trennen, und gleichzeitig zusehen, ob sich nicht ein Mittel finden ließ, die französischen und österreichischen Interessen zu vereinigen. Graf Kaunitz, der eigentliche Urheber des Planes, war als Bevollmächtigter der Kaiserin-Königin in Aachen. Er zögerte nicht, Saint-Séverin gegenüber den ersten Schritt zu tun. Er gab ihm zu verstehen, daß bei einer Aussprache zwischen Frankreich und Österreich beide Höfe zu vorteilhaften Abmachungen gelangen könnten. Flandern und Brabant sollten im Besitz der Allerchristlichsten Majestät bleiben, falls Frankreich den König von Preußen zur Rückgabe Schlesiens an die Kaiserin-Königin nötigte. Der Köder war verlockend und hätte den Hof von Versailles wohl reizen können, hätte sich Ludwig XV., der des Krieges überdrüssig war, nicht gescheut, zur Ausführung des Planes einen neuen Krieg anzufangen. So lehnte Saint-Séverin dann das Anerbieten ab, so vorteilhaft es auch war.

Aber Graf Kaunitz ließ es nicht dabei bewenden. Der in seinen Neigungen so oberflächliche, in den Staatsgeschäften aber so gründliche Mann ging als Botschafter nach Paris20-1. Dort arbeitete er mit zähem Fleiß und unendlichem Geschick an der Beschwichtigung des unversöhnlichen Hasses, der seit Franz I. und Karl V. zwischen den Häusern Bourbon und Habsburg bestand. Immer aufs neue wiederholte er den Ministern, daß die Vergrößerung Preußens ihr Werk sei, daß sie dafür aber nur mit Undank belohnt würden und keinen Nutzen von einem Verbündeten haben könnten, der nur seinen eigenen Vorteil im Auge hätte. Ein andermal ließ er sich, scheinbar aus tiefster Überzeugung, die Worte entfahren: „Es ist Zeit, meine Herren, sich von der Vormundschaft des Königs von Preußen, des Königs von Sardinien und all<21> der kleinen Fürsten freizumachen. Deren Politik geht ja doch nur darauf aus, Zwietracht zwischen den Großmächten zu säen, um auf die Weise Gelegenheit zur eigenen Vergrößerung zu finden. Eigentlich führen wir doch bloß für sie Krieg. Wir brauchen uns nur zu verständigen und uns gegenseitig zu einigen Abmachungen zu verpflichten. Dann wäre jeder Anlaß zum Streit zwischen den europäischen Großmächten beseitigt und der Grund zu einem festen und dauerhaften Frieden gelegt.“ Seltsam klangen diese Vorschläge anfangs in den Ohren eines Volkes, das durch eine lange Reihe von Kriegen gewöhnt war, gerade das österreichische Kaiserhaus als Erbfeind zu betrachten. Schließlich aber schmeichelte dem französischen Ministerium der Gedanke, daß die Großmächte Europa Gesetze vorschreiben sollten. Auch die Aussicht auf dauernden Frieden war verlockend. Doch ließ man sich durch andere Erwägungen noch zurückhalten.

Graf Kaunitz verlor indes den Mut nicht. Immer wieder kam er auf die Sache zurück, und durch die beständige Wiederholung der gleichen Vorschläge befreundete sich der französische Hof mit seinen Ideen und ließ sich unmerklich überreden. Ein Bündnis zwischen den beiden Großmächten erschien den Franzosen nicht mehr so unmöglich, wie ihre Vorfahren gewähnt hatten. Der Keim brauchte nur Zeit zur Entwicklung. Die Ansicht des Grafen Kaunitz fand allmählich Anhänger, und das rief eine leichte Abkühlung zwischen den Höfen von Versailles und Berlin hervor. Dies zeigte sich besonders bei der Sendung Lord Tyrconnels nach Berlin (1750). Die vom Grafen Kaunitz so oft betonte Idee der Bevormundung war dem Gesandten zu Kopfe gestiegen: immerfort redete er in auffälliger Weise von der Unabhängigkeit der Großmächte. Eines Tages tat er sogar einige recht unkluge Äußerungen im folgenden Sinne: „Will der König von Preußen uns Winkelzüge machen, so lassen wir ihn fallen, und er ist zerschmettert.“ Äußerlich wahrten die Franzosen dem König gegenüber zwar alle Formen wohlwollender Freundschaft, aber dem Versailler Hof erschien ein Bündnis mit der Kaiserin-Königin schon nicht mehr ausgeschlossen, und die Feindschaft war jedenfalls vorüber. Dabei blieben die Dinge zunächst stehen, bis die Schikanen der Engländer Ludwig XV. abermals zum Kriege nötigten.

Als der Wiener Hof in Versailles nicht so leicht vorwärts kam, wie er es sich ausgemalt hatte, wandte er sich in seinem steten Bemühen, seine Position zu stärken, nach Petersburg und setzte dort alle Hebel in Bewegung, um seine Verbindung mit Rußland enger zu gestalten und die Kaiserin Elisabeth mit dem König von Preußen zu entzweien. Ein russischer Minister konnte sich darauf verlassen, daß er von den Österreichern für seinen Haß gegen Preußen bezahlt wurde, und zwar desto höher, je grimmiger der Haß war. Die leitenden Staatsmänner hatten darum kein anderes Bestreben, als Zerwürfnisse zwischen Petersburg und Berlin zu stiften. Eine an sich ganz belanglose Sache gab ihnen den Vorwand dazu. Um im Norden ein Gleichgewicht herzustellen, hatten Frankreich, Preußen und Schweden einen Dreibund geschlossen (1747/48). Nun stellte sich Graf Bestushew, als schöpfe er Verdacht. Er flößte der<22> Kaiserin Sorge ein und brachte es schließlich dahin, daß die Russen plötzlich bedeutende Feldlager in Finnland an der schwedischen Grenze bezogen, ebenso in Livland an der preußischen Grenze. Diese Demonstrationen erneuerten sich alljährlich. Unter so kritischen Umständen brach zwischen Rußland und Schweden ein Streit um die Grenzen von Finnland aus, die im Vertrag von Åbo (1743) nicht genau festgelegt waren22-1. Der ärgerliche Vorwand gab Rußland freie Hand, den Krieg vom Zaune zu brechen, sobald es ihm gut dünkte. Der Wiener Hof schürte den Zwist, um den König von Preußen zu beunruhigen und zu irgend einem falschen Schritte zu verleiten, der ihn mit Rußland überwarf. Indes begnügte sich die Kaiserin-Königin damit, die Erbitterung der beiden Höfe zu steigern, ohne den Bruch zu beschleunigen.

Der König befand sich in einer heiklen und bedenklichen Lage, die leicht gefährlich werden konnte. Glücklicherweise erfuhr er durch Bestechung zweier Personen die geheimsten Pläne seiner Feinde. Der eine war Weingarten, Sekretär des Grafen de La Puebla, des österreichischen Gesandten in Berlin, der andere22-2 ein Kanzlist des sächsischen Kabinettsministeriums. Der Sekretär lieferte Abschriften von sämtlichen Nachrichten, die der Gesandte aus Petersburg, Wien und London empfing, und der Kanzlist sandte aus Dresden Kopien der zwischen Rußland und Sachsen geschlossenen Verträge, des Briefwechsels zwischen Graf Brühl und Graf Bestushew und der Gesandtschaftsberichte des Grafen Flemming aus Wien. Graf Brühl fühlte sich durch den Dresdener Frieden gedemütigt. Er war auf Preußens Macht eifersüchtig und bemühte sich Hand in Hand mit dem Wiener Hofe, den Haß und den Neid, der ihn selbst verzehrte, auf den Petersburger Hof zu übertragen. Brühl sann auf nichts als auf Krieg. Er wiegte sich in der Hoffnung, die ersten europäischen Wirren benutzen zu können, um einen für Sachsen so gefährlichen Nachbar zu demütigen. Er sah zwar ein, daß die Sachsen in einem Kriege nicht geschont werden könnten, ja daß Preußen sich zuerst gegen sie wenden würde. Trotzdem ließ er das sächsische Heerwesen ganz verfallen. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob sein Benehmen sehr konsequent war, aber er hätte wissen sollen, daß jeder Staat sich verrechnet, der sich, statt auf seine eigenen Kräfte, auf die seiner Bundesgenossen verläßt. Der König erfuhr also durch die zwei oben erwähnten Leute alles. Ja, ihre häufigen Nachrichten dienten ihm gleichsam als Kompaß bei der Fahrt durch die Klippen, die er vermeiden mußte, und bewahrten ihn davor, bloße Demonstrationen für den festen Vorsatz zur sofortigen Kriegserklärung zu halten.

Inzwischen nahm der Einfluß des Wiener Hofes in Rußland von Tag zu Tag zu. Das mußte ja so kommen, da der Geist des Ministers im voraus bearbeitet war und alle Einflüsterungen gegen Preußen willig aufnahm. Graf Bestushew hatte den preußischen Gesandten Mardefeld im Verdacht gehabt, im Einverständnis mit La Chétardie ihn selbst stürzen zu wollen22-3. Ein zweiter Grund vermehrte seinen Haß noch.<23> Als der König im Herbste des Jahres 1745 in Sachsen einrückte, gab er Mardefeld vor der Schlacht von Kesselsdorf den Auftrag, Bestushew 40 000 Taler zu bieten, wenn Rußland sich nicht in den Krieg mischte. Aber nach dem Frieden zu Dresden unterließ Mardefeld aus verkehrter Sparsamkeit oder aus persönlicher Feindschaft die Auszahlung der Summe. Fortan übertrug der Großkanzler seinen Haß von Mardefeld auf alles Preußische. Um sich für seine persönliche Kränkung zu rächen, bewog Bestushew die Kaiserin zu einem Bündnis mit den Höfen von Wien und London23-1. Der Vertrag war für Rußland in doppelter Hinsicht vorteilhaft, erstens, weil Rußland nun im Verein mit Österreich den Unternehmungen der Pforte entgegentreten konnte, und zweitens wegen der englischen Subsidien, die von nun an nach Petersburg strömten. Bei dieser Lage der Dinge fiel der Kaiserin-Königin nicht schwer, den Abbruch aller Beziehungen zwischen Preußen und Rußland herbeizuführen. Weder die Vorsicht, die der König in seiner mißlichen Lage übte, noch sein stets gemessenes Benehmen gegenüber dem Petersburger Hofe konnten den Bruch verhindern.

Ein Mann von niedriger Herkunft namens Groß, mit der Würde eines russischen Gesandten bekleidet, war Bestushews Werkzeug zur Entzweiung der beiden Höfe. Groß hatte den Auftrag, die erste Gelegenheit zum Bruch zu ergreifen. Er benutzte den ersten sich bietenden Vorwand, um die Wünsche seines Hofes zu erfüllen. Der König gab anläßlich der Vermählung des Prinzen Heinrich mit der Prinzessin von Hessen ein Fest in Charlottenburg23-2. Dabei waren auch die fremden Gesandten zugegen. Der Hoffourier hatte Befehl, sie alle zur Abendtafel einzuladen. Er führte seinen Auftrag aus, konnte aber Groß nicht auffinden, da er absichtlich eine halbe Stunde vor den anderen weggefahren war. Am folgenden Tage erklärte der Gesandte, nach dem Schimpf, der der Kaiserin in seiner Person angetan sei, könne er nicht mehr bei Hofe erscheinen und warte nur auf die Rückkehr eines Kuriers aus Petersburg, der ihm weitere Verhaltungsbefehle bringen würde. Der Kurier kam an, und Groß reiste sofort heimlich aus Berlin ab, wobei ihm auf dem Wege durch die Stadt die österreichischen und englischen Legationssekretäre das Geleit gaben. Nun blieb dem König nichts übrig, als den Grafen Finck23-3, Mardefelds Nachfolger in Petersburg, gleichfalls abzuberufen.

Kaum wußten sich die Österreicher in Rußland der lästigen Aufsicht des preußischen Gesandten ledig, so ließen sie ihren feindseligen Gesinnungen freien Lauf. Sie schämten sich nicht der schändlichsten Lügen und Verleumdungen, um die Kaiserin Elisabeth gegen den König zu erbittern. Sie redeten ihr ein, der König habe eine Verschwörung gegen ihr Leben angezettelt, um den Prinzen Iwan23-4 auf den Thron<24> zu erheben. Da die Kaiserin von trägem und nachgiebigem Charakter war, so glaubte

sie ihnen aufs Wort und sparte sich die Mühe der Untersuchung. Sie ließ dem Prinzen Iwan einen Trank reichen, der seine Geisteskraft lähmte, und faßte einen unversöhnlichen Haß gegen den König. Frankreich hatte damals keinen Gesandten in Petersburg, und der schwedische Gesandte24-1 war mehr russisch als schwedisch gesinnt, daher wenig geeignet, den König zu unterstützen. Es gab also keinen Weg mehr zum Ohre der Kaiserin, keine Möglichkeit, sie von dem Irrtum zu befreien, in den sie der österreichische Gesandte24-2 und dessen Kreaturen gestürzt hatten. Der Wiener Hof war zu geschickt, um die Dinge auf die Spitze zu treiben. Es genügte ihm, in Petersburg Haß und Feindschaft gegen Preußen gesät und die Gemüter einem offenen Bruche geneigt gemacht zu haben. Er wollte die Ereignisse nicht überstürzen und zuvor mit seinen inneren Einrichtungen fertig werden. Inzwischen wartete er eine günstige Gelegenheit ab, um mit seinen weitausgreifenden Plänen hervorzutreten. Derart setzte die Kaiserin-Königin durch ihr Ränkespiel ganz Europa in Bewegung und zettelte im stillen eine Verschwörung gegen Preußen an, die beim ersten wichtigen Ereignis zum Ausbruch kommen mußte.

Inzwischen wurden die Streitigkeiten zwischen Schweden und Rußland wegen der finnischen Grenzen in Güte beigelegt. Doch gegen Ende des Jahres 1756 brach in Schweden eine Art Revolution aus, die wir wegen ihres Einflusses auf die politische Lage Europas kurz erwähnen müssen24-3. Der Anlaß war folgender. Seit langem war der Hof mit den Reichsräten der französischen Partei entzweit, und zwar wegen einer erledigten Generalmajorstelle, für die der König Liewen, der Reichsrat aber den Grafen Fersen bestimmt hatte. Der Reichsrat blieb Sieger. Durch diese Zurücksetzung tief gekränkt, arbeitete der Hof seitdem der französischen Partei auf jede Weise entgegen. Graf Brahe, Horn und Wrangel24-4, nebst vielen dem Hofe ergebenen Mitgliedern der ersten Familien des Landes, machten dem König Hoffnung, durch die Wahl eines dem Hofe ergebenen Marschalls ihm die Oberhand im Reichstage zu verschaffen. Indessen kam die Sache gerade umgekehrt, denn der erwähnte Graf Fersen, ein Feind des Hofes, erhielt die Würde durch die Ränke und die Unterstützung des französischen Anhangs. Auf dem am 17. Oktober 1755 eröffneten Reichstage übergab der Reichsrat im Vollgefühl seiner Überlegenheit den Ständen eine Denkschrift zur Entscheidung des großen Streites zwischen ihm und dem König über die Vergebung der Ämter. Da die Richter Kreaturen des französischen Gesandten24-5 waren, so siegte der Reichsrat. Er mißbrauchte seinen Sieg zur Ver<25>nichtung der Schattenmacht, die dem König nach den Landesgesetzen bisher noch geblieben war. Ja, die Unverschämtheit der Reichsräte ging so weit, daß sie der Königin die Kronjuwelen und sogar die ihr geschenkten Kleinodien fortnahmen25-1. Wenig fehlte, und die aufsässigen Reichsräte hätten in ihrer Verachtung der Königswürde den Thron völlig umgestürzt.

Ihr freches Betragen empörte den Hof und seine Anhänger aufs tiefste, besonders Brahe, Horn und Wrangel. Sie versammelten sich und beschlossen in der ersten Aufwallung, die Regierungsform durch einen Staatsstreich zu ändern. Der König war zu einflußlos, um ihren gewaltsamen Entschluß zu dämpfen. Ihre Maßnahmen wurden in wilder Hast verabredet und noch schlechter ausgeführt, und ein Gemisch von Kühnheit und Zaghaftigkeit ließ sie noch im Augenblick der Ausführung zaudern. Ein aufgeschobenes Unternehmen wird gewöhnlich entdeckt. Ein paar schwache Freunde, denen sie sich anvertraut hatten, wurden ihre Verräter. Der Reichsrat ergriff strenge Maßregeln, um sich gegen einen Staatsstreich zu sichern. Graf Brahe wurde verhaftet, während es Wrangel und ein paar anderen Häuptern der Hofpartei gelang, zu entkommen. Der Name des Königs wurde durch die Aussagen der Verschworenen in die Untersuchung hineingezogen. Kurz, Graf Brahe und einige Personen niedrigerer Herkunft endigten auf dem Schafott (23. Juli 1756), und der König verlor den letzten Rest der Vorrechte, die sein Vorgänger und er selbst kraft der seit Karls XII. Tode bestehenden Regierungsform besessen hatten. Seitdem war der französische Botschafter d'Havrincour der eigentliche König von Schweden. Er schaltete despotisch über das Land und verwickelte es später in den deutschen Krieg25-2 auf eine gesetzwidrige, gegen die Staatsverfassung verstoßende Weise. Hätte der König die gesetzliche Autorität behalten, so wäre das nicht geschehen. Der König von Preußen konnte für seinen Schwager nichts weiter tun, als daß er in Versailles Vorstellungen machen ließ, man möchte doch dem anmaßenden Minister, der ganz Schweden in Aufruhr brächte, eine Änderung seines Benehmens ans Herz legen. Aber Frankreich sah lieber Havrincour als den rechtmäßigen König an der Spitze Schwedens.

Ein Jahr vorher war ein anderer, doch minder ärgerlicher Streit zwischen Preußen und Dänemark ausgebrochen, und zwar wegen eines Prozesses, den die Gräfin Bentinck mit ihrem Gemahl führte25-3. Die infolge ihres Wandels übel beleumdete<26> Gräfin hatte ihrem Gatten eine Herrschaft an der ostfriesischen Grenze durch förmlichen Vertrag abgetreten, der sie aber später gereute. Die Richter erkannten auf Sequestrierung. Damit mußte der König von Preußen als Direktor des westfälischen Kreises beauftragt werden. Aber der Wiener Hof übertrug es dem König von Dänemark, der Truppen hinschickte. Die Preußen kamen ihnen jedoch zuvor. Der König von Dänemark ereiferte sich und hätte sich ohne seinen maßvollen Charakter wohl zu Drohungen hinreißen lassen. Schließlich wurde der Streit durch Vermittlung Frankreichs geschlichtet. Der König von Dänemark und alle Welt war darüber froh, aber die streitsüchtige Gräfin Bentinck brach den Vergleich, den man für sie zustande gebracht hatte, und strengte persönlich in Wien einen Prozeß an. Indes wurde sie von dort ausgewiesen, weil sie den unsinnigen Plan des Herzogs von Württemberg, die Erzherzogin Elisabeth zu entführen26-1, begünstigt hatte. Nun kehrte sie in ihre Grafschaft zurück, und da sie niemanden bereitfand, sich weiter in ihre Angelegenheiten zu mischen, so kam ihr Prozeß nie zum Austrag.

Es war, als ginge während des Friedens ein Geist der Zwietracht in Europa um und gefiele sich darin, Uneinigkeit zwischen allen Höfen zu stiften. Der König von Preußen bekam Streitigkeiten mit England, die fast zu einem Bruche geführt hätten. Während des letzten Krieges hatten englische Kaper einige preußische Kauffahrteischiffe aufgebracht. Die Engländer waren in eigener Sache Richter und Partei, und so erklärten ihre Admiralitätshöfe die Schiffe für rechtmäßige Prise. Der König ließ dem Londoner Hofe entsprechende Vorstellungen machen und trat in Unterhandlungen. Die Engländer gaben jedoch nicht nach und kümmerten sich wenig um die juristisch begründeten Darlegungen über die Ungesetzlichkeit ihres Verfahrens. Nachdem alle Mittel der Güte erschöpft waren, blieb zur Schadloshaltung der preußischen Untertanen nichts anderes übrig als die Beschlagnahme der Summen, die der König nach den Bestimmungen des Breslauer Friedens26-2 den Engländern schuldete. Es handelte sich um die Zurückerstattung einer Summe von 1 800 000 Talern, die das Haus Österreich zur Führung des Türkenkrieges von 1737/38 auf Schlesien aufgenommen hatte. Nun wurde der letzte fällige Betrag in Höhe von 300 000 Talern zurückgehalten. Die Engländer ereiferten sich, und es kam beiderseits zu recht lebhaften Auseinandersetzungen. Auch gab sich der österreichische Gesandte in London26-3 alle Mühe, den Streit zu vergiften, und vielleicht hätte das schlimme Folgen gehabt, wäre nicht zwischen Frankreich und England ein viel ernsterer Streit wegen Kanadas ausgebrochen, der die Aufmerksamkeit ablenkte26-4.

Selbst der Herzog von Mecklenburg26-5 nahm es sich im Vertrauen auf den Schutz des kaiserlichen Hofes heraus, dem König Scherereien zu machen, und zwar aus<27> Anlaß der preußischen Aushebungen in Mecklenburg. Die Vorfahren des Königs waren nach alten Familienverträgen seit undenklichen Zeiten dazu ermächtigt, aber der Herzog bestritt dieses Recht auf Anstiften des Wiener Hofes. Nun schaffte der König sich selbst sein Recht. Einige mecklenburgische Soldaten wurden aufgehoben und ein paar Amtleute, die sich der Anwerbung widersetzt hatten, festgenommen. Der Herzog schlug großen Lärm. Als er aber merkte, daß sein Zetern zu nichts führte, ließ er sich zu einem Vergleich herbei, und die Sache wurde gütlich beigelegt. Als bald darauf die Kaiserin-Königin sah, daß der Krieg zwischen England und Frankreich jeden Augenblick auszubrechen drohte, suchte sie selbst nach einem Vorwand zum Bruche mit Preußen. Zu dem Zweck überredete sie den Herzog von Mecklenburg, beim Reichstag zu Regensburg Klage zu führen. Der Wiener Hof bemühte sich, den Vorfall als Verletzung des Westfälischen Friedens hinzustellen. Er wollte den Vorwand benutzen, um Preußen den Krieg zu erklären und zugleich den Beistand der Mächte anzurufen, die den Westfälischen Frieden garantiert hatten. Wir werden späterhin sehen, daß es dem Wiener Hofe, als dieser Vorwand versagte, nicht schwer fiel, einen anderen zu finden. Die sehnsüchtig erwartete Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten und wurde mit Feuereifer ergriffen. Wenn Herrscher einen Bruch wollen, so lassen sie sich durch den Mangel an Rechtsgründen nicht abhalten. Sie fassen ihren Entschluß, führen den Krieg und überlassen findigen Juristen die Rechtfertigung.

Wenn wir in diesem Buche Holland bisher unerwähnt ließen, so geschah es, weil Holland seit dem Kriege von 1740, besonders seit dem Tode des Statthalters27-1, gar keine Rolle in Europa mehr spielte.

Es bleibt uns nur noch übrig, mit kurzen Worten eines einzig dastehenden Unglücks zu gedenken, das Portugal betraf und das Land fast zugrunde gerichtet hätte. Es war ein Erdbeben27-2 von solcher Heftigkeit, daß die ganze Stadt Lissabon in Trümmer sank. Häuser, Kirchen, Paläste, alles stürzte ein, wurde von der Erde verschlungen oder von den Flammen verzehrt, die aus dem Erdschoße hervorbrachen. 15 000 bis 20 000 Menschen kamen dabei ums Leben. Viele Städte und Flecken in Portugal wurden vom Erdbeben heimgesucht oder zerstört. Die Erschütterung wurde längs der Meeresküste bis an die holländische Grenze verspürt. Die Ursache der Katastrophe kann man nur der Gewalt eines unterirdischen Feuers zuschreiben. Im Erdinnern eingeschlossen, hatte es sich irgendeinen Kanal gehöhlt und gerade unter Portugal einen Schlund gebildet, durch den es auszubrechen und sich zu befreien suchte. Vielleicht wird einst an der Stelle, wo bis jetzt Lissabon lag, ein feuerspeiender Berg entstehen.

Aber wie es schien, genügten die vom Himmel gesandten Plagen noch nicht zur Heimsuchung des unglücklichen Erdballs. Bald darauf drückte die Bosheit der<28> Menschen Waffen in ihre ruchlosen Hände. Sie zerfleischten sich um ein elendes Stück Erde. Haß, Starrsinn und Rachsucht erreichten ihren höchsten Gipfel. Ganz Europa schwamm in Blut, und das sittliche Elend, dem das Menschengeschlecht zum Opfer fiel, übertraf bei weitem das körperliche, dessen Härte Lissabon hatte fühlen müssen.

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3. Kapitel

Ursache des Bruchs zwischen Frankreich und England. Unterhandlung des Lord Holderneß. Bündnis zwischen Preußen und England. Anerbieten Rouillés. Gesandtschaft des Herzogs von Nivernais. Frankreichs Empfindlichkeit. Kriegserklärung an England. Der Herzog von Richelieu nimmt Port-Mahon. Schreck der Engländer über die Transportschiffe. Berufung von Hilfstruppen aus Hannover und Hessen. Russische Truppenansammlungen an der ostpreußischen Grenze. Entdeckung und Errettung des Spions Weingarten. Zusammenziehung zweier österreichischer Armeen in Böhmen. Geheime Nachrichten aus dem Dresdener Archiv, die das ganze Ränkespiel enthüllen. Händel mit Österreich. Gründe zur Kriegserklärung. Erste Verteilung der Truppen. Feldzugsplan.

Nachdem wir ein Bild der europäischen Lage zu Anfang des Jahres 1755 entworfen haben, müssen wir dem Leser noch die Ursachen der Streitigkeiten und Händel vorführen, durch die es zum Kriege zwischen Frankreich und England kam. Bei dem engen Zusammenhang der damaligen Ereignisse mit den vorangehenden müssen wir bis auf den Frieden von Utrecht (1713) zurückgreifen, um an die Quelle jener Händel zu gelangen. Sie entstanden aus alten Streitigkeiten zwischen den Franzosen und Engländern um die Grenzen Kanadas. Ludwig XIV. hatte den Abschluß des Utrechter Friedens beschleunigt, um die Königin Anna von der großen Allianz seiner Gegner zu trennen, und seine Bevollmächtigten mit Abschluß des Friedens ohne alle Winkelzüge beauftragt. Nun aber brauchten die Bevollmächtigten unklare Ausdrücke<30> bei der Festsetzung der strittigen kanadischen Grenzen. Gewann Frankreich im Utrechter Frieden doch weit mehr, als alle seine Besitzungen in jenen unfruchtbaren Gegenden wert waren. Sobald aber die Unruhen in Europa beendet waren, legten die Engländer und Franzosen die Bestimmungen über die Grenzen ihrer amerikanischen Besitzungen je nach ihrem eigenen Vorteil verschieden aus. Zwischen den Kolonien beider Nationen kam es zu Streitigkeiten, die aber nicht in offene Feindseligkeiten ausarteten. Beim Aachener Frieden hätte man alle Differenzen beilegen sollen. Aber Saint-Séverin und die übrigen französischen Unterhändler wurden durch wiederholte Befehle ihres Hofes zur schleunigen Unterzeichnung der Präliminarien gedrängt. Sie verwiesen daher die Erörterungen über die kanadischen Grenzen an eine Kommission, die beide Mächte nach dem Friedensschlusse ernennen sollten. Die Kommission trat auch zusammen, aber ihre Unterhandlungen brachten beide Nationen einander nicht näher, sondern steigerten vielmehr die Unzufriedenheit und Erbitterung. Auch die Entsendung des Herzogs von Mirepoix nach London30-1 und seine dortigen Unterhandlungen blieben erfolglos. Beide Völker warfen einander Unredlichkeit vor, und zwischen den englischen und französischen Truppen in Amerika kam es zu Feindseligkeiten. Sie nahmen sich gegenseitig Forts weg und führten bereits Krieg, ohne ihn erklärt zu haben. In den Berichten aus den Kolonien legten die englischen Offiziere die Schuld an ihren eigenen Gewalttätigkeiten geflissentlich den Franzosen zur Last, und zur Rechtfertigung ihres Verhaltens schickten beide Teile Protokolle über Protokolle, von denen ganz London überschwemmt wurde.

Die englische Nation gerät ja stets leicht in Flammen, wenn sie sich mit ihren Klagen über Frankreich im Rechte glaubt. Dazu kam noch, daß sie schon mit dem Aachener Frieden wenig einverstanden gewesen war. So drängte denn alles zum Kriege. Die Haltung des Herzogs von Cumberland30-2 machte die Gärung allgemein. Bei dem hohen Alter des Königs, seines Vaters, suchte er sein eigenes Ansetzen zu erhöhen, um mehr Einfluß auf die künftige Regierung zu gewinnen30-3. Zu dem Zweck wollte er möglichst viele von seinen Kreaturen in den Staatsrat bringen und alle hohen Kronämter seinen blinden Anhängern zuwenden. Seine Wahl war besonders auf Fox30-4 gefallen, dem er die Würde des Ersten Lords des Schatzes und alle bisherigen Ämter des Herzogs von Newcastle30-5 zugedacht hatte. Aber die Ernennung von Fox hatte die Entlassung des Herzogs von Newcastle zur Voraussetzung, und dazu war wenig Aussicht vorhanden. Der Herzog besaß großen Einfluß auf den König, Ansehen im Parlament wegen seiner langjährigen Dienste, seiner Rechtschaffenheit und seiner Gutmütigkeit, und die Achtung der Nation wegen seiner ungeheuren Reich<31>tümer, wegen der Stellen, die er zu vergeben hatte, und endlich wegen des an seinen Besitzungen haftenden Rechtes, eine große Anzahl von Parlamentsmitgliedern zu ernennen. Der Herzog von Cumberland glaubte den Herzog von Newcastle am leichtesten beseitigen zu können, wenn er die Nation in einen Krieg mit Frankreich verwickelte. Dann kam der Minister in die Zwangslage, die drückenden Staatsschulden noch zu vermehren, und dadurch erhielt die Opposition eine Handhabe zu Beschwerden. Außerdem hoffte Cumberland, die Verantwortung für alle Mißerfolge, die sich am Anfang eines Krieges so leicht einstellen, dem Minister aufbürden zu können und ihn so durch unaufhörlichen Verdruß und Verfolgungen zum freiwilligen Verzicht auf seine Würden zu bringen.

Der Plan war weitaussehend und verwickelt. Um ihn zur Ausführung zu bringen, mußten zunächst die Streitigkeiten zwischen beiden Nationen so verschärft werden, daß es zum Kriege kam. Das war nicht schwer. Schon der bloße Name Frankreich versetzt das Londoner Volk in Wut. Zündstoff war also in Menge vorhanden und fing schnell genug Feuer. Bald zwang das aufbrausende, jähzornige Volk den König Georg zu einigen Rüstungen. Ein Schritt zog unmerklich den anderen nach sich. Es kam zu Tätlichkeiten; Gewaltakte zogen Gegenmaßregeln nach sich. Kurz, um die Wende des Jahres 1754 schien der Krieg zwischen beiden Völkern unvermeidlich. Indes merkte man doch, daß sich das Versailler Ministerium maßvoller und nachgiebiger benahm und daß das Unrecht ganz auf seiten der Engländer lag.

Angesichts des drohenden Krieges suchten beide Herrscher ihre Position zu stärken, alte Bündnisse zu befestigen oder neue zu schließen. So bewarben sich sowohl England wie Frankreich um die Freundschaft Preußens. Die Allianz mit dem Versailler Hof war noch nicht abgelaufen31-1, doch waren die Besitzungen der Franzosen in Amerika von den preußischen Garantien ausgeschlossen. Unter solchen Umständen schien es, als sollte Preußen in jenen Wirren neutral bleiben und die Rolle des bloßen Zuschauers spielen. Aber so dachte man in Versailles nicht! Der französische Hof sah das Verhältnis des Königs von Preußen zu Frankreich etwa so an, wie das eines Hospodars der Walachei zur Türkei, d. h. es betrachtete ihn als Vasallen, der Krieg führen muß, sobald es ihm befohlen wird. Außerdem glaubte man in Versailles, den König von Großbritannien zur Nachgiebigkeit zwingen zu können, wenn man das Kurfürstentum Hannover mit Krieg überzog. So sollte also mitten im Deutschen Reich ein Streit ausgetragen werden, der sich um die englischen und französischen Besitzungen in Amerika drehte. Um den König von Preußen zur Teilnahme an dieser Diversion zu bewegen, sagte Rouillé, der französische Minister des Auswärtigen, eines Tages zu Knyphausen31-2: „Schreiben Sie an den König von Preußen,<32> er solle uns bei dem Unternehmen gegen Hannover beistehen. Es gibt Beute zu machen. Der Schatz des Königs von England ist gut gefüllt. Der König braucht nur zuzugreifen. Das ist ein guter Fang.“ Der König ließ ihm antworten, über derartige Vorschläge verhandle man wohl besser mit einem Mandrin32-1. Er hoffe, Herr Rouillé werde künftig einen Unterschied zwischen den Personen machen, mit denen er zu tun hätte.

Gegen Ende des Jahres 1755 wurden die Verhandlungen lebhafter. König Georg erfuhr die Absichten der Franzosen und geriet in Angst angesichts des Gewitters, das sich über seinem Kurfürstentum Hannover zusammenzog. Als sicherstes Mittel zur Beschwörung der Gefahr erschien ihm der Abschluß eines Defensivbündnisses mit Preußen. Wußte er doch, daß das Bündnis zwischen Preußen und Frankreich in kurzer Frist ablief, da der Versailler Vertrag im März 175632-2 erlosch. So beauftragte er denn seinen Staatssekretär Lord Holderneß mit der Anknüpfung von Unterhandlungen in Berlin. Da Lord Holderneß nicht wußte, wie der König von Preußen über ein solches Bündnis denken würde, so ließ er die ersten Vorschläge durch den Herzog von Braunschweig32-3 machen, um seinem Gebieter eine glatte Ablehnung zu ersparen. Die Eröffnungen geschahen unter dem Vorwand, die Ruhe Deutschlands gegen die Gefahr eines nahen Krieges zu sichern. Der König wurde zur Teilnahme an Maßregeln zur Wahrung und Befestigung der öffentlichen Sicherheit aufgefordert. Der Vorschlag war sehr folgenschwer. Bei der damaligen Lage Preußens hing die Entscheidung über Krieg und Frieden davon ab, welcher Partei sich der König anschloß. Erneuerte er den Vertrag mit Frankreich, so mußte er das Kurfürstentum Hannover angreifen. Damit hätte er sich die Engländer, Österreicher und Russen auf den Hals gezogen. Schloß er aber ein Bündnis mit England, so hätten es die Franzosen vermutlich unterlassen, den Krieg nach Deutschland zu tragen, und Preußen hätte England und Rußland zu Bundesgenossen gehabt. Dann hätte wohl auch die Kaiserin-Königin Frieden halten müssen, so brennend sie auch die Wiedereroberung Schlesiens wünschte und so sehr sie zum Losschlagen bei der ersten günstigen Gelegenheit gerüstet war.

Ehe sich der König entschied, hielt er es für angezeigt, die Meinung des russischen Hofes zu ergründen. Da er aber im Großkanzler Bestushew einen ausgesprochenen Feind besaß, konnte er unmöglich Auskunft aus Petersburg selbst erlangen, zumal aller Verkehr zwischen beiden Höfen abgebrochen war. Er fragte also bei Klinggräffen, seinem eigenen Gesandten am österreichischen Hofe, und bei Lord Holderneß selbst an, wie Rußland mit England stände, und besonders, ob der Wiener oder der Londoner Hof größeren Einfluß in Petersburg besäße. Klinggräffen antwortete, die Russen schlössen sich als feile und eigennützige Nation zweifellos lieber denen an, die<33> ihren Beistand erkaufen könnten, als denen, die nichts zu bieten hätten. Da es ferner der Kaiserin-Königin oft an Mitteln zur Bestreitung ihrer eigenen Ausgaben fehlte, so würden die Russen es gewiß mit den Engländern halten, die ihnen bei ihren ungeheuren Reichtümern große Subsidien zahlen könnten. Lord Holderneß antwortete, das Einverständnis zwischen England und Rußland sei vollkommen und König Georg rechne fest auf die Freundschaft der Kaiserin Elisabeth. Auch die Erkundigungen, die der König durch seinen Gesandten im Haag33-1 einziehen ließ, deckten sich völlig mit dem, was man ihm aus Wien und London mitteilte. Er hielt es für ausgeschlossen, daß so viele Personen sich über den gleichen Gegenstand irrten, und schenkte ihren übereinstimmenden Angaben Glauben. Daraufhin entschied er sich zu Verhandlungen mit England33-2. Er ließ Lord Holderneß also antworten, er sei nicht abgeneigt, mit dem König von Großbritannien unschuldige Maßnahmen rein defensiver Natur lediglich zur Wahrung der Neutralität Deutschlands zu treffen. Da beide Mächte sich über die Grundzüge ihres Bündnisses einig waren, kamen sie bald zum Abschluß des Vertrages33-3. Er wurde am 16. Januar 1756 in London unterzeichnet. Das Abkommen enthielt vier Artikel. Die drei ersten bezogen sich auf die gegenseitigen Garantien, die sich beide Mächte zur Sicherung ihrer eigenen Staaten gaben, der letzte betraf Deutschland unmittelbar und enthielt Abmachungen, um den Einmarsch fremder Truppen zu verhindern. Ferner kam man in zwei Geheimartikeln überein, erstens, die österreichischen Niederlande von der Garantie für Deutschland auszuschließen, und zweitens verpflichtete sich England, den preußischen Kaufleuten eine Entschädigung von 20 000 Pfund Sterling für die während des letzten Krieges von den Engländern gekaperten und nicht zurückgegebenen Schiffe zu zahlen33-4.

Der Vertrag kam unterzeichnet in Berlin an — ungefähr einen Monat nach dem Eintreffen des Herzogs von Nivernais33-5, den Ludwig XV. an den preußischen Hof gesandt hatte, teils um das ablaufende Bündnis von Versailles zu erneuern, noch mehr aber, um Preußen in Frankreichs Vorhaben gegen das Kurfürstentum Hannover hineinzuziehen. Das stärkste Argument des Herzogs von Nivernais, um den König für das Bündnis und den Krieg zu gewinnen, war das Angebot der Souveränität über die Insel Tabago. Frankreich hatte die Insel nach dem Kriege von 1740 dem Marschall von Sachsen gegeben. Die Engländer schienen aber sehr verstimmt darüber, und so war festgesetzt worden, Tabago solle unbebaut bleiben und dürfe von keiner andern Nation kolonisiert werden. Das ganze Anerbieten war zu lächerlich, um angenommen zu werden. Der König behandelte es als einen Scherz und ersuchte den Herzog von Nivernais, sich jemand anders auszusuchen, der besser zum Statthalter der Insel Barataria33-6 taugte. Ebenso lehnte er<34> die Erneuerung des Bündnisses und den geplanten Krieg ab34-1. Um aber Frankreich gegenüber offenes Spiel zu spielen und den Versailler Hof von der Ungefährlichkeit der neuen Abmachung mit England zu überzeugen, zeigte er dem Herzog von Nivernais ohne weiteres das Original des Londoner Vertrages. Die Nachricht von dem Bündnis mit England machte auf Ludwig XV. und seinen Staatsrat tiefen Eindruck. Es fehlte nicht viel, so hätten sie behauptet, der König von Preußen habe sich gegen Frankreich aufgelehnt. Bei unparteiischer Prüfung kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis. Preußens Bündnis mit Frankreich lief in zwei Monaten ab. Als unumschränkter Herrscher war der König zu Abmachungen mit allen Nationen berechtigt, die seinen Staaten den größten Vorteil boten. Er brach also weder sein Wort, noch handelte er gegen seine Ehre, als er sich mit dem König von England verband, zumal es in der Absicht geschah, durch die neuen Vereinbarungen sowohl seinen Staaten wie ganz Deutschland den Frieden zu erhalten. Aber die Franzosen waren Vernunftgründen unzugänglich. In Versailles sprach man von nichts als vom „Abfall“ des Königs von Preußen, der seine alten Verbündeten treulos im Stiche ließe. Der Hof erging sich in Vorwürfen, die erkennen ließen, daß seine Empfindlichkeit sich nicht auf bloße Worte beschränken würde.

Wir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, mit wieviel List und Geschmeidigkeit der Wiener Hof sich dem Versailler Hofe zu nähern suchte und wie fleißig Graf Kaunitz seinen Aufenthalt in Paris benutzt hatte, um die französische Nation mit dem Gedanken eines österreichischen Bündnisses vertraut zu machen. Ein Augenblick schlechter Laune bei Ludwig XV., und die neue Mode des Versailler Kronrats, sich in Tiraden gegen den König von Preußen zu ergehen, konnte diesen Samen plötzlich zum Aufschießen bringen. Der französischen Nation erschien bei ihrer außerordentlichen Lebhaftigkeit ein Bündnis mit dem Hause Österreich als Meisterstück der Staatskunst. Nunmehr erhielt Graf Starhemberg34-2 von der Kaiserin-Königin den Auftrag, ein Bündnis zwischen beiden Höfen vorzuschlagen. Da man beiderseits die gleichen Absichten hegte, wurde man bald einig. Der Vertrag ward am 1. Mal 1756 im Namen des Allerchristlichsten Königs von Rouillé und dem Abbé Bernis34-3 unterzeichnet. Das berühmte, so prahlerisch als „Union der Großmächte“ angekündigte Abkommen war seiner Natur nach ein Defensivbündnis und enthielt in der Hauptsache das Versprechen einer Hilfeleistung von 24 000 Mann im Fall eines Angriffs auf einen der beiden Kontrahenten. Und doch sollte dieses Bündnis die Kaiserin-Königin zur Ausführung ihrer langgehegten großen Pläne ermutigen!

Angesichts der Verbindung zwischen den Häusern Österreich und Bourbon entstand die Befürchtung, daß der Londoner Vertrag die Ruhe Deutschlands nicht sichern könnte. Der Friede hing bloß noch an einem Haar. Es bedurfte nur eines<35> Vorwands, und ist es erst einmal so weit, dann ist der Krieg auch so gut wie erklärt. Bald schien er denn auch unvermeidlich, zumal man erfuhr, daß sich sämtliche Staatsmänner über die Haltung Rußlands getäuscht hatten. Die Intrigen des österreichischen Gesandten35-1 behielten am Petersburger Hofe die Oberhand. Der Hof brach mit England aus Wut über den Vertrag zwischen den Königen von Großbritannien und Preußen. Bestushew schwankte zwar einen Augenblick zwischen seiner Leidenschaft für Guineen und seinem Haß gegen den König von Preußen, aber der Haß überwog. Die Kaiserin Elisabeth, eine Feindin der Franzosen seit der letzten Gesandtschaft La Chétardies35-2, wollte sich lieber mit Frankreich verbünden als die geringsten Beziehungen zu einer Macht unterhalten, die Preußen zum Bundesgenossen hatte. So setzte der Wiener Hof sein Spiel an allen europäischen Höfen fort und schürte die Leidenschaften der Fürsten und ihrer Minister, um sie seinen Zwecken dienstbar zu machen.

Während dieser plötzlichen und unerwarteten Veränderungen im politischen System Europas gingen die englischen Schiffe rücksichtslos gegen die französischen vor und zwangen den König von Frankreich durch fortwährende Plackereien und Angriffe fast wider Willen zur Kriegserklärung35-3. Die Franzosen kündigten ostentativ eine Landung in England an, stellten ihre Truppen an den Küsten der Bretagne und der Normandie auf, ließen flache Transportschiffe bauen und zogen einige Kriegsschiffe bei Brest zusammen. Ihre Herausforderungen erschreckten die Engländer. Es gab Augenblicke, wo das für so klug geltende Volk sich für verloren hielt. Zur Beruhigung ließ König Georg hannöversche und hessische Truppen nach England übersetzen. Derart ließ man sich in London irre führen. Die Franzosen kamen dabei auf ihre Rechnung; denn während sie so der englischen Küste gegenüber scheinbare Vorbereitungen zur Landung trafen, landeten sie wirklich auf der Insel Minorka. Der Herzog von Richelieu, der Leiter der Unternehmung, belagerte Port-Mahon, und die Engländer merkten die Absicht der Franzosen erst, als sie ausgeführt war. Immerhin schickten sie der belagerten Festung eine Flotte ins Mittelmeer zu Hilfe, aber ihr Admiral Byng wurde von dem französischen Geschwader geschlagen. Um sich nun vor dem zügellosen und über die Niederlage erbitterten Volke zu rechtfertigen, mußte die englische Regierung einen Sündenbock opfern. Sie ließ Admiral Byng hinrichten35-4, für dessen Unschuld viele verständige Leute sich verbürgten. Umsonst versuchte der Herzog von Richelieu, Bresche in die in den Felsen gehauenen Festungswerke von Port-Mahon zu schießen. Ungeduldig über die langwierige Belagerung, befahl er den allgemeinen Sturm. Die Franzosen erstiegen die Festung und nahmen sie ein (28. April).

Während das Glück den Franzosen im Süden Europas lächelte, wurde die Lage im Norden von Tag zu Tag kritischer. Die Russen zogen in Livland viel stärkere<36> Truppen in Feldlagern zusammen als in allen vorhergehenden Jahren. Zu dieser Demonstration wurden sie durch den Wiener Hof veranlaßt, der sich auf den Petersburger Vertrag36-1 berief, gleich als wäre der Krieg schon erklärt und der Fall der Hilfeleistung schon eingetreten. Ein Heer von 50 000 Moskowitern an der ostpreußischen Grenze war durchaus ernst zu nehmen. Was auch die Ursache dieser Rüstung sein mochte, jedenfalls machte sie einen furchtbaren Eindruck.

Unglückseligerweise verlor der König von Preußen in dieser kritischen Zeit den einzigen Kompaß, der ihn bis dahin durch die ihn umgebenden Finsternisse der Politik geführt hatte. Ein Sekretär des österreichischen Gesandten de La Puebla in Berlin, namens Weingarten, hatte sich bestechen lassen und lieferte dem König die geheimste Korrespondenz seines Herrn mit dem Wiener und Petersburger Hofe aus36-2. Diese Schriftstücke beleuchteten die Anschauungen der Mächte und enthüllten ihre Absichten. Nun aber kam Weingarten, dessen Dienste unter so mißlichen Umständen wichtiger denn je wurden, bei seinem Herrn in Verdacht. Zu seinem Glück merkte er es noch rechtzeitig, entfloh und rief den König um Schutz an. Nur mit Mühe entzog man ihn den Nachforschungen und Verfolgungen des österreichischen Gesandten und schickte ihn nach Kolberg, wo er einen anderen Namen annahm. Obgleich diese Nachrichtenquelle nun versiegt war, blieb dem König noch ein Kanal, durch den er zuverlässige Nachrichten über die der Reife nahen Pläne seiner Feinde erhielt. Ein Kanzlist des sächsischen Kabinettsministeriums36-3 händigte alle Woche dem preußischen Gesandten die Berichte ein, die sein Hof aus Petersburg und Wien empfing, sowie eine Abschrift aller Verträge, die er im Archiv gefunden hatte. Wie aus diesen Schriftstücken hervorging, entschuldigte sich der russische Hof, den Krieg nicht mehr im selben Jahre beginnen zu können, weil seine Flotte nicht segelfertig sei36-4. Dafür versprach er aber eine desto größere Kraftentfaltung für das nächste Jahr. Auf diese Entdeckung hin beschloß der König, ein Korps von 10 Bataillonen und 20 Schwadronen als Reserve nach Pommern zu schicken. Die Truppen bezogen Quartiere in der Umgegend von Stolp36-5, wo sie Rußland keinen Grund zum Argwohn geben konnten und doch zur Verstärkung des Feldmarschalls Lehwaldt bereitstanden, sobald von seiten des Feindes irgendeine Unternehmung zu befürchten war.

Bald darauf zog der Wiener Hof in Böhmen mehr Truppen als gewöhnlich zusammen und formierte sie zu zwei Armeen. Die eine, unter dem Fürsten Piccolomini, lagerte bei Königgrätz, und das Hauptheer unter dem Feldmarschall Browne nahm Stellung in der Gegend von Prag. Aber nicht genug damit: der Hof ließ in Böhmen auch Kriegsmagazine anlegen und Pferde zusammenbringen, sowohl für den Trans<37>port der Lebensmittel wie für das zahlreiche Geschütz, das bei der Armee gebraucht werden sollte. Kurz, der Wiener Hof traf Vorkehrungen, die eine Macht gewöhnlich nur dann trifft, wenn sie eine andere angreifen will. Die Nachrichten, die der König aus Dresden erhielt, waren voll von Angriffsplänen des Wiener Hofes auf seine Staaten. Auch ergab sich aus ihnen, daß die Kaiserin-Königin mangels eines triftigeren Vorwandes den Streit des Königs mit dem Herzog von Mecklenburg37-1 als Anlaß zum Kriege benutzen wollte. Der Streit drehte sich zwar nur um eine Bagatelle, auch war die Sache längst beigelegt und begraben. Es handelte sich um das Recht der Rekrutenaushebung in Mecklenburg, das Brandenburg von alters her besessen hatte, das dem Herzog aber nicht mehr behagte. Der König hatte ihm sein gutes Recht nachgewiesen, aber der Herzog wollte nicht nachgeben, und so hatte sich der König selbst sein Recht genommen. Obwohl diese Bagatelle nun schon abgetan war, wollte die Kaiserin sie wieder aufrühren. Sie legte das Vorgehen des Königs als Verstoß gegen die Reichsgesetze und als Verletzung des Westfälischen Friedens aus. Ihre Pflicht wäre es, sich der Sache anzunehmen, die Partei des Herzogs von Mecklenburg zu ergreifen und den Beistand aller Mächte anzurufen, die den Westfälischen Frieden garantiert hatten. Der König erfuhr von diesem Plane, und da sich gleichzeitig drei Armeen an seinen Grenzen zusammenzogen, die von einem Tage zum andern mit einem offenen Bruche drohten, so forderte er vom Wiener Hof eine Erklärung über die Ursache der großen Rüstungen und drang auf eine kategorische Antwort, ob Österreich mit ihm Frieden zu halten oder ihn zu brechen gedächte (18. Juli). Die Antwort des Grafen Kaunitz war unbestimmt und zweideutig37-2. Offener sprach er sich gegen den sächsischen Gesandten in Wien, Graf Flemming, aus, der den Dresdener Hof von jener Unterredung in Kenntnis setzte. Eine Abschrift seines Berichts wurde unverzüglich von Dresden nach Berlin geschickt. Darin hieß es: „Graf Kaunitz beabsichtigt, den König durch seine Antwort zu beunruhigen und ihn zu reizen, daß er die ersten Feindseligkeiten begeht37-3.“ In der Tat ergab sich schon aus dem anmaßenden und hochtrabenden Stil deutlich genug, daß die Kaiserin-Königin den Krieg wünschte, aber zugleich wollte, daß der König als der angreifende Teil erschien.

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Nichtsdestoweniger schien auch dies Jahr noch verfließen zu sollen, ohne daß Preußens Feinde zum Äußersten schritten. Der Petersburger Hof wünschte den Krieg bis zum nächsten Jahre zu verschieben, und die Kaiserin-Königin wollte offenbar warten, bis alle ihre Bundesgenossen bereit wären, um den König mit vereinten Kräften anzugreifen. Diese Erwägung führte zur Prüfung des Problems, ob es vorteilhafter sei, den Feinden durch einen raschen Angriff zuvorzukommen oder lieber zu warten, bis sie ihre großen Rüstungen beendet hätten, sodaß es dann nur von ihnen abhinge, was sie tun wollten. Welchen Entschluß aber auch der König faßte, der Krieg war in beiden Fällen gleich sicher und unvermeidlich. Es blieb also nur zu erwägen, ob man besser tat, ihn noch um ein paar Monate hinauszuschieben oder sofort loszuschlagen.

Aus den angehängten Dokumenten38-1 ergibt sich, daß der König von Polen einer der eifrigsten Teilnehmer an der Verschwörung der Kaiserin-Königin gegen Preußen war. Die sächsische Armee war freilich schwach. Sie belief sich auf etwa 18 000 Mann, aber man wußte, daß sie im Laufe des Winters auf 40 000 Mann erhöht werden sollte. Schob der König den Krieg auf, so ließ er seinem feindlichen Nachbar nur Zeit, sich erheblich zu verstärken. Aber ganz abgesehen davon, daß Rußland in diesem Jahre noch nicht eingreifen konnte und Sachsen seine Rüstungen nicht vollendet hatte, schienen die Bedingungen günstig. Kam man den Feinden mit Eröffnung des Krieges zuvor, so durfte man auf Vorteile rechnen; aber nicht, wenn man aus falschem Zartgefühl den Beginn der Operationen auf das nächste Jahr verschoben hätte. Überdies erleichterte man den Feinden durch tatloses Warten, mit vereinten Kräften über die preußischen Staaten herzufallen. Diese wären dann gleich bei Beginn des ersten Feldzuges zum Kriegsschauplatz geworden. Verlegte man aber den Krieg in die Länder der Nachbarn, deren böse Absichten so offen zutage lagen, so blieben die preußischen Provinzen verschont.

Und was den bösen Namen eines Angreifers betrifft, so war das ein leeres Schreckbild, das nur auf ängstliche Gemüter Eindruck machen konnte. In einer so kritischen Lage, wo es sich um Sein oder Nichtsein des Vaterlandes handelte, brauchte man auf so etwas keine Rücksicht zu nehmen. Der wirkliche Angreifer ist zweifellos der, der den andern zwingt, zu den Waffen zu greifen und das Prävenire zu spielen, um durch einen weniger schwierigen Krieg einem gefährlicheren vorzubeugen. Denn der Mensch muß von zwei Übeln stets das kleinere wählen. Kurz, ob die Feinde den König nun als Angreifer verschrien oder nicht, es kam auf das gleiche heraus und änderte an der Hauptsache gar nichts. Die Verschwörung Europas gegen Preußen war ja doch schon fertig. Die Kaiserin-Königin, die Kaiserin von Rußland und die Könige von Frankreich und Polen waren sich einig und im Begriff loszuschlagen. Der König<39> hätte also weder einen Freund gewonnen noch einen Feind verloren. Schließlich handelte es sich um das Wohl und Wehe des Staates und um die Erhaltung des Hauses Brandenburg. Wäre es in einer so ernsten, so kritischen Lage nicht ein unverzeihlicher politischer Fehler gewesen, sich bei leeren Förmlichkeiten aufzuhalten? Im gewöhnlichen Verlauf der Dinge soll man auch die Form wahren, aber in außerordentlichen Fällen, wie hier, muß man sich darüber hinwegsetzen. Unentschlossenheit und Langsamkeit hätten in solcher Lage alles verdorben, und die Rettung lag allein in einem raschen, beherzten Entschluß, den man tatkräftig ausführte.

Die verschiedenen angeführten Gründe bewogen den König, seinen Feinden zuvorzukommen. Er ließ dem Wiener Hof anzeigen, daß er seine Antwort als Kriegserklärung auffasse und sich zur Eröffnung der Feindseligkeiten anschicke39-1. Dann traf er die nötigen Anordnungen zum Aufbruch der Armee. Da Ostpreußen in diesem Jahre — aus den angeführten Gründen — noch nichts von Rußland zu befürchten hatte, so begnügte sich Feldmarschall Lehwaldt mit Zusammenziehung der unter seinem Befehl stehenden Truppen in der Gegend von Königsberg. Dort standen sie jederzeit bereit, ins Feld zu rücken, wenn die Verhältnisse es erheischten.

Der König beschloß, die Österreicher mit zwei Armeen anzugreifen. Feldmarschall Schwerin sollte mit dem schlesischen Heere in den Königgrätzer Kreis eindringen39-2. Die zweite Armee, die gleichzeitig gegen Sachsen und Österreich operieren sollte und deshalb die stärkere sein mußte, wurde aus pommerschen, märkischen, magdeburgischen und westfälischen Regimentern gebildet. Der König wollte sie selbst führen. Sein Plan war, mit mehreren Kolonnen gleichzeitig in Sachsen einzurücken und die sächsischen Truppen entweder zu entwaffnen, wenn man sie noch in ihren Quartieren zerstreut fand, oder ihnen eine Schlacht zu liefern, wenn sie bereits zusammengezogen waren. Jedenfalls wollte er beim Einmarsch in Böhmen keinen Feind im Rücken behalten und sich nicht wieder einer Verräterei aussetzen, wie die Sachsen sie im Jahre 1744 gegen die Preußen geübt hatten39-3. Zu diesem Schritt fühlte der König sich berechtigt durch seine früheren Erfahrungen, durch die Verbindung der Sachsen mit Österreich und schließlich durch ihre feindliche Gesinnung, die aus allen in des Königs Händen befindlichen Schriftstücken deutlich hervorging. Sein Handeln wurde also durch juristische, politische und militärische Gründe bedingt und gerechtfertigt. Zugleich beschloß er, in diesem ersten Feldzuge soviel Terrain wie möglich zu gewinnen, um die preußischen Staaten besser decken zu können, den Krieg nach Kräften von ihnen fernzuhalten und endlich den Kriegsschauplatz, wenn irgend möglich, nach Böhmen zu verlegen. Das waren die all<40>gemeinen Dispositionen des Königs gegenüber dem Bunde der größten europäischen Mächte und dem von ihnen geplanten Angriff. Bald setzten sich die preußischen Truppen in Marsch und begannen ihre Operationen in Sachsen und Böhmen, wie das folgende Kapitel zeigen wird.

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4. Kapitel

Feldzug des Jahres 1756.

Einmarsch in Sachsen. Das berühmte Lager bei Pirna. Einmarsch in Böhmen. Schlacht bei Lobositz. Feldzug des Feldmarschalls Schwerin. Zurückwerfung des Entsatzheeres aus Schandau. Gefangennahme der Sachsen. Kette der Winterquartiere.

Gleich bei Beginn des Krieges war es notwendig, eine Einmischung der Sachsen, die den Preußen gefährlich werden konnte, zu verhindern. Wollte man den Kriegsschauplatz nach Böhmen verlegen, so mußte man durch Sachsen marschieren, und machte man sich nicht zum Herrn Sachsens, so behielt man einen Feind im Rücken, der den Preußen die Schiffahrt auf der Elbe sperren und sie so zum Verlassen Böhmens nötigen konnte. Das lag völlig in der Hand des Königs von Polen. So hatten es die Sachsen ja schon im Kriege von 1744 gemacht, wo sie den preußischen Truppen den Wasserweg verlegt und sie um die Früchte ihrer Operationen gebracht hatten. Wenn man jetzt die gleiche Absicht bei ihnen voraussetzte, so stützte man sie keineswegs auf leere Vermutungen. Man hatte ja die Beweise ihres bösen Willens in Händen! Es wäre also ein unverzeihlicher politischer Fehler gewesen, aus bloßer Schwäche einen Fürsten zu schonen, der mit dem Hause Österreich verbündet war41-1 und sich offen gegen Preußen erklärt hätte, sobald er es ungestraft wagen konnte. Da der König von Preußen überdies voraussah, daß der größte Teil Europas sich zum Angriff auf ihn rüsten würde, so konnte er die Mark Brandenburg nur dadurch decken,<42> daß er Sachsen besetzte, was außerdem den Vorteil bot, daß er den Kriegsschauplatz von der Umgegend von Berlin in Feindesland verlegte. Er beschloß also, den Krieg nach Sachsen zu tragen, sich der Elbe zu bemächtigen und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit den Versuch zu machen, die sächsischen Truppen zu entwaffnen. Als einige preußische Regimenter nach Pommern aufbrachen42-1, nahmen die sächsischen Truppen eine Stellung zwischen der Elbe und Mulde ein. Nicht lange danach rückten sie wieder in ihre gewöhnlichen Quartiere, und bald darauf zogen sie sich abermals in Kantonnementsquartieren zusammen. Alle diese Hin- und Hermärsche vermochten den König nicht zu täuschen. Er wußte genau, daß der Dresdener Hof die Absicht hatte, seine Armee im Lager von Pirna zu versammeln. Da die Sachsen in unangreifbarer Stellung standen, glaubten sie, die verheißene Hilfe der Österreicher mit völliger Sicherheit abwarten zu können. Derweilen hofften sie, die Preußen durch nichtige Unterhandlungen hinzuhalten. Ohne sich also um die verschiedenen Märsche der sächsischen Truppen zu kümmern, blieb der König bei dem Plane, die Armee unverzüglich nach den böhmischen Pässen vorzuschieben.

Der König teilte sein Heer in drei Korps. Zum Vereinigungspunkt dieser Kolonnen wurde Pirna bestimmt. Das erste Korps unter dem Prinzen Ferdinand von Braunschweig marschierte von Magdeburg über Leipzig, Borna, Chemnitz, Freiberg und Dippoldiswalde nach Cotta. Die zweite Kolonne, bei der sich der König befand, schlug den Weg über Pretzsch ein. Prinz Moritz von Dessau nahm Wittenberg, stieß mit seinem Detachement dann wieder zum Hauptkorps und ging bei Torgau über die Elbe. Von da rückte der König über Strehlen und Lommatsch nach Wilsdruff. Dort traf die bestimmte Meldung ein, die ganze sächsische Armee sei nach Pirna marschiert, König August befände sich in Person bei ihr und Dresden sei unbesetzt, obgleich die Königin42-2 dort zurückgeblieben wäre. Der König von Preußen ließ die Königin begrüßen und rückte mit seinen Truppen in die feindliche Hauptstadt ein. Die Disziplin war so vorzüglich, daß sich niemand zu beklagen brauchte. Die Preußen lagerten in der Nähe von Dresden, rückten am folgenden Tage gegen Pirna vor und nahmen Stellung zwischen Elbe, Groß-Sedlitz und Zehista. Die dritte Kolonne unter dem Herzog von Bevern42-3 marschierte durch die Lausitz. Bei Elsterwerda stießen 25 Schwadronen Kürassiere und Husaren aus Schlesien zu ihr, dann rückte sie über Bautzen, Stolpen und Lohmen weiter. Gleichzeitig erreichte Prinz Ferdinand Cotta. Somit waren die sächsischen Truppen durch die Vereinigung der drei Kolonnen in der Gegend von Pirna auf allen Seiten umzingelt. Trotzdem die verschiedenen Heere sich so dicht gegenüberstanden, kam es doch zu keinem Zwischenfall, keiner Feindseligkeit. Die Sachsen ertrugen ihre Aushungerung mit großer Artigkeit, und jede Partei war bemüht, ihre Stellung nach Möglichkeit zu befestigen. Um Zeit zu gewinnen, fing der König von Polen Unterhandlungen an, denn es war für die Sachsen<43> leichter zu schreiben als zu kämpfen. Mehrfach machte er Vorschläge, die aber mangels greifbaren Inhalts alle abgelehnt werden mußten. Sein Trachten ging nach vollkommener Neutralität, aber dazu konnte der König von Preußen nicht die Hand reichen. Waren ihm doch die Verbindungen des Königs von Polen mit den Höfen von Österreich, Rußland und Frankreich nur zu gut bekannt.

Nun erfüllte das Geschrei der Sachsen ganz Europa. Sie verbreiteten die beleidigendsten Nachrichten über den Einbruch der Preußen in ihr Land. Eine Aufklärung der Öffentlichkeit über alle ihre Verleumdungen war daher notwendig. Denn widerlegte man sie nicht, so erschienen sie am Ende glaubhaft und hätten die ganze Welt mit Vorurteilen gegen das Vorgehen des Königs von Preußen erfüllt. Schon längst besaß der König eine Abschrift der Verträge des Königs von Polen und der Berichte seiner Gesandten an den auswärtigen Höfen. Aber wenn diese Schriftstücke das Vorgehen der Preußen auch voll rechtfertigten, so konnte man doch keinen Gebrauch davon machen; denn veröffentlichte man sie, so hätten die Sachsen sie für untergeschobene und frei erfundene Dokumente erklärt, deren einziger Zweck die Rechtfertigung eines verwegenen Unternehmens war, das sich nur mit Lügen verteidigen ließe. Daher mußte man auf die Originaldokumente zurückgehen, die sich noch im Dresdener Archiv befanden. Der König gab Befehl zu ihrer Beschlagnahme; sie waren bereits verpackt und sollten gerade nach Polen geschickt werden.

Die Königin erfuhr von dem geplanten Vorhaben der Preußen und wollte es hintertreiben. Nur mit Mühe konnte man ihr begreiflich machen, daß sie besser täte, dem König von Preußen zu willfahren und sich nicht gegen seine Anordnungen zu sträuben, die zwar härter als beabsichtigt, aber trotzdem ein Gebot der Notwendigkeit seien. Man fertigte aus den sächsischen Archivalien zunächst einen Auszug an, der unter dem Titel „Beweisschriften und Urkunden“ veröffentlicht wurde43-1.

Während dieser Beschlagnahme im Dresdener Schlosse standen die preußischen und sächsischen Truppen sich untätig gegenüber. Der König von Polen wiegte sich in der Hoffnung auf Entsatz durch die österreichischen Hilfstruppen, und der König von Preußen konnte nichts gegen eine Stellung unternehmen, gegen die weder die Zahl noch die Tapferkeit seiner Truppen etwas vermochten. Zum Verständnis der nachfolgenden Ereignisse dürfte es angebracht sein, das berühmte Lager von Pirna und die Stellung der sächsischen Truppen etwas eingehender zu beschreiben. Es hatte der Natur gefallen, in diesem eigenartigen Gelände eine Art Festung zu schaffen, der die Kunst wenig oder garnichts hinzuzufügen brauchte. Im Osten der sächsischen Stellung fließt die Elbe zwischen Felsen, die ihren Lauf hemmen und sie um so reißender machen. Der rechte Flügel der Sachsen lehnte sich an die kleine Festung<44> Sonnenstein an der Elbe. In einer Niederung am Fuße der Felsen liegt die Stadt Pirna, nach der das Lager benannt wird. Die Nordfront dehnte sich bis an den Kohlberg aus, der gleichsam das Bollwerk dieses natürlichen Walles war. Davor zieht sich eine Schlucht von 60 bis 80 Fuß Tiefe links um das ganze Lager herum und endet am Fuß des Königsteins. Am Kohlberg, der eine Art von ausspringendem Winkel bildet, beginnt mit der Front nach Westen eine Felsenkette, deren Gipfel die Sachsen besetzt hatten. Sie läßt Rottwerndorf vor sich liegen und endigt, immer schmaler werdend, über Struppen und Leupoldishain am Elbufer bei Königstein. Die Sachsen waren zu schwach zur Besetzung des ganzen Umfangs der Stellung, die auf allen Seiten in unzugänglichen Felsen abstürzt. Sie begnügten sich also, die schwierigen Zugänge, auf denen allein man an sie herankonnte, stark zu besetzen und sie durch Verhaue, Schanzen und Palisaden zu befestigen. Dazu lieferten die ausgedehnten Fichtenwälder auf den Berghöhen Holz in Fülle.

Wer das Lager genau geprüft hat und es bis ins einzelne kennt, muß es als eine der stärksten Stellungen in Europa ansehen und gegen Angriff und Überrumpelung für völlig gesichert halten. Nur Zeit und Hunger konnten so starke Hindernisse überwinden. So wurde denn beschlossen, das Lager eng einzuschließen, den sächsischen Truppen die Zufuhr aller Lebensmittel aus der Umgegend abzuschneiden, kurz, wie bei einer regelrechten Belagerung zu verfahren. Zu dem Zweck bestimmte der König einen Teil seiner Truppen zur Umzingelung des Lagers, während der andere als Beobachtungskorps verwandt wurde. Die Maßregel war die beste, die man unter den obwaltenden Umständen treffen konnte. Sie war um so richtiger, als die Sachsen sich in großer Hast in ihre Felsenfestung zurückgezogen und zur Ansammlung großer Vorräte keine Zeit mehr gehabt hatten. Das Vorhandene reichte höchstens für zwei Monate aus.

Alsbald besetzten die preußischen Truppen alle Wege, auf denen Entsatz oder Lebensmittel zu den Sachsen gelangen konnten. Der Herzog von Bevern nahm mit seiner Abteilung die Stellungen bei Lohmen, Wehlen, Ober-Rathen und Schandau längs der ganzen Elbe ein. Sein rechter Flügel blieb in Verbindung mit der Abteilung des Königs vermittelst einer Brücke, die bei der Ziegelbrennerei geschlagen war. 10 Bataillone und 10 Schwadronen, die in der Nähe des Königs lagerten, besetzten die Gegend von der Elbe und dem Dorfe Groß-Sedlitz bis nach Zehista. Dort begann die Abteilung des Prinzen Moritz, die sich durch einzelne nach Leupoldishain, Markersbach, Langen-Hennersdorf und Hellendorf vorgeschobene Detachements bis über Cotta ausdehnte. Alles in allem dienten 38 Bataillone und 30 Schwadronen zur Einschließung des sächsischen Lagers. Den Befehl über das Beobachtungskorps, das aus 29 Bataillonen und 70 Schwadronen bestand, führte Feldmarschall Keith.

Prinz Ferdinand von Braunschweig rückte mit der Avantgarde in Böhmen ein (13. September). Nach dem Durchmarsch durch Peterswald stieß er bei Nollendorf auf den österreichischen General Wied mit zehn Grenadierbataillonen und entsprechender<45> Kavallerie und vertrieb ihn. Die Österreicher ergriffen die Flucht, der Prinz setzte seinen Vormarsch fort. Unmittelbar darauf ging Feldmarschall Keith gegen Aussig vor und bezog bei Johnsdorf ein Lager. Von dort detachierte er General Manstein45-1, der sich des Schlosses Tetschen bemächtigte45-2, um die Schiffahrt auf der Elbe zu sichern. Dabei blieben die Dinge in Sachsen und in Nordböhmen bis Ende September stehen.

Auf österreichischer Seite hatte General Piccolomini in der Nähe von Königgrätz auf den Höhen zwischen dem Zusammenfluß der Elbe und Adler eine starke Stellung bezogen. Das Lager war in Form eines Winkels angelegt und von allen Seiten gleich unangreifbar. Feldmarschall Schwerin rückte mit seiner Armee aus der Grafschaft Glatz vor, zuerst bis Nachod, dann gegen die Ufer der Mettau und schließlich bis nach Aujezd. Dort trat ihm General Buccow mit einem Kavalleriekorps entgegen, ließ sich aber völlig schlagen und verlor dabei 200 Mann45-3. Gegen Piccolomini aber konnte Schwerin bei der Stellung der Österreicher nichts ausrichten. Belagerung und Schlacht waren gleich unmöglich, kurz, ein herzhafter Entschluß ließ sich nicht fassen. Da überdies die Jahreszeit schon stark vorgerückt war, so begnügte sich der Feldmarschall damit, alle Lebensmittel, die er in Böhmen fand, aufzubrauchen. Er fouragierte bis unter die Kanonen der kaiserlichen Armee, ohne daß Piccolomini sich darum zu kümmern schien. Eine preußische Husarenabteilung schlug 400 feindliche Dragoner bei Hohenmauth und nahm die meisten gefangen45-4. Damit fanden Schwerins Operationen zunächst ein Ende; denn Piccolomini hütete sich wohl, die geringste Bewegung zu machen, und hielt sich sorgfältig in seinem Lager zurück, das stärker war als manche Festung.

Zu großen Kämpfen konnte es für dieses Jahr nur bei der Armee des Königs kommen. Dort waren zunächst die Sachsen gefangen zu nehmen und ein etwaiges Entsatzheer zurückzutreiben. Indes wurde die Lage von Tag zu Tag schwieriger und verwickelter. Das Lager von Pirna war zwar derart eingeschlossen, daß weder Lebensmittel noch Hilfstruppen hineinkonnten, aber es war doch völlig unmöglich, all die Pfade zu besetzen, die durch die umliegenden Wälder und Felsen führten. So kam es, daß der König von Polen, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, noch immer Verbindung mit dem Wiener Hof unterhielt, und so erfuhr man Ende September, daß Feldmarschall Browne von seinem Hof Befehl erhalten hatte, die bei Pirna eingeschlossenen Sachsen um jeden Preis zu entsetzen. Der Feldmarschall war bis Budin vorgerückt (20. September). Er hatte drei Möglichkeiten zur Ausführung seines Planes. Entweder mußte er gegen Feldmarschall Keith vorgehen und dessen Armee schlagen, was indessen nicht leicht war, oder er konnte über Bilin und Teplitz marschieren und über Sebastiansberg oder Hellendorf in Sachsen eindringen. Dabei<46> hätte er freilich dem Feldmarschall Keith seine Flanke entblößt und sich außerdem der Gefahr ausgesetzt, alle zwischen Budin und Prag angelegten Magazine zu verlieren. Drittens hatte er die Möglichkeit, ein Detachement auf das rechte Elbufer hinüberzuwerfen und über Böhmisch-Leipa, Schluckenau und Rumburg gegen Schandau zu rücken. Aber das letztere konnte zu keiner wirklichen Entscheidung führen, weil die Preußen über ihre Brücke bei Schandau Hilfe in jene Gegend schicken konnten und das Gelände nach Ober-Rathen und Schandau hin durchschnitten, schwierig und zu Plänkeleien und Belästigungen geeignet war. Außerdem befanden sich dort ziemlich schlechte Straßen, sodaß ein einziges Bataillon eine ganze Armee aufhalten konnte.

Da der Ausgang dieser Krisis den ganzen Feldzug entscheiden mußte, so hielt der König seine Gegenwart in Böhmen für nötig, um selbst Maßnahmen gegen die Pläne seiner Feinde zu treffen. Am 28. kam er im Lager von Johnsdorf an. Dort standen die Truppen auf einem schmalen, von Anhöhen beherrschten Gelände, mit dem Rücken gegen eine steile Felswand, sodaß man im Fall eines Gefechts nur sehr schwer Hilfe von einem Teil des Lagers zum andern schicken konnte. So wie die Stellung war, hätte man sie beim Anmarsch des Feindes doch aufgeben müssen, und darum wurde sie am nächsten Tage geräumt.

Feldmarschall Browne war noch zu weit entfernt, um Nachrichten über ihn zu erhalten. Da es wichtig war, seine Bewegungen aus der Nähe zu beobachten, marschierte der König an der Spitze einer Avantgarde von 8 Bataillonen und 20 Schwadronen auf Türmitz. Dort erfuhr er, daß Feldmarschall Browne am folgenden Tage die Eger bei Budin überschreiten wollte. Das war der rechte Augenblick, sich ihm zu nähern, um sich Klarheit über seine Pläne zu verschaffen und ihm bei günstiger Gelegenheit eine Schlacht zu liefern. So wie die Dinge lagen, waren die Pläne der beiden Armeeführer einander derart entgegengesetzt, daß es notwendig zu einer Entscheidung kommen mußte, mochte nun Feldmarschall Browne sich mit dem Degen in der Hand den Weg nach Sachsen bahnen oder nur Detachements vorschieben.

Am 30. folgte die Armee dem König in zwei Kolonnen. Kaum hatte die Avantgarde die Höhe des Paschkopole erreicht, so erblickte sie in der Ebene von Lobositz ein Lager, dessen rechter Flügel sich an Welhotta lehnte. Lobositz lag vor seiner Front und Sullowitz zur Linken. Der linke Flügel dehnte sich bis hinter den Teich von Tschischkowitz aus. Die preußische Avantgarde setzte den Marsch fort und vertrieb einige hundert Panduren aus Wellemin, wo sie eine Erkundungsstellung eingenommen hatten. Das Dorf liegt in einem Kessel von zuckerhutartig geformten Felsen. Indes beherrschten sowohl die umliegenden Höhen wie der Felskessel selbst die Ebenen ringsum. Eiligst ließ der König seine Infanterie zur Besetzung der Weinberge und der Ausgänge auf die Ebene von Lobositz vorrücken. Die Truppen kamen um 10 Uhr an und verbrachten die Nacht im Biwak dicht hinter der Avantgarde, die dem Feind gegenüberstand.

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Am nächsten Tag, dem 1. Oktober, bei Morgengrauen, sollte das am Abend vorher entdeckte Lager rekognosziert werden. Aber ein dichter Nebel bedeckte die Ebene und verhüllte alle Gegenstände. Wie durch einen Schleier erblickte man das Dorf Lobositz und rechts und links davon zwei Kavallerieabteilungen, jede scheinbar zu 5 Schwadronen. Nun ließ der König die Armee aufmarschieren. Eine Infanteriekolonne formierte sich rechts, eine andere links, die Kavallerie bildete das zweite Treffen. Denn da das Gelände für die kleine Armee des Königs gar zu ausgedehnt war, so brauchte er 20 Bataillone zum ersten Treffen, und ihm blieben nur 4 zur Reserve. Die übrigen waren entweder zur Bedeckung der Magazine verwandt oder bei den Detachements.

Das Schlachtfeld, auf dem der König seine Truppen aufstellte, erweiterte sich nach links. Der Bergabhang nach Lobositz zu ist mit Weinbergen bedeckt. Steinerne Einfriedigungen in Brusthöhe grenzen die einzelnen Gehege ab. Feldmarschall Browne hatte diese Gehege mit Panduren besetzt, um die Preußen aufzuhalten. So kam es, daß die Bataillone des linken Flügels, sobald sie in Front aufmarschiert waren, mit dem Feinde sofort handgemein wurden. Indes wurde das Feuer nur schwach unterhalten, und die Panduren leisteten keinen kräftigen Widerstand. Dadurch wurde der König in der vorgefaßten Meinung bestärkt, daß die Truppen, die er am Abend vorher in der Ebene hatte lagern sehen, sich zum Rückzug anschickten, und daß die in den Weinbergen feuernden Panduren samt der über der Ebene verbreiteten Kavallerie nur die Nachhut bilden sollten. Das war um so wahrscheinlicher, als man gar keine Spur von einer Armee entdeckte. Aber die Voraussetzung war falsch; denn die Truppen, die man bei Lobositz gesehen hatte, waren die Avantgarde des Feldmarschalls Browne. Die Österreicher erfuhren vom Anmarsch der preußischen Armee nicht eher etwas, als bis sie das Heer bei Wellemin hervorkommen sahen. Erst jetzt erhielt Feldmarschall Browne durch seinen Avantgardenkommandeur Meldung davon und stieß noch in der nämlichen Nacht mit seiner Armee bei Lobositz zu ihm.

Der dichte Nebel dauerte bis gegen 11 Uhr und zerstreute sich erst gänzlich, als der Kampf beinahe zu Ende war. In der Annahme, daß man nur die österreichische Nachhut vor sich hätte, wurden einige Kanonenschüsse auf die feindliche Kavallerie abgefeuert. Sie wurde unruhig und änderte mehrfach ihre Stellung und Formation. Bald stellte sie sich staffelförmig auf, bald in drei Linien, dann wieder in einer Front. Bisweilen zogen sich fünf bis sechs Haufen nach links und verschwanden. Bald erschienen sie in größerer Anzahl wieder. Endlich hatte der König diese unnützen und zeitraubenden Bewegungen satt. Wenn er die feindliche Kavallerie durch 20 Schwadronen Dragoner attackieren ließ, glaubte er die Nachhut schnellstens zu zerstreuen und so dem Kampf ein Ende zu machen. Die Dragoner rückten daher von den Höhen herab, formierten sich an ihrem Fuß unter dem Schutze der preußischen Infanterie, griffen die feindliche Kavallerie an und warfen alles, was sich ihnen entgegenstellte, über den Haufen. Bei der Verfolgung der Fliehenden erhielten sie aus dem Dorfe<48> Sullowitz Gewehr- und Geschützfeuer von vorn und in der Flanke, sodaß sie wieder in die Stellung am Fuß der Weinberge zurückmußten. Erst jetzt begriff man, daß man es nicht mit der Nachhut zu tun hatte, sondern Feldmarschall Browne mit der ganzen österreichischen Armee gegenüberstand.

Der König wollte seine Kavallerie zurückziehen und sie wieder auf die Höhen ins zweite Treffen stellen, aber infolge von Mißverständnissen, wie sie an Schlachttagen unglücklicherweise so häufig sind, hatten sich alle Kürassiere bereits mit den Dragonern vereinigt. Noch ehe ihnen der Adjutant den Befehl des Königs überbringen konnte, attackierten sie in ihrem Ungestüm und in dem Wunsche, sich auszuzeichnen, zum zweitenmal und hatten die feindliche Reiterei bald geworfen. Obgleich ihnen abermals das Feuer entgegenschlug, das schon die Dragoner in ihre alte Stellung zurückgetrieben hatte, verfolgten sie die Österreicher bis auf 3 000 Schritt. Von ihrem eignen Ungestüm fortgerissen, setzten sie über einen 10 Fuß breiten Graben. 300 Schritt dahinter deckte ein noch breiterer Graben die feindliche Infanterie. Sofort ließ Feldmarschall Browne 60 Geschütze seiner Batterien auf die preußische Kavallerie feuern, wodurch sie abermals zum Rückzug und zur Aufstellung am Fuße der Höhen gezwungen wurde. Das geschah aber in voller Ordnung und ohne Verfolgung von seiten des Feindes. Um eine nochmalige Übereilung der Kavallerie zu verhüten, schickte der König sie wieder ins zweite Treffen hinter die Infanterie.

Während die Kavallerie zurückkam, begann das Feuer der Linken lebhafter und stärker zu werden. Feldmarschall Browne wollte den Spieß umdrehen. Als er sah, daß man ihn angreifen wollte, beschloß er, lieber selbst anzugreifen. Zu dem Zweck hatte er 20 Bataillone hinter Lobositz vorrücken lassen. Sie schlängelten sich hintereinander an der Elbe entlang, kamen den in den Weinbergen kämpfenden Panduren zu Hilfe und versuchten sogar, die linke Flanke der Preußen zu umgehen. Aber die preußische Infanterie warf sie tapfer zurück und eroberte einen Weingarten nach dem andern. Dann drang sie in die Ebene vor und verfolgte einige feindliche Bataillone, die sich vor Schreck in die Elbe stürzten. Ein andrer Haufe von Flüchtlingen warf sich in die nächsten Häuser von Lobositz und schickte sich zur Verteidigung an. Nun wurden einige Bataillone vom rechten preußischen Flügel zur Verstärkung des linken Flügels abgeschickt, sodaß er sich nun an die Elbe lehnen konnte. In dieser Formation rückte er keck und entschlossen auf Lobositz vor, ohne daß der rechte Flügel der Preußen seinen Stützpunkt auf den Höhen verließ. Die Grenadiere schossen durch Fenster und Türen in die Häuser und legten endlich Feuer an, um schneller zum Ziele zu kommen. Obgleich die Angreifer sich verschossen hatten, drangen die Regimenter Itzenplitz und Manteuffel mit gefälltem Bajonett in Lobositz ein und zwangen neun frisch von Browne herbeigeschickte Bataillone zur Räumung des Ortes und zu schimpflicher Flucht. Nun wichen alle feindlichen Truppen auf diesem Flügel und überließen den Preußen den Sieg.

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Der König konnte den errungenen Vorteil nicht so ausnützen, wie er gewünscht hätte, denn er hatte eigentlich nur den rechten Flügel der Kaiserlichen geschlagen. Noch hielten sie das Dorf Sullowitz besetzt, und da ihr linker Flügel hinter dem obenerwähnten Graben stand, so konnte die preußische Kavallerie ihm nichts anhaben. Zugleich machte Feldmarschall Browne eine vorzügliche Bewegung: er zog einige Brigaden seines linken Flügels, die noch gar nicht im Feuer gestanden hatten, zur Deckung der zerstreuten Truppen vor, die in großer Unordnung aus Lobositz flohen. In der Nacht ging er zurück und ließ Leitmeritz durch ein Detachement besetzen, das die dortige Elbbrücke abbrach. Dann bezog der Feldmarschall mit dem Gros seines Heeres wieder das Lager von Budin und ließ alle Brücken über die Eger zerstören, um die Preußen am Überschreiten des Flusses zu hindern.

Bei Lobositz verloren die Preußen an Toten und Verwundeten 1 200 Mann und die beiden Generale von Quadt und von Lüderitz49-1. Sie machten nur 700 Gefangene, darunter den Fürsten Lobkowitz, einen kaiserlichen General. Hätte die Kavallerie am Schluß des Treffens eingreifen können, so wäre die Zahl der Gefangenen viel bedeutender gewesen49-2.

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Am Tage nach der Schlacht wurde der Herzog von Bevern mit 8 000 Mann nach Tschischkowitz detachiert, einem Dorfe rechts von der Stellung des Königs auf halbem Wege nach Budin. Von seinem Lager aus sandte er Abteilungen längs der Eger zur Rekognoszierung der Übergänge, aber mehr noch, um die Aufmerksamkeit und Besorgnis des Feldmarschalls Browne zu erregen. Diese Scheinbewegungen sollten Browne aufhalten und ihn daran hindern, dem König von Polen und den sächsischen Truppen zu Hilfe zu eilen.

Damit hatte es bei der böhmischen Armee sein Bewenden. Zu schwach, um irgend etwas gegen den Feind zu unternehmen, mußte sie sich auf Beobachtung beschränken. Der König konnte in der Tat nicht offensiv vorgehen. Um Browne wirklich zu beunruhigen, hätte er die Eger überschreiten müssen, aber dann hätte das österreichische Detachement bei Leitmeritz im Rücken der Preußen gestanden und ihnen ihr Magazin bei Aussig wegnehmen können. Überdies hätte man sich durch Überschreiten der Eger allzu weit von der Verteidigungslinie entfernt und wäre nicht imstande gewesen, rasche Hilfe nach Sachsen zu schicken. Entschloß man sich aber zur Einnahme von Leitmeritz, so war dadurch gar nichts gewonnen. Vielmehr wäre man noch in weit größere Verlegenheit geraten; denn durch die notwendige Besetzung des Ortes hätte man das Heer geschwächt und die Besatzung selbst der Gefahr ausgesetzt, beim ersten Angriff aufgehoben zu werden, da man die beherrschenden Höhen rings um die Stadt nicht besetzen konnte. Aus all diesen Gründen mußte sich der König mit einer siegreichen Schlacht zu Beginn des Krieges begnügen und sich darauf beschränken, Feldmarschall Browne an der Entsendung weiterer Detachements zu verhindern, oder falls dies doch geschah, ebenso starke Abteilungen dem Lager bei Pirna zu Hilfe zu senden.

Die preußische Armee in Böhmen war zwar nur halb so stark wie die kaiserliche, aber bei der vortrefflichen Disziplin der Truppen und der Tapferkeit der Offiziere fühlten sie sich dem Feinde wo nicht überlegen, so doch mindestens ebenbürtig. Mag man aber eine noch so gute Meinung von sich selbst haben, Sorglosigkeit ist und bleibt im Kriege doch immer gefährlich, und es ist besser, man treibt die Vorsicht zu weit, als daß man das Nötige außer acht läßt. Da nun die Österreicher der Zahl nach im Vorteil waren und der König obendrein zur Absendung von Detachements genötigt werden konnte, so ließ er einige Batterien errichten und die schwächsten Teile seines Lagers befestigen. Wie gut das war, sah man am 6. Oktober bei der Nachricht, Browne habe insgeheim einige Regimenter seiner Armee detachiert, und dieses auf 6 000 Mann geschätzte Korps rücke über Naudnitz nach Böhmisch-Leipa, um von dort die Straße nach Sachsen einzuschlagen. Obgleich das Detachement keinen Anlaß zu ernster Besorgnis gab, ließ der König dem Markgrafen Karl und dem Prinzen Moritz, die in Sachsen geblieben waren, doch Nachricht zukommen und rückte selbst mit einer Kavallerieverstärkung nach dem Lager von Groß-Sedlitz, wo nur noch 30 Schwadronen waren. Die allein hätten nicht genügt, um die Sachsen aufzuhalten, zumal wenn<51> sie einen Durchbruch nach Hellendorf und Teplitz versucht hätten. Der König rückte am 13. mit 15 Schwadronen von Lobositz ab und traf am 14. mittags bei seiner Armee in Struppen ein. Hier hatte der König von Polen in der ganzen Zeit während der Einschließung der Sachsen sein Hauptquartier gehabt.

Seit der König von Preußen an die Spitze seiner Armee in Böhmen getreten war, hatten die Dinge in Sachsen sich völlig geändert. Die Schlacht bei Lobositz hatte den sächsischen Hof überrascht. Er hoffte kaum mehr auf den Beistand der Kaiserlichen. Da die sächsischen Truppen überdies vom Hunger bedroht waren, so wollten ihre Generale den Versuch wagen, sich selbst einen Weg durch die Preußen zu bahnen. Ihr Plan ging dahin, sich über die Elbe zu retten. Sie versuchten daher eine Brücke bei Wehlstädtel zu schlagen, doch befand sich gerade gegenüber eine preußische Schanze, die einige ihrer Pontons in den Grund schoß und ihre Maßnahmen vereitelte. Nun änderten sie ihren Plan und schafften ihre Pontons nach Halbestadt, das ihnen als der geeignetste und passendste Ort zum Durchbruch erschien, zumal Browne ihnen aufs neue Beistand versprochen hatte.

Alles, was die feindlichen Heere in diesen Gegenden unternahmen, ist so eng mit der Bodengestaltung verknüpft, daß wir zum Verständnis des Lesers einen möglichst deutlichen Begriff vom Gelände geben müssen. Die Beschreibung der Stellung bei Pirna hat schon eine Vorstellung von ihrer Stärke gegeben. Aber ebenso schwer, wie einzunehmen, war sie auch zu verlassen. Ihr natürlicher und bequemster Ausgang liegt bei Leupoldishain. Wenn die Sachsen von ihren Felsen herabstiegen, so stand ihnen der Weg nach Böhmen über Hermsdorf und Hellendorf frei. Das soll nicht heißen, daß sie sich den Durchmarsch ohne Verluste erzwingen konnten, aber es schien doch, als könnten sie auf diesem Wege einen Teil ihrer Leute retten. Hatten sie erst Teplitz gewonnen, so waren die weiteren Hindernisse nicht groß, und niemand konnte es ihnen verwehren, sich über Eger mit den Österreichern zu vereinigen. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach kannten die sächsischen Generale die Lage von Halbestadt, Burkersdorf, Schandau und vom Ziegenrück nicht. Insbesondere schienen sie nicht zu wissen, in welcher Weise die Preußen diese Gegend besetzt hielten; denn sonst hätten sie sich wohl niemals auf ein so unglückliches Unternehmen eingelassen.

Zwischen Schandau und dem Dorf Wendisch-Fähre stand General Lestwitz sehr vorteilhaft mit 11 Bataillonen und 15 Schwadronen. Ihm gegenüber lagerte sich nun Feldmarschall Browne, der an der Spitze seines Detachements in Sachsen eingerückt war. Die Österreicher besetzten die Dörfer Mittelndorf und Altendorf51-1, aber da sie Lestwitz über Vermuten stark sahen, so hüteten sie sich wohlweislich, ihn anzugreifen. Burkersdorf konnte Browne nicht erreichen, weil eine unwegsame Felsenkette dazwischen lag. Sich mit Lestwitz einzulassen, schien ihm wie gesagt nicht ratsam, und doch hätten seine Leute, um den Sachsen bei Altstadt die Hand zu reichen,<52> unter den Augen der Preußen und im Feuer ihrer Gewehre zu zweit durch Engpässe marschieren müssen. Von all diesen verschiedenen Möglichkeiten konnte ein so erfahrener Mann wie Browne also keine wählen, ohne seinen Ruf aufs Spiel zu setzen. Er blieb daher lieber untätig, als daß er seine Truppen unnützerweise zur Schlachtbank führte.

Nach Altstadt zu, wo sich die Sachsen zum Übergang über die Elbe entschlossen hatten, liegt am rechten Flußufer eine kleine Ebene, vom Lilienstein, einem steilen Felsen, beherrscht und teils auch begrenzt. Zu beiden Seiten des Felsens standen unter Retzow 5 preußische Bataillone hinter halbkreisförmigen Verhauen, die sich mit den Enden an die dort von der Elbe gebildete Schleife lehnten. 500 Schritt dahinter hielten 6 Bataillone und 5 Schwadronen den Engpaß von Burkersdorf besetzt. Hinter dem Paß ragt eine steile, schroffe Felsenkette, der Ziegenrück genannt, die das ganze Gelände umschließt und auf beiden Seiten an die Elbe stößt. Zum Durchbruch auf dieser Seite hätten die Sachsen hintereinander drei Stellungen stürmen müssen, deren eine immer furchtbarer war als die andere. Trotzdem begannen sie am 11. Oktober hier Brücken zu schlagen, um den Durchbruch zu versuchen. Die Preußen ließen sie wohlweislich ungestört arbeiten. Von Thürmsdorf an die Elbe herabzukommen, fiel nicht schwer. Als ihre Brücken aber fertig waren und sie am andern Ufer die Felsen hinauf wollten, um die Ebene von Altstadt zu gewinnen, fanden sie nur einen schmalen, von den Fischern benutzten Fußsteig. Sie brauchten einen halben Tag, um zwei Bataillone auf diesem Steg fortzubringen. Der strömende Regen machte ihn völlig grundlos, und da es unmöglich war, ihre Geschütze aufs andere Ufer hinüberzuschaffen, mußten sie die ganze Artillerie in den eben geräumten Verschanzungen im Stiche lassen. Bei der Langsamkeit ihres Vormarsches blieb die gesamte Kavallerie, Infanterie, Bagage und Nachhut der sächsischen Armee in wirrem Durcheinander bei Struppen stecken.

Am 13. Oktober, vor Tagesanbruch, erhielt Prinz Moritz von Anhalt Meldung vom Entweichen der Sachsen. Die Armee trat sofort ins Gewehr, brach in sieben Kolonnen auf und erkletterte mit großer Mühe die von ihren Verteidigern geräumten Felsen des Pirnaer Lagers. Auf dem Gipfel der Höhen zwischen Sonnenstein und Rottwerndorf stellten die Generale die Truppen auf. Sofort griff Zieten mit seinen Husaren die Nachhut des Feindes an und trieb sie bis nach Thürmsdorf. Die Freikompagnien und die preußischen Jäger setzten sich in einem Gehölz in der Nähe der Nachhut fest und belästigten sie stark durch ihr Feuer. Prinz Moritz, der dazukam, schickte das Infanterieregiment Prinz von Preußen zur Besetzung einer Anhöhe im Rücken der Sachsen. Sie waren bestürzt, als sie von einer so unerwarteten Stelle Feuer bekamen, gerieten bei den ersten Kanonenschüssen in Unordnung und ergriffen jählings die Flucht. Die Husaren fielen über die Bagage her und plünderten sie, und die Jäger schlichen sich in ein Gehölz nahe der Elbe und beschossen von dort die sächsische Nachhut, die beinahe die Brücke passiert hatte. Das genügte, um sie vollends<53> zu verwirren. Sie hieb selbst die Brückentaue ab, und der Strom trieb die Pontons bis nach Nathen, wo sie von den Preußen abgefangen wurden. Prinz Moritz ließ die Truppen sofort auf den Höhen von Struppen ein Lager beziehen. Der linke Flügel dehnte sich bis zur Elbe, der rechte bis über eine tiefe Schlucht hinaus, die sich allmählich nach Langen-Hennersdorf zu verliert.

So standen die Dinge, als der König mit seinen Dragonern in Struppen ankam53-1. Die Sachsen erwarteten ein mit den Kaiserlichen verabredetes Signal zum gemeinsamen Angriff auf die Preußen. Als aber das Signal nicht erfolgte, verloren sie die letzte Hoffnung. Angesichts von Retzows Stellung sahen sie die Unmöglichkeit ein, sich selbst Luft zu schaffen. Andrerseits drängte der König von Polen, der seine Zuflucht auf dem Königstein genommen hatte, seine Generale zum Angriff auf den Lilienstein. Aber Graf Rutowski bewies ihm klipp und klar die Zwecklosigkeit dieses Unternehmens. Es konnte nur zu Blutvergießen und Gemetzel führen, ohne daß der König dabei irgend etwas gewonnen hätte. Auch Browne befand sich in einer schlimmen, wenn schon minder gefährlichen Lage. Vor sich hatte er ein überlegenes preußisches Heer. Jede Verbindung mit dem Königstein war ihm abgeschnitten, und bei allen Versuchen zum Entsatz der Sachsen stieß er überall auf äußere Hindernisse. So mußte er denn fürchten, die Sachsen möchten ohne sein Wissen die Waffen strecken. Dann hätte er die ganze preußische Armee auf dem Halse gehabt. Infolgedessen gab er die Sachsen verloren, war nur noch auf die Rettung seines eignen Korps bedacht und trat am 14. Oktober den Rückzug nach Böhmen an. Die preußischen Husaren setzten ihm nach. Oberstleutnant Warnery schlug seine Nachhut und ließ 300 kroatische Grenadiere über die Klinge springen.

Das Mißlingen des Unternehmens führte zu den beleidigendsten Vorwürfen zwischen den sächsischen und österreichischen Generalen. Beide Teile hatten unrecht. Schuldig war allein der sächsische General, der den Plan dieses Durchbruchs entworfen hatte. Zweifellos hatte er fehlerhafte Karten benutzt und war nie in der Gegend gewesen, denn das Gelände war ihm völlig unbekannt. Welcher vernünftige Mensch würde sonst auch zum Rückzug einen vom Feinde besetzten Engpaß zwischen steilen Felsen wählen? Die ganze Gegend war völlig ungeeignet für das, was die Sachsen und Österreicher vorhatten: das ist die wahre Ursache all des Unglücks, das über die Sachsen hereinbrach. So wichtig ist die Kenntnis des Geländes, so entscheidend die Bodengestaltung für die kriegerischen Unternehmungen und das Schicksal der Staaten!

Von der Höhe des Königsteins aus war der König von Polen Zuschauer der verzweifelten Lage seiner Truppen. Sie waren ohne Brot, von Feinden umringt und konnten sich nicht einmal mit dem Mut der Verzweiflung, mit Einsatz ihres Lebens durchschlagen, weil ihnen kein Ausweg blieb. Um sie nicht in Hunger und<54> Elend umkommen zu lassen, mußte der König darein willigen, daß sie die Waffen streckten.

Graf Rutowski wurde mit dem Abschluß der traurigen Kapitulation beauftragt. Das ganze sächsische Korps ergab sich54-1. Die Offiziere verpflichteten sich auf Ehrenwort, in diesem Kriege nicht mehr gegen Preußen zu kämpfen. Man traute ihrem Versprechen und gab ihnen die Freiheit. Um dem besiegten Feind eine Demütigung zu ersparen, ließ der König die Fahnen, Standarten und Pauken der Sachsen an den König von Polen zurückgeben. Auch die Neutralität der Feste Königstein ward ihm bewilligt. Aber selbst jetzt, wo der König von Preußen das Schicksal Augusts III. zu lindern bestrebt war, trat dieser der Kaiserin-Königin in einem Geheimvertrag vier Regimenter Dragoner und zwei Pulks Ulanen, die er in Polen hatte, gegen Subsidien ab. Ein solches Verfahren rechtfertigte die bisherige Haltung der Preußen noch mehr. Dem König von Polen war der Krieg nach allem, was geschehen war, mehr denn je zuwider. Er bat um freien Durchzug für seine Person und wollte seinen Aufenthalt künftig in Polen nehmen. Das wurde ihm nicht allein bewilligt, sondern man entfernte aus übermäßiger Rücksicht auch die preußischen Truppen von<55> dem Wege, den er nehmen mußte, um ihm einen peinlichen Anblick zu ersparen. Am 20. Oktober reiste er mit seinen zwei Söhnen und seinem Minister nach Warschau ab.

Die gefangene sächsische Armee war 17 000 Mann stark. Die erbeutete Artillerie überstieg 80 Kanonen. Der König verteilte die sächsischen Truppen auf sein Heer und formierte aus ihnen 20 neue Infanteriebataillone. Aber er beging den Fehler, sie mit Ausnahme der Offiziere, die alle Preußen waren, nicht mit Landeskindern zu vermischen. Dadurch hatte er in der Folgezeit nur wenig Nutzen von ihnen, und sie leisteten schlechte Dienste.

Nach der Kapitulation der Sachsen begab sich der König wieder nach Böhmen, um seine Armee von dort zurückzuführen. Feldmarschall Keith verließ das Lager von Lobositz am 23. Oktober und zog sich auf Hlinay zurück, ohne daß der Feind ihm folgte. In derselben Nacht55-1 wurde das Regiment Itzenplitz, das beim Dorfe Salesl eine Furt über die Elbe bewachte, angegriffen, verteidigte sich aber so gut, daß es den Feind nicht nur zurücktrieb, sondern sogar Gefangene machte. Von Hlinay aus setzte die Armee ihren Marsch über Nollendorf, Schönwald, Berggießhübel ruhig fort und langte am 30. in Sachsen an, wo sie zwischen Pirna und der böhmischen Grenze Kantonnementsquartiere bezog.

Während das Heer des Königs in Sachsen einmarschierte, zog sich Feldmarschall Schwerin aus der Gegend von Königgrätz nach Schlesien zurück. Auf dem Marsche nach Skalitz folgten ihm ein paar tausend Ungarn und beunruhigten seine Nachhut. Aber der Feldmarschall verstand keinen Spaß. An der Spitze einer Kavallerieabteilung warf er sich plötzlich auf den Feind, schlug ihn und verfolgte ihn bis Smirschitz. Dann setzte er ungestört seinen Marsch fort und erreichte mit seiner Armee am 2. November die schlesische Grenze.

Da der Feind sich ruhig verhielt, so konnten die Truppen schon früh ins Quartier rücken und die Kette der Winterquartiere ziehen. Prinz Moritz übernahm den Befehl über die Abteilung bei Chemnitz und Zwickau, schob Detachements zur Bewachung der böhmischen Pässe vor und ließ die Stellungen von Asch, Oelsnitz und Sebastiansberg befestigen. General Hülsen kommandierte die Brigaden von Freiberg und Dippoldiswalde und hielt die Stellungen von Saida, Frauenstein und Einsiedel besetzt. Den Paß von Berggießhübel und das Defilee von Hellendorf deckte Zastrow. Jenseits der Elbe zog sich die Kette von Dresden über Bischofswerda bis Bautzen. Dort stand eine Abteilung von 10 Bataillonen und 10 Schwadronen zur Unterstützung bereit, wo es irgend erforderlich wurde. Lestwitz besetzte mit 6 Bataillonen Zittau und schob zur Sicherung seiner Verbindungen Detachements nach Hirschfelde, Ostritz und Kloster Marienthal vor. In Görlitz und Lauban lagen 10 Bataillone und 15 Schwadronen unter dem Herzog von Bevern. Winterfeldt und der Prinz von Württemberg55-2 rückten mit einem Detachement nach Schlesien und setzten dort die Kette über Greiffenberg,<56> Hirschberg bis Landeshut und Friedland fort, während Fouqué die Grafschaft Glatz deckte. Ein anderes Korps vom Heere des Feldmarschalls Schwerin überwinterte in der Gegend von Neustadt und diente zur Deckung von Oberschlesien gegen etwaige Einfälle der Kaiserlichen aus Mähren.

In diesen Stellungen verbrachten die preußischen Truppen den Winter von 1756 auf 1757.

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5. Kapitel

Der Winter von 1756 auf 1757.

Der Einfall der Preußen in Sachsen erregte in Europa großes Aufsehen. Mehrere Höfe, die die Gründe nicht kannten, ja sie nicht einmal wissen wollten, mißbilligten und tadelten das Vorgehen des Königs von Preußen. König August III. jammerte über die Gewalttätigkeit der Preußen. Seine Gesandten an den auswärtigen Höfen übertrieben die Leiden Sachsens und entstellten und verleumdeten die harmlosesten Schritte des Königs von Preußen. Sein Notschrei tönte in Versailles, in Petersburg, in ganz Europa wider. Ludwig XV. war ohnedies gekränkt, daß der König von Preußen, statt den Vertrag von Versailles zu erneuern, die Westminsterkonvention mit dem König von England geschlossen hatte57-1. Einerseits stachelten die österreichischen Minister die französische Nation zum Kriege in Deutschland auf, andrerseits benutzte man die Tränen der Dauphine57-2, um das Mitleid Ludwigs XV. zu erregen, damit er Partei für den König von Polen ergriffe. Der Allerchristlichste König gab diesem stürmischen Drängen nach und beschloß, in den deutschen Krieg einzugreifen, schob die Ausführung seines Vorhabens aber hinaus, um einen passenden, scheinbar triftigen Vorwand zu finden. Zu diesem Zwecke beauftragte er Graf Broglie, den französischen Gesandten in Sachsen, den Preußen Anlaß zu geben, ihn in seiner Würde zu beleidigen. Einen geeigneteren Mann zur Entzweiung der beiden Höfe hätte man schwerlich gefunden. Der ihm erteilte Auftrag erklärt sein merkwürdiges Benehmen während der Einschließung der Sachsen im Lager von Pirna. Er war in Dresden zurückgeblieben, versuchte aber verschiedentlich, sich zum König von Polen nach Struppen zu begeben. Trotzdem das allgemein verboten war, wollte er sich den Weg durch die Wachen erzwingen, um sich Tätlichkeiten von ihrer Seite zuzuziehen. Doch sein Bemühen, durch die Postenkette zu dringen, war umsonst. Alle seine Unternehmungen wurden mit großer Höflichkeit und Bestimmtheit vereitelt. Er konnte weder den König von Polen erreichen, noch den leisesten Vorwand zu einem Bruch zwischen Frankreich und Preußen herbeiführen. Da riß dem Versailler Hof die Geduld. Ohne weiteres schickte er Knyphausen, den<58> preußischen Gesandten in Paris, zurück und berief seinen eignen Gesandten in Berlin, Valory, ab58-1. Diesen Aufsehen erregenden Schritt konnte der König von Preußen nicht hinnehmen. Als er aus Böhmen zurückkehrte und sein Hauptquartier in Dresden nahm, ließ er Broglie sagen: jetzt, wo durch die Abberufung der Gesandten jede Beziehung zwischen den beiden Höfen abgebrochen sei, wäre es ungehörig, wenn sich ein französischer Gesandter noch am selben Orte aufhielte wie er selbst. Broglie möchte daher unverzüglich seine Koffer packen und sich zum König von Polen begeben, bei dem er beglaubigt sei. Diesen Bescheid nahm Broglie mit der würdevoll-hochmütigen Miene entgegen, wie sie die französischen Gesandten in der Erinnerung an die schönen Zeiten Ludwigs XIV. aufzusetzen pflegen, reiste aber darum nicht weniger prompt nach Warschau ab. Der Versailler Hof wollte den Bruch. Den leitenden Gesichtspunkt seiner Politik, die nachdrückliche Führung des Seekriegs mit England, hatte er ganz aus den Augen verloren und ließ sich nur noch von seinen Launen und von äußeren Einflüssen treiben. Er erklärte also den Einfall der Preußen in Sachsen für eine Verletzung des Westfälischen Friedens, den er selbst garantiert hatte. Den Vorwand dieser Garantie hielt er für genügend, um sich in den Krieg einzumischen, ja selbst um Schweden hineinzuziehen.

Abbé Bernis, der den Abschluß des Bündnisses mit dem Hause Österreich sehr gefördert hatte, wurde an Stelle von Rouillé Minister des Auswärtigen. Das Ungestüm des französischen Charakters, das die Nation von einem Extrem zum andern treibt, die Planlosigkeit der Minister, die Erbitterung des französischen Herrschers gegen den König von Preußen und schließlich die Mode und die Neuheit der Sache gewannen dem Bündnis mit Österreich bei Hof alle Herzen, ja man hielt es für ein Meisterwerk der Politik. Die österreichischen Minister waren allein in Mode. Sie benutzten den Einfluß, den sie im Staatsrat Ludwigs XV. besaßen, geschickt zu Intrigen und erreichten es, daß im nächsten Frühjahr nicht 24 000 Mann Hilfstruppen, wie Frankreich der Kaiserin-Königin versprochen hatte58-2, sondern 100 000 Franzosen den Rhein überschritten. Bald darauf wurde auch Schweden vom Versailler Ministerium aufgefordert, für seine Garantie des Westfälischen Friedens einzutreten. Der feile schwedische Senat stand schon längst in französischem Solde. Die schwedische Verfassung enthält zwar die ausdrückliche und klare Bestimmung, daß ohne die Zustimmung der drei Stände, die den Reichstag oder die Ständeversammlung bilden, kein Krieg erklärt werden darf, aber die Parteigänger Frankreichs setzten sich über dieses Grundgesetz und über alle in ähnlichen Fällen gebräuchlichen Formen hinweg und folgten blindlings den Vorschriften des Königs von Frankreich58-3.

Während der Versailler Hof so eifrig an den Vorbereitungen zum Umsturz Deutschlands arbeitete, wollte ein Wahnsinniger eine Revolution in Frankreich an<59>zetteln. Ein unbekannter Fanatiker, früher Diener in einem flandrischen Jesuitenkloster, hatte den Plan gefaßt, Ludwig XV. zu ermorden. Der Elende, namens Damiens, begab sich nach Versailles und erspähte den rechten Augenblick zur Ausübung seines scheußlichen Vorhabens. Eines Abends, als der König nach Choisy fahren wollte, schleicht der Tolle sich unter die Menge, nähert sich dem König von hinten und stößt ihm sein Messer in die Seite59-1. Er wurde auf der Stelle ergriffen. Die Verwundung des Königs stellte sich als leicht heraus. Der Verbrecher kam vor das Parlamentsgericht, und die Gefängnisse füllten sich mit Leuten, die er durch seine Angaben belastete. Sie wurden aber wieder in Freiheit gesetzt, da sich ihre Unschuld herausstellte. Bis heute ist die öffentliche Meinung noch ziemlich im unklaren über die Gründe, die das Scheusal zu seinem schändlichen Attentat bewogen haben.

Der Wiener Hof, der in Versailles so große Erfolge hatte, stachelte ebenso geflissentlich die übrigen europäischen Mächte auf. In Petersburg malte er den Einmarsch der Preußen in Sachsen mit den schwärzesten Farben. Das sei eine Beleidigung Rußlands, eine Brüskierung seiner Macht, ja eine offenbare Verachtung der Garantien, die die Kaiserin Elisabeth dem König von Polen für sein Kurfürstentum gegeben hatte. Um die Wirkung dieser Einflüsterungen zu erhöhen, halfen die Österreicher in Petersburg mit Verleumdungen Preußens und mit den nötigen Geldsummen kräftig nach. Zur Beschleunigung des Ausmarsches der russischen Truppen versprach die Kaiserin-Königin der Zarin Elisabeth jährliche Subsidien im Betrage von zwei Millionen Talern. Eigentlich bezahlte Frankreich diese Summe an Österreich als Entschädigung für das Truppenkontingent, zu dem es sich dem Wiener Hofe gegenüber verpflichtet hatte. Österreich aber benutzte das Geld als Subsidienzahlung an Rußland, um die Zarin zur Kriegserklärung gegen Preußen zu bringen59-2.

Auch in Regensburg waren die Gesandten der Kaiserin-Königin eifrig bemüht, die deutschen Reichsstände in die Kriegswirren zu verwickeln. Zugleich schüchterten die Franzosen den Reichstag durch Drohungen ein, sodaß er sich blindlings dem Willen des Wiener Hofes beugte. Der Reichstag beschloß die Aufstellung einer Exekutionsarmee, die schnurstracks in die Mark Brandenburg eindringen sollte. Den Oberbefehl erhielt der Prinz von Hildburghausen59-3, ein österreichischer Feldmarschall. Dann trat der Reichsfiskal auf und behauptete, die Könige von Preußen und England müßten in die Reichsacht erklärt werden. Dagegen wandten einige Fürsten ein, man habe zwar einmal über den Kurfürsten von Bayern die Reichsacht verhängt, aber erst, nachdem er die Schlacht von Höchstädt verloren hatte59-4. Wenn erst die kaiserlichen Heere ähnliche Siege erfochten hätten, stände das gleiche Verfahren gegen die beiden<60> Könige jedermann frei. Auch Frankreich erkannte, daß die übereilte Verkündigung der Reichsacht der Würde des Wiener Hofes schaden müßte und auch zu befürchten wäre, daß die beiden Könige und ihr Anhang sich völlig vom Deutschen Reich lossagten. Das alles stellte Frankreich in Wien vor und riet der Kaiserin-Königin, erst den Erfolg des Schlachtenglücks abzuwarten, bevor sie zu weiteren Maßnahmen schritte. Dieser Rat fand Gehör.

Trotzdem ging der Fiskal mit unerträglicher Frechheit und Grobheit gegen die beiden Könige vor und vergaß völlig die Ehrfurcht und den Anstand, die selbst Feinde vor gekrönten Häuptern zu bewahren pflegen. Die rechte Antwort auf die beleidigenden und schroffen Schriftstücke des Reichstags wäre schwer gewesen, hätte nicht Plotho60-1, der preußische Gesandte in Regensburg, die Gabe und das Geschick gehabt, seine Feder in die gleiche Galle zu tauchen. Der Stil des kaiserlichen Hofes war nicht sanfter, unterschied sich aber von den Schriften des Fiskals durch hochfahrende Unverschämtheit und eine mit Arroganz und Hochmut gepaarte Anzüglichkeit. Der König war über dies Vorgehen empört. Er ließ der Kaiserin bedeuten, man könne sich doch als Feind gegenüberstehen, ohne einander zu beschimpfen, und es genüge wohl, wenn Herrscher ihre Streitigkeiten mit dem Degen ausföchten, ohne sich gegenseitig vor aller Welt durch Schriftstücke im Tone von Fischweibern zu erniedrigen, die eines Thrones unwürdig seien. Lange blieben diese Vorstellungen fruchtlos. Sie machten erst einigen Eindruck, als der König mehrere Schlachten gewonnen hatte.

Während ganz Europa gegen die Könige von Preußen und Großbritannien rüstete, befand sich England in einer politischen Zerrüttung, die die Regierung lahmlegte und für die Interessen der Nation verhängnisvoll werden mußte, wäre nicht glücklicherweise ein Umschwung eingetreten, der dem Übel noch zur rechten Zeit steuerte. Der Anstifter dieser inneren Wirren und Zwistigkeiten war der Herzog von Cumberland. Auf solche Weise hoffte er die höchsten Staatsämter mit seinen Kreaturen besetzen zu können. Er war es, der die Nation gegen die Franzosen aufgehetzt hatte. Er allein hatte den Krieg entfacht, in der Hoffnung, das Ministerium würde sich in einer so bewegten Zeit nicht behaupten können. Die ersten Unternehmungen der Engländer verliefen so unglücklich, daß sie Port-Mahon verloren60-2. Gerade das benutzte die Partei des Prinzen, um die Schuld auf die Ungeschicklichkeit des Herzogs von Newcastle zu schieben. Nach Zusammentritt des Parlaments erhitzten sich die Gemüter, die Erbitterung der Parteien wuchs, und durch die Intrigen des Herzogs von Cumberland wurden so viele Triebfedern in Bewegung gesetzt, daß der Herzog von Newcastle, von der Gegenpartei mehr ermüdet als besiegt, sein Amt niederlegte60-3. Die Partei Cumberlands triumphierte und verschaffte die Staatssiegel Fox60-4, einer<61> Kreatur des Prinzen. Aber der neue Zustand, dem jeder innere Halt fehlte, war auf die Dauer unmöglich. Fox selbst gab die mit soviel Intrigen für ihn eroberte Stellung auf, und der Herzog von Newcastle trat wieder in sein Amt. Dieser Ministerwechsel hätte indessen keine weiteren Folgen gehabt, wäre dadurch nicht eine Art Stagnation in die Staatsgeschäfte gekommen. Die Minister und die Großen des Reiches bekümmerten sich nämlich weit mehr um ihre Parteiinteressen als um die Maßnahmen gegen Frankreich. Ihr Haß galt weit mehr ihren Rivalen als den Feinden des Landes, und so trafen sie gar keine Anstalten zum bevorstehenden Feldzuge. Niemandem fiel es ein, Pläne für den bisher so unglücklichen Seekrieg zu entwerfen, und noch viel weniger für den Krieg, der ganz Deutschland in Flammen zu setzen drohte. Nichts war dem König von Preußen in diesem Augenblicke wichtiger, als daß die Engländer Vorbereitungen zum Kontinentalkrieg träfen. Da er im großen und ganzen voraussah, worauf die Operationen des französischen Heeres im Reiche hinauslaufen würden, sandte er dem König von Großbritannien einen selbstentworfenen Plan zur gemeinsamen Verteidigung Deutschlands61-1. Seine Denkschrift umfaßte die folgenden Punkte. Der König schlug vor, Wesel zu behaupten und es zum Waffenplatz der Verbündeten zu machen, weil man von dort aus den Rheinübergang beherrschte. Die Armee sollte an einem geeigneten Ort hinter der Lippe zwischen Wesel und Lippstadt zusammengezogen werden; denn in dieser Stellung hatte man den Vorteil, die Truppen nach Bedarf gegen den Rhein oder gegen die Weser verwenden zu können. Marschierten die Franzosen nach Hessen, so konnte die Armee an der Lippe sie durch einen Vorstoß gegen Frankfurt von ihrem Vorhaben abbringen. In der Zeit aber, wo die Armee der Alliierten durch ihre Operationen vom Rhein ferngehalten wurde, sollte die Festung Wesel den Franzosen zu schaffen machen, bis man ihr zu Hilfe kommen konnte. Überdies war es, solange Wesel sich hielt, nicht wahrscheinlich, daß die französischen Truppen am Niederrhein allzu tief in Westfalen eindrangen. Aber der König von England, der sich mit solchen Dingen wenig befaßt hatte, las den Plan durch, ohne seine Wichtigkeit zu begreifen. Ja, der Vorschlag, Wesel zu behaupten, machte ihn mißtrauisch gegen die Gründe des Königs von Preußen. Dagegen setzte er blindes Vertrauen in seine hannöverschen Minister, die ihm unaufhörlich vorstellten, man müsse sich auf die Verteidigung der Weser beschränken. Die Idee war grundfalsch, denn die Weser ist fast überall durchwatbar, und das hannöversche Ufer wird von dem gegenüberliegenden beherrscht. Was also auch Münchhausen61-2 anführen mochte: die Natur verbot jedem einsichtigen Feldherrn die Verteidigung des hannöverschen Ufers. Trotzdem drang Münchhausens Rat durch. Nur eins wurde beim König von England durchgesetzt: seine Zustimmung zur Rückkehr der hannöverschen und hessischen Truppen nach Deutschland61-3.

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Das mangelnde Einvernehmen zwischen Preußen, England und Hannover zwang den König von Preußen zur Veränderung seiner Maßnahmen in bezug auf das Herzogtum Kleve und die Festung Wesel. Da er Wesel nun aufgeben mußte, ließ er einen Teil der Festungswerke schleifen und die zahlreichen Festungsgeschütze zu Wasser nach Magdeburg schaffen. Die Garnison erhielt Befehl zur Räumung der Stadt und zum Rückzug nach Bielefeld. Dort sollte sie sich im nächsten Frühjahr der Armee der Alliierten anschließen, die sich unter dem Herzog von Cumberland in der Gegend versammeln sollte.

Nachdem die hannöverschen Minister eine solche Probe ihres Einflusses auf den König von England abgelegt hatten, war es klar, daß man sich an sie wenden mußte, wenn man wirklich bis zur Quelle der Entscheidungen vordringen wollte. Für die Armee des Herzogs von Cumberland stand alles zu befürchten. Wurde sie doch nicht sowohl vom Herzog als von einem Schwarm von Juristen geführt, die nie ein Lager gesehen, nie ein Buch über Kriegskunst gelesen hatten, sich aber einem Marlborough und Eugen ebenbürtig wähnten. Die preußischen und englischen Interessen waren zu eng verknüpft, als daß der König von Preußen den falschen Entschlüssen seiner Alliierten gleichmütig zusehen konnte. Aber noch hoffte er ihnen vorbeugen zu können, und zu dem Zweck sandte er General Schmettau62-1 nach Hannover. Schmettau machte den dünkelhaften und unwissenden hannöverschen Ministern die energischsten Vorstellungen, um sie von ihrem Feldzugsplan abzubringen. Er bewies ihnen dessen Mängel, sagte die Folgen voraus. Doch umsonst! Hätte man Arabisch mit ihnen gesprochen, sie hätten ebensoviel verstanden. Bei ihrem beschränkten Gesichtskreise fehlte ihnen jedes logische Denkvermögen. Sie waren außerstande, einer militärischen Darlegung zu folgen, und ihr enger Geist machte sie mißtrauisch. Die Furcht, in einer ihnen unbekannten Materie hintergangen zu werden, bestärkte sie noch in ihrer natürlichen Halsstarrigkeit, mit der sie an ihrer Meinung festhielten. Kurz, Schmettaus Sendung scheiterte völlig.

An dem folgenden Beispiel mag der Leser sich selbst ein Urteil über die Art dieser Verhandlungen und über die Leute bilden, mit denen Schmettau zu tun hatte. Er fragte, welche Vorkehrungen zur Verproviantierung der Armee getroffen wären. Münchhausen antwortete: „Wir haben einige Mehlvorräte, und wir haben 100 Bauernwagen aufgeboten, um den Truppen das Brot zuzuführen.“ Dabei überstieg das Korps der Verbündeten 30 000 Mann. Es hätte 300 Brotwagen und 400 Karren zum Mehltransport nötig gehabt. Solche Maßregeln ergriffen die unwissenden und dummen hannöverschen Minister gegenüber den starken französischen Kräften, die gegen sie ins Feld rücken sollten!

Aber der geheime und wahre Beweggrund ihrer Lässigkeit war ein ganz anderer. Die Franzosen, schlauer als sie, hatten ihnen weisgemacht, daß sie nur durch ihr Land<63> marschieren wollten und daß ihr Feldzugsplan sich lediglich gegen den König von Preußen richtete. Sie beabsichtigten, kurz gesagt, nichts, als Magdeburg zu belagern, und wenn die Hannoveraner dabei ruhig zusehen wollten, so würde ihr Land während des Feldzuges unbehelligt und das Ansehen der Herren Minister gewahrt bleiben. Dieser verlockende Gedanke hatte sich in den aberwitzigen Köpfen der hannöverschen Minister so festgesetzt, daß sie der französischen Armee beim Anmarsch auf die hannöversche Grenze englische Jäger als Führer entgegenschickten! So fielen die Minister ihrer Leichtgläubigkeit zum Opfer, und die Franzosen züchtigten sie für ihre Treulosigkeit gegen den König von Preußen, wie man aus dem Hergang des nächsten Feldzuges ersehen wird.

Während all diese Unterhandlungen Europa in Aufregung hielten, erfuhr der König von Preußen in Dresden neue Widerwärtigkeiten durch die Königin von Polen. Sie ließ ihn zwar täglich durch ihren Oberhofmeister, Baron Wessenberg, begrüßen und ihn überschwenglich ihrer Freundschaft versichern, stand aber in geheimem Einvernehmen mit den österreichischen Generalen und unterrichtete sie von allem, was sie irgend erfahren konnte. Ihr unerhörtes Betragen führte zu besonderen Vorsichtsmaßregeln. Um den Briefwechsel der Königin abzufangen, wurden an den Stadttoren alle Warenballen und Pakete aus Böhmen genau untersucht. Eines Tages öffnete man eine Kiste mit Würsten. Sie war an die Oberhofmeisterin der Königin, Gräfin Ogilvy, adressiert, die Güter in der Nähe von Leitmeritz besaß. Die Untersuchung der Würste ergab, daß sie mit Briefen vollgestopft waren. Nach dieser Entdeckung wurde der Hof in seiner Korrespondenz etwas zurückhaltender, aber das Spiel ging in gleicher Weise fort, nur mit dem Unterschied, daß man es noch schlauer betrieb. Auch ließ die Königin es in ihrer Tücke nicht dabei bewenden. Sie sandte geheime Agenten nach allen Garnisonen, in denen der König neue Regimenter aus den am Lilienstein gefangenen Sachsen errichtete, und ließ sie zu Aufsässigkeit, Meuterei und Desertion aufreizen. Das gelang auch bei vielen, sodaß bei Beginn des nächsten Feldzuges ganze Abteilungen meuterten und zum Feinde übergingen.

Der König von Polen und seine Verbündeten beabsichtigten, diese Truppen in Ungarn neu zu formieren und sie wieder auf den alten Stand vor ihrer Gefangennahme durch die Preußen zu bringen. Die Soldaten brachten sie zwar zusammen; da es aber an Offizieren fehlte, griffen sie zu einem in der Geschichte der weltlichen Fürsten beispiellosen Mittel. Die Kaiserin-Königin und der Allerchristlichste König entbanden die sächsischen Offiziere ihres Ehrenworts, nicht mehr gegen die Preußen zu fechten. Viele Offiziere waren feig genug, zu gehorchen. Im dunklen Mittelalter findet man wohl Päpste, die die Völker vom Treueid gegen ihre Herrscher lossprachen. Man findet einen Kardinal Julian Cesarini, der König Wladislav von Ungarn zum Bruche des Friedens bestimmte, den er Soliman geschworen hatte63-1.<64> Aber das Verbrechen, den Meineid zu sanktionieren, begingen nur einige ehrgeizige und rachsüchtige Kirchenfürsten, niemals jedoch Könige, bei denen man Treu und Redlichkeit selbst dann noch finden sollte, wenn sie vom übrigen Erdboden verschwunden wären64-1. Ich erwähne solche Züge nur als Beispiele für die Erbitterung, Hartnäckigkeit und Gehässigkeit, die in diesem Kriege herrschten und ihn vor allen andern auszeichnen. Indes hatten Frankreich und Österreich von den sächsischen Regimentern nicht die erwarteten Vorteile. Sie wurden um ihr Geld und um ihren Eidesdispens betrogen.

In dieser allgemeinen Gärung waren die feindlichen Truppen in ihren Winterquartieren nicht minder rührig als die Unterhändler in ihren Intrigen. Am stärksten war das preußische Korps in der Lausitz den feindlichen Unternehmungen ausgesetzt. Die Lausitz springt bei Zittau in das böhmische Gebiet vor und spitzt sich hier immer mehr zu. Die Österreicher umringten diesen Zipfel mit starken Korps, die sie in Friedland, Gabel und Rumburg postierten. An ihre Spitze stellten sie junge Offiziere, die auf eine Gelegenheit brannten, sich auszuzeichnen. So waren die Detachements denn fast den ganzen Winter im Felde. Das eine kommandierte Fürst Löwenstein, das andere der Sohn des Feldmarschalls Lacy, der sich in russischen Diensten ausgezeichnet hatte. Bald machten sie Vorstöße gegen die Stellung bei Ostritz, bald gegen die bei Hirschfelde oder Kloster Marienthal. Zwar gelang es ihnen nicht, die Preußen in ihren Stellungen zu überrumpeln, aber diese hatten doch jedesmal unnütze Verluste. Bei einem solchen Gefechte fiel Major Blumenthal64-2 vom Regiment Prinz Heinrich und mit ihm viele Leute, die man zu etwas Besserem hätte brauchen können. Immerfort wurde das Lestwitzsche Korps in Zittau und das des Herzogs von Bevern in Görlitz durch solche Plänkeleien ermüdet. Bald mußten sie nach dieser, bald nach jener Seite Hilfe schicken, kurz, die Unruhe und Regsamkeit der Österreicher hielt sie beständig in Atem und Bewegung. Dabei verstärkte der Feind sich in der Umgegend durch Truppen aus Flandern, die kürzlich zur Armee gestoßen waren. Das Spiel wäre auf die Dauer also ungleich geworden. Da die Preußen Verstärkungen brauchten, wenn sie sich in der Lausitz behaupten wollten, so ließ der König die Reserven heranrücken, die bisher in Pommern an der ostpreußischen Grenze gestanden hatten. Sie waren ursprünglich zur Verstärkung des Feldmarschalls Lehwaldt bestimmt, damit dieser sich leichter gegen die russische Übermacht halten konnte64-3. Aber die unmittelbare Gefahr ging der vor, die man erst von ferne herankommen sah. Auch war zu bedenken, daß bei allzu gleichmäßiger Verteilung der Streitkräfte auf drei Armeen keine von ihnen zu einem energischen und entscheidenden Streich stark genug war. Dagegen hatte man bei Versammlung einer großen Truppenmacht in Sachsen die Hoffnung, gleich zu Beginn des neuen Feldzugs einen bedeutenden Sieg<65> über die Kaiserlichen davonzutragen, der ihre Bundesgenossen entmutigte und wohl gar den einen oder anderen von den Kriegs- und Eroberungsplänen abschreckte, die ihr Ehrgeiz ausbrütete. Gegen Mitte März kamen die Regimenter aus Pommern in Görlitz an. Man verwandte sie zur Verstärkung der Stellungen, die nicht genügend mit Truppen versehen waren, und fortan verhielten sich auch die Feinde ruhig.

Zu dieser Zeit reiste der König nach Schlesien, um sich mit Feldmarschall Schwerin zu besprechen. Sie trafen sich in Haynau und entwarfen dort den Plan zum nächsten Feldzuge65-1. Auch wurden entsprechende Vorkehrungen getroffen, daß die Truppen davon nichts erfuhren. Danach kehrte der König nach Dresden zurück. In Sachsen wie in Schlesien traf man alle Vorbereitungen zur Ausführung des entworfenen Planes, sobald die Verproviantierung und die Jahreszeit es erlaubten.

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6. Kapitel

Feldzug von 1757.

Gegen Ende März bezogen die preußischen Truppen Kantonnementsquartiere. Sie waren in vier Korps geteilt. Prinz Moritz führte den Oberbefehl bei Zwickau. Der König stand mit der Hauptarmee zwischen Dresden, Pirna, Berggießhübel und Dippoldiswalde. Bei Zittau hatte der Herzog von Bevern sein Korps aus den Winterquartieren in der Lausitz zusammengezogen. Feldmarschall Schwerin war mit seiner Armee gegen die böhmische Grenze zwischen Glatz, Friedland und Landeshut gerückt. Nach dem Feldzugsplan sollten die vier Korps gleichzeitig in Böhmen eindringen und auf verschiedenen Wegen bei Prag zusammentreffen, das als Vereinigungspunkt galt. Durfte man sich von diesem allgemeinen Vormarsch doch große Verwirrung unter den verschiedenen, in ihren Quartieren verstreuten feindlichen Korps versprechen. Ja, man konnte hoffen, einige von ihnen zu überrumpeln und mit den andern Gelegenheit zu Sondergefechten zu finden. Rieb man nur einen Teil davon auf, so hätten die Preußen für den ganzen Feldzug das Übergewicht erlangt. Auch konnte es zu einer Entscheidungsschlacht kommen, die das Schicksal des ganzen Krieges bestimmte. Um so wichtiger war die Geheimhaltung des Planes. Gelingen konnte er nur bei völliger Unkenntnis von seiten der Feinde, des verräterischen sächsischen Hofes und der Armee selbst, die ihn aus Unachtsamkeit verbreitet hätte.

Um Freund wie Feind gleichermaßen irrezuführen, wurde Dresden befestigt und mit Palisaden versehen, kurz, in verteidigungsfähigen Zustand gesetzt. Gleichzeitig ließ der König, wie zur Vorbereitung auf einen Defensivkrieg, rings um Dresden eine Reihe von starken Lagern abstecken: bei Cotta, Maxen und Possendorf, beim Windberg und bei Mohorn. Die dabei verwendeten sächsischen Jäger hatten nichts Eiligeres zu tun, als es dem sächsischen Hofe zu hinterbringen, und die Königin von Polen verfehlte nicht, die Mitteilung sofort an die österreichischen Generale zu befördern. Indessen ließ man es bei diesen auf Täuschung berechneten Demonstrationen nicht bewenden. Um die feindlichen Generale noch mehr in Sicherheit zu wiegen, wurden einige schwache Einfälle in Böhmen gemacht, gewissermaßen zur Vergeltung für die Streifzüge, die der Feind im vergangenen Winter zur Beunruhigung der<67> Preußen in die Lausitz unternommen hatte. Zu diesem Zweck machte Prinz Moritz einen Vorstoß in der Richtung auf Eger. Feldmarschall Keith griff bei Schluckenau unerwartet ein österreichisches Detachement an. Bei Böhmisch-Friedland überraschte der Herzog von Bevern 400 Mann Fußvolk und Panduren und nahm sie gefangen. Alle diese kleinen Scharmützel wiegten die Kaiserlichen in Sicherheit. Sie redeten sich ein, der König beschränke sich auf kleine Handstreiche und habe nichts Größeres im Sinne.

Die vier preußischen Heeresabteilungen setzten sich teils am 20., teils am 21. April in Marsch. Prinz Moritz drang über Sebastiansberg in Böhmen ein und rückte von da auf Komotau. Der König lagerte bei Nollendorf, schob seine Avantgarde bis Karbitz vor und detachierte von da die Brigade Zastrow zur Besetzung von Aussig und zur Vertreibung der Österreicher aus dem Schlosse von Tetschen. Am nächsten Tage rückte die Armee bis Hlinay vor, wo Prinz Moritz von Brüx her zu ihr stieß (25. April). Beim Anmarsch der Preußen verlegten die Österreicher ihre Quartiere über die Eger zurück. Das Schloß von Tetschen ergab sich erst am 28. April. Leider fand Zastrow67-1 dabei den Tod.

Nun überschritt die Armee den Paschkopole, zog durch die Ebene von Lobositz und lagerte bei Trebnitz. Der rechte Flügel lehnte sich an den Paschkopole. Die Hasenburg wurde besetzt. Die Stellung lag der des Feldmarschalls Browne bei Budin gegenüber. Wie man wußte, erwartete Browne für den nächsten Morgen eine österreichische Division, die im Saazer und Egerer Kreis überwintert hatte. Um ihrer Vereinigung zuvorzukommen, ja selbst einen Angriff zu versuchen, bevor sie das Lager von Budin erreichte, beschloß man, die Armee noch in derselben Nacht anderthalb Meilen oberhalb des Browneschen Lagers über die Eger zu werfen. Bot sich dann auch keine Gelegenheit, die Division auf dem Marsche zu schlagen, so wurde Browne durch diese Bewegung doch wenigstens zum Aufgeben seiner umgangenen Stellung gezwungen. Daraufhin schlug man bei Koschtitz zwei Brücken. Sie wurden aber erst am nächsten Morgen so weit fertig, daß die Truppen über die Eger gehen konnten (27. April). Die sofort zur Rekognoszierung vorgeschickten Husaren stießen bei Perutz auf die Division, die sich mit Brownes Heer vereinigen sollte. Indes hatte der Feind vom Übergang der Preußen Kunde erhalten und zog sich auf Welwarn zurück, ohne daß man ihm etwas hätte anhaben können; denn bisher hatte kaum die Hälfte der Armee den Fluß überschritten. Auch hatte Feldmarschall Browne bemerkt, daß seine Stellung umgangen war, und da er begriff, daß eine Vereinigung mit der heranrückenden Division nur beim Rückzug auf Welwarn möglich war, brach er sofort dahin auf. Die preußischen Husaren beunruhigten seine Nachhut und machten einige Gefangene.

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Die Armee des Königs lagerte bei Budin und verwandte den folgenden Tag zur Instandsetzung der Egerbrücken, um die Verbindung mit Sachsen zu sichern. Die bedeutenden feindlichen Magazine bei Martinowes, Budin und Charwatetz fielen in die Hände der Preußen, wodurch die Verproviantierung der Truppen bedeutend erleichtert wurde. Von Budin rückten die Preußen auf Welwarn, das der Feind eben geräumt hatte, und schoben eine Avantgarde von 40 Schwadronen und allen Grenadieren der Armee bis nach Tuchomirschitz vor. Der König, der selbst bei der Avantgarde war, sah, daß Brownes Armee sich noch auf dem Marsche befand. Die Nachhut, die den Marschkolonnen folgte, reizte ihn durch ihr unsicheres Benehmen zum Angriff. Zieten führte ihn aus und nahm 300 Mann gefangen. Der Feind hatte sich anfangs auf dem Weißen Berge postiert, verließ ihn aber am 2. Mai. Die preußische Avantgarde besetzte ihn und sah, wie der Feind durch Prag marschierte und ein Lager am jenseitigen Ufer der Moldau aufschlug. Noch am selben Tage besetzte die Armee des Königs die ganze Umgegend der Stadt und schloß sie in eine Art von Ringwall ein. Ihr rechter Flügel lehnte sich an die obere Moldau. Von da zog sich das Lager um St. Rochus, das Kloster St. Maria de Viktoria und Weleslawin bis nach Podbaba an der unteren Moldau.

Während des Vormarsches der vom König geführten Armee war der Herzog von Bevern nicht müßig geblieben. Er war am 20. April in Böhmen eingerückt und hatte seinen Weg über Grottau und Kratzau auf Machendorf genommen. Unterwegs schlug seine Kavallerie ein österreichisches Detachement unter dem Grafen Königsegg, das zum Rekognoszieren vorgerückt war. Der Feind, dessen Stärke man auf 28 000 Mann schätzte, hatte bei Reichenberg eine vorteilhafte Stellung eingenommen. Am 21. April ging der Herzog von Bevern zum Angriff gegen ihn vor und marschierte in zwei Kolonnen nach Habendorf. Sein Weg führte über einen Damm. Er ließ sich dadurch aber keineswegs aufhalten, da der Feind den Weg nicht mit Musketenfeuer verteidigen konnte. Jenseits des Defilees stand Königseggs Korps in Hufeisenform. In der Mitte hielt die österreichische Kavallerie auf einer kleinen Ebene, zu drei Treffen formiert und von den beiden Infanterieflügeln umfaßt. Diese standen mit dem Rücken an dichte Wälder gelehnt und hatten vor sich an einigen Stellen Verhaue und mit Geschützen besetzte Schanzen, deren Feuer ihre Reiterei deckte.

Der rechte Flügel des Prinzen von Bevern griff den feindlichen linken Flügel an. Zugleich warfen sich 15 preußische Schwadronen auf die in der Ebene stehende Kavallerie und trieben sie in wilder Flucht zurück. Der Prinz von Württemberg verrichtete dabei Wunder der Tapferkeit. Nun griff Lestwitz den rechten feindlichen Flügel und die Schanzen an, die Reichenberg deckten. Obgleich es vorher durch mehrere Defileen mußte, eroberte das Regiment Darmstadt die Schanzen und zwang den Feind zur Flucht. Er wurde von Höhe zu Höhe bis Röchlitz und Dörfel verfolgt. Aber bei den Schwierigkeiten des bergigen Geländes und bei der Unmöglichkeit, einen in völliger Auflösung fliehenden Feind mit Truppen in geschlossener Ordnung einzuholen, konnte<69> der Herzog von Bevern das feindliche Korps nicht völlig aufreiben. Die Österreicher verloren im Treffen bei Reichenberg etwa 1 800 Mann, darunter 800 Gefangene. Dagegen betrugen die preußischen Verluste nicht mehr als 300 Mann, da der Feind keinen hartnäckigen Widerstand geleistet hatte. Der Herzog von Bevern verfolgte Königsegg bis Liebenau. Dort verbot ein unwegsamer Engpaß, hinter dem die Österreicher sich wieder gesammelt hatten, jedes weitere Vordringen.

Auf dieser Seite wäre ein weiterer Vormarsch der Preußen also unmöglich gewesen, wäre Feldmarschall Schwerin nicht rechtzeitig zur Unterstützung herangerückt. Die schlesische Armee drang am 18. April als erste in Böhmen ein, und zwar auf fünf verschiedenen Straßen. Die erste Kolonne marschierte über Schatzlar und hätte dort beinahe die sächsischen Prinzen überrascht. Die zweite stieß auf der Straße nach Goldenöls auf 300 Panduren, die ihr von einer schroffen Felshöhe herab den Durchzug verwehrten. Aber Winterfeldt fand Mittel und Wege, die Felsen durch einige Truppen erklimmen zu lassen. Sie fielen den Panduren in den Rücken und hieben sie sämtlich nieder. Die drei übrigen Kolonnen, die durch die Grafschaft Glatz rückten, trafen auf keinen Feind und vereinigten sich mit den andern bei Königinhof. Feldmarschall Schwerin hatte bereits Meldung von allem erhalten, was beim Heere des Herzogs von Bevern geschehen war. Deshalb zog er hinter Königsegg her, um ihn in seinem Lager bei Liebenau zu überrumpeln. Aber die Österreicher brachen ihr Lager in aller Hast ab und wollten auf Jung-Bunzlau marschieren. Hier kam ihnen Schwerin indes zuvor und nahm ihnen zugleich ein bedeutendes Magazin fort, das<70> sie in Kosmanos errichtet hatten (26. April). Dort stieß auch das Lausitzer Korps zur schlesischen Armee.

Während Königsegg sich in Eilmärschen auf Prag zurückzog, folgte ihm der Feldmarschall bis Benatek und detachierte von dort aus General Wartenberg70-1, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben. Wartenberg vernichtete bei Alt-Bunzlau die 1 500 Mann starke österreichische Nachhut, die fast ganz getötet oder gefangen wurde (2. Mai). Aber auch der tapfere General, einer der besten preußischen Reiterführer, kam dabei ums Leben. Er wurde allgemein betrauert. Nun marschierte Fouqué mit der Avantgarde des Feldmarschalls auf Alt-Bunzlau und blieb dort bis zum 4. Mai, um die Elbbrücken wiederherzustellen, die die Feinde zur Deckung ihres Rückzuges abgebrochen hatten. Noch am selben Tage ging der Feldmarschall mit seinem Heere über die Elbe und schlug anderthalb Meilen von Prag sein Lager auf.

Ein Teil der Truppen, die im letzten Jahre von Piccolomini geführt worden waren, hatte sich noch nicht zusammengezogen. Nach Piccolominis Tode hatte Feldmarschall Daun das Kommando übernommen. Auf das Gerücht von den verschiedenen Einfällen der Preußen erhielt der Feldmarschall Befehl, seine Armee zu versammeln und unmittelbar gegen Prag vorzugehen. Dort erwartete ihn Browne um so sehnlicher, als er sah, daß die ganze preußische Heeresmacht unverzüglich über ihn herfallen würde. Der König erhielt Meldung vom Anmarsch des Feldmarschalls Daun, konnte aber gegen Browne, der durch die Moldau und Prag gedeckt war, nichts unternehmen. Überdies waren die Dinge bereits so weit gekommen, daß das Schicksal der beiden Armeen notwendig durch eine Schlacht entschieden werden mußte. Da man aber nur auf dem jenseitigen Moldauufer fechten konnte, beschloß der König, Browne noch vor seiner Vereinigung mit Daun anzugreifen. Zu dem Zweck ließ er bei Selz eine Brücke über die Moldau schlagen und überschritt sie am 5. Mai mit 20 Bataillonen und 40 Schwadronen. Er hatte Zeit, die feindliche Stellung zu rekognoszieren, und fand, daß ein Angriff auf Brownes Front zu schwierig war, während bei Umgehung des rechten feindlichen Flügels das Gelände größere Vorteile bot.

Bei Anbruch des folgenden Tages vereinigten sich die beiden preußischen Armeen in Kanonenschußweite vom Feinde, und der Angriff ward unverzüglich beschlossen. Der linke Flügel der Österreicher lehnte sich an den Ziskaberg und war durch die Festung Prag gedeckt. Eine Schlucht von mehr als 100 Fuß Tiefe schützte die Front, und der rechte Flügel endigte auf einer Anhöhe, an deren Fuß das Dorf Sterbohol liegt. Um den Kampf nicht mit zu ungleichen Waffen zu beginnen, mußte Browne gezwungen werden, einen Teil der Höhen zu verlassen und sich in die Ebene herabzuziehen. Zu dem Zweck änderte der König seine Schlachtordnung. Die Armee war in mehreren Kolonnen aufgebrochen. Nun wurde sie in zwei Treffen formiert und marschierte auf dem Wege nach Poczernitz links ab. Sobald Browne diese Bewegung<71> bemerkte, rückte er mit den Grenadieren der Reserve, der Kavallerie des linken Flügels und dem zweiten Infanterietreffen parallel neben den Preußen her. Das hatte man gerade erreichen wollen. Die Armee des Königs ging durch Defileen und Sümpfe, die die Truppen etwas auseinanderbrachten, auf Bechowitz vor. Die preußische Kavallerie stieß durch das Dorf und fand dahinter eine von einem Teich begrenzte Ebene, die ihr gerade Raum genug bot, sich zu formieren. Zwischen Dorf und Teich eingekeilt und gegen jeden Seitenangriff geschützt, griff sie die österreichische Kavallerie dreimal hintereinander herzhaft an, durchbrach sie und schlug sie völlig in die Flucht.

Kaum waren 10 Bataillone des linken Flügels aufgestellt, so griffen sie, noch ehe das zweite Treffen heran war, den Feind übereilt und mit mehr Mut als Klugheit an. Sie wurden von furchtbarem Artilleriefeuer empfangen und zurückgeworfen, aber wahrlich nicht zu ihrer Unehre; denn die tapfersten Offiziere und die Hälfte der Bataillone bedeckten das Schlachtfeld. Feldmarschall Schwerin war trotz seines hohen Alters noch vom ganzen Feuer der Jugend beseelt. Über das Zurückweichen der Preußen empört, ergriff er eine Fahne, setzte sich an die Spitze seines Regiments und führte es selbst zum Angriff vor. Er verrichtete Wunder der Tapferkeit, aber da noch nicht Truppen genug zur Unterstützung heran waren, so unterlag er und fand selbst den Tod. So endete er sein glorreiches Leben und erwarb sich noch im Sterben neuen Ruhm.

Mittlerweile rückte das zweite Treffen heran. Der König zog noch Prinz Ferdinand von Braunschweig mit einigen Regimentern herbei, und der Kampf wurde wieder aufgenommen. Das war um so leichter, als auch Tresckow71-1 mit seiner mehr rechts stehenden Brigade die feindlichen Reihen durchbrach. Nun ließ der König die Regimenter Markgraf Karl und Jung-Braunschweig vorrücken, nahm Tresckow auf und trieb die österreichische Infanterie mit vereinten Kräften bis über ihre Zelte hinaus, zu deren Abbrechen sie keine Zeit mehr gehabt hatte. Jetzt wurde die Flucht auf dem rechten feindlichen Flügel allgemein. Man rief nach der Kavallerie, um die Verwirrung auszunutzen, aber unglücklicherweise waren die Husaren und Dragoner über die Bagage des fliehenden Feindes hergefallen und kamen zu spät, um sich auf die Infanterie zu stürzen. Sonst wäre sie Mann für Mann gefangen genommen oder niedergehauen worden.

Das hinderte den König indes nicht, dem Feinde kräftig nachzusetzen. Puttkamer71-2 wurde mit Husaren gegen die Sazawa vorgeschickt, wohin sich ein Teil der Flüchtlinge gerettet hatte, und das Gros der Armee rückte gegen den Wischehrad, sodaß der linke Flügel der Österreicher völlig vom rechten abgeschnitten war.

Der rechte preußische Flügel sollte ursprünglich garmcht in die Schlacht eingreifen, erstens wegen der schon erwähnten, vor ihm liegenden tiefen Schlucht und zweitens<72> wegen des unvorteilhaften Geländes. Aber durch die Unvorsichtigkeit Mansteins72-1, den sein allzu hitziger Mut bisweilen fortriß, kam er dennoch ins Gefecht. Mansteins Ungestüm geriet beim Anblick des Feindes in Flammen, und er ging ohne Befehl zum Angriff vor. Prinz Heinrich und der Herzog von Bevern mißbilligten zwar sein Vorgehen, wollten ihn aber nicht im Stiche lassen und unterstützten daher seinen Angriff. Die preußische Infanterie erkletterte schroffe Felsen, die vom ganzen linken österreichischen Flügel und von zahlreicher Artillerie verteidigt wurden. Als Prinz Ferdinand von Braunschweig sah, daß es auf jener Seite zum Gefecht gekommen war und seine Anwesenheit auf dem linken Flügel, wo er keinen Feind mehr vor sich hatte, überflüssig wurde, fiel er den Österreichern in die Flanke und in den Rücken und unterstützte den Angriff des Prinzen Heinrich dadurch so vorteilhaft, daß dieser drei feindliche Batterien erobern konnte und den Gegner von Höhe zu Höhe verfolgte.

Die Besiegten, die sich im Rücken durch preußische Bataillone beim Dorfe Michle von der Sazawa abgeschnitten sahen, wußten sich nicht anders zu retten, als indem sie sich in die Stadt Prag warfen. Sie versuchten zwar, nach dem Wischehrad durchzubrechen, wurden aber dreimal von der preußischen Kavallerie zurückgetrieben. Sie versuchten ferner nach Königsaal72-2 zu entweichen, aber auch daran wurden sie durch Feldmarschall Keith gehindert, dessen Armee alle Höhen besetzt hielt, an deren Fuß sie vorbei mußten. Man wußte zwar, daß ein Teil der flüchtigen kaiserlichen Armee sich in die Stadt Prag geworfen hatte, aber die genaue Zahl war nicht bekannt, und so mußte man sich damit begnügen, die Stadt einzuschließen und zu blockieren, so gut es die Dunkelheit und das nach Siegen so häufige Durcheinander erlaubte.

Die Schlacht bei Prag begann um neun Uhr morgens und dauerte einschließlich der Verfolgung bis acht Uhr abends. Sie war eine der mörderischsten des ganzen Jahrhunderts. Die Österreicher verloren 24 000 Mann, darunter an Gefangenen 30 Offiziere und 5 000 Mann, außerdem 11 Standarten und 60 Kanonen. Die Verluste der Preußen beliefen sich auf 18 000 Mann, darunter Feldmarschall Schwerin, dessen Verlust allein 10 000 Mann aufwog. Sein Tod ließ die Lorbeern des Sieges welken: er war mit seinem Blute zu teuer erkauft. Bei Prag fielen auch die Säulen der preußischen Infanterie. Fouqué und Winterfeldt wurden schwer verwundet. Es fielen Hautcharmoy und Goltz, der Prinz von Holstein, Manstein vom Regiment Anhalt72-3 und zahlreiche tapfere Offiziere und altgediente Soldaten, zu deren Ersatz ein so blutiger und erbitterter Krieg keine Zeit ließ.

Am folgenden Morgen sandte der König den Obersten Krockow nach Prag, um die Stadt zur Übergabe aufzufordern. Der Oberst war höchst erstaunt, den Prinzen Karl von Lothringen dort zu finden und mit Sicherheit zu erfahren, daß 40 000 aus<73> der Schlacht entkommene Österreicher in Prag eingeschlossen waren. Auf diese Nachricht hin mußte der König verschiedene Maßnahmen ergreifen. Er bemächtigte sich des Fiskaberges, wo nun der rechte Flügel der Armee sein Lager aufschlug. Von hier zog sich die preußische Stellung unter Benutzung aller nach Prag abfallenden Weinberge über Michle bis Podol an der Moldau. Dort wurde zur Sicherung der Verbindung mit Feldmarschall Keith eine Brücke geschlagen, desgleichen bei Branik an der unteren Moldau.

Prag kann eigentlich nicht als Festung gelten. Es liegt in einer Niederung und ist von Weinbergen und Felsen umgeben, die es von allen Seiten gleichmäßig beherrschen. Die Gräben sind trocken, die Festungswerke nur mit leichtem Mauerwerk bekleidet, die Brustwehren an vielen Stellen zu schmal, die Wallinien zu lang, und alles war während des Friedens stark vernachlässigt, sodaß man die Werke an verschiedenen Stellen stürmen konnte. Andrerseits konnte die starke Besatzung nur in aller Form angegriffen werden. Dazu bedurfte es aber einer viel stärkeren Armee als der preußischen, die außerdem noch durch Entsendung notwendiger Detachements, auf die wir gleich eingehen werden, geschwächt war. Aus all diesen Gründen begnügte sich der König mit der Einschließung, um die Besatzung womöglich durch Hunger zur Übergabe zu zwingen. Er hoffte, die Getreidemagazine durch ein Bombardement in Brand schießen zu können, zog zu dem Zweck Mörser und Kanonen heran und ließ drei große Batterien errichten, eine auf dem Ziskaberge, die zweite vor Michle, die dritte bei der Stellung des Feldmarschalls Keith, nach dem Strohhof73-1 zu. Doch umsonst! In den Kasematten der Bastionen waren die Vorräte vor den preußischen Kanonen geschützt.

Während dieser Vorkehrungen zur Belagerung Prags war Feldmarschall Daun bis Böhmisch-Brod vorgerückt. Sofort sandte ihm der König Zieten entgegen, bald darauf auch den Herzog von Bevern mit 20 000 Mann, der erst nach Kaurzim, dann nach Kuttenberg marschierte und Daun immerfort zurückdrängte, sodaß er schließlich bis Habern getrieben wurde. Doch mit jedem Schritt rückwärts kam der österreichische Heerführer seinen eigenen Hilfstruppen näher und konnte die bei der Schlacht von Prag versprengten Truppen, die sich über die Sazawa gerettet hatten, an sich ziehen.

Inzwischen schickte der König den Obersten Mayr73-2 mit seinen Freischaren und ungefähr 500 Husaren ins Reich, um die deutschen Fürsten einzuschüchtern, die Versammlung der Reichsarmee zu erschweren und zugleich die Pedanten in Regensburg zu schrecken, deren beleidigende Geschwätzigkeit allen Regeln des Anstandes Hohn sprach. Mayr drang ins Bistum Bamberg ein, rückte bis Nürnberg vor, vertrieb aus Regensburg die hochfahrenden Reichsdeputierten, die sich als Richter von Königen aufspielten, und brach dann in die Oberpfalz ein. Der Kurfürst von Bayern73-3 und viele Fürsten<74> erschraken über seinen Einfall und schickten Unterhändler an den König. Kurz, das ganze Deutsche Reich hätte die Partei der Kaiserin-Königin verlassen, wenn nicht einer jener gewöhnlichen Umschläge des Kriegsglücks den Preußen einen Streich gespielt hätte. Im weiteren Verlaufe des Krieges werden wir häufig solchen Wechselfällen begegnen, die bald die Hoffnungen der Preußen, bald die der Kaiserlichen vernichteten. Mittlerweile dauerte die Belagerung Prags fort. Die Stadt wurde bombardiert, aber die Österreicher machten häufig Ausfälle. Eines Tages wollten sie die Batterien am Strohhof angreifen, aber Prinz Ferdinand von Preußen eilte herbei und warf sie mit einem Verlust von 1 200 Mann bis zum gedeckten Wege zurück. Ein andermal versuchten sie einen Ausfall nach dem Wischehrad, doch mit so wenig Vorsicht und Überlegung, daß sie den bei Podol errichteten preußischen Batterien die Flanke darboten. Das Geschützfeuer richtete große Verheerungen unter ihnen an, und sie mußten in wilder Flucht nach Prag zurückkehren. Ein drittes Mal unternahm der Prinz von Lothringen mit 4 000 Mann einen Ausfall auf der Klein-Seite und eroberte eine nur von fünfzig Mann verteidigte Feldschanze. Aber General Retzow trieb ihn alsbald zurück und verfolgte ihn bis an die Stadttore.

Die Preußen hatten bei der Belagerung nicht nur die Feinde, sondern auch die Elemente gegen sich. Infolge von Gewittern und Wolkenbrüchen schwoll die Moldau plötzlich an und riß die Brücke bei Branik fort. Die Strömung trieb die Pontons gegen die Brücke in Prag, sodaß die Feinde vierundzwanzig abfingen. Glücklicherweise entkamen ihnen zwanzig andere, die man bei Podol auffischte. Durch die zahl<75>reichen Bomben wurden einige Stadtteile arg beschädigt. Sogar eine feindliche Bäckerei ging in Flammen auf. Einstimmig berichteten die Überläufer, daß bereits Mangel an Lebensmitteln einträte und daß die Besatzung statt von Schlachtvieh von Pferdefleisch lebte. Ärgerlich war, daß sich weder mit Gewalt noch List gegen die Stadt etwas ausrichten ließ. Man mußte alles von der Zeit erwarten. Nur aus Hunger und Verzweiflung hätte der Prinz von Lothringen den Versuch machen können, sich mit der Waffe einen Weg durch die Preußen zu bahnen, waren doch die Quartiere der Belagerer wegen ihrer starken Verschanzungen unangreifbar. So hätte er sich denn nach einigen fruchtlosen Anstrengungen also doch ergeben müssen.

Der Plan, Prag mitsamt der eingeschlossenen Armee zu erobern, wäre indessen geglückt, hätte man ihm Zeit zum Reifen lassen können. So aber galt es, dem Feldmarschall Daun entgegenzutreten. Man mußte eine Schlacht liefern, und die ging verloren.

Wir verließen den Herzog von Bevern in seinem Lager in Kuttenberg und Feldmarschall Daun bei Habern. Dort erhielt er alle Verstärkungen, die der Wiener Hof aus den Garnisonen der Erbländer und von den ungarischen Truppen herbeiziehen konnte. Dazu kamen die Flüchtlinge aus der Prager Schlacht, sodaß seine Armee von 14 000 Mann, die sie bei Beginn des Feldzuges gehabt hatte, nun auf 60 000 anwuchs. Die starke Vermehrung seiner Streitkräfte warf alle bisherigen Pläne des Königs um. Er mußte den Herzog von Bevern unbedingt unterstützen, wenn dieser sich gegen eine dreifache Übermacht behaupten sollte. Andrerseits war eine Schwächung der Belagerungsarmee gewagt, da sie einen weiten Umkreis zu verteidigen hatte und die in der Stadt eingeschlossenen 40 000 Mann von Tag zu Tag einen Ausfall machen konnten. Dennoch erübrigte man durch sparsame Besetzung und teilweise Zusammenziehung oder Verstärkung der Stellungen 10 Bataillone und 20 Schwadronen. Dies Detachement durfte sich zwar von Prag entfernen, aber nicht zu lange, oder die Blockade mußte darunter leiden. Wollte man Prag und die darin eingeschlossene Armee in seine Gewalt bekommen, so mußte Feldmarschall Daun aus jener Gegend unbedingt vertrieben werden. Die Belagerungstruppen hatten zwar günstige Stellungen, um Ausfälle zurückzuweisen, bildeten aber nur ein einziges Treffen, und es wäre ihnen daher nicht möglich gewesen, sich in Front und Rücken zugleich zu verteidigen. Auch wäre den Belagerern, hätten sie sich rings um Prag selbst einschließen lassen, die Fourage ausgegangen, die sich die Kavallerie schon vier bis fünf Meilen weit vom Lager suchen mußte. Aus diesen triftigen Gründen beschloß der König, sich persönlich an die Spitze des Hilfskorps zu setzen, das zum Herzog von Bevern stoßen sollte. Er wollte sich an Ort und Stelle selber ein Urteil bilden, was am besten zu tun sei.

Am 13. Juni brach der König von Prag auf. Zugleich wurde Tresckow abgeschickt, um die Ufer der Sazawa vom Feinde zu säubern; denn die leichten Truppen des Feldmarschalls Daun fingen schon an, jene Gegend zu beunruhigen. Der König mar<76>schierte über Schwarz-Kosteletz auf Malotitz, wo Tresckow, der sich mehr rechts gehalten hatte, wieder zu ihm stieß. Des Königs Absicht war, Kolin zu erreichen, um sich mit dem Herzog von Bevern zu vereinigen. Jedoch stieß er bei Zasmuk auf eine starke feindliche Abteilung unter Nadasdy, die den Herzog von Bevern eigentlich schon von der preußischen Armee abschnitt. Bald darauf entdeckte man in der Ferne auf der Straße nach Kolin76-1 zwei Kolonnen, die in der Richtung auf Kaurzim marschierten. Durch abgesandte Kundschafter erfuhr man, es sei der Herzog von Bevern, der zur Vereinigung mit dem Heere des Königs heranrücke. Es war schon gegen Abend, und die Nacht brach herein, ohne daß der Herzog herankam. So mußte der König sich damit begnügen, ein Lager aufzuschlagen, so gut es die Dunkelheit erlaubte. Allerdings war er erstaunt über die völlig unerwartete Bewegung des Herzogs. Sie hatte indes folgende Gründe.

Am 13. Juni war der Herzog von Nadasdy bei Kuttenberg angegriffen worden und hatte ihn zurückgeschlagen. Gleichzeitig aber hatte Feldmarschall Daun die preußische Flanke zu umfassen versucht. Dieser Umgehung hatte der Herzog sich entzogen, indem er seine Stellung bei Kuttenberg mit der bei Kolin vertauschte. Dort erhielt er die Meldung, daß die bei Wysok lagernden Österreicher sich für den folgenden Morgen zum Angriff anschickten. Um sich dieser Gefahr nicht auszusetzen, zog er es vor, dem preußischen Hilfskorps entgegenzurücken, dessen Anmarsch ihm gemeldet war. Am nächsten Tage sollten die Wege nach Wysok rekognosziert werden, um Gewißheit über die Stellung des Feindes zu erlangen. Das mißlang aber wegen der dichten Wälder, die zudem voller Panduren waren. Noch am selben Tage76-2 griffen 4 000 Kroaten einen Proviantzug an, der von Nimburg zur Armee abgegangen war. Seine ganze Bedeckung bestand aus 200 Mann Infanterie unter Major Billerbeck76-3 vom Regiment Prinz Heinrich. Der tapfere Offizier verteidigte sich drei Stunden lang gegen die feindliche Übermacht, bis die Hilfstruppen ihn befreiten. Er verlor keinen Proviantwagen und hatte nur sieben Verwundete, was bei der Stärke der Angreifer sehr wenig war. Ein so geringfügiger Vorfall verdiente keine Erwähnung, wäre er nicht ein Beispiel dafür, was Tapferkeit und Entschlossenheit bei gut getroffenen Anordnungen im Kriege vermögen.

Das Gelände des preußischen Lagers war nicht vorteilhaft genug, um den Feind in gesicherter Stellung zu erwarten. Daher beschloß der König, nach Swojschitz zu rücken, wo die Gegend zur Verteidigung geeigneter war. Kaum aber war die Armee zur Besetzung dieser Stellung abmarschiert, so tauchte das Heer des Feldmarschalls Daun auf und formierte sich bei Swojschitz in einer Art Dreieck. Der linke Flügel zog sich nach Zasmuk, der rechte nach der Elbe zu. Die Front lag den Orten Kaurzim und Malotitz gegenüber. Sie war von einer sumpfigen Wiese gedeckt, durch die sich ein morastiger Bach schlängelte. Die veränderte Stellung des Feindes zwang auch<77> den König zur Änderung seiner Dispositionen. Die Armee schlug eine andere Richtung ein, zog sich mehr links auf Nimburg und lagerte dort in der Weise, daß sie links von ihrer Front Planjan und rechts Kaurzim hatte. Dieser Ort wurde zur Deckung der Flanke mit einem Bataillon besetzt. Bei Planjan stieß man auf ein österreichisches Korps, das offenbar einen Handstreich auf die preußischen Magazine bei Nimburg plante. Es wurde aber zum Rückzug gezwungen und nahm Stellung auf einer Anhöhe hinter Planjan, wo es die Nacht über blieb.

Des Königs Lage wurde von Tag zu Tag mißlicher und schwieriger. Seine Stellung taugte nichts, sein Lager war schmal und an die Berge gedrängt. In der Front war es freilich unangreifbar wegen des Morastes und des Baches, die beide Armeen trennten. Aber sein rechter Flügel war bei Kaurzim schlecht angelehnt, und Feldmarschall Daun hätte ihn jederzeit umgehen können, sobald er von Zasmuk auf Malotitz rückte. Hätte er das getan, so wäre er den Preußen in die Flanke gekommen und hätte sie rettungslos niedergehauen. Außerdem waren eine Menge entgegengesetzter Maßnahmen zu treffen, die garnicht alle auf einmal ausführbar waren, und doch durfte keine von ihnen ohne schweren Nachteil unterlassen werden. So mußte man die Magazine von Brandeis und Nimburg sichern, aus denen die Beobachtungsarmee ihr Brot bezog, mußte die Belagerungsarmee vor Prag decken, d. h. mit einem schwachen Korps eine doppelt überlegene Armee daran hindern, Detachements nach Prag zu schicken oder selbst heranzurücken. Denn je mehr der Feind die Schwäche der Preußen durchschaute, desto mehr hatten sie auf die Dauer eine Niederlage zu befürchten. Selbst wenn sie sich in der eingenommenen Stellung behaupteten, konnten sie Feldmarschall Daun doch nicht an der Absendung eines großen Detachements hindern, das längs der Sazawa vorrücken und den Preußen im Lager zwischen Branik und Michle in den Rücken fallen konnte. Dann wäre die Belagerungsarmee zwischen zwei Feuer geraten. Sie wäre im Rücken angegriffen worden, und zugleich hätte der Prinz von Lothringen einen Ausfall aus Prag gemacht. Dabei wäre sie wohl gänzlich geschlagen worden. Änderte der König aber seinen Entschluß und hielt es für geratener, sich auf Schwarz-Kosteletz oder Böhmisch-Brod zurückzuziehen, so fand er dort allerdings bessere Lagerplätze, aber die anderen erwähnten Unzuträglichkeiten blieben die gleichen. Denn näherte er sich der Elbe, so deckte er zwar die Magazine, ließ aber den Weg nach Prag offen. Zog er sich hingegen mehr auf die Sazawa zurück, so deckte er zwar die Belagerungsarmee besser, gab aber die Magazine preis und verließ obendrein eine zum Fouragieren geeignete Gegend, um sich in einem ausgesogenen Lande zusammenzupferchen, wo alle Lebensmittel aufgezehrt waren.

Andere, noch wichtigere Bedenken traten hinzu. Feldmarschall Daun führte eine Armee von 60 000 Mann, die die Kaiserin-Königin mit großen Kosten zusammengebracht hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte es der Wiener Hof nicht ungestraft zugelassen, daß die Preußen im Angesicht einer solchen Truppenmacht den Prinzen von Lothringen mit 40 000 Mann zu Kriegsgefangenen machten. Wußte man doch<78> bereits, daß Feldmarschall Daun Befehl hatte, zum Entsatz des Prinzen das Äußerste zu wagen. So blieb dem König eigentlich nur die Wahl zwischen zwei Entschlüssen. Entweder er überließ es dem Feinde, die preußischen Truppen in ihren Stellungen anzugreifen, oder er kam dem Feinde selbst mit einem Angriff zuvor. Bedenkt man ferner, daß die Einnahme Prags jetzt nach der Verstärkung des Feldmarschalls Daun ohne einen zweiten Sieg unmöglich war, daß es aber die Waffenehre preisgeben hieß, wenn man die Belagerung beim Anrücken des Feindes aufhob, so war das Schlimmste, was im Fall eines feindlichen Sieges geschehen konnte, der Verzicht auf diese Belagerung.

Aber ein noch viel triftigerer Grund zwang den König zu einem entscheidenden Schlage. Gewann er nämlich noch eine Schlacht, so war seine völlige Überlegenheit über die Kaiserlichen besiegelt. Dann hätten die ohnedies schwankenden und unentschiedenen Reichsfürsten ihn um Bewilligung der Neutralität angefleht. Die Operationen der Franzosen in Deutschland wären gestört worden und vielleicht ganz zum Stillstand gekommen. Schweden wäre friedfertiger und vorsichtiger geworden. Ja selbst der Petersburger Hof hätte sich seine Schritte noch überlegt. Denn der König hätte dann seine Armee in Ostpreußen und sogar die des Herzogs von Cumberland unbedenklich verstärken können. Alle diese gewichtigen Gründe bewogen den König, Feldmarschall Daun am nächsten Tage in seiner Stellung anzugreifen.

Am 18. Juni frühmorgens brach die Armee auf. Sofort vertrieb Tresckow mit der Avantgarde das feindliche Korps, das sich am Tage vorher auf den Anhöhen hinter Planjan gelagert hatte. Damit mußte begonnen werden, um die Straße nach Kolin frei zu machen, auf der die Armee in zwei Kolonnen vorrücken sollte. In zwei Treffen marschierte sie der feindlichen Front gegenüber links ab. Sobald Feldmarschall Daun den Anmarsch bemerkte, änderte er seine Stellung, brach rechts ab und zog auf den Höhenkämmen nach Kolin zu. Vor der preußischen Armee hatte sich Nadasdy mit 4 000 bis 5 000 Husaren aufgestellt. Eine Kavallerieabteilung drängte ihn Schritt für Schritt zurück, aber der Marsch der Kolonnen wurde dadurch sehr aufgehalten. Indes trieb man die leichten Truppen immer weiter vor sich her, bis eine Anhöhe erreicht war, die man notwendig besetzen mußte, um den Feind anzugreifen.

Da die Truppen nicht so schnell anlangten, wie es zum Gelingen wünschenswert gewesen wäre, benutzte der König die Frist, um die Generale zu versammeln und mit ihnen den Schlachtplan zu verabreden. An der Straße nach Kolin, auf der die Preußen vorrückten, lag ein Wirtshaus78-1, von dem man einen deutlichen Einblick in die Aufstellung Dauns hatte und alle Teile des Schlachtfeldes überblicken konnte. Dort traf der König seinen Entschluß und befahl den Angriff auf den rechten feindlichen Flügel, der keine gute Anlehnung hatte. Zudem bot das Gelände dort keine großen Schwierigkeiten. Die österreichische Front zog sich über steile, abschüssige Felsen, an deren<79> Fuß einige von Panduren besetzte Dörfer über die Ebene verstreut lagen. So unangreifbar der Feind hier war, so leicht war ein Stoß gegen seinen rechten Flügel. Der Angriff des linken preußischen Flügels sollte von der bereits besetzten Anhöhe erfolgen. Davor lag ein einsamer, von Kroaten besetzter Friedhof79-1, den man zunächst nehmen mußte. Hielt man sich von da etwas links, so kam man der Armee des Feldmarschalls Daun in die Flanke und in den Rücken. Da die gesamte preußische Infanterie den Angriff unterstützen mußte, sollte der ganze rechte Flügel dem Feinde versagt werden. Deshalb verbot der König den dort kommandierenden Offizieren aufs strengste, über die Straße nach Kolin vorzugehen. Das war um so klüger, als die dem rechten preußischen Flügel gegenüberstehenden Österreicher ein ganz unzugängliches Terrain besetzt hielten. Hätten die Truppen die Anordnung des Königs befolgt, so hätte er während der Schlacht jederzeit Bataillone nach Bedarf zur Unterstützung der Brigaden heranziehen können, die den ersten Angriff unternahmen. Außer den erwähnten Maßnahmen erhielt Zieten Befehl, Nadasdy mit 40 Schwadronen die Spitze zu bieten, damit dieser die preußische Infanterie ungestört ließ. Die übrige Kavallerie wurde hinter der Infanterie als Reserve aufgestellt.

Nachdem alle Anordnungen getroffen waren, ging Hülsen79-2 mit 7 Bataillonen und 14 Geschützen zum Angriff vor. Von den übrigen 21 Bataillonen standen 15 im ersten und 6 im zweiten Treffen. Das war also der Schlachtplan, bei dessen Befolgung die Preußen gesiegt hätten. Aber man höre, was geschah!

Zieten griff Nadasdy an, schlug ihn völlig und verfolgte ihn bis Kolin, sodaß er von der österreichischen Armee abgedrängt wurde und während der ganzen Schlacht die Operationen des Königs nicht mehr durchkreuzen konnte. Um 1 Uhr nachmittags griff Hülsen den Friedhof und das Dorf Krczeczhorz von der Höhe herab an, ohne großen Widerstand zu finden. Dann eroberte er zwei Batterien von je zwölf Geschützen.

So ging beim ersten Angriff alles den Preußen nach Wunsch. Dann aber wurden Fehler begangen, die den Verlust der Schlacht herbeiführten. Prinz Moritz, der den linken Flügel der Infanterie führte, formierte sich 1 000 Schritt von jener Anhöhe, anstatt das eben von Hülsen eroberte Dorf zur Anlehnung zu benutzen. Seine Schlachtlinie hing also gleichsam in der Luft. Der König bemerkte es noch rechtzeitig und führte sie bis an den Fuß der Anhöhe. Da man schon lebhaftes Feuer auf dem rechten Flügel vernahm, war Eile vonnöten, und weil sich nichts anderes bot, füllte der König die Lücken des ersten Treffens mit den Bataillonen aus dem zweiten Treffen aus. Dann ritt er schleunigst zum rechten Flügel, um zu sehen, was es dort gab. Er fand, daß Manstein, der schon in der Schlacht bei Prag mit seiner Brigade so unzeitig angegriffen hatte79-3, hier wieder in denselben Fehler verfallen war. Manstein hatte im Dorf Chozenitz an der Straße, auf der er mit seiner Kolonne marschierte, Panduren bemerkt. Sogleich packte ihn die Lust, sie daraus zu vertreiben.<80> Gegen den Befehl dringt er in das Dorf ein, vertreibt den Feind, verfolgt ihn, gerät in das Kartätschenfeuer der österreichischen Batterien und wird seinerseits angegriffen. Der rechte Flügel der Infanterie rückt ihm zu Hilfe.

Als der König an Ort und Stelle ankam, war der Kampf schon so ernstlich im Gange, daß er die Truppen nicht mehr zurückziehen konnte, ohne sie einer Niederlage auszusetzen. Bald darauf wurde auch der linke Flügel mit dem Feind handgemein, obwohl es die Generale hätten verhindern können. Nun wurde die Schlacht allgemein, und was das schlimmste war, der König mußte sich mit der Rolle des Zuschauers begnügen, da er nicht ein einziges Reservebataillon übrig behielt. Feldmarschall Daun benutzte die Fehler der Preußen als großer Feldherr. Er zog hinter seiner Front die Reserven vor, die nun ihrerseits den bisher siegreichen Hülsen angriffen. Trotzdem hielt Hülsen sich noch, und hätte man ihm nur vier frische Bataillone zu Hilfe schicken können, so war die Schlacht gewonnen; denn er warf auch die österreichische Reserve zurück. Darauf sprengte das Dragonerregiment Normann in die feindliche Infanterie, zerstreute sie und eroberte 5 Fahnen, griff die sächsischen Garde-Karabiniers an und trieb sie bis nach Kolin. Mittlerweile machte die preußische Infanterie im Zentrum und auf dem rechten Flügel Fortschritte, errang aber keinen entscheidenden Erfolg. Alle Bataillone hatten stark unter dem Geschütz- und Gewehrfeuer gelitten. Sie waren um die Hälfte gelichtet und hatten dreimal so große Abstände, als es hätte sein dürfen. Da kein zweites Treffen und keine Reserve zur Ausfüllung der Lücken vorhanden war, mußte man Kürassierregimenter heranziehen. Sie wurden in einiger Entfernung hinter den Lücken postiert. Das Kavallerieregiment Prinz von<81> Preußen griff sogar eine große feindliche Infanteriemasse an und hätte sie auch aufgerieben, hätte nicht in diesem Augenblick eine Batterie ihr Kartätschenfeuer auf das Regiment gerichtet. Nun prallte es in Verwirrung zurück und warf die hinter ihm stehenden Regimenter Bevern und Prinz Heinrich über den Haufen. Der Feind bemerkte das Durcheinander und trieb sofort seine Kavallerie vor. Sie benutzte den rechten Moment und machte die Verwirrung allgemein.

Der König wollte sie durch Kürassiere attackieren lassen, die in der Nähe standen und die die Schlappe zum Teil wieder hätten wettmachen können, aber er brachte sie nicht vom Fleck. Nun wandte er sich an zwei Schwadronen vom Dragonerregiment Meinicke, die der feindlichen Kavallerie in die Flanke fielen und sie bis an den Fuß der Höhen zurücktrieben. Von der ganzen Infanterielinie war nichts mehr übrig als das erste Bataillon Garde, das am rechten Flügel noch standhielt. Es hatte vier feindliche Infanteriebataillone und zwei Kavallerieregimenter, die es umzingeln wollten, zurückgeworfen. Aber ein Bataillon, und wäre es noch so tapfer, kann nicht allein eine Schlacht gewinnen. Noch behauptete sich Hülsen mit seiner Infanterie und einiger ihm zu Hilfe gesandter Kavallerie auf der Stelle, von der er die Österreicher bei Beginn der Schlacht vertrieben hatte. Er hielt sich bis 9 Uhr abends; dann mußte er mit der ganzen Armee den Rückzug antreten. Prinz Moritz führte die Truppen nach Nimburg und ging dort über die Elbe, ohne daß ein einziger feindlicher Husar ihm gefolgt wäre.

Die Schlacht bei Kolin kostete den König 8 000 Mann seiner besten Infanterie. Er verlor 16 Kanonen, deren Pferde gefallen waren und die man nicht hatte fortschaffen können.

Nachdem der König den Generalen die Rückzugsbefehle erteilt hatte, eilte er dorthin, wo er am nötigsten war: zu seiner Armee vor Prag. Er konnte sie erst am Abend des folgenden Tages erreichen und traf sofort Anstalten zur Aufhebung der Belagerung, die sich nach der Niederlage bei Kolin nicht länger fortsetzen ließ.

Das Eigenartige bei der Schlacht von Kolin war, daß die österreichische Infanterie sich bereits zum Rückzug anschickte und die Kavallerie gleichfalls zurückgehen wollte, als ein Oberst Ayasasa81-1 aus eigenem Antrieb die preußische Infanterie mit seinen Dragonern angriff, in dem Augenblick, wo sie durch die Kürassiere vom Regiment Prinz von Preußen in Unordnung geraten war. Dieser Erfolg machte den schon erteilten Rückzugsbefehl rückgängig. Ohne Zweifel befanden sich die Österreicher nach einer so erbitterten Schlacht in solcher Verwirrung, daß sie die Preußen nicht verfolgen konnten. Trotzdem blieben sie Sieger. Bei größerer Entschlossenheit und Tatkraft hätte Feldmarschall Daun mit seinem Heere schon am 20. Juni vor Prag sein können, und die Folgen der Schlacht von Kolin wären für die Preußen dann noch verhängnisvoller geworden als die Niederlage selbst.

<82>

Früh am Morgen des 20. Juni hoben die Preußen die Belagerung auf. Das Korps, das bei Michle gestanden hatte, ging durch Alt-Bunzlau und Brandeis und dann über die Elbe, um sich mit der von Kolin kommenden Armee, die bei Nimburg lagerte, zu vereinigen. Das Korps des Feldmarschalls Keith sollte sich auf Welwarn zurückziehen, um die Magazine von Leitmeritz und Aussig zu decken. Aber allerhand Widerwärtigkeiten kamen dazwischen. Da die Brücken nicht schnell genug wiederhergestellt wurden, entstand ein Aufenthalt, und Feldmarschall Reich konnte sein Lager nicht vor elf Uhr verlassen. Die Truppen, die bei Michle standen, waren schon um drei Uhr morgens aufgebrochen. Der Prinz von Lothringen hatte sofort Nachricht vom Siege des Feldmarschalls Daun erhalten und rüstete sich zu einem Ausfall auf die Truppen des Feldmarschalls Reich, die eben ihre Zelte abbrechen wollten. Er drang auf der Klein-Seite vor und eröffnete eine lebhafte Kanonade auf die beiden preußischen Kolonnen, die sich über das Kloster St. Viktoria zurückzogen. Indes dämpften die Grenadiere der Nachhut das Ungestüm des Feindes, und der Prinz von Preußen nahm eine Stellung bei Rusyn ein, in der er den Rückzug der Truppen deckte. So verloren die Preußen beim Abzuge nur 200 Mann an Toten und Verwundeten. Der Prinz von Lothringen erbeutete zwei dreipfündige Kanonen, deren Pferde gefallen waren: das einzige Siegeszeichen, das er von seinem Ausfall zurückbrachte.

Das Korps, mit dem der König nach Brandeis marschiert war, lagerte am folgenden Tage bei Neu-Lysa, wo es sich mit den Trümmern der Truppen von Kolin vereinigte. Die Vermutung, Feldmarschall Daun würde nun gegen die Armee des Königs und der Prinz von Lothringen gegen die des Feldmarschalls Keith vorgehen, war irrig. Die Österreicher verloren viel Zeit mit dem Vorschieben ihrer Magazine, und erst nach acht Tagen vereinigten sich die beiden österreichischen Heere bei Brandeis. Der Prinz von Preußen übernahm das Kommando der Armee bei Neu-Lysa und marschierte mit ihr über Jung-Bunzlau nach Böhmisch-Leipa82-1. Der König dagegen schlug den Weg nach Melnik ein, um sich mit Feldmarschall Keith zu vereinigen und ihm Verstärkung zuzuführen. Bei Leitmeritz ging er über die Elbe, ließ aber, um seine Verbindung mit dem Prinzen von Preußen nicht zu verlieren, den Prinzen Heinrich mit einem Detachement bei Trebautitz am rechten Elbufer. Die Armee des Königs dehnte sich in der Ebene zwischen Leitmeritz und Lobositz aus. Einige Bataillone besetzten den Paschkopole und das Defilee von Welmina. Die sächsischen Pässe wurden von neu ausgehobenen Truppen bewacht. Leitmeritz hatte während der Belagerung von Prag als Depot gedient. Dort war das große Magazin und das Armeelazarett. Die Stadt selbst liegt in einem tiefen Grunde und kann nur durch Lager verteidigt werden, die<83> die Berge im Umkreis besetzt halten. Sobald die Truppen in Leitmeritz eintrafen, begann man mit der Fortschaffung der Kranken, der Munition und der dort lagernden Geschütze. Doch so sehr man die Transporte beschleunigte, man kam erst am 20. Juli damit zu Ende.

Anfang Juli näherte sich Nadasdy den Preußen. Er lagerte bei Gastorf, dem Korps des Prinzen Heinrich gegenüber, und gab sich alle Mühe, die Verbindung zwischen den preußischen Lagern bei Leitmeritz und Böhmisch-Leipa zu unterbrechen. Das gelang ihm auch ohne Mühe: er sandte seine Panduren ringsum in die Wälder und nach den zahlreichen Defileen, die sich in jenem Teil Böhmens befinden. Auf dem linken Elbufer erschien nur ein kleines österreichisches Korps unter Laudon. Der hatte sich mit 2 000 Panduren am Fuße des Paschkopole eingenistet, von wo er die Landstraßen unsicher machte und die Detachements beunruhigte, sonst aber wenig erreichte. Nur ein Handstreich gelang ihm, und der wurde verhängnisvoll für Manstein — denselben, der die Schlacht bei Prag begonnen und den Verlust der Schlacht von Kolin verschuldet hatte83-1. General Manstein ließ sich von einer Eskorte von 200 neu ausgehobenen Leuten nach Sachsen bringen, um sich dort von seinen Wunden zu kurieren. Unterwegs wird er von Laudon angegriffen. Die Eskorte gerät in Unordnung. Manstein springt aus seinem Wagen, greift zum Degen, verteidigt sich wie ein Verzweifelter, weist das angebotene Pardon zurück und wird getötet83-2.

Lebhafter ging es bei den Truppen des Prinzen von Preußen zu. Nachdem sich der Prinz von Lothringen mit Feldmarschall Daun vereinigt hatte, verließen beide Brandeis und folgten dem Prinzen von Preußen. Sie lagerten bei Niemes, umgingen die linke Flanke der Preußen und erreichten Gabel einen Tag vor ihnen. Das Schloß von Gabel verteidigte General Puttkamer83-3, den der Prinz von Preußen mit vier Bataillonen dorthin detachiert hatte, um die Zufuhr für die Armee aus Zittau zu erleichtern. Hätte sich der Prinz von Preußen zum sofortigen Vormarsch auf Gabel entschlossen, so hätten die Österreicher durch ihre Bewegung nichts gewonnen. Aber da sich der Prinz die Folgen nicht sofort klargemacht hatte, so blieb er ruhig in seinem Lager und ließ den Feind machen, was er wollte. Feldmarschall Daun schickte ein Detachement von 20 000 Mann ab, das Puttkamer in Gabel angriff. Trotz tapferer Gegenwehr mußte sich Puttkamer am dritten Tage nach Eröffnung der Laufgräben aus Mangel an Unterstützung ergeben (15. Juli). Nachdem der Posten verloren war, sah der Prinz von Preußen seine Wichtigkeit ein: der gerade Weg aus seinem Lager nach Zittau geht nämlich über Gabel. Nun war ihm diese Straße verlegt, und es blieb ihm nur noch der Weg über Rumburg offen. Das war aber ein Umweg von einigen Meilen, abgesehen davon, daß man dort nur in einer Kolonne marschieren konnte. Das Heer mußte also diesen Weg einschlagen und verlor dabei einen Teil des Gepäcks und der<84> Pontons, die auf den engen Straßen zwischen den Felsen zerbrachen. Der Prinz mußte bei seinem Marsche auf Zittau also einen Bogen beschreiben, während Daun auf der Sehne marschierte. Als Schmettau84-1, der Führer der preußischen Avantgarde, sich Zittau näherte, fand er die Österreicher schon auf dem Eckartsberge postiert. Das war der Schlüsselpunkt der ganzen Gegend: er beherrschte die Stadt und ihre Umgebung. Die Armee des Prinzen von Preußen besetzte eine Anhöhe dem feindlichen Lager gegenüber. Zittau lag vor ihrem rechten Flügel zwischen den beiden Armeen, und der linke Flügel zog sich über den Hennersdorfer Berg. Der Prinz konnte die Stadt zwar halten, sie aber nicht vor Angriffen der Kaiserlichen schützen. Auf Anraten des Prinzen Karl von Sachsen ließ Daun Zittau bombardieren. Die Stadt hat enge Straßen und größtenteils Schindeldächer. Die fingen Feuer, und die brennenden Schindeln verbreiteten den Brand über verschiedene Stadtteile. Die Häuser stürzten ein, und ihre Trümmer sperrten die Straßen. Nun sah sich der Prinz von Preußen genötigt, die Besatzung herauszuziehen. Aber die Truppen auf der ihm entgegengesetzten Seite konnten sich durch die Flammen und Trümmer keinen Weg zur Armee bahnen, und so fielen Oberst Diericke mit 150 Pionieren und Major Kleist mit 80 Mann vom Regiment Markgraf Heinrich in Feindes Hand (23. Juli). Der Besitz von Zittau selbst war unwichtig. Schlimm war nur der Verlust eines bedeutenden Magazins, das niederbrannte. Denn ohne das Magazin konnte die Armee des Prinzen von Preußen Brot und Lebensmittel nur noch aus Dresden beziehen. Man hätte das Brot also zwölf Meilen weit ins Lager schaffen müssen, und da sich einem solchen Transport unübersteigbare Schwierigkeiten entgegenstellten, so mußte der Prinz sich seinen Lebensmitteln nähern. Er brach daher von Zittau auf, ohne vom Feind verfolgt zu werden, und wies der Armee eine Stellung in der Gegend von Bautzen an (27. Juli).

Sobald der König den Verlust von Gabel erfuhr, entschloß er sich zur Räumung von Leitmeritz und zum Rückzug nach Sachsen. Leitmeritz war leer, Munition und Proviant waren schon in Dresden angekommen. Da keine Zeit zu verlieren war, so ging Prinz Heinrich über die Elbe, vereinigte sich mit dem König, und die Armee lagerte zwischen Sullowitz und Lobositz. Nadasdy war der Nachhut des Prinzen gefolgt und griff die Feldwachen an, fand aber tapferen Widerstand und wurde mit Verlusten flugs über die Elbe zurückgeworfen. An den folgenden Tagen zog sich die Armee nach Hlinay und von da nach Nollendorf und Pirna zurück. Dabei wurde ein Detachement von 200 Mann neu ausgehobener Truppen, die den Schreckenstein verteidigten, von Laudon angegriffen und gefangen genommen (22. Juli). Aussig und Tetschen wurden ohne Verluste geräumt. Der König ließ den Prinzen Moritz mit 14 Bataillonen und 10 Schwadronen zur Deckung des Passes von Berggießhübel zurück und marschierte mit dem Rest der Truppen nach Bautzen, wo er sich mit dem<85> Prinzen von Preußen vereinigte (29. Juli). Der Prinz, der krank geworden war, verließ die Armee und siechte seitdem dahin85-1. Sofort rückte der König mit einem Detachement von Bautzen nach Weißenberg und vertrieb von dort Beck, der sich auf Bernstadt zurückzog. Die Maßregeln zur Neuordnung der Verpflegung und zur Anschaffung neuer Proviantwagen hielten den König vierzehn Tage lang auf.

Dabei war er rechts durch die Fortschritte der Franzosen und links durch die der Russen bedrängt. Da er also einige Detachements fortschicken mußte, so kam er auf den Gedanken, die Österreicher anzugreifen und sich womöglich von ihnen zu befreien, bevor er sich durch jene Absendungen schwächte. So brach er denn am 15. August nach Bernstadt auf. Die linke Kolonne führte der König, die rechte der Herzog von Bevern. Fast hätten sie Beck auf einer Höhe bei Sohland umzingelt. Der Freischarenführer rettete sich indes mit Verlust eines Teiles seiner Mannschaft. In Bernstadt erfuhr man, daß ein feindliches Detachement sich bei Ostritz versammelte. Sogleich wurde Oberst Werner85-2 dorthin gesandt. Fast hätte er Nadasdy abgefangen, und jedenfalls nahm er ihm seine Bagage und deren Eskorte weg. In Nadasdys Papieren fand man Originalbriefe der Königin von Polen, die den General von allem, was sie über die Preußen erfuhr, auf dem Laufenden hielt und ihm einige Überrumpelungsvorschläge machte. Der König schickte die Originale an den Kommandanten von Dresden, Oberst Finck85-3. Der sollte sie der Königin zeigen, damit sie merkte, daß man hinter all ihre Schliche gekommen sei.

Von Bernstadt detachierte der König 5 Bataillone nach Görlitz und marschierte mit dem Gros der Armee stracks auf die Österreicher los (16. August). Feldmarschall Daun stand noch auf dem Eckartsberg und ließ die Truppen nur eine Schwenkung machen, um seine Front den Preußen parallel zu richten. Seine Stellung war unangreifbar. Auf der linken Flanke lag ein bastionsartiger Berg85-4, der mit 60 zwölfpfündigen Kanonen gespickt war und die Hälfte der österreichischen Armee bestrich. Vor der Front zog sich der tiefe Grund des Wittgenbaches mit steilen Felswänden. Drei Straßen führten durch die Ortschaft Wittgendorf auf den Feind zu. Nur die breiteste bot Raum genug für einen Wagen. Der rechte Flügel des Feldmarschalls lehnte sich an die Neiße. Am jenseitigen Ufer stand Nadasdy mit der Reserve auf einer Anhöhe und konnte von dort aus mit 30 schweren Geschützen die ganze Front der Kaiserlichen bestreichen. Beide Armeen waren nur durch die Schlucht des Wittgenbaches getrennt. Der Tag verstrich unter gegenseitiger Kanonade. Am folgenden Morgen schob der König ein Korps unter Winterfeldt bei Hirschfelde über die Neiße vor, um zu rekognoszieren, ob man Nadasdy nicht in ein Gefecht verwickeln könnte.<86> Dann hätte Feldmarschall Daun ihm zu Hilfe kommen müssen, und das hätte Anlaß zu einer allgemeinen Schlacht geboten. Aber die Schwierigkeit des Geländes vereitelte das Vorhaben, und so mußte man den Plan fallen lassen.

Unter den obwaltenden Umständen wäre ein entscheidender Schlag für den König von großem Vorteil gewesen. Es war keine Zeit zu verlieren. Ein französisches Heer stand bei Erfurt, die Armee des Herzogs von Cumberland war bis Stade zurückgedrängt, und das Herzogtum Magdeburg sowie die Altmark standen den Einfällen der Franzosen offen. Eine schwedische Armee hatte die Peene bei Anklam überschritten, und die Reichstruppen waren im Anmarsch auf Sachsen. Allein es war bei dem schwierigen und unwegsamen Gelände unmöglich, den Österreichern eine Schlacht zu liefern, und da der König schleunigst einige Detachements abschicken mußte, sah er sich zum Rückzuge genötigt. Die Infanterie zog treffenweise ab, ohne daß der Feind es zu bemerken schien.

Die Armee marschierte nach Bernstadt (20. August) und lagerte auf den Höhen von Jauernick bis zur Neiße. Jenseits des Flusses dehnte sich Winterfeldts Korps bis Radmeritz aus. Ein Detachement ging nach Görlitz, um die Brigade abzulösen, mit der Grumbkow86-1 nach Schlesien marschieren sollte, um die Grenze von den feindlichen Streifscharen, die dort ihr Unwesen trieben, zu säubern und die Festung Schweidnitz zu decken. Der König übergab den Befehl über die Armee dem Herzog von Beyern, dem er Winterfeldt, seinen eigentlichen Vertrauensmann, zur Seite stellte. Nachdem er beiden die Deckung der schlesischen Grenzen ans Herz gelegt hatte, brach er selbst mit 18 Bataillonen und 30 Schwadronen auf, um den Franzosen und Reichstruppen entgegenzutreten.

Um die zusammenhängenden Ereignisse dieses Feldzuges ohne Unterbrechungen zu schildern, haben wir noch nichts von dem Feldzug der Alliierten unter dem Befehl des Herzogs von Cumberland berichtet. Nun aber erfordert der Zusammenhang, dies in Kürze nachzuholen.

Seit Anfang April hatten die Franzosen Kleve und Wesel genommen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Graf Gisors besetzte Köln, das die Franzosen zu ihrem Waffenplatz zu machen gedachten. Die Führung der Armee sollte d'Estrées übernehmen. Er traf in den ersten Tagen des Mai ein. Am 26. rückte er vor und lagerte mit all seinen Truppen bei Münster. Der Herzog von Cumberland hatte sein Heer bei Bielefeld zusammengezogen. Bei der Annäherung von d'Estrées, der bei Rheda lagerte, schob er ein Detachement nach Paderborn vor, ging dann aber selbst auf Herford zurück. Nun schickten die Franzosen ein Detachement nach Hessen. Es stieß dort auf keinen Widerstand und besetzte das ganze Land. Selbst die Hauptstadt Kassel ergab sich nach schwachem Widerstande. Nach dem Plane der hannöverschen Minister, die den Über<87>gang über die Weser für schwieriger als über den Rhein hielten, sollte der Herzog von Cumberland dem Gegner erst hinter der Weser die Spitze bieten. Aus diesem Grunde ließ er seine Truppen auf Brücken, die bei den Dörfern Rehme und Vlotho geschlagen waren, über den Fluß gehen (16. Juni). Zugleich gab er Befehl zur Befestigung von Münden und Hameln, woran er auch früher hätte denken können.

Die Franzosen rückten bis Corvey vor. Eines ihrer Detachements ging über die Weser und zwang den Herzog zur Änderung seiner Stellung. Er lagerte sich nun mit dem rechten Flügel bei Hameln, mit dem linken bei Afferde. Zugleich ließ der Herzog von Orléans bei Münden Brücken zum Überschreiten der Weser schlagen. In der Erwartung eines baldigen Angriffs zog der Herzog von Cumberland alle seine Detachements an sich und sammelte sie bei Hastenbeck, dessen Lage man ihm als hervorragend geschildert hatte. Der rechte Flügel der Armee war hier gut angelehnt, aber das Zentrum stand in einem Bogen und hatte ein Gehölz vor sich, in dem sich eine ziemlich tiefe Schlucht befand. Die Franzosen rückten heran. Der 25. Juli verstrich mit Rekognoszierungen von seiten d'Estrées' und mit einer Kanonade von seiten des Herzogs von Cumberland.

Am nächsten Morgen drangen die französischen Truppen unbemerkt durch die erwähnte Schlucht in das Gehölz, griffen den linken Flügel des Herzogs an und eroberten die Batterie im Zentrum der Verbündeten. Mit dem Degen in der Hand gewann der Erbprinz von Braunschweig87-1 sie zurück und zeigte durch diese erste Probe, daß ihn die Natur zum Helden bestimmt hatte. Zugleich bricht ein hannöverscher Oberst Breidenbach aus eignem Antrieb vor, sammelt die ersten besten Bataillone, dringt in das Gehölz ein, fällt den Franzosen in den Rücken, treibt sie in die Flucht und nimmt ihnen ihre Kanonen und Fahnen ab. Jedermann glaubt, die Schlacht sei für die Verbündeten gewonnen. D'Estrées sieht seine Truppen in Unordnung geraten und gibt Befehl zum Rückzug. Der Herzog von Orléans widerspricht. Schließlich erfährt man zum großen Erstaunen der ganzen französischen Armee, daß der Herzog von Cumberland sich in vollem Rückmarsch auf Hameln befinde. Nun mußte der Erbprinz die so ruhmvoll zurückeroberte Batterie wieder preisgeben. Ja, der ganze Rückzug erfolgte so überstürzt, daß man sogar den tapferen Oberst Breidenbach, der sich in der Schlacht so ausgezeichnet hatte, völlig vergaß. Der wackre Offizier blieb allein Herr des Schlachtfeldes und brach erst in der Nacht auf, um sich der Hauptarmee anzuschließen. Als er dem Herzog seine Siegesbeute überbrachte, weinte dieser vor Verzweiflung über die voreilige Räumung des Schlachtfeldes, dessen Besitz ihm niemand streitig gemacht hätte. Aber trotz aller Vorstellungen von seiten des Herzogs von Braunschweig87-2 und einiger Generale war er von der Fortsetzung des Rückzuges nicht abzubringen. Er marschierte zuerst nach Nienburg, dann nach Verden und weiter<88> über Rotenburg und Bremervörde nach Stade. Durch dies ungeschickte Manöver gab er den Franzosen das ganze Land preis. Hameln wurde sofort vom Herzog von Fitz-James besetzt. Aber das sonderbarste und merkwürdigste war, daß d'Estrées zurückberufen wurde, weil er einen Sieg davongetragen hatte.

Am 7. August traf der Herzog von Richelieu, dem der Hof den Oberbefehl über die Armee übertragen hatte, in Münder ein. Er besetzte Hannover, indes der Herzog von Ayen in Braunschweig und Voyer in Wolfenbüttel einrückten. Den Prinzen Soubise schickte er mit einem Detachement von 25 000 Mann nach Erfurt, wo er sich mit der Reichsarmee und einer Abteilung Österreicher vereinigen sollte. Richelieu selbst machte sich an die Verfolgung der Verbündeten, überschritt die Aller und lagerte bei Verden. Zugleich nahm Armentières am 29. August Bremen. Dann rückte die französische Armee auf Rotenburg, um den Herzog von Cumberland anzugreifen, fand ihn dort aber nicht mehr; denn der Herzog hatte sich bereits auf Bremervörde zurückgezogen und vermied seit der Schlacht von Hastenbeck jedes Zusammentreffen mit dem Feinde. Als der König aus den Bewegungen des Herzogs von Cumberland erkannte, daß er sich lediglich auf die Verteidigung der Weser beschränken wollte, sah er alle üblen Folgen voraus, rief seine 6 Bataillone, die er bei der Armee hatte, zurück und warf sie gerade noch rechtzeitig nach Magdeburg, wie wir im folgenden sehen werden.

Nach der obigen Schilderung leuchtet es ein, daß dem Herzogtum Magdeburg ein Einfall der Franzosen und der Stadt selbst eine Belagerung bevorstand. Sachsen drohte eine Beute des sich bei Erfurt versammelnden Heeres zu werden, und dann waren die Besatzungen von Dresden und Torgau verloren. Auch die Hauptstadt Berlin war unverteidigt und konnte jeden Augenblick von den Schweden eingenommen werden. Sie waren bereits bis zur Uckermark vorgedrungen, wo sich nur eine Handvoll Leute ihrem Vordringen widersetzte. Unter solchen Umständen war es dringend geboten, so vielen Feinden entgegenzutreten. Der König übernahm selbst die Führung der dazu bestimmten Truppen. Es war nur ein kleines Häuflein; denn er wollte seine schlesische Armee, die einen weit schlimmeren Feind zu bekämpfen hatte, nicht zu sehr schwächen.

Der Herzog von Bevern, der über 50 Bataillone und 110 Schwadronen verfügte, bezog nach dem Abmarsch des Königs ein Lager auf der Landeskrone bei Görlitz. Am andern Neißeufer, auf dem Holzberg88-1 bei Moys, setzte sich Winterfeldt mit seinem Detachement fest. Der Herzog ließ sein Magazin von Bautzen nach Görlitz schaffen, und die vereinigten Heere des Feldmarschalls Daun und des Prinzen von Lothringen lagerten sich ihm gegenüber bei Ossig, von wo sie Nadasdy zur Beobachtung Winterfeldts nach Schönberg vorschoben. Inzwischen war Graf Kaunitz zur Besprechung mit den Generalen und zur Beschlußfassung über die weiteren Operationen im österreichi<89>schen Lager eingetroffen. Zu Ehren seiner Ankunft plante Nadasdy, Winterfeldts Stellung auf dem Holzberg anzugreifen. Der Posten war nur mit zwei Bataillonen besetzt. Die übrigen zehn Bataillone von Winterfeldts Korps standen 3 000 Schritt weiter rückwärts nach Görlitz zu. An dem Tage, wo der Angriff erfolgte89-1, war Winterfeldt beim Herzog von Bevern, mit dem er einige Maßregeln zu verabreden hatte. Man meldete ihm, daß der Feind seine Stellung angriffe. Sofort eilte er zurück, doch schon vor seiner Ankunft war der Holzberg genommen. Nun wollte er den Feind wieder vertreiben, rückte mit vier Bataillonen gegen ihn an und wurde leider tödlich verwundet. Mit dem errungenen Erfolge zufrieden, zog sich Nadasdy von selbst nach Schönberg zurück. Die Preußen verloren bei diesem Gefecht 1 200 Mann und viele tapfre Offiziere. Winterfeldt erlag seiner Wunde89-2. Sein Verlust wurde unter diesen Umständen um so mehr betrauert, als er der unentbehrlichste Mann bei der Armee des Herzogs von Bevern war und der König bei seinen Anordnungen zur Verteidigung Schlesiens auf ihn gerechnet hatte.

Am Tage nach dem Gefecht am Holzberge brach der Herzog von Bevern sein Lager ab und marschierte über Katholisch-Hennersdorf und Naumburg nach Liegnitz, anstatt das Lager von Löwenberg oder von Schmottseiffen zu beziehen, durch das er Schlesien gedeckt hätte. Aber nicht genug damit, daß er die Grenze verließ, er schwächte sich auch noch durch Detachierung von 15 000 Mann, die er in verschiedene feste Plätze warf.<90> Diese Fehler zogen die Unglücksfälle nach sich, die am Ende des Feldzuges über ihn hereinbrachen.

Feldmarschall Daun folgte den Preußen, marschierte durch Löwenberg und Goldberg und lagerte sich auf den Höhen von Wahlstatt. Die Preußen standen in einer Niederung, mit dem rechten Flügel bei Liegnitz, die Katzbach im Rücken, und mit dem linken Flügel beim Dorfe Groß-Beckern. Aus diesem Gelände hatten sie alles zu fürchten, und ein unternehmender Feind hätte seinen Vorteil daraus gezogen. Das aber war Feldmarschall Daun nicht. An einem Nachmittag indes wollte der Prinz von Lothringen, vom Wein erhitzt und durch die Reden des Grafen Montazet90-1 aufgestachelt, etwas gegen die Preußen unternehmen. Er ließ acht bis zehn Grenadierbataillone mit Geschütz vorrücken und das Dorf Beckern angreifen90-2. Aber diese Abteilung war denn doch zu schwach gegen eine ganze Armee, und da sie auch keine Unterstützung erhielt, so wurde sie von den Truppen, die der Herzog von Bevern aus der Linie zur Unterstützung des Dorfes vorschickte, wieder zurückgetrieben, wobei sich besonders das Infanterieregiment Prinz von Preußen auszeichnete. Immerhin hatte der feindliche Vorstoß dem Herzog von Bevern deutlich gezeigt, daß seine Stellung übel, sein Lager schlecht gewählt und seine ganze Lage bedenklich war. In der Befürchtung, am folgenden Tage von stärkeren Kräften angegriffen zu werden, zog er sich noch in der Nacht über die Katzbach zurück und marschierte auf Parchwitz. Dort stieß er auf ein Korps von Kaiserlichen, das ihm den Übergang über die Katzbach streitig machte. Er schlug daher eine Brücke über die Oder, überschritt sie und zog auf dem rechten Ufer nach Breslau, wo er am 1. Oktober anlangte. Dann ging er auf der Stadtbrücke wieder über die Oder und verschanzte sich hinter dem kleinen Lohebach. Die Österreicher lagerten sich ihm gegenüber bei Lissa. Der Wiener Hof hatte bayrische und württembergische Truppen in Sold genommen und nach Schlesien geschickt. Sie stießen nun zu Nadasdys Reserve in der Gegend von Schweidnitz, das sie belagern sollten.

Inzwischen wollen wir die Schilderung des schlesischen Feldzuges für einen Augenblick unterbrechen, um dem König auf seinem Zuge gegen die Franzosen zu folgen. Der König marschierte zuerst nach Dresden. Von dort schickte er Seydlitz90-3 mit einem Husaren- und einem Dragonerregiment nach Leipzig zur Vertreibung Turpins, dessen leichteTruppen in der Gegend von Halle umherstreiften. Beim Anmarsch der Preußen zogen sich die Franzosen zurück, sodaß Seydlitz in jener Gegend nichts mehr zu tun hatte und zwischen Grimma und Rötha wieder zum König stieß. Von Rötha marschierten die Truppen auf Pegau. Dorthin hatte der Feind zwei kaiserliche Husarenregimenter, Szecheny und Esterhazy, detachiert. Pegau liegt am andern Ufer der<91> Elster. Eine steinerne Brücke führt hinüber bis an das Stadttor. Der Feind hatte das Tor, sowie einige Dächer der nächsten Häuser besetzt, um den Eingang zu sperren. Seydlitz ließ 100 Husaren absitzen und das Tor sprengen. Das ganze Regiment folgte nach und drang in voller Karriere in Pegau ein. Szekely und Kleist91-1 jagten durch die Stadt und zum entgegengesetzten Tore wieder hinaus. Dort stießen sie auf die beiden feindlichen Regimenter, die sich hinter einem Hohlweg aufgestellt hatten. Sie greifen sie an, werfen sie, verfolgen sie bis Zeitz und machen dabei noch 350 Gefangene (7. September).

Am nächsten Tage rückte die Armee des Königs auf Naumburg. Dort stieß die Avantgarde auf sechs der tags zuvor geschlagenen Schwadronen. Sie wurden bald zerstreut und verloren besonders viel Leute beim Übergang über die Saalebrücke bei Schulpforta. Die Brücke wurde ausgebessert, und die Preußen marschierten hinüber nach Buttstädt.

Hier traf die Nachricht von der berüchtigten Konvention von Kloster Zeven ein, die der Herzog von Cumberland mit dem Herzog von Richelieu geschlossen hatte91-2. Die Unterhandlungen waren von einem Grafen Lynar, Minister des Königs von Dänemark91-3, geführt worden. Auf Grund dieser Konvention sollten die Feindseligkeiten eingestellt werden, die hessischen, braunschweiger und gothaischen Truppen in ihre Heimat zurückkehren und die hannöverschen Truppen ruhig bei Stade in einem bestimmten Bezirk am rechten Elbufer bleiben. Über das Kurfürstentum Hannover, die Kriegskontributionen und Entschädigungen wurde nicht das geringste abgemacht, sodaß Hannover also völlig der Willkür der Franzosen preisgegeben war. Kaum war die Konvention abgeschlossen, so kehrte der Herzog von Cumberland, ohne die Ratifikation abzuwarten, nach England zurück, während der Herzog von Richelieu seinerseits Anstalten zum Einfall ins Fürstentum Halberstadt traf. Mittlerweile wurden bei der preußischen Armee Briefe des Grafen Lynar an den Grafen Reuß aufgefangen. Beide waren Anhänger der Pietistensekte und durch Fanatismus verblödet. Graf Lynar schrieb seinem Freunde über jene Verhandlungen: „Der Gedanke, die Konvention zustande zu bringen, kam mir durch himmlische Eingebung. Der Heilige Geist verlieh mir die Kraft, den Fortschritten der französischen Waffen Einhalt zu tun, gleichwie Josua einst den Lauf der Sonne hemmte. Der allmächtige Gott, der die Welt in seinen Händen hält, fand in mir Unwürdigem das Mittel, dem weiteren Vergießen dieses lutherischen, dieses kostbaren hannöverschen Blutes zu wehren91-4.“ Leider stand Graf Lynar mit seinem Selbstlob allein. Wir wollen ihn also lieber zwischen Josua und der Sonne lassen und zu interessanteren Dingen zurückkehren.

Die schmachvolle Konvention versetzte der Sache des Königs einen schweren Schlag. Seine sogenannte Armee bestand nur aus 18 000 Mann. Außerdem mußte er noch<92> ein Detachement zur Deckung Magdeburgs oder zur Verstärkung der Besatzung abschicken. Da indessen Soubise in Erfurt stand, so wollte der König den Versuch machen, ihn von dort zu vertreiben. Dann war die Gefahr, seine Truppen zu schwächen, geringer. Aus diesem Grunde rückte er mit 2 000 Pferden, einem Freibataillon und zwei Grenadierbataillonen gegen Erfurt (13. September). Er traute seinen Augen kaum, als er die französische Armee aus der Cyriaksburg vor seiner Nase abziehen sah. Soubise glaubte sich in Erfurt nicht sicher und ging tatsächlich nach Gotha zurück. Kaum war er fort, so ließ der König die Stadt zur Übergabe auffordern. Sie kapitulierte unter der Bedingung, daß der Petersberg92-1 neutral bleiben, die Stadt von den Preußen besetzt und die Cyriaksburg von den Feinden geräumt werden sollte.

Sobald die Truppen bei Erfurt eine Art befestigter Stellung eingenommen hatten, verließ Prinz Ferdinand von Braunschweig die Armee mit 5 Bataillonen und 7 Schwadronen, um Magdeburg zu decken und dem Herzog von Richelieu die Spitze zu bieten. Der Prinz konnte sich noch durch 6 Bataillone aus der Festung verstärken. Das aber waren die einzigen Maßnahmen, die man unter den obwaltenden Umständen treffen konnte. Sie waren schwach und unzulänglich genug angesichts von 50 000 Franzosen, besonders wenn der Feind hätte energisch vorgehen wollen. Entschlossen, die Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel durch Geschicklichkeit zu ersetzen, rückte Prinz Ferdinand auf einem Umweg nach Magdeburg. Unterwegs stieß er in Egeln auf das Regiment Lusignan, machte 400 Gefangene und stellte sich dann keck bei Wanzleben auf, als wollte er den bei Halberstadt lagernden Richelieu herausfordern. In diesem Abschnitt des Feldzuges hatten die preußischen Streifkorps beständig das Übergewicht über die Franzosen, und es verging kaum ein Tag, wo sie dem Prinzen keine Gefangenen einbrachten.

Der König mußte bei seiner heiklen Lage seine Zuflucht zu allem nehmen, mußte List und Unterhandlungen, kurz, alle möglichen Mittel aufbieten, um sich etwas Luft zu schaffen. Bei solchen Versuchen verlor man ja auch nichts und hatte nur die Mühe, vielleicht erfolglose Auswege zu ersinnen. So begab sich Oberst Balbi, als Amtmann verkleidet, zum Herzog von Richelieu92-2, den er von einigen gemeinsamen Feldzügen in Flandern her kannte, um ihm Vorschläge zur Versöhnung des Ver<93>sailler Hofes zu machen. Er merkte aber, daß der Herzog von Richelieu seinem eignen Einfluß nicht traute und nicht genug Ansehen beim Ministerium und beim König zu haben glaubte, um eine Änderung ihres Systems und ihrer Ansichten über das Bündnis mit dem Hause Österreich herbeizuführen, zumal jene erst kürzlich geschlossene Allianz noch den Reiz der Neuheit besaß. Der preußische Unterhändler sah die Erfolglosigkeit seiner Vorschläge ein und beschränkte sich auf die Bitte, der Herzog möchte doch wenigstens die vom Kriege heimgesuchten preußischen Provinzen etwas schonen. Zugleich verhandelte er mit ihm wegen der Kriegskontributionen. Zweifellos dämpften die in die Hände des Marschalls fließenden Summen in der Folgezeit seinen kriegerischen Eifer bedeutend.

Bald darauf mußte der König seine Armee durch eine abermalige Detachierung schwächen. Er sandte den Prinzen Moritz mit 10 Bataillonen und 10 Schwadronen nach Leipzig. Dort stand er gleichsam im Mittelpunkt, konnte im Notfall zum König oder zum Prinzen Ferdinand stoßen und ein Auge auf Marschall haben, der mit 15 000 Österreichern bei Bautzen lagerte. Marschalls Korps flößte um so mehr Besorgnis ein, als die Lausitz offen lag und er leicht einen Einfall in die Kurmark, ja selbst einen Vorstoß gegen Berlin machen konnte. Auch von Pommern her war die Hauptstadt durch die Schweden bedroht, deren Vorrücken Manteuffel93-1 mit 500 Husaren und 4 Bataillonen aufzuhalten suchte.

Nach dem Abmarsch der beiden Korps aus dem Lager bei Erfurt blieben dem König nur noch 8 Bataillone und 27 Schwadronen. Hätte der Feind seine Schwäche gemerkt, so hätte er zweifellos etwas unternommen. Das aber mußte unter allen Umständen verhindert werden. Man griff deshalb zu den verschiedensten Mitteln, um die Bevölkerung von Erfurt und sogar die Franzosen über den wahren Sachverhalt zu täuschen. Man ließ also die Truppen garnicht im Lager kampieren, verteilte die Infanterie auf die umliegenden Dörfer und wechselte verschiedentlich ihre Quartiere. Da nun die Regimenter jedesmal unter anderem Namen auftraten, so erschien die Zahl der Truppen, die die Spione dem Prinzen Soubise eifrig hinterbrachten, weit größer.

Zwei Tage nach der Einnahme von Erfurt machte der König mit 20 Husaren- und Dragonerschwadronen einen Rekognoszierungsritt auf Gotha, in der Absicht, die beiden mehrfach geschlagenen kaiserlichen Husarenregimenter von da zu vertreiben (15. September). Das gelang über Erwarten: die Furcht vor den Preußen beschleunigte ihren Rückzug. Dicht bei Gotha mußten sie durch einen Engpaß und verloren dabei 180 Mann. Ja man verfolgte sie bis in die Nähe von Eisenach, wo Soubise sein Lager bezogen hatte. Dort war auch der Generalissimus der Reichsarmee, Prinz von Hildburghausen, zu ihm gestoßen. Die herzogliche Familie war froh, die zudringlichen Gäste los zu sein. Hatte sie doch ebenso über die Franzosen wie über die<94> Österreicher zu klagen. Die Franzosen hatten schlimm auf dem Schlosse gehaust, ja sogar die Kanonen mit Gewalt weggenommen, und die österreichischen Offiziere hatten eine dreiste Sprache geführt und sich mit einer Arroganz betragen, die gegenüber souveränen Fürsten aus einem der ältesten deutschen Herrscherhäuser wenig passend war.

In Gotha blieb Seydlitz mit der Kavallerie, um die Bewegungen der Feinde im Auge zu behalten und das kleine Heer in Erfurt rechtzeitig zu benachrichtigen, damit es im Notfall noch vor dem Anmarsch des Gegners von Eisenach zurückgehen konnte. Wenig Tage danach94-1 wurde Seydlitz von einem weit überlegenen Korps angegriffen. Der Prinz von Hildburghausen wollte die Übernahme des Kommandos durch einen glänzenden Streich bekunden und hatte Soubise den Vorschlag gemacht, die Preußen aus Gotha zu vertreiben. So setzten sich denn beide mit den Grenadieren ihrer Armee, der österreichischen Kavallerie, Laudon und seinen Panduren und sämtlichen leichten französischen Truppen in Marsch. Seydlitz erfuhr noch rechtzeitig von ihrem Vorhaben. Die Feinde kamen alsbald heran. Eine Kavalleriekolonne umfaßte Gotha von rechts, indem sie sich aus dem Kamme der nach Thüringen ziehenden Anhöhen hielt. Eine andre Kavalleriekolonne, Husaren an der Spitze, kam von links aus der Richtung von Langensalza. Die mittelste Kolonne bildeten Panduren und hinter ihnen die Grenadiere. Seydlitz hatte sich in einiger Entfernung von Gotha in Schlachtordnung aufgestellt, voran die Husaren, dahinter die Meinicke-Dragoner. Die Czettritz-Dragoner hatte er nach einem Engpaß eine halbe Meile hinter sich geschickt, mit dem Befehl, ein Glied zu formieren, um dem Feind eine möglichst breite Front vorzuspiegeln. Dessenungeachtet stand das Regiment durchaus nahe genug zur Deckung seines Rückzugs, falls er der Überzahl weichen mußte. Wirklich täuschte sein geschicktes und listiges Manöver den Prinzen von Hildburghausen. Er glaubte, die preußische Armee, die er für beträchtlich hielt, rücke zur Unterstützung von Seydlitz heran, und die lange Kavallerielinie, die er vor sich sah, würde sogleich über ihn herfallen. An dem unsichern Benehmen der österreichischen Husaren erkannte Seydlitz, daß seine Kriegslist Eindruck gemacht hatte. Unmerklich drängte er den Feind zurück, gewann mit jedem Vorstoß Terrain und nötigte ihn zum Rückzuge durch den Engpaß, in dem die feindlichen Truppen schon vor einigen Tagen soviel zu leiden gehabt hatten. Zugleich zog sich die Kavalleriekolonne, die den rechten feindlichen Flügel bildete, wieder zurück. Nun sandte Seydlitz einige Husaren und Dragoner nachGotha. Sie drangen gerade in dem Augenblick ein, wo der Prinz von Darmstadt94-2 sich mit den Reichstruppen zurückzuziehen begann. Dabei machten sie viele Gefangene. Der hastige Rückzug des Prinzen von Darmstadt aus Gotha wäre für Soubise fast verhängnisvoll geworden. Er befand sich im Schloß und vermutete nicht, daß man die Stadt so<95> schnell räumen würde. Er hatte gerade noch Zelt, sich aufs Pferd zu werfen und schleunigst zu fliehen. 160 Gemeine und drei höhere Offiziere fielen in die Hände der Preußen. Jeder andre als Seydlitz wäre froh gewesen, sich ohne Verlust aus der Klemme gezogen zu haben. Aber Seydlitz wäre mit sich selbst unzufrieden gewesen, hätte er nicht glänzend abgeschnitten. Dies Beispiel beweist, daß die Fähigkeit und Entschlossenheit eines Generals im Kriege entscheidender ist als die Zahl der Truppen. Ein mittelmäßiger Kopf hätte unter gleichen Umständen durch das imponierende Auftreten des Feindes den Mut verloren, wäre bei ihrem Anmarsch zurückgegangen und hätte die Hälfte seiner Leute bei einem Arrieregardengefecht verloren, das die überlegene feindliche Kavallerie schnellstens angefangen hätte. Durch die geschickte Aufstellung des Dragonerregiments, das er dem Feinde im fernen Hintergrunde zeigte, gelang es Seydlitz, sich so rühmlich aus seiner gefährlichen Lage zu befreien.

Bis jetzt hatte der König die Dinge in der Schwebe lassen müssen. Er konnte nichts unternehmen und mußte alles von der Gunst der Zeit erwarten. Er blieb ruhig in Erfurt, bis er erfuhr, daß ein französisches Detachement der westfälischen Armee durch Hessen auf Langensalza marschierte. Die Ankunft dieses Korps, das ihm in den Rücken fallen konnte, durfte er nicht abwarten und beschloß daher, sich vorher zurückzuziehen. Da sich überdies das Gerücht verbreitete, Hadik zöge durch die Lausitz, um in die Mark einzufallen, so war Prinz Moritz genötigt gewesen, in Gewaltmärschen nach Torgau zu eilen, und mußte von dort wahrscheinlich bis Berlin vorrücken. Der König hatte also keinerlei Unterstützung zu erwarten. So schien ihm denn ein längeres Verweilen in Erfurt nicht ratsam. Um aber nichts zur Unzeit aufs Spiel zu setzen, zog er sich nach Eckartsberga zurück (11. Oktober). Dort erreichten ihn mehrere Kuriere aus Dresden mit der Meldung von Finck, das Marschallsche Korps sei im Begriff, Bautzen zu verlassen und Hadik zu folgen. Sicherlich war Prinz Moritz nicht stark genug, um beiden Gegnern zugleich Widerstand zu leisten. Der König entschloß sich also, ihm selbst Verstärkungen zuzuführen. So gingen denn die Truppen bei Naumburg über die Saale zurück. Feldmarschall Keith warf sich mit einigen Bataillonen nach Leipzig. Der König überschritt die Elbe bei Torgau und marschierte auf Annaburg. Dort erfuhr er: Berlin hätte sich mit einer Kontribution von 200 000 Talern von den Österreichern losgekauft95-1, Hadik hätte sich schon vor der Ankunft des Prinzen Moritz zurückgezogen und Marschall stände unbeweglich in seinem Lager bei Bautzen. Des Königs erster Gedanke war, Hadik den Heimweg abzuschneiden. Zu dem Zweck eilte er nach Herzberg, aber Hadik war schon nach Kottbus zurückgegangen. Da Prinz Moritz bereits auf dem Rückmarsche war, wollte der König auf ihn warten und blieb noch einige Tage in seiner Stellung, um sich über die weiteren Pläne der Franzosen<96> klar zu werden. Denn von ihnen hing es ab, ob er ihren Unternehmungen entgegentreten sollte oder, wenn der Feldzug in Thüringen zu Ende war, sich wieder nach Schlesien wenden und Schweidnitz entsetzen konnte, dessen Belagerung Nadasdy begonnen hatte.

Allein die Ereignisse zwangen den König zu Operationen, die er damals noch garnicht voraussehen konnte. Der Abzug der Preußen aus Erfurt bewog Soubise, über die Saale zu gehen und sich Leipzig zu nähern. Die Meldung kam vom Feldmarschall Keith, der dringend um Hilfe ersuchte, sodaß der König schleunigst zu ihm eilen mußte. Sofort marschierte er mit seinem kleinen Heer auf Leipzig, säuberte sofort das rechte Ufer der Mulde von einigen Brigaden, die Custine dorthin vorgeschoben hatte, rückte dann in Leipzig ein (26. Oktober) und vereinigte sich mit Prinz Moritz und Prinz Ferdinand von Braunschweig. Dann setzte er sich sogleich in den Besitz der großen Heerstraße nach Lützen. Am 30. Oktober war die Armee versammelt und lagerte bei Altranstädt, von wo Retzow zur Deckung des Defilees von Rippach abgesandt wurde. Noch in derselben Nacht brach der König auf, um den Feind in seinen rings um Weißenfels zerstreuten Quartieren zu überfallen; doch retteten sich alle, außer dem in Weißenfels selbst. Die drei Stadttore wurden angegriffen, mit dem Befehl an die Offiziere, sich unverzüglich der Saalebrücke zu bemächtigen, da man den wichtigen Übergang in der Hand haben wollte. Die Stadt wurde gestürmt und 500 Mann gefangen genommen, aber ein Teil der Besatzung entkam und setzte die bedeckte Brücke in Brand. Da sie ganz aus Holz bestand, fing sie leicht Feuer, und an Löschen war nicht zu denken, da der Feind am andren Ufer, hinter Mauern versteckt, ein heftiges Musketenfeuer unterhielt und alle, die sich um die Rettung der Brücke bemühten, getötet oder verwundet wurden. Bald darauf erschienen neue Truppen am andren Flußufer. Bei ihrer ständigen Zunahme sah man die Unmöglichkeit ein, an dieser Stelle den Übergang über die Saale zu erzwingen. Da aber erst die Spitze der Armee bei Weißenfels angelangt und das Gros noch auf dem Marsche war, so wurde es nach Merseburg dirigiert, in der Hoffnung, daß man die dortige Stadtbrücke benutzen könnte.

Als Feldmarschall Keith in Merseburg eintraf, sah er, daß die Franzosen sich dort bereits festgesetzt und die Brücke abgebrochen hatten. Er schwankte indes keinen Augenblick, zog mit einigen Bataillonen nach Halle, vertrieb die Franzosen von dort und stellte die gleichfalls zerstörte Brücke wieder her. So stand der rechte Flügel des preußischen Heeres bei Halle, das Zentrum gegenüber von Merseburg und der linke Flügel bei Weißenfels, gedeckt durch die Saale und durch zwei detachierte Korps, die zugleich die feindlichen Bewegungen im Auge behielten und die rückwärtigen Verbindungen über den Fluß sicherten. Zuerst ging Feldmarschall Keith bei Halle über die Saale. Schon auf diese Bewegung hin, die an sich noch gar keinen Nachteil für die Franzosen bedeutete, räumte Soubise das ganze Saaleufer und zog sich nach St. Micheln zurück. Den ganzen Tag und die folgende Nacht verwandten die Preußen zur Wiederherstellung der Brücken bei Weißenfels und Merseburg. Am 3. November<97> früh gingen der König und Prinz Moritz über die Saale und rückten zugleich mit Feldmarschall Keith auf Roßbach, wo sie sich vereinigen wollten. Unterwegs machte der König mit einem Teil der Kavallerie eine Rekognoszierung zur Erkundung der feindlichen Stellung. Sie war denkbar schlecht. Die dreisten Husaren drangen bis ins feindliche Lager, erbeuteten Kavalleriepferde und rissen Soldaten aus den Zelten. Solche Vorkommnisse, im Verein mit der Achtlosigkeit der französischen Generale, bestimmten den König zum Angriff am folgenden Tage.

Bei Morgengrauen verließ die Armee das Lager. Die gesamte Kavallerie bildete die Avantgarde. Als sie an die Stelle kam, wo der König tags zuvor das feindliche Lager beobachtet hatte, fand sie es nicht mehr. Zweifellos waren Soubise Bedenken über die Mängel seiner Stellung aufgestiegen, und er hatte sie noch in der Nacht gewechselt. Nun standen seine Truppen auf einer Anhöhe, vor der sich eine Schlucht hinzog. Der rechte Flügel lehnte sich an ein Gehölz, das durch einen Verhau und drei mit Geschützen besetzte Schanzen befestigt war. Der linke Flügel war von einem See umgeben, den man wegen seiner Größe nicht umgehen konnte. Zum Sturm auf eine so starke Stellung hatte der König zu wenig Infanterie. Bei etwas hartnäckigem Widerstand war sie nur mit einem Opfer von 20 000 Mann zu erobern. Der König sah ein, daß ein solches Unternehmen seine Kräfte überstieg. Er gab darum der Infanterie Befehl, in der Nähe zwischen Sümpfen hindurch zu marschieren, um sich des Lagers bei Braunsdorf zu bemächtigen. Die Kavallerie folgte als Nachhut. Sobald die Franzosen den Rückzug der preußischen Truppen bemerkten, schoben sie ihre Vorposten nebst Artillerie vor und eröffneten ein starkes, aber erfolgloses Geschützfeuer. Alles, was sie an Spielleuten und Trompetern hatten, blies Fanfare. Trommler und Pfeifer stimmten lustige Weisen an, als hätten sie bereits einen Sieg gewonnen. So verdrießlich dies Schauspiel auch für Leute war, die nie einen Feind gefürchtet hatten, so mußte man es unter den obwaltenden Umständen doch mit gleichgültigen Blicken betrachten und die deutsche Ruhe der französischen Leichtfertigkeit und Prahlerei entgegensetzen.

Noch in der Nacht zum 5. traf die Meldung ein, daß der Feind nach rechts abmarschiere. Die Husaren waren seit Tagesanbruch im Felde. Sie drangen in das eben von den Franzosen geräumte Lager und erfuhren von Bauern, daß die Franzosen den Weg nach Weißenfels eingeschlagen hätten. Kurz darauf stellte sich ein ziemlich bedeutendes Korps dem rechten preußischen Flügel gegenüber, anscheinend eine Arrieregarde oder eine Abteilung, die zur Deckung der Armee auf dem Marsche bestimmt war. Die Preußen gaben wenig darauf, da ihr Lager sowohl in der Front wie auf beiden Flügeln durch einen unüberschreitbaren Sumpf gedeckt und nur auf drei schmalen Straßen angreifbar war. So ließen sich beim Feind nur drei Pläne voraussetzen. Entweder konnte er sich aus Mangel an Lebensmitteln über Freiburg nach Oberthüringen zurückziehen, oder den Weg nach Weißenfels einschlagen, wo jedoch die Brücken zerstört waren, oder aber Merseburg noch vor dem König zu erreichen<98> suchen, um ihm den Übergang über die Saale abzuschneiden. Nun aber stand die preußische Armee Merseburg viel näher als die Franzosen. Auch brauchte man einen Marsch der Franzosen auf Merseburg um so weniger zu fürchten, als er sicher zu einer Schlacht geführt hätte, von der man sich Erfolg versprechen konnte, da keine befestigte Stellung zu stürmen war.

Der König schickte viele Streifkorps aus und wartete in seinem Lager ruhig die Klärung der feindlichen Absichten ab. Denn eine einzige vorzeitige oder übereilte Bewegung hätte alles verdorben. Teils wahre, teils falsche Nachrichten, die die Patrouillen brachten, ließen die Ungewißheit noch bis gegen Mittag bestehen. Da tauchte plötzlich in einiger Entfernung die Spitze der französischen Kolonnen auf: sie wollten den linken preußischen Flügel umgehen. Ebenso unvermerkt verschwanden die Reichstruppen aus ihrem alten Lager. Nur das Korps, das man für die Nachhut gehalten hatte und das in Wahrheit die Reserve St. Germains war, blieb den Preußen gegenüber stehen. Der König rekognoszierte nun persönlich den Marsch Soubises und gewann die Überzeugung, daß er auf Merseburg gerichtet sei. Die Franzosen rückten nur sehr langsam vor, da sie mehrere Bataillone in Kolonnen formiert hatten, die jedesmal bei einer Wegenge abbrechen mußten.

Um zwei Uhr brachen die Preußen ihre Zelte ab, machten eine Viertelschwenkung nach links und setzten sich in Bewegung. Der König marschierte parallel neben Soubises Armee her. Seine Truppen waren durch den Sumpf gedeckt, der bei Braunsdorf beginnt, sich eine starke Viertelmeile weit erstreckt und 2 000 Schritt vor Roßbach endet. Seydlitz bildete mit der gesamten Kavallerie die Avantgarde. Er hatte Befehl, die zahlreichen Mulden im Gelände zur Umgehung der französischen Kavallerie zu benutzen und sich auf die Spitze ihrer Kolonnen zu stürzen, bevor sie Zeit fänden, sich zu formieren. Dem Prinzen Ferdinand, der an diesem Tage den rechten Flügel der Armee kommandierte, konnte der König nur die Kavalleriefeldwachen des Lagers lassen. Er stellte sie, um dem Feinde zu imponieren, in einem Gliede auf. Das ging um so eher an, als der Braunsdorfer Sumpf den rechten Flügel teilweise deckte. So zogen beide Armeen parallel nebeneinander her und kamen sich dabei immer näher. Das Heer des Königs hielt sich sorgsam auf einer kleinen Anhöhe, die auf Roßbach98-1 zuläuft. Die Franzosen dagegen, die die Gegend wohl nicht recht kannten, marschierten im Grunde. Auf dem Janushügel ließ der König eine Batterie auffahren, deren Feuer den Sieg entscheiden sollte. Gegenüber in der Niederung taten die Franzosen ein gleiches. Da sie aber bergauf schossen, so war die Wirkung gleich Null.

Während dieser beiderseitigen Manöver hatte Seydlitz den rechten feindlichen Flügel unbemerkt umgangen und sich mit Ungestüm auf die Kavallerie geworfen. Die beiden österreichischen Regimenter machten zwar Front und hielten den Anprall aus, wurden aber von den Franzosen mit Ausnahme des Regiments Fitz-James im Stich gelassen und fast vollständig aufgerieben. Die Infanterie beider Armeen marschierte<99> indes weiter. Ihre Spitzen waren nur 500 Schritt voneinander entfernt. Der König hätte sich gern in den Besitz des Dorfes Reichardtswerben gesetzt. Da die Entfernung aber immer noch 600 Schritt betrug und der Kampf jeden Augenblick beginnen konnte, so detachierte er Feldmarschall Keith mit 5 Bataillonen, seinem ganzen zweiten Treffen, dorthin. Der König selbst ritt bis auf 200 Schritt an die beiden französischen Treffen heran und sah, daß sie abwechselnd in Bataillonskolonnen und in aufmarschierten Bataillonen formiert waren. Der rechte Flügel Soubises hing sozusagen in der Luft. Da aber die preußische Kavallerie noch bei der Verfolgung der feindlichen Reiterei war, konnte man diesen Flügel nur mit Infanterie umfassen. Zu dem Zweck zog der König zwei Grenadierbataillone vor und ließ sie auf seiner linken Flanke einen Haken bilden, mit dem Befehl, in dem Augenblick, wo die Franzosen zum Angriff vorgingen, halb rechts zu schwenken. Dadurch mußten sie dem Feinde notwendig in die Flanke fallen. Pünktlich führten sie die Bewegung aus. Sobald die Franzosen zur Front einschwenkten, bekamen sie das Feuer der Grenadiere in die Flanke. Nachdem sie höchstens drei Salven des Regiments Alt-Braunschweig ausgehalten hatten, sah man ihre Kolonnen gegen den linken Flügel drängen. Bald hatten sie die zwischen ihnen stehenden aufmarschierten Bataillone zusammengedrückt. Von Minute zu Minute wurde die Infanteriemasse dichter, schwerfälliger und verwirrter, und je mehr sie sich auf ihre eigne Linke warf, um so mehr wurde sie von der preußischen Front überflügelt.

Während so die Verwirrung bei Soubises Truppen beständig zunahm, erhielt der König die Meldung, daß ein feindliches Kavalleriekorps in seinem Rücken auftauche. Schleunigst sammelte er die ersten Schwadronen, deren er habhaft werden konnte. Aber kaum hatten sie sich den im Rücken der Preußen erscheinenden Reitergeschwadern entgegengestellt, so gingen diese schleunigst zurück. Nun attackierten die Gardes du Korps und die Gensdarmen die schon in größte Verwirrung geratene französische Infanterie, zersprengten sie mühelos und machten viele Gefangene. Diese Attacke fand gegen 6 Uhr abends statt. Das Wetter war trübe und die Dunkelheit schon so groß, daß eine Verfolgung unklug gewesen wäre, trotz des wilden Durcheinanders der Flucht. Der König begnügte sich damit, Kürassier-, Dragoner- und Husarenabteilungen, keine über 30 Mann stark, hinterdreinzuschicken.

Während des Kampfes hatten 10 Bataillone auf dem rechten preußischen Flügel mit geschultertem Gewehr dagestanden, ohne zu feuern. Prinz Ferdinand von Braunschweig, der sie kommandierte, hatte den Braunsdorfer Sumpf, der einen Teil seiner Front deckte, garnicht verlassen, sondern nur die ihm gegenüberstehenden Reichstruppen mit einigen Kanonenschüssen verjagt. So waren also nur sieben preußische Bataillone ins Feuer gekommen, und die ganze Schlacht hatte bis zur Entscheidung nur anderthalb Stunden gedauert.

Am nächsten Tage bei Morgengrauen brach der König mit den Husaren und Dragonern auf, um den Feinden nachzusetzen. Sie hatten sich auf Freiburg zurückgezogen. Die Infanterie erhielt Befehl, auf derselben Straße zu folgen. Die feindliche<100> Arrieregarde war noch in Freiburg. Die Dragoner saßen ab und vertrieben einige feindliche Abteilungen aus den Gärten. Dann traf man Anstalten zur Erstürmung des Schlosses, aber der Feind wartete das garnicht erst ab, sondern zog sich eiligst über die Unstrut zurück und verbrannte die Brücken hinter sich. Inzwischen kamen die kleinen Abteilungen, die der König am Abend der Schlacht abgesandt hatte, einzeln zurück. Sie brachten teils gefangene Offiziere, teils Soldaten, ja auch Kanonen mit. Keine einzige erschien mit leeren Händen. Unterdessen wurde die Brücke über die Unstrut schleunigst wiederhergestellt, sodaß sie bereits binnen einer Stunde wieder benutzbar war. Die Soubisesche Armee hatte sich aber auf so vielen Straßen zerstreut, daß man nicht wußte, auf welcher man sie verfolgen sollte. Da die Bauern versicherten, das Gros der Flüchtigen habe die Richtung nach Eckartsberga eingeschlagen, so marschierte der König dorthin. Den ganzen Tag über machte man immerfort neue Gefangene. Alle nach verschiedenen Seiten entsandten Detachements brachten welche ein. In Eckartsberga fand man aber ein Korps Reichstruppen, etwa 5 000 bis 6 000 Mann stark. Da der König keine andre Infanterie bei sich hatte als das Mayrsche Freibataillon, so legte er es nebst Husaren in ein Gehölz in der Nähe des feindlichen Lagers in einen Hinterhalt und befahl ihnen, den Feind die ganze Nacht durch zu beunruhigen. Verdrossen über die Störung ihrer Nachtruhe, räumten die Reichstruppen ihre Stellung und verloren dabei 400 Mann und 10 Kanonen. Lentulus100-1, der ihnen am nächsten Tage bis Erfurt nachsetzte, nahm ihnen noch weitere 800 Gefangene ab und brachte sie zum König.

Die Schlacht bei Roßbach hatte Soubise 10 000 Mann gekostet, darunter 7 000 Gefangene. Außerdem erbeuteten die Preußen 63 Kanonen, 15 Standarten, 7 Fahnen und ein Paar Pauken.

Das Verhalten der französischen Generale ist schwerlich zu billigen. Unstreitig hatten sie die Absicht, die Preußen aus Sachsen zu vertreiben. Aber lag es nicht viel<101> mehr im Interesse ihrer Verbündeten, den König einfach festzuhalten, um dadurch Feldmarschall Daun und dem Prinzen von Lothringen Zeit zur vollständigen Eroberung Schlesiens zu verschaffen? Hätten sie den König nur noch eine kurze Weile in Thüringen hingehalten, so wäre die Eroberung nicht nur vollendet worden, sondern die Preußen hätten auch bei der vorgerückten, rauhen Jahreszeit in Schlesien unmöglich noch die Erfolge erringen können, von denen wir gleich reden werden. Was aber die Schlacht selbst anlangt, in die sie sich so zur Unzeit einließen, so war es gewiß nur Soubises Unentschlossenheit und seinen verkehrten Anordnungen zuzuschreiben, wenn er sich von einer Handvoll Leute besiegen ließ. Noch erstaunlicher aber als alles übrige erschien die Art, mit der Frankreich die Verdienste seiner Generale belohnte. D'Estrées, der Sieger von Hastenbeck, wurde zurückberufen101-1, Soubise aber, der bei Roßbach unterlag, wurde bald darauf zum Marschall von Frankeich befördert.

Eigentlich gab die Schlacht von Roßbach dem König nur die Freiheit, in Schlesien neue Gefahren aufzusuchen. Die Bedeutung des Sieges lag bloß in dem Eindruck, den er auf die Franzosen und die Trümmer der Armee des Herzogs von Cumberland machte. Sobald Richelieu Nachricht von der Niederlage erhalten hatte, verließ er sein Lager bei Halberstadt und zog sich ins Kurfürstentum Hannover zurück. Die Truppen der Verbündeten hingegen, die schon die Waffen strecken wollten, schöpften neuen Mut und neue Hoffnung.

Fast gleichzeitig gab ein günstiger Umschwung im englischen Ministerium, auf den wir gleich näher eingehen werden, der Regierung neue Tatkraft. Beschämt über die Konvention von Kloster Zeven, die ihrer Nation das Siegel der Schmach aufdrückte, beschlossen die englischen Minister, diese Konvention zu brechen. Sie waren dazu um so mehr berechtigt, als das Abkommen weder vom König von England noch vom König von Frankreich ratifiziert worden war. Sie bemühten sich sofort, die Armee bei Stade wieder auf die Beine zu bringen, und der Herzog von Cumberland, der das Vertrauen seiner Truppen verloren hatte, wurde vom König abberufen. An seiner Statt erbat er sich vom König den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, dessen Ruf sich mit Recht durch ganz Europa verbreitet hatte. Die Preußen verloren in ihm zwar einen trefflichen und schwer entbehrlichen General, aber es war von größter Wichtigkeit, die Armee der Verbündeten wieder in die Höhe zu bringen, und so konnte der König diese Bitte nicht gut abschlagen. Prinz Ferdinand verließ also das Heer, begab sich auf Umwegen nach Stade und fand in der Gegend ein zerstreutes Korps von 30 000 Mann vor, dessen Entwaffnung die Franzosen aus Inkonsequenz oder Leichtsinn versäumt hatten.

Während des Feldzuges in Thüringen kam man dahinter, daß ein Franzose, namens Fraigne, der sich am Hofe von Zerbst aufhielt101-2, Hausierer und andre verkappte Leute zur preußischen Armee schickte, um alles, was sie erkundeten, den französischen Generalen mitzuteilen. Infolgedessen wurde ein Detachement nach<102> Zerbst gesandt, das den Abenteurer aufhob und nach der Festung Magdeburg schaffte. Dabei stellte sich heraus, daß die Fürstin-Witwe von Zerbst102-1 infolge einer unerklärlichen Liebestorheit eine heimliche Ehe mit diesem Menschen geschlossen hatte. Sie schlug lauten Lärm über seine Gefangennahme und verlegte aus Ärger ihren Wohnsitz nach Paris. Die Sache konnte unter Umständen üble Folgen haben, da die Großfürstin von Rußland die Tochter der Fürstin von Zerbst war. Aber vielleicht ignorierte oder mißbilligte die Großfürstin das Verhältnis ihrer Mutter zu diesem Abenteurer, und so erwuchs dem König kein weiterer Verdruß daraus.

Der König kehrte von Eckartsberga nach Freiburg zurück. Gleichzeitig kam ein Detachement, das Feldmarschall Keith nach Querfurt gesandt hatte, von der Verfolgung der Franzosen wieder. Sogar die Bauern der Gegend brachten Gefangene ein. Sie waren erbittert über die Schandtaten, die die Soldaten Soubises in lutherischen Kirchen verübt hatten. Alles, was das Volk aufs höchste verehrte, war mit roher Unanständigkeit entweiht worden. Dies zügellose Benehmen der Franzosen hatte alle thüringischen Bauern zu Parteigängern der Preußen gemacht.

Indessen mußte der König von Freiburg aufbrechen. Die Lage in Schlesien erforderte seine Gegenwart und Hilfe. Er wollte stracks auf Schweidnitz marschieren, um Nadasdy zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen. Am 13. November brach er mit 19 Bataillonen und 28 Schwadronen von Leipzig auf. Gleichzeitig rückte Feldmarschall Keith mit einem kleinen Korps über Leitmeritz in Böhmen ein, um den Marsch des Königs durch die Lausitz zu erleichtern und Marschall durch diese Diversion zum Verlassen der Gegend von Bautzen und Zittau zu zwingen. Keith nahm ein großes feindliches Magazin bei Leitmeritz weg und machte Miene, auf Prag vorzurücken. Derweilen drang der König in die Lausitz ein und vertrieb Hadik aus Großenhain. Bei seiner Annäherung zog sich Marschall auf Löbau zurück. Auf dem Marsche von Bautzen nach Weißenberg wurde die Spitze einer Kolonne gegen Löbau dirigiert. Bei ihrem Erscheinen ging Marschall noch weiter auf Gabel zurück. Hierauf setzte der König seinen Weg ungehindert fort.

Bei seiner Ankunft in Görlitz (23. November) erhielt der König die schmerzliche Nachricht, daß sich Schweidnitz ergeben hatte102-2. Die Festung wurde auf folgende Weise genommen. Nadasdy hatte am 27. Oktober die Laufgräben zwischen dem Bögenfort und der Ziegelei eröffnet. Am 10. November war seine dritte Parallele fertig. Die Besatzung hatte einige erfolgreiche Ausfälle gemacht, und obwohl das Bombardement einen Teil der Stadt zerstört hatte, war noch keins der Werke in Feindeshand gefallen. Ungeduldig über seine geringen Erfolge, beschloß Nadasdy einen Handstreich zu wagen. In der Nacht zum 11. November unternahm er einen allgemeinen Sturm<103> auf alle Schanzen, die die eigentliche Festung umgeben, und eroberte zwei. Ob dieses Unfalls verloren der Kommandant der Festung, Sers103-1, und Grumbkow103-2, der ihm beigeordnet war, den Kopf. Sie kapitulierten und gaben sich mit der ganzen Besatzung, 10 Husarenschwadronen und 10 Bataillonen Infanterie, kriegsgefangen. Die Österreicher entwaffneten die Truppen, und da der größte Teil von ihnen aus Schlesien war, so gaben sie ihnen den Laufpaß und ließen sie in ihre Dörfer zurückkehren. Zu keiner Zeit hätte dies Ereignis die Pläne des Königs mehr durchkreuzen können. Jedenfalls aber wurde dadurch seine Vereinigung mit dem Herzog von Bevern um so nötiger, zumal leicht vorauszusehen war, daß sich Nadasdy nach der Einnahme von Schweidnitz mit Feldmarschall Daun vereinigen würde, um alles, was an Preußen noch bei Breslau stand, zu vernichten.

Der Herzog von Bevern hatte vom König gemessenen Befehl, den Feind anzugreifen und nicht zu dulden, daß Schweidnitz sozusagen vor seinen Augen erobert würde. Das war angesichts der österreichischen Stellung bei Lissa auch leicht auszuführen. Der Herzog konnte mit einer einzigen Bewegung dem Feind in die Flanke fallen und hätte ihn vermutlich geschlagen. Die Belagerung von Schweidnitz wäre dann aufgehoben und der Plan der Kaiserlichen durchkreuzt worden. Blieb er dagegen untätig stehen, so mußte die Festung, die auf keine Hilfe mehr zu hoffen hatte, schließlich kapitulieren. Dann konnten alle feindlichen Truppen vereint über die Preußen herfallen und ihre befestigte Stellung an der Lohe stürmen. Leider sah der Herzog das Zwingende dieser Gründe nicht ein. Immerhin bestimmten ihn eines Tages die Generale, den Angriff wenigstens zu versuchen. Er brach also aus dem Lager auf und schlug die leichten Truppen, die die rechte Flanke der Österreicher deckten. Um aber ihre Hauptarmee anzugreifen und in die Oder zu werfen, was sicher gelungen wäre, dazu hätte er weniger Unsicherheit und Ängstlichkeit und mehr Selbstvertrauen haben müssen. So aber schreckte er vor einem Unternehmen zurück, dessen Ausgang nie völlig sicher ist. Er glaubte genug getan zu haben und führte seine Truppen in ihre Verschanzungen zurück.

Am 24. November kam der König in Naumburg am Queis an. Dort erfuhr er den Sieg der Österreicher über den Herzog von Bevern103-3 und den Verlust Breslaus103-4. Alles, was man dem Herzog vorhergesagt hatte, war leider nur allzu genau eingetroffen. Nadasdy hatte sich mit dem Prinzen von Lothringen und Feldmarschall Daun vereinigt, und in ihrer Ungeduld, die Eroberung Schlesiens zu vollenden, hatten die Feinde ihren Plan unverzüglich ins Werk gesetzt. In der Nacht vom 21. zum 22. November hatten sie vor der Front der Preußen, zwischen Pilsnitz und Groß-Mochbern, vier große Batterien mit schwerem Geschütz errichtet. Der Herzog von Bevern sah sich das mit an und ließ sie ihr Vorhaben ruhig vollenden, so deutlich auch in diesen Maßnahmen Dauns Anschlag gegen die preußischen Verschanzungen zutage<104> trat. Dann zog Nadasdy an der Lohe entlang und formierte sich in der Richtung auf Gabitz. Der Herzog von Bevern erblickte darin die Absicht, ihm in den Rücken zu fallen, so schwierig das in Wahrheit auch gewesen wäre, und schwächte sich noch durch Detachierung einer Abteilung unter Zieten nach Gabitz, die dort der feindlichen Umfassung entgegentreten sollte. Die Front des preußischen Lagers hinter der Lohe war durch Schanzen gedeckt, die in der Kehle offen und so schlecht angelegt waren, daß man einige sogar vom andern Ufer bestreichen konnte. Nicht einmal für ihre hinreichende Besetzung mit Geschützen hatte der Herzog von Bevern gesorgt. Der größte Teil seiner Artillerie steckte in einer Verschanzung, die er in einem tiefen Grunde anlegen ließ, um seine Flanke an der Lohe gegen die Vorstadt von Breslau zu decken. Feldmarschall Daun hatte Zeit gehabt, all diese Nachlässigkeiten und Schnitzer zu beobachten und erkunden zu lassen. Er benutzte sie weidlich zum eigenen Vorteil.

Am 22. November um neun Uhr morgens begann der Angriff. Einige Schanzen wurden abwechselnd genommen und wieder zurückerobert. Die preußische Kavallerie mußte in einem Morast operieren, wo sie nicht fechten konnte und vom Feuer einer Batterie von 60 Kanonen überschüttet wurde, die die Österreicher am jenseitigen Ufer errichtet hatten. Ungeachtet so vieler Fehler behaupteten sich die Preußen noch in ihrer Stellung. Auf dem linken Flügel bei Gabitz warf Zieten nicht nur die Angriffe zurück, sondern verfolgte Nadasdy sogar bis über die Lohe. Der Feind zog sich in regelloser Flucht bis hinter das Schweidnitzer Wasser zurück. Währenddessen waren die Österreicher beim Angriff auf den Herzog von Bevern unter dem Schutz ihrer Artillerie über die Lohe gegangen und eroberten die preußischen Schanzen sofort durch die Kehlen. Die Besatzung verteidigte sich zwar tapfer und warf die Angreifer verschiedentlich wieder hinaus. Ja, Prinz Ferdinand von Preußen trieb sie teilweise bis an die Lohe zurück. Aber der Feind war allzu stark. Das Lager war verloren, und die Nacht brach herein. Es hätte zwar noch Hilfsmittel gegeben, aber der Herzog von Bevern sah sie nicht. In der ersten Bestürzung ging er über die Oder zurück und warf Lestwitz mit 8 Bataillonen nach Breslau. Dadurch verlor er 80 Kanonen und fast 8 000 Mann, die der Angriff auf das Lager bei Lissa ihm nicht gekostet hätte. Allerdings behaupteten die Österreicher, das Gefecht habe ihnen 18 000 Mann kampfunfähig gemacht, und in der Tat waren die umliegenden Dörfer mit Verwundeten überfüllt.

Am folgenden Morgen, oder richtiger noch in der Nacht, unternahm der Herzog von Bevern eine Rekognoszierung des Beckschen Korps, das in seiner Nähe lagerte. Er war allein und ließ sich von Panduren gefangen nehmen. Kyau, der rangälteste General, übernahm den Oberbefehl, überlegte aber nicht, was etwa zu tun wäre, sondern marschierte stracks nach Glogau ab.

Kaum glaubte sich Lestwitz in Breslau verlassen, so verlor er den Kopf. Als die Österreicher sich der Hauptstadt näherten, wartete er, der doch bisher als tapferer Offizier gegolten hatte, nicht einen feindlichen Kanonenschuß gegen die Wälle ab, sondern bot dem Feind die Kapitulation an und erhielt mit Waffen und Gepäck freien<105> Abzug. Zwei Tage darauf schlug er mit seiner Besatzung, von der die Hälfte desertierte, die Straße ein, die Kyau gezogen war.

Der König erhielt all diese niederschmetternden Nachrichten auf einmal. Er ließ sich durch die Schicksalsschläge nicht niederdrücken, sondern sann nur auf Abhilfe und beschleunigte seinen Marsch, um das Oderufer möglichst bald zu erreichen. Unterwegs umging er Liegnitz, das die Österreicher befestigt hatten, und rückte stracks auf Parchwitz vor. Seine Avantgarde stieß unvermutet auf ein feindliches Detachement, schlug es gründlich und machte 300 Gefangene105-1. Am 28. November traf er in Parchwitz ein. Er hatte den Marsch von Leipzig bis zur Oder in zwölf Tagen zurückgelegt. Kyau sollte bei Köben über die Oder gehen, konnte den Befehl aber nicht ausführen, da der größte Teil seiner Truppen bereits Glogau erreicht hatte. Nichts war unter solchen Umständen kostbarer als Zeit. Kein Augenblick war zu verlieren. Man mußte die Österreicher um jeden Preis unverzüglich angreifen und aus Schlesien herauswerfen oder sich für immer in den Verlust der Provinz fügen. Die schlesische Armee ging bei Glogau wieder über die Oder, konnte sich mit den Truppen des Königs aber erst am 2. Dezember vereinigen. Sie war mutlos und durch die eben erlittene Niederlage tief gedrückt. Man faßte die Offiziere bei ihrer Ehre, erinnerte sie an ihre früheren Siege, suchte durch Frohsinn den frischen Eindruck der traurigen Bilder zu verwischen. Selbst der Wein mußte zur Wiederbelebung der niedergeschlagenen Geister herhalten. Der König sprach mit den Soldaten und ließ unentgeltlich Lebensmittel verteilen. Kurz, er erschöpfte alle Mittel, die die Einbildungskraft ersinnen konnte und die die Zeit irgend erlaubte, um im Heere wieder Vertrauen wachzurufen, ohne das die Hoffnung auf Sieg eitel ist105-2. Schon begannen die Gesichter sich aufzuhellen. Die Truppen, die soeben die Franzosen bei Roßbach geschlagen hatten, redeten ihren Kameraden zu, guten Mut zu fassen. Etwas Ruhe gab den Soldaten frische Kraft, und die Armee war bereit, bei der ersten Gelegenheit die am 22. erlittene Schmach wieder abzuwaschen. Der König suchte nach dieser Gelegenheit und fand sie bald.

Am 4. Dezember rückte er bis Neumarkt vor. Er hatte nur die Avantgarde der Husaren bei sich und erfuhr, daß der Feind seine Bäckerei in Neumarkt einrichte, daß die Stadt von Panduren besetzt sei und daß die Armee des Feldmarschalls Daun in kurzem erwartet würde. Erlaubte man dem Feinde die Besetzung der Höhen hinter Neumarkt, so gab man ihm einen großen Vorteil in die Hand. Andrerseits war es schwer, den Ort zu nehmen. Infanterie war nicht da und konnte auch nicht vor dem Abend heran sein. Außerdem hatte man keine Kanonen. Die Husaren waren die einzigen verfügbaren Truppen. Der König entschloß sich, aus der Not eine Tugend zu machen. Da er um keinen Preis zulassen wollte, daß der Prinz von Lothringen sich ihm zum Trotz gegenüber lagerte, ließ er einige Husarenschwadronen absitzen und das Stadttor sprengen. Ein Regiment folgte zu Pferde und drang in voller Karriere ein.<106> Ein andres Regiment erreichte durch die Vorstädte das Breslauer Tor, und das Unternehmen endigte mit der Gefangennahme von 800 Kroaten durch die Husaren. Sogleich wurde der Lagerplatz besetzt. Man fand dort Pfähle und Markierungen, die die österreichischen Ingenieure zur Absteckung der Truppenstellung hinterlassen hatten. Der Prinz von Württemberg übernahm den Befehl über die Avantgarde. Am Abend erhielt er 10 Bataillone Verstärkung, mit denen er bei Kammendorf ein Lager bezog. Noch am selben Tage zog die Kavallerie durch das Defilee von Neumarkt, während das Gros der Infanterie in Neumarkt und den umliegenden Dörfern kantonnierte. Da erhielt der König zuverlässige Meldung, der Prinz von Lothringen habe das Lager an der Lohe verlassen und sei bis über Lissa vorgerückt. Sein rechter Flügel lehne sich an das Dorf Nippern, der linke an Gohlau, und das Schweidnitzer Wasser decke seinen Rücken. Erfreut sah der König den Feind in einer Stellung, die seine eigenen Absichten erleichterte. Denn er war gezwungen und entschlossen, die Österreicher überall anzugreifen, wo er sie fand, und wenn sie auf dem Zobtenberg gestanden hätten.

Sofort wurden die Anordnungen zum Vormarsch getroffen. Die Armee setzte sich am 5. vor Tagesanbruch in Bewegung. Voran rückte eine Avantgarde von 60 Schwadronen und 10 Bataillonen, an ihrer Spitze der König. Dicht dahinter folgte die Armee in vier Kolonnen, die Infanterie in der Mitte, die Kavallerie auf den Flügeln. Als die Avantgarde sich dem Dorfe Borne näherte, sah sie eine große Kavallerielinie vor sich, deren rechter Flügel sich nach Lissa hinzog, während der vorgeschobene linke Flügel sich an ein Gehölz rechts von der Armee des Königs lehnte. Anfangs hielt man diese Kavallerie für einen Flügel der österreichischen Armee, deren Zentrum man aber nicht entdeckte. Die Patrouillen versicherten, es wäre eine Avantgarde. Ja, man erfuhr sogar, daß sie von General Nostitz kommandiert würde und aus vier sächsischen Dragonerregimentern und zwei kaiserlichen Husarenregimentern bestände. Um sicher zu gehen, wurden die 10 Bataillone der Vorhut unvermerkt in das Gehölz gelegt, das die linke Flanke von Nostitz deckte. Dann warf sich die inzwischen aufmarschierte preußische Kavallerie mit Ungestüm auf den Feind. Im Nu wurden die Regimenter zerstreut und bis vor die Front der österreichischen Armee verfolgt. 5 Offiziere und 800 Mann wurden dabei gefangen genommen und an den Marschkolonnen entlang nach Neumarkt zurückgeschickt, um die Truppen durch diesen Erfolg anzufeuern. Nur mit Mühe zügelte der König das Ungestüm der Husaren, die ihre Kampflust vorwärts trieb. Sie wollten schon mitten in die österreichische Armee hereinbrechen, wurden jedoch in Kanonenschußweite vom Feinde zwischen den Dörfern Groß-Heidau und Frobelwitz wieder gesammelt.

Von dort sah man die kaiserliche Armee so deutlich, daß man sie Mann für Mann zählen konnte. Ihr rechter Flügel, der, wie man wußte, bei Nippern stand, war allerdings durch das große Gehölz bei Lissa106-1 verdeckt, aber vom Zentrum bis zum linken<107> Flügel war alles zu übersehen. Beim ersten Anblick dieser Stellung ergab sich aus der Geländebeschaffenheit, daß der Hauptstoß sich gegen den linken Flügel des Feindes richten müsse, der sich, schlecht angelehnt, über den Sagschützer Kiefernberg zog. War diese Stellung erst gestürmt, so hatte man für den Rest der Schlacht das Gelände für sich; denn es fällt von dort aus immer weiter ab und senkt sich gegen Nippern herab. Ließ man sich dagegen mit dem Zentrum ein, so konnte der rechte österreichische Flügel durch das Lissaer Gehölz den Angreifern in die Flanke fallen. Jedenfalls hätte man zum Schluß einen Angriff auf den Kiefernberg machen müssen, da er die ganze Ebene beherrschte, hätte sich also das Härteste und Schwerste bis zuletzt aufgespart, wo die Truppen, ermattet und vom Kämpfen erschöpft, zu großen Anstrengungen nicht mehr imstande sind. Fing man aber mit dem Schwersten an, so hatte man den ersten Feuereifer der Soldaten zugute, und das Weitere war dagegen leicht. Aus diesen Gründen wurde die Armee unverzüglich zum Angriff auf den linken feindlichen Flügel angesetzt. Die mit Aufmarschabständen vorrückenden Kolonnen wurden wieder auseinandergezogen und zu zwei Treffen formiert, indem die Züge mit einer Viertelschwenkung rechts abmarschierten. Der König zog mit seinen Husaren links neben der marschierenden Armee her, auf einer Hügelkette entlang, die dem Feind ihre Bewegungen verbarg. Da er so zwischen beiden Heeren wie auf einer Grenzscheide ritt, konnte er die Österreicher überblicken und den Marsch seiner Truppen leiten. Auch sandte er zuverlässige Offiziere teils zur Beobachtung des rechten Flügels des Feldmarschalls Daun, teils auf Kanth, wo Draskowich lagerte, um dessen Bewegungen im Auge zu behalten. Zugleich wurden Patrouillen am Schweidnitzer Wasser entlang geschickt, um während des Angriffs den Rücken der Armee zu sichern.

Der Plan des Königs, zu dessen Ausführung man jetzt schritt, war folgender. Die ganze preußische Armee sollte die linke Flanke des kaiserlichen Heeres angreifen. Den<108> Hauptstoß sollte der rechte Flügel ausführen, während der linke dem Feinde mit so viel Vorsicht versagt werden sollte, daß Fehler wie bei Prag und bei Kolin (wo sie die Niederlage verschuldet hatten)108-1 nicht wieder begangen werden konnten.

Wedell108-2, der mit seinen 10 Avantgardenbataillonen zum ersten Angriff bestimmt war, hatte sich bereits an die Spitze der Armee gesetzt, und die Teten der Kolonnen hatten unbemerkt vom Feinde das Schweidnitzer Wasser erreicht. Feldmarschall Daun hielt den Marsch der Preußen für einen Rückzug und sagte zum Prinzen von Lothringen: „Die guten Leute paschen ab. Lassen wir sie in Frieden ziehen!“ Inzwischen hatte Wedell sich vor den beiden Infanterietreffen des rechten Flügels formiert. Sein Angriff wurde durch eine Batterie von 20 Zwölfpfündern108-3 unterstützt, die der König von den Wällen von Glogau genommen hatte. Das erste Treffen erhielt Befehl, in Bataillonsstaffeln vorzurücken, jedes Bataillon mit 50 Schritt Abstand hinter dem andern, sodaß der äußerste rechte Flügel beim Vorrücken der Schlachtfront dem Ende des linken Flügels um 1 000 Schritt voraus war. Bei dieser Anordnung konnte der linke Flügel unmöglich ohne Befehl in den Kampf eingreifen.

Nun stürmte Wedell gegen den Kiefernberg an, auf dem Nadasdy stand. Er stieß auf keinen großen Widerstand und nahm ihn ziemlich schnell. Als sich die österreichischen Generale umgangen und in der Flanke gefaßt sahen, suchten sie eine neue Front zu formieren und sich den Preußen parallel zu stellen. Doch zu spät! Die ganze Kunst der preußischen Generale bestand darin, dem Feinde keine Zeit zur Veränderung seiner Stellung zu lassen. Schon richteten sich die Preußen auf einer Anhöhe ein, die das Dorf Leuthen beherrscht. In dem Augenblick, wo der Feind sie mit Infanterie besetzen wollte, wurde er von einer zweiten Batterie von 20 Zwölfpfündern108-4 so zur rechten Zeit mit Feuer überschüttet, daß er die Lust verlor und sich zurückzog. Dort, wo Wedell angriff, bemächtigten sich die Österreicher eines Hügels nahe dem Bach108-5, damit er ihre Linie nicht in der ganzen Länge bestreichen konnte. Der aber duldete sie nicht lange dort. Nach einem Kampfe, der länger und hartnäckiger war als der erste, warf er den Feind zurück. Zugleich griff Zieten die feindliche Kavallerie an und schlug sie in die Flucht. Einige Schwadronen seines rechten Flügels bekamen dabei in die Flanke eine Kartätschensalve aus dem Buschwerk am Bachufer. Das unerwartete Feuer trieb sie zurück. Sie formierten sich wieder neben der Infanterie.

Nun meldeten die zur Beobachtung des rechten österreichischen Flügels abgesandten Offiziere dem König, daß dieser Flügel sich durch das Gehölz bei Lissa ziehe und unverzüglich in der Ebene auftauchen müsse. Daraufhin erhielt Driesen108-6 Befehl, mit dem linken preußischen Kavallerieflügel vorzugehen. Als die österreichischen Kürassiere sich bei Leuthen zu formieren begannen, wurden sie von der Batterie im Zentrum der preußischen Armee mit heftigem Artilleriefeuer begrüßt. Zugleich griff Driesen sie an. Der Kampf war kurz. Die Kaiserlichen wurden zerstreut und flohen Hals über<109> Kopf. Ein Infanterietreffen, das sich neben den Kürassieren hinter Leuthen aufgestellt hatte, wurde von den Bayreuth-Dragonern in der Flanke angegriffen und auf die Freibataillone Angelellis geworfen. Zwei ganze Regimenter mit Offizieren und Fahnen wurden gefangen genommen. Als nun die feindliche Kavallerie so vollständig zersprengt war, ließ der König das Zentrum seiner Infanterie auf Leuthen vorrücken. Das Gefecht war lebhaft, aber kurz, da die österreichische Infanterie zerstreut zwischen Häusern und Gärten stand. Als die Preußen aus dem Dorf heraustraten, erblickten sie eine neue Infanterielinie, die die österreichischen Generale auf der Windmühlenhöhe aufgestellt hatten. Eine Weile hatten die Preußen unter ihrem Feuer zu leiden. Aber der Feind hatte in der allgemeinen Verwirrung nicht gemerkt, daß Wedell ihnen ganz nahe war. Unvermutet fiel der tapfere und geschickte General ihnen in die Flanke und in den Rücken. Dies glänzende Manöver entschied den Sieg und endigte den großen Tag.

Nun raffte der König die ersten besten Truppen zusammen und machte sich mit den Seydlitz-Kürassieren und einem Bataillon Bornstedt an die Verfolgung der Feinde. Er rückte zwischen dem Schweidnitzer Wasser und dem Lissaer Gehölz vor109-1. Aber die Dunkelheit wurde so groß, daß er Patrouillen vorausschicken mußte, um den Wald abzustreifen und Nachricht zu bringen. Von Zeit zu Zeit ließ er Kanonensalven auf Lissa richten, wohin sich das Gros der österreichischen Armee geflüchtet hatte. Als die Avantgarde sich dem Orte näherte, bekam sie eine Salve von ungefähr zwei Bataillonen. Es wurde aber niemand verwundet. Man antwortete mit einigen Kanonenschüssen und setzte den Marsch ruhig fort. Unterwegs brachten die Seydlitz-Kürassiere truppweise Gefangene ein. Als der König nach Lissa kam, fand er alle Häuser voll von Flüchtigen und Versprengten der kaiserlichen Armee. Er besetzte sofort die Brücke und ließ dort Kanonen auffahren, mit dem Befehl, zu schießen, solang der Pulvervorrat reichte109-2. Auch ließ er auf der Straße nach Breslau, auf der sich der Feind zurückzog, die Häuser zunächst dem Schweidnitzer Wasser mit Infanterietrupps besetzen, die die ganze Nacht durch das jenseitige Ufer bestreichen mußten, teils, um die Besiegten ständig in Schrecken zu halten, teils, um zu verhindern, daß sie Truppen auf das andere Ufer warfen, die am nächsten Tage den Übergang hätten verteidigen können.

Die Schlacht hatte um ein Uhr mittags begonnen. Als der König mit der Avantgarde in Lissa einrückte, war es acht Uhr abends. Seine Armee war 33 000 Mann stark, als sie den Kampf mit den Österreichern aufnahm. Diese sollten sich auf 60 000 Mann belaufen. Wäre die Nacht nicht hereingebrochen, so wäre die Schlacht die entscheidendste des ganzen Jahrhunderts geworden.

<110>

Die Truppen hatten keine Zeit zur Ruhe. Noch in der Nacht rückten sie von Lissa weiter, brachten unterwegs noch massenhaft feindliche Nachzügler ein und erreichten um 10 Uhr das Ufer der Lohe (6. Dezember). Trotzdem Serbelloni mit einer starken Nachhut bei Groß-Mochbern stand, gingen 10 Bataillone über den Fluß. Sie wurden in einer Schlucht postiert, die sie vor dem Feuer der österreichischen Kanonen deckte. Die Husaren wurden hinter Dörfern und Vorwerken verdeckt aufgestellt und konnten im Notfall jederzeit eingreifen. Serbelloni beschleunigte seinen Rückzug nach Kräften. Er zog sich gegen zwei Uhr nachmittags auf Breslau zurück. Zieten folgte ihm mit allen Husaren, 20 Schwadronen Dragonern und 16 Bataillonen auf dem Fuße. Ein Teil der Österreicher warf sich in wirrem Durcheinander nach Breslau. Da sich die Arrieregarde so in Schrecken und Verwirrung zurückzog, verlor sie unterwegs noch eine Menge Leute. Zieten verfolgte die Armee des Feldmarschalls Daun durch Bohrau, Reichenbach und Kunzendorf bis Reichenau, wo Fouqué mit einigen Truppen aus Glatz zu ihm stieß. Darauf trieben beide Generale die Österreicher gemeinsam bis nach Böhmen.

Der König begann am 7. Dezember die Einschließung Breslaus und besetzte die Nikolaivorstadt, Gabitz, Lehmgruben, Huben und Dürrgoy. Da man die Stadt nach den Regeln der Kriegskunst auch auf dem andern Oderufer einschließen mußte, so sandte der König Befehl an Wied, der in Brieg krank gelegen hatte, mit 3 Bataillonen von dort heranzurücken. Zur Verstärkung erhielt er 5 Schwadronen, die sich auf der Landstraße von Breslau nach Hundsfeld aufstellten. Dort verschanzte er sich nach Kräften, um einen etwaigen Fluchtversuch der Besatzung nach Polen zu hindern. Die Belagerung von Breslau wurde vorbereitet. Der König ließ die nötige Munition, Kanonen und Mörser aus den Festungen Brieg und Neiße kommen. Am 10. Dezember waren die Vorbereitungen beendet. Darauf besetzten 6 Bataillone die Ohlauer Vorstadt und verschanzten sich im Kloster der Barmherzigen Brüder, aus dem sie die Panduren vertrieben hatten. Forcade nahm Stellung auf dem St. Moritz-Kirchhof und errichtete eine Batterie unter dem Schutze der Mauern, die bei den Arbeiten als Deckung dienten. Um die Aufmerksamkeit des Kommandanten110-1 und der Besatzung abzulenken, errichtete auch Prinz Ferdinand von Preußen in der Nikolaivorstadt eine Batterie und legte ein Stück Laufgraben an. Infolgedessen glaubte der Feind, die Preußen würden von dieser Seite zum Angriff vorgehen. Derweil zog Balbi seine Parallele vom St. Moritz-Kirchhof bis gegenüber dem Schweidnitzer Tor. Aus dieser Parallele richteten zwei große Batterien ihr Kreuzfeuer auf die Taschenbastion und auf den Kavalier110-2 der sie beherrscht. Die Belagerten verteidigten sich nur lässig. Sie versuchten von Polnisch-Neudorf aus, wo Wied stand, einen schwachen Ausfall, wobei sie 300 Leute verloren. Zufällig schlug am 16. eine Bombe in das Pulvermagazin der Taschenbastion. Die Schulter flog in die Luft und ihre<111> Trümmer bildeten eine Art von Bresche. Dabei wurde die Kälte so heftig, daß der Kommandant besorgte, die Preußen möchten trotz aller Vorsichtsmaßregeln einen Sturm über die zugefrorenen Gräben wagen. Er fürchtete dem Angriff zu erliegen und wußte außerdem, daß die Kaiserlichen nach Böhmen zurückgetrieben waren und daß er von ihnen keinen Entsatz zu erwarten hatte. Aus allen diesen Gründen zog er die Kapitulation vor und ergab sich mit der ganzen Besatzung111-1. Dabei stellte sich heraus, daß 14 000 Mann 17 000 belagert hatten. Allerdings bestand ein Teil der Garnison aus Flüchtlingen von Leuthen, und ganz allgemein gesprochen: weder die Befestigungswerke noch die Zahl der Soldaten verteidigen eine Stadt, sondern es hängt alles von der größeren oder geringeren Festigkeit und dem entschlossenen Mut des Kommandanten ab.

Wir haben die Ereignisse des schlesischen Feldzuges ohne Unterbrechung berichtet. Vielleicht würde man nun nicht ungern die Verluste der beiden kriegführenden Parteien erfahren. Die Preußen verloren in der Schlacht bei Leuthen an Toten und Verwundeten nur 2 660 Mann, weil sie mit Ausnahme des ersten Angriffs ein günstiges Terrain hatten. Die Österreicher dagegen verloren 307 Offiziere und 21 000 Mann, 131 Kanonen und 51 Fahnen. Außerdem machten Zieten und Fouqué bei der Verfolgung noch 2 500 Gefangene. Ferner kostete die Kapitulation Breslaus dem Feind 13 Generale, 685 Offiziere und 17 635 Mann, im ganzen also 41 442 Mann, um die die kaiserliche Armee schwächer nach Böhmen zurückkehrte.

Obgleich der Feldzug lang, schwer und mühselig gewesen war und über alles Erwarten glücklich auslief, blieb doch noch eine Unternehmung übrig: so groß war der Umschwung aller Dinge in Schlesien gewesen. Es galt Liegnitz zurückzuerobern, das die Kaiserlichen befestigt und ringsum unter Wasser gesetzt hatten. Schon am 16. Dezember hatte Driesen die Stadt mit Kavallerie eingeschlossen. Am 25. stieß Prinz Moritz mit Infanterie dazu, um eine regelrechte Belagerung zu eröffnen. Alle Vorkehrungen wurden getroffen, auch das Geschütz kam an. Feldmarschall Daun hatte Bülow111-2 als Kommandanten in Liegnitz zurückgelassen. Der zog die Rettung der Besatzung einer Verteidigung vor, die er auf die Dauer doch nicht hätte aushalten können. Er kapitulierte also unter der Bedingung, daß ihm freier Abzug gewährt wurde111-3. Das wurde gern bewilligt, da die Truppen völlig erschöpft waren und bei dem starken Froste Schaufel und Hacke versagten. Die Festungswerke und Schleusen der Stadt wurden zerstört, damit der Feind sie im Fall einer nochmaligen Eroberung nicht so rasch in verteidigungsfähigen Zustand setzen und Liegnitz nicht wieder als festen Platz benutzen konnte. Darauf wurde die gesamte Kavallerie zur Blockade von Schweidnitz verwandt. Doch verschob man die regelrechte Belagerung auf das nächste Frühjahr. Das Zietensche Korps bildete eine Kette von Schmiedeberg über Landeshut, Friedland und Braunau bis Glatz. Am 6. Januar bezogen die Truppen<112> Winterquartiere. Der König blieb in Breslau, um selbst über alles zu wachen und die nötigen Maßregeln zur Ergänzung und Wiederherstellung des Heeres zu treffen, damit der nächste Feldzug frühzeitig eröffnet werden konnte.

Der Vollständigkeit halber müssen wir noch berichten, was in Preußen zwischen Lehwaldt und Apraxin vorfiel und was die Schweden in Pommern taten. Im Juni näherte sich Feldmarschall Apraxin mit 100 000 Mann der preußischen Grenze. Das Gros seiner Armee marschierte auf Grodno, die Hauptstadt von Polnisch-Litauen, indes Fermor, von der russischen Flotte unterstützt, mit 20 000 Mann Memel belagerte. Die Stadt kapitulierte am 5. Juli. Lehwaldt hatte sich zur Verteidigung des Pregelufers entschlossen und zu diesem Zweck ein Lager bei Insterburg bezogen, von wo er Apraxin beobachtete. Nach der Einnahme von Memel drang die feindliche Armee in Preußen ein und rückte gegen Insterburg. Von der andern Seite ging Fermor gegen den Pregel vor. Dies wäre wohl für Lehwaldt der richtige Augenblick zum entscheidenden Schlage gegen einen der beiden Generale gewesen. Vielleicht aber fand er dazu keine günstige Gelegenheit. Das Fermorsche Korps, das bis Tilsit gekommen war, erregte seine Besorgnis. Er fürchtete, umgangen zu werden, und zog sich auf Wehlau zurück. Er hatte bei seiner Armee zwei Husarenregimenter von höchstens 2 400 Mann. Trotzdem leisteten sie nicht nur 12 000 Tataren und Kosaken, die bei der russischen Armee waren, Widerstand, sondern errangen während des Feldzuges auch noch beträchtliche Erfolge über jene Barbaren. Da Apraxin nach Lehwaldts Rückzug völlig freie Hand hatte, so vereinigte er sich bei Insterburg mit Fermor. Dann rückten beide an der Alle entlang vor und lagerten bei Groß-Jägersdorf, anderthalb Meilen von der preußischen Armee.

Der König hatte Lehwaldt freie Hand gelassen, nach eignem Ermessen zu handeln, erstens wegen der großen Entfernung zwischen beiden Armeen und zweitens, weil die das Heer des Königs umschwärmenden Streifscharen solche wichtigen Briefschaften leicht hätten abfangen können. Lehwaldt befürchtete, ein russisches Korps könnte auf Königsberg vorrücken, dessen Festungswerke zur Verteidigung allzu weitläufig waren, und die Hauptstadt mit den dortigen Magazinen wegnehmen, während er selbst durch Apraxin in Schach gehalten wurde. So glaubte er denn, den Feind von diesem Unternehmen nur abhalten zu können, indem er ihm eine Schlacht lieferte. Er beschloß, ihn in seinem Lager bei Groß-Jägersdorf anzugreifen. Am 29. August brach er auf und rückte in ein Gehölz, wo er den Russen gerade in der Flanke stand. Hätte er jetzt sofort angegriffen, so hätte er wahrscheinlich den Sieg davongetragen. Er verfügte zwar nur über 24 000 Mann, konnte aber doch auf Erfolg rechnen, da die Russen auf einen Angriff nicht gefaßt und über Lehwaldts Erscheinen bestürzt waren. In ihrem Lager herrschte große Verwirrung. Ihre Stellung war schlecht, und nichts hinderte Lehwaldt, stracks auf sie loszumarschieren. Es ist unerfindlich, aus welchen Gründen er das, was er sofort ausführen konnte, auf den folgenden Tag verschob.

<113>

Am 30. August griff er den Feind an. Sofort trieben die preußischen Husaren und Dragoner die russische Kavallerie und die Kosaken vor sich her und jagten sie bis in ihr Lager zurück. Aber der Feind hatte in der Nacht seine Stellung gewechselt, und so stimmten die vom Feldmarschall tags zuvor gegebenen Angriffsdispositionen nicht mehr zu dem Gelände, in dem die Russen jetzt standen. Nichtsdestoweniger griff die Kavallerie des linken Flügels die russische Reiterei an und warf sie hinter ihre Front zurück, erhielt von dort aber so heftiges Kanonen- und Kartätschenfeuer, daß sie sich wieder auf die preußische Infanterie zurückziehen mußte. Zugleich griff Lehwaldt die russischen Grenadiere in einem Gehölz an, das voller Verhaue war und im Zentrum von Apraxins Stellung lag. Die Grenadiere wurden geschlagen und fast völlig aufgerieben. Aber das Dickicht, worin der Kampf stattfand, verbarg den Preußen eine feindliche Bewegung, die ihnen verderblich werden sollte: Rumänzow kam den Grenadieren mit 20 Bataillonen aus dem zweiten russischen Treffen zu Hilfe und umfaßte die preußische Infanterie in Flanke und Rücken. Sie verlor nach und nach Terrain und mußte schließlich weichen. Der Rückzug ging in guter Ordnung vonstatten und wurde von Dragonern und Husaren gedeckt. Der Feind wagte keine Verfolgung, und die Preußen kehrten nach Wehlau in ihr altes Lager zurück. Lehwaldt verlor bei Groß-Jägersdorf nicht mehr als 1 400 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, sowie 13 Kanonen.

Apraxin blieb noch einige Tage in seinem Lager bei Groß-Jägersdorf stehen, machte aber am 7. September Miene, über die Alle zu gehen und geradeswegs auf Königsberg vorzurücken. Trotzdem schien ihm das Unternehmen nicht sehr am Herzen zu liegen; denn als er auf ein preußisches Korps stieß, das ihm den Übergang über die Alle streitig machte, ließ er seinen Plan fallen. Zehn Tage darauf brach er plötzlich sein Lager bei Groß-Jägersdorf ab und zog sich gegen die polnische Grenze zurück. Feldmarschall Lehwaldt folgte ihm zum Schein bis Tilsit, weniger in der Absicht, die feindliche Arrieregarde zu beunruhigen, als um die Öffentlichkeit zu täuschen. Das Stärkeverhältnis der zwei Armeen war denn doch zu ungleich und die erlittene Schlappe noch zu frisch. Übrigens erreichte er seinen Zweck ungefährdet; denn wenn sich der Feind von selbst nach Polen zurückzog, so war es das beste, man ließ ihn seinen Weg ruhig fortsetzen. So räumte Apraxin ganz Preußen bis auf Memel, das die Russen in Besitz behielten.

Die preußische Armee blieb in der Gegend von Tilsit stehen und schätzte sich glücklich, einen so schrecklichen Feind auf so billige Weise losgeworden zu sein. War sie aber den drohenden Gefahren des Feldzugs entgangen, so war es doch nicht wahrscheinlich, daß sie auf die Dauer das gleiche Glück haben würde. Denn hätte Feldmarschall Lehwaldt auch alle Talente des Prinzen Eugen besessen, wie hätte er im Verlauf des Krieges mit 24 000 Preußen 100 000 Russen standhalten können? Der König aber hatte gegen so viele Feinde zu kämpfen und seine Truppen waren so gewaltig zusammengeschmolzen, daß er völlig außerstande war, der Armee in Ostpreußen Hilfe zu<114> schicken. Es war zu befürchten, ja vorauszusehen, daß die Russen bei größerer Erfahrung ihre Pläne erweitern, die begangenen Fehler wieder gutmachen und bei Beginn des nächsten Feldzugs ein beträchtliches Korps über die Weichsel werfen würden, das Lehwaldt von Pommern abschneiden konnte. Man hatte allen Grund zu der Annahme, daß er, von so zahlreichen Feinden umringt, das gleiche Schicksal wie der Herzog von Cumberland erleiden werde, nur mit dem Unterschied, daß die Russen, weniger höflich als die Franzosen, ihn zwingen würden, die Waffen zu strecken.

Auf dem Kriegsschauplatz in Pommern hatten die Schweden nur deshalb Fortschritte gemacht, weil sie auf keinen Widerstand stießen. Sie waren im Besitz von Anklam, Demmin und der Peenemünder Schanze, die sie nach vierzehntägiger Belagerung erobert hatten114-1. Die Besatzung von Stettin bestand aus 10 Bataillonen Miliz, die von den pommerschen Ständen gestellt waren. Manteuffel114-2 mit seinen 4 Bataillonen war zu großen Unternehmungen nicht imstande. Ließ nun der König die Truppen da, wo sie standen, so setzte er das Heer in Ostpreußen der größten Gefahr aus und gab zugleich Pommern der Eroberung durch die Schweden preis. Er beschloß daher, seine Kräfte mehr zu konzentrieren, um mit größerer Sicherheit vorgehen zu können, und die entlegeneren Teile seiner Staaten aufzugeben, da die große Zahl der Feinde ihre wirksame Verteidigung ausschloß. Aus diesem Grunde berief er Lehwaldt mit seiner Armee von Tilsit zurück und sandte ihn nach Pommern gegen die Schweden114-3. Der Feldmarschall warf sie prompt aus Anklam und Demmin heraus und trieb sie bald bis unter die Kanonen von Stralsund. Aber selbst da fühlten sich die feindlichen Truppen noch nicht sicher und entflohen auf die Insel Rügen. Infolge starker Kälte fror der Meeresarm zwischen Rügen und Pommern zu. Feldmarschall Lehwaldt ließ sich bei seinem hohen Alter die günstige Gelegenheit entgehen, mit seiner Armee über das Eis nach Rügen zu setzen, wo er die Schweden gänzlich aufgerieben hätte. Ein derartiger Handstreich hätte den König wenigstens eine Zeitlang von einem Feinde befreit, der ihm eine schlimme Diversion verursachte. Aber wenn Feldmarschall Lehwaldt auch nicht alles tat, was er hätte tun können, so brachte er auf seinem kurzen Zuge immerhin 3 000 Mann schwedischer Gefangener ein. Erst im März des folgenden Jahres gelang einem zur Belagerung von Peenemünde abgesandten Detachement die Einnahme der Schanze.

Ungeheuer war die Menge der Aufgaben, die in diesem Feldzug zu bewältigen waren. Da man sich nach allen Seiten zur Wehr setzen mußte, so war ein Erfolg nur dann möglich, wenn die gleichen Truppen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen kämpften. Prinz Ferdinand von Braunschweig hatte bei seiner Armee zu wenig Kavallerie, und doch brauchte er für das von ihm geplante Unternehmen notwendig Reiterei. Da dem König daran lag, die Franzosen aus Niedersachsen und vom Niederrhein zu<115> vertreiben, und er selbst soviel als möglich dazu beitragen wollte, so schickte er 10 Dragoner- und 5 Husarenschwadronen von der Armee des Feldmarschalls Lehwaldt ab, mit dem Befehl, bei Stade zum Prinzen Ferdinand von Braunschweig zu stoßen. Der Prinz unternahm sofort einen Vorstoß gegen Celle, der aber mißlang, teils weil ihm der Herzog von Richelieu zuvorkam und ihn am Übergang über die Aller hinderte, teils weil das öde Heideland ihm keine Lebensmittel liefern konnte. Trotz dieses Fehlschlages bemächtigte er sich kurz darauf der Stadt Harburg. Der König verabredete nun mit dem Prinzen folgenden Feldzugsplan. Die Verbündeten sollten über die Weser vorrücken, und zwar aus zwei Gründen: erstens, um die Hauptstädte des Kurfürstentums Hannover und des Herzogtums Braunschweig nicht durch Belagerungen zugrunde zu richten, ohne die man sie nicht erobern konnte, und zweitens, weil die Franzosen aus Furcht, vom Rhein abgeschnitten zu werden, beide Länder wahrscheinlich aus eignem Antrieb räumen würden, besonders wenn sich zugleich ein preußisches Detachement bei Braunschweig zeigte. Prinz Heinrich, der zur Heilung einer bei Roßbach erhaltenen Wunde in Sachsen geblieben war, sollte das Detachement führen. Alles wurde genau verabredet. Wir werden bei Beginn des nächsten Feldzuges sehen, wie glücklich Prinz Ferdinand das geplante Unternehmen ausführte.

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7. Kapitel

Der Winter von 1757 auf 1758.

Wohl nie ist ein Feldzug an überraschenden Umschlägen reicher gewesen als der eben erzählte. Der Zufall, der das Kriegsglück entscheidet, hatte mit den Schicksalen der kriegführenden Mächte ein freches Spiel getrieben. Bald hatte er den Preußen glänzende Erfolge beschieden, bald sie in einen Abgrund von Unglück gestürzt. Die Russen hatten eine Schlacht in Ostpreußen gewonnen und zogen sich dennoch wie Geschlagene zurück. Die Franzosen waren im Begriff, den Herzog von Cumberland zu entwaffnen, und schienen bereits Schiedsrichter über Deutschland zu sein. Kaum aber hat diese Kunde sich durch Europa verbreitet, so erfährt man die Niederlage einer ihrer Armeen und sieht das Heer des Herzogs von Cumberland, an dessen Dasein man schon nicht mehr glaubte, gleichsam wieder auferstehen. Dieses Hin und Her entscheidender und entgegengesetzter Ereignisse hatte Europa sozusagen betäubt. Jedermann sah die Unsicherheit seiner Pläne ein. Kaum gefaßt, waren sie schon vereitelt, und große Heere wurden an einem einzigen Tage fast ganz vernichtet. Es bedurfte einiger Ruhe, damit sich die Gemüter wieder fassen und jede Macht ihre Lage kaltblütig überlegen konnte. Einerseits drückten glühender Durst nach Rache, verletzter Ehrgeiz, Verdruß und Verzweiflung den Kaisern und Königen der großen Allianz aufs neue Waffen in die Hand. Andrerseits wurde Preußen durch die Notwendigkeit, den Krieg fortzusetzen, und durch einige Hoffnungsstrahlen dazu bewogen, sich mit äußerster Anspannung zur Wehr zu setzen. Die allgemeine Gärung erhöhte die Tätigkeit der Politiker, und jeder Hof rüstete sich, den Krieg mit noch mehr Erbitterung, Wut und Hartnäckigkeit als vorher fortzusetzen.

Nachfolgend eine kurze Darstellung der Leidenschaften, die die Fürsten und ihre Minister bestelten. Bei der Art dieses Buches müssen wir auf die näheren Umstände<117> eingehen und die verschiedenen Höfe Europas der Reihe nach durchgehen, um uns einen deutlichen Begriff von den Vorgängen an jedem von ihnen zu machen.

Im letzten Herbst war ein Ministerwechsel in England eingetreten. Fox, der durch die Intrigen des Herzogs von Cumberland ins Ministerium gedrungen war, fühlte selbst, daß er sich auf seinem Posten nicht zu halten vermöchte, da die ihm feindlich gesinnte Kabale die Oberhand gewann. So beschloß er denn, sein Amt freiwillig niederzulegen117-1. An seine Stelle trat Pitt, der durch seine Beredsamkeit und seinen hohen Geist der Abgott der Nation war, überdies auch der klügste Kopf in England. Durch seine Redegewalt hatte er sich das Unterhaus unterjocht und beherrschte es, ja, er war sozusagen seine Seele. Einmal ans Ruder gelangt, bot er seinen ganzen umfassenden Geist auf, um seinem Vaterlande die Vorherrschaft zur See zu sichern. Da er groß und edel dachte, so war er empört über die Konvention von Kloster Zeven, die er als Schimpf für England betrachtete. Das erste, was er in seiner neuen Stellung unternahm, war, diesen schändlichen Vertrag für ungültig zu erklären und die Erinnerung daran möglichst auszulöschen. Er überredete den König von England, den Prinzen Ferdinand von Braunschweig an die Spitze der verbündeten Armee zu stellen und ihn sich vom König von Preußen auszubitten117-2. Er machte den Vorschlag, die Truppen in Deutschland durch ein englisches Korps zu verstärken, das auch wirklich im Jahre 1758 zu ihnen stieß. Noch mehr, es erschien ihm für den Ruhm seines Volkes von Vorteil, die Bündnisse mit dem König von Preußen und verschiedenen deutschen Fürsten zu erneuern. Zu diesem Zweck sandte er Yorke nach Schlesien, wo eine neue Konvention unterzeichnet wurde117-3. In einem Artikel verpflichtete sich der König von England während der ganzen Dauer des Krieges zu einer jährlichen Subsidienzahlung von 4 Millionen Talern an Preußen. Der König sah sich zur Annahme dieser Subsidien genötigt, was sonst seiner Denkungsart widerstrebte117-4. Aber die Franzosen hatten seine Provinzen am Niederrhein gebrandschatzt, und die Russen konnten jeden Tag Ostpreußen besetzen. Das war um so weniger zu verhindern, als Feldmarschall Lehwaldt zum Kampf gegen die Schweden nach Pommern hatte eilen müssen117-5. Außerdem waren diese Subsidiengelder die einzige Hilfe, die man von England erhalten konnte. Die Forderung, ein Geschwader in die Ostsee zu schicken, war zu verschiedenen Malen abgelehnt worden.

Zur selben Zeit sandte Pitt den Ritter Keith nach Rußland, um durch seine Intrigen denen der französischen und österreichischen Partei entgegenzuarbeiten und womöglich der Kaiserin die Augen zu öffnen über die ihr eingeflößten Vorurteile, die<118> sie gegen den König von Preußen leidenschaftlich verblendet gemacht hatten. Ungefähr in der gleichen Absicht begab sich Goodrick nach Schweden. Aber die französische Partei, die den Reichsrat in Stockholm despotisch beherrschte, setzte alle Hebel in Bewegung, um dem Engländer den Eintritt in das Königreich zu verwehren. Goodrick mußte also in Dänemark bleiben, und die Reichsräte freuten sich, verhindert zu haben, daß englisches Geld ihr System über den Haufen warf.

Während Pitt so wichtige politische Maßnahmen traf, füllten sich auch die Häfen Großbritanniens mit Schiffen. Die Pläne für den Feldzug zu Wasser und zu Lande wurden festgesetzt, und neue Tatkraft beseelte alle Zweige der Regierung.

Inzwischen war Keith in Petersburg angelangt. Er fand den Hof in einer ungünstigen Stimmung für seine Aufträge. Die Gesandten Österreichs, Frankreichs und Sachsens118-1 waren durch ihre Ränke und Bestechungen allmächtig und hatten auch den Günstling Elisabeths, den Grafen Iwan Schuwalow, für sich gewonnen. Der beherrschte damals die Kaiserin und somit auch das Reich. Unzufrieden mit den geringen Erfolgen der russischen Armee und besonders mit dem Rückzug im letzten Feldzuge, bemühten sich die Gesandten, ihre Kriegsbegeisterung auch der Kaiserin einzuimpfen. Sie stachelten sie auf, im nächsten Feldzug größere Anstrengungen zu machen. Da sie aber merkten, daß der Großkanzler Bestushew ihre Bemühungen insgeheim hintertrieb, so beschlossen sie, ihn zu stürzen, und das gelang ihnen nach Wunsch.

Wir haben den Grafen Bestushew in unserem Buche als einen geschworenen Feind Preußens aus Leidenschaft geschildert. Aber zwei Dinge dämpften seinen Haß und führten eine Veränderung seiner Haltung herbei: erstens die hohe Pension, die ihm die Engländer nach wie vor zahlten, und zweitens der Umstand, daß der König in den Besitz des Dresdener Archivs gekommen war118-2. Dabei hatte man nämlich einen Brief gefunden, worin Bestushew dem Grafen Brühl riet, einen russischen Residenten in Warschau, mit dem beide Minister gleichermaßen unzufrieden waren, durch Gift zu beseitigen. So habe er sich ja auch, hieß es in dem Briefe, des Herrn von Castéras entledigt, dessen Verschlagenheit er fürchtete. Bestushew scheute zwar vor keinem Verbrechen zurück, wollte aber nicht, daß man davon erführe. Aus Furcht, man könne diesen schändlichen Brief veröffentlichen, versprach er, dem König wichtige Dienste zu leisten, falls er den Brief unterdrückte. Das fiel dem König nicht schwer, und der Minister erfüllte sein Versprechen prompt118-3. Denn er erteilte dem Feldmarschall Apraxin Verhaltungsbefehle, die, soviel es die Umstände erlaubten, den<119> Interessen des Königs entgegenkamen. Das war der einzige Grund, warum die Russen am Ende des Feldzuges aus Ostpreußen abzogen119-1.

Auch wurde Bestushew in seinem Benehmen bestärkt durch die Ratschläge des russischen Thronfolgers und seiner Gemahlin, die beide der Sache des Königs sehr günstig gesinnt waren. Der Großfürst-Thronfolger, ein geborener Prinz von Holstein, hatte aus der Geschichte seiner Vorfahren unversöhnlichen Haß gegen Dänemark geschöpft 119-2, der sich auf die schreienden Ungerechtigkeiten der dänischen Könige gegen seine Familie gründete. Da der Großfürst nun fürchtete, die Lage des Königs könnte eine Wendung nehmen, die ihn zu einem Bündnis mit Dänemark nötigte, so bot er ihm seinen Einfluß und jeden Dienst an, den er ihm in Rußland irgend erweisen könnte, falls der König keine Verbindung mit den Erbfeinden des Hauses Holstein einginge. Der König nahm das Anerbieten an und versprach, keinen Vertrag mit Dänemark zu schließen119-3. Obgleich ihm seine Gefälligkeit vor der Hand keine wirklichen Vorteile einbrachte, wird man doch im weiteren Verlauf dieses Buches erkennen, daß gerade die enge Verbindung mit dem Großfürsten von Rußland die weittragenden Pläne der Österreicher über den Haufen warf.

So geheim diese Dinge indes auch betrieben wurden, so sickerte doch etwas durch. Die Gesandten Frankreichs und Österreichs merkten einen Wechsel im Verhalten des Großkanzlers, bekamen Wind von den Befehlen, die er dem Feldmarschall Apraxin gesandt hatte, und bedienten sich nun des Günstlings der Kaiserin, Iwan Schuwalow, um den Großkanzler zu stürzen119-4 und dem jungen Hofe alle möglichen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Von dem Augenblick an lag alles in Rußland vor den beiden Gesandten auf den Knien, und sie verstrickten die Kaiserin Elisabeth in gewaltsame Maßnahmen, die den wahren Interessen des Zarenreiches wenig entsprachen.

Der Wiener Hof hatte am Ende des letzten Feldzuges so schwere Schläge erlitten, daß seine Standhaftigkeit zu wanken begann. Schon hatte er sich in dem Glauben gewiegt, dicht vor Beendigung des Krieges zu stehen. Die Eroberung Schlesiens galt ihm bereits als vollendet. Da wurde er unversehens aus seinem schmeichelnden Wahne gerissen: seine Armee wurde vernichtet, und ihre Trümmer konnten sich mit knapper Not nach Böhmen retten. Der unerwartete Schicksalsschlag dämpfte die Kriegslust des Wiener Hofes. Nach dem Scheitern so vieler Pläne war er dem Frieden nicht mehr so abgeneigt, und sein Widerwille dagegen war nicht mehr so unüberwindlich. Der Stil seiner Kanzlei und die Regensburger Schriftstücke wurden milder. Kaum aber zeigte sich wieder einige Hoffnung, so war auch die Bitterkeit und Grobheit wieder da.

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Solange der erste Eindruck des Unglücks dauerte, wollte sich die Kaiserin-Königin dem König wieder nähern, sei es, um Verhandlungen anzuknüpfen, sei es, um einen Schein von Großmut zu zeigen. Graf Kaunitz benachrichtigte den König von einer fingierten Verschwörung gegen ihn, die zwei Neapolitaner und ein Mailänder angezettelt haben sollten. Der König ließ ihm durch den Grafen Finck antworten, er sei der Kaiserin für die Nachricht, die sie ihm gütigst erteilt hätte, sehr verbunden. Es gäbe jedoch zwei Arten von Meuchelmord, eine durch den Dolch, die andere durch entehrende Schmähschriften. Er versicherte der Kaiserin, daß er sich aus der ersten Art wenig mache, gegen die zweite jedoch sehr viel empfindlicher sei120-1. Dessenungeachtet blieb die Unanständigkeit und Anstößigkeit jener Schriftstücke die gleiche. Ja, sobald das Kriegsglück die österreichischen Waffen begünstigte, nahm sie noch zu.

Mit lebhaftem Kummer erfuhr Frankreich von den friedlichen Neigungen der Kaiserin-Königin. Wäre doch ihr Abfall von der Allianz seinen eigenen Geschäften äußerst nachteilig gewesen. Denn solange Frankreich zur See mit England und in Deutschland Krieg führte, hoffte Ludwig XV. die Schande von Roßbach immer noch rächen zu können. Die französischen Minister suchten also die nachlassende Leidenschaft des Wiener Hofes geflissentlich anzuschüren. Die Schande, daß eine Großmacht von einem kleinen Fürsten geschlagen war, machte auf die Kaiserin den stärksten Eindruck. Die alte Gehässigkeit gegen Preußen erwachte, die friedliche Stimmung verflog, und die Bande der Freundschaft und des Einverständnisses zwischen den Höfen von Wien und Versailles knüpften sich enger denn je. Weit entfernt also, die gegen Preußen kämpfenden Mächte abzuschrecken, verdoppelten die preußischen Erfolge nur die Kriegslust der Feinde. Sie boten alles auf, um bei Beginn des neuen Feldzuges furchtbarer und gefährlicher denn je auf dem Kampfplatz zu erscheinen.

Auch der König von Preußen traf während des Winters geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Armee, damit sie zu tatkräftigem Vorgehen imstande war. Es galt, die Lücken auszufüllen, die sieben Feldschlachten in seine Truppen gerissen hatten. Aber alle Verluste im Kriege reichten doch nicht an die Zahl Derer heran, die ansteckenden Krankheiten in den Lazaretten erlagen. Eine Art hitzigen Fiebers war ausgebrochen, begleitet von allen Symptomen der Pest. Am ersten Tage der Krankheit befiel die Kranken ein Delirium. Sie bekamen Beulen am Halse und in der Achselhöhle, und ob die Ärzte sie zur Ader ließen oder nicht, der Tod raffte doch unterschiedslos alle dahin, die von der Seuche befallen wurden. Ja der Giftstoff war so stark, die<121> Fortschritte der Krankheit so reißend, ihre Wirkungen so plötzlich, daß sie einen Menschen innerhalb dreier Tage ins Grab brachte. Umsonst wandte man alle Arten von Heilmitteln an. Endlich griff man zu Brechmitteln, und damit hatte man Erfolg. Man löste drei Gran davon in einem Maß Wasser auf und gab es den Kranken zu trinken, bis das Mittel zu wirken anfing. Damit wurde man der Krankheit Herr; denn seit man so verfuhr, starben von hundert Leuten, die das Mittel einnahmen, kaum drei. Ohne Zweifel kam die Krankheit nur von der Hemmung der Transpiration durch die Kälte und von Verdauungsbeschwerden infolge schlechter Ernährung, sodaß hier nur starke Entleerungen und keine anderen Arzneien helfen konnten. Trotz der großen Verluste in den Lazaretten brachte man doch im Laufe des Winters die zur Komplettierung des Heeres nötigen Rekruten größtenteils zusammen. Freilich konnte man sie im Frühjahr nicht gleich ins Feld schicken; denn es waren meist Bauern, die erst einexerziert und geschult werden mußten. Außerdem begann der Feldzug sehr früh.

In diesem Jahre verlor das Königshaus die Königin-Mutter121-1. Der König erhielt die Trauerkunde nach der Schlacht von Kolin, gerade zu einer Zeit, wo sich das Glück am deutlichsten gegen Preußen erklärt hatte. Die Nachricht traf ihn schwer, denn er hatte die Königin stets als zärtliche Mutter verehrt. Ihre Tugenden und großen Eigenschaften wurden von allen bewundert, die das Glück hatten, ihr näher zu treten. So verursachte denn ihr Tod keine zeremonielle Trauer, sondern allgemeinen Kummer. Die Großen verloren in ihr einen gefälligen und huldreichen Umgang, die Geringen entbehrten ihre milde Güte, die Armen ihre Zuflucht, die Unglücklichen ihre Hilfe, die Gelehrten ihre Beschützerin, und alle Familienmitglieder, die die Ehre hatten, ihr näher zu stehen, glaubten einen Teil ihrer selbst verloren zu haben und fühlten sich durch den Schlag, der sie der Welt entriß, stärker getroffen als sie selbst.

Nicht das gleiche kann man von der Königin von Polen121-2 behaupten. Sie starb in Dresden, gehaßt vom Volke wegen ihrer Intoleranz, vom Hofe wegen ihrer Intrigensucht, von ihrer Familie wegen ihrer puritanischen Strenge. Nur von den Jesuiten wurde sie wie eine Heilige betrachtet, weil sie im Mittelpunkt der Ketzerei eine katholische Kirche121-3 erbaut hatte. In Dresden behauptete man, das Tedeum der Schlacht bei Roßbach habe sie getötet, da es ihren Haß gegen Preußen noch verschärfte und sie diesen Haß doch unterdrücken mußte. Die wahre Ursache ihres Todes war indes ein Abszeß, der plötzlich in ihrer Brust aufging. Als die Todesnachricht nach Warschau kam, hatte Graf Brühl Anstalten getroffen, den König beim Empfang der Botschaft zur Ader zu lassen. Der aber hörte sie mit Gleichmut an und antwortete dem Grafen Brühl, das wäre kein Anlaß zum Aderlassen. Viel stärker traf ihn der Tod eines seiner Hofnarren, namens Joseph, der bald darauf starb. Man vermochte den König nur dadurch zu trösten, daß man ihn auf die Jagd führte.

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Im selben Jahre starb auch der Sultan Osman122-1. Sein Nachfolger galt für kühner und unternehmungslustiger. Dieser Ruf ermutigte den preußischen Gesandten an der Pforte gleich nach seiner Thronbesteigung zu neuen Anstrengungen. Die Hauptsache war, beim Großherrn zur Audienz vorgelassen zu werden. Schon über ein Jahr suchte Rexin vergeblich diese Gunst zu erlangen. War sie doch nötig zur Anknüpfung der ihm aufgetragenen Unterhandlungen mit dem Großwesir und den höchsten Beamten122-2. Im Verlauf meiner Darstellung werden wir sehen, welche verschiedenen Formen jene Verhandlungen annahmen. Wir werden dabei Gelegenheit haben, oft zu bemerken, wie wenig die orientalischen Völker zur Befolgung gesunder und kluger politischer Grundsätze geeignet sind. Das kommt vor allem von ihrer völligen Unkenntnis der Staatsinteressen europäischer Fürsten, von der Feilheit der Völker und ihrer schlechten Verwaltung. Alles, was Krieg und Frieden betrifft, unterliegt der Entscheidung des Mufti, ohne dessen Fetwa man die osmanischen Truppen nicht in Bewegung setzen kann.

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8. Kapitel

Feldzug von 1758.

Prinz Ferdinand von Braunschweig eröffnete in diesem Jahre den Feldzug. Er hatte eine schwere Aufgabe. Galt es doch nichts Geringeres, als 80 000 Franzosen aus Niedersachsen und Westfalen mit nur 30 000 Hannoveranern zu vertreiben, die noch vor drei Monaten bereit gewesen waren, die Waffen zu strecken und einen schimpflichen Vertrag einzugehen. Der Prinz sandte ein Korps an die Weser, das sich in den Besitz von Verden setzte (21. Februar), und ein zweites unter dem Erbprinzen123-1 an beiden Weserufern entlang nach Hoya, das der junge Held durch Tapferkeit und richtige Maßregeln eroberte (23. Februar). Kaum hatte St. Germain diese Erfolge erfahren, so räumte er Bremen, wo er eine Besatzung von 12 Bataillonen gehabt hatte. Außerdem zog er noch 14 andere Bataillone an sich, die in der Umgegend überwinterten, und schlug mit allen zusammen den Weg nach Westfalen ein. Während der Erbprinz sich Hoyas bemächtigte, dessen Weserbrücke für die Verbündeten wichtig war, ging Prinz Ferdinand von Braunschweig mit dem Gros der Truppen über die Aller. Dabei überfiel Beust123-2 mit der Avantgarde das Regiment Polleretsky in der Nähe von Hannover und nahm es gefangen.

Dieser Erfolg und der gleichzeitige Vormarsch des Prinzen Heinrich durch das Mansfeldische und Hildesheimsche auf Braunschweig brachte die französischen Generale außer Fassung. Clermont, der soeben an Richelieus Stelle den Oberbefehl übernommen hatte, räumte gleichzeitig Braunschweig, Wolfenbüttel und Hannover. Nun marschierte Prinz Ferdinand stracks auf Minden, wo die Detachements an der Weser zu ihm stießen, und begann sofort mit der Belagerung der Stadt. Clermont, der bei Hameln über die Weser gegangen war, sandte Broglie123-3 in die Gegend von Bückeburg zum Entsatz von Minden. Indes fand Broglie keine Gelegenheit, etwas gegen die Verbündeten zu unternehmen, und beschränkte sich auf die Rolle des<124> Zuschauers bei der Einnahme der Festung, deren Besatzung sich kriegsgefangen gab (14. März). Dann rückte er nach Paderborn, um sich wieder mit Prinz Clermont zu vereinigen. Die Verbündeten marschierten auf Bielefeld, und die Franzosen, bestürzt über diese plötzliche Wendung der Dinge, räumten Lippstadt, Hamm und Münster. Da Graf Clermont nun in Deutschland keinen Fußbreit Landes mehr innehatte, ging er bei Wesel über den Rhein zurück (31. März) und ließ seine Armee am jenseitigen Ufer des Flusses kantonnieren. Prinz Ferdinand blieb in Münster stehen und verteilte seine Truppen in der Umgegend, um ihnen einige Erholung von den Strapazen der ununterbrochenen Operationen während der rauhen, frühen Jahreszeit zu gönnen. Auf diesem kurzen Zuge nahmen die Verbündeten 11 000 Franzosen gefangen. Fast könnte man ihn mit dem ruhmvollen Feldzuge des Marschalls Turenne124-1 vergleichen, als er über Thann und Belfort ins Elsaß eindrang, die Kaiserlichen in ihren zerstreuten Quartieren überraschte und sie über den Rhein zurückwarf.

Am 2. Juni ging Prinz Ferdinand mit seiner Armee unterhalb Emmerich über den Rhein. Er hatte dazu holländische Schiffer aufgeboten, die aber darauf bestanden, die Brücke auf holländischem Gebiet zu schlagen. Von dort rückte er bald ins Herzogtum Kleve und überraschte einige französische Truppen in ihren Quartieren. Indessen gelang es der Mehrzahl, sich bei Crefeld zur Hauptarmee zu schlagen. Prinz Ferdinand besetzte nun Kleve, ließ einige Truppen unter Imhoff zur Deckung der Rheinbrücke bei Emmerich zurück und zog dann mit der Armee der Verbündeten am linken Rheinufer hinauf. Am 20. des Monats war er vom Grafen Clermont nur noch einen Tagemarsch entfernt. Er entschloß sich zum Angriff auf die Franzosen, in der Hoffnung, er könne im Fall eines vollständigen Sieges Wesel zurückerobern und den Kriegsschauplatz auf das linke Rheinufer verlegen. Zu dem Zweck vereinigte sich der Prinz mit Wangenheim, der auf dem andern Ufer bei Kaiserswerth gestanden hatte, und rückte dann auf Kloster Kamp. Bei seinem Anmarsch räumte St. Germain Crefeld, zog sich eine Meile zurück, um sich dem bei Neuß lagernden Grafen Clermont zu nähern, und stieß bei Fischeln zu ihm.

Am 23. Juni ging Prinz Ferdinand aus seinem Lager bei Hüls und Kempen zum Angriff gegen Clermont vor. Er teilte sein Heer in drei Kolonnen. Die eine unter Wangenheim ging gegen die Front des Feindes vor, um sie in Schach zu halten, während das Gros der Verbündeten den linken Flügel der Franzosen umging und ihnen zwischen Fischeln und Anrath in die Seite kam. Dort lag hinter einem Bachlauf ein Wall, die sogenannte Landwehr, die die Franzosen besetzt hatten. Sie wurden nach ziemlich hartnäckigem Kampfe von der Infanterie der Verbündeten verjagt. Nun eilten die französischen Karabiniers ihrer gefährdeten Infanterie zu Hilfe. Graf Gisors, der sie führte, griff die Infanterie des Prinzen Ferdinand heftig an, fiel aber, und seine entmutigte Truppe ergriff die Flucht. Der Prinz von Holstein124-2<125> fiel mit den preußischen Dragonern über sie her und zerstreute sie vollständig. Während dieses Angriffs hatte der Erbprinz mit einem Teil des rechten Flügels der Verbündeten den Rücken der französischen Stellung erreicht. Nun verlor Graf Clermont völlig den Kopf. Jeden Augenblick erwartete er Wangenheims Angriff in der Front. Vom Prinzen Ferdinand sah er sich in der Flanke bedroht und vom Erbprinzen fast völlig umgangen. Er verließ also das Schlachtfeld, zog sich nach Neuß, dann nach Worringen und schließlich nach Köln zurück.

Zur Ausnutzung seines Sieges sandte Prinz Ferdinand den Erbprinzen ab. Der zwang Roermond zur Kapitulation (28. Juni) und schickte Streifkorps bis vor die Tore von Brüssel, indes Wangenheim mit 4 Bataillonen ins Herzogtum Berg geschickt wurde und Düsseldorf belagerte. Die Besatzung war 8 Bataillone stark, kapitulierte jedoch am 7. Juli. In Düsseldorf fand man ein großes Magazin für die französische Armee. Da Prinz Ferdinand inzwischen erfuhr, daß der Feind neue Streitkräfte gegen ihn zusammenzöge, ließ er das Korps des Erbprinzen bei St. Nicolas, wo er sein Lager hatte, wieder zu sich stoßen.

Clermont wurde wegen des Mißlingens seiner ersten Operationen abberufen. An seiner Statt erhielt Marschall Contades den Oberbefehl. Er ließ die Armee sofort vorrücken, um ihr das verlorene Selbstvertrauen wiederzugeben. Inzwischen machte Chevert aus Wesel, wo die Franzosen eine zahlreiche Besatzung zurückgelassen hatten, einen Ausfall mit einem starken Korps, um Imhoff von der Rheinbrücke der Verbündeten bei Emmerich zu vertreiben. Der aber erfuhr davon, legte sich mit seinem ganzen Korps in einen Hinterhalt auf der Straße, die Chevert einschlagen mußte, besiegte ihn und nahm viele seiner Leute gefangen125-1. Diese glücklichen Erfolge des Prinzen Ferdinand hätten die Franzosen am abermaligen Überschreiten des Rheines gehindert, ja am Ende des Feldzuges zur Einnahme von Wesel geführt, wäre der Prinz nicht selbst durch eine Diversion zum Rückzug über den Rhein gezwungen worden, um in Hessen und in Niedersachsen Ordnung zu schaffen.

Seit dem 11. Juli war Soubise im Anmarsch. In Hanau stießen 15 000 Württemberger zu ihm. In Hessen hatte Prinz Ferdinand den Prinzen Isenburg mit etwa 7 000 Mann gelassen. Beim Anrücken der französischen Avantgarde unter Broglie zog sich Isenburg jedoch von Marburg zurück, ging über die Fulda und bezog eine Stellung bei Sandershausen. Die Franzosen griffen ihn an, und er mußte nach sechsstündigem Kampfe der Überzahl weichen125-2. Nun zog er sich nach Einbeck zurück, setzte sich in den Bergen fest und beschränkte sich auf die Aufrechterhaltung seiner Verbindung mit Hannover. Als Prinz Soubise nirgend mehr Widerstand fand, besetzte er Northeim, Münden und Göttingen.

In der Meinung, die Diversion Soubises nach Hessen werde die Verbündeten alsbald zum Rückzug nötigen, marschierte Contades ihnen entgegen und besetzte<126> sogar die Stellung bei Brüggen auf ihrer linken Flanke. Indes ließ Prinz Ferdinand, der eine so gefährliche Nachbarschaft nicht dulden konnte, die Franzosen durch den Erbprinzen von dort vertreiben (30. Juli). Zugleich beschloß er, sich gegen die Niers zurückzuziehen, um den Hilfstruppen, die aus England unterwegs waren, näher zu sein. Auch die Franzosen marschierten dorthin, aber die Verbündeten kamen ihnen zuvor. Prinz Ferdinand sah ein, daß das einzige Mittel, sich am linken Rheinufer zu halten, ein Sieg über Contades sei, und traf alle Anstalten zum Angriff. Aber Contades fand es nicht geraten, eine Schlacht anzunehmen, und zog sich nach Rhein-Dahlen zurück, worauf Prinz Ferdinand nach Wachtendonk rückte. Von dort vertrieb der Erbprinz mit der Avantgarde die Franzosen, und die ganze Armee ging über die Niers zurück. Als nun Prinz Ferdinand keine Möglichkeit mehr sah, sich mit seiner Armee jenseits des Rheines zu halten, zog er die Besatzung von Roermond heran, die sich vor dem Feinde zu retten verstand, während er die Festung schon zur Übergabe aufforderte. So ging die ganze Armee denn zwischen dem 8. und 10. August auf ihrer Brücke bei Griethausen wieder über den Rhein. Zugleich mußte Düsseldorf geräumt werden. Der Kommandant der Besatzung, Hardenberg, rückte in Eilmärschen nach Lippstadt, um den wichtigen Posten in Verteidigungszustand zu setzen. Wenige Tage später kamen die Franzosen über den Rhein (19. August) und breiteten sich bis Dorsten aus, indem sie die Lippe als Deckung benutzten.

Am 14. August stieß Lord Marlborough mit 12 000 Engländern bei Bocholt zum Prinzen Ferdinand. Aber zugleich wurde Contades in seinem Lager bei Haltern durch 5 000 bis 6 000 Sachsen verstärkt, die die Österreicher in Ungarn zusammengebracht hatten. Sie wurden von Prinz Xaver, dem zweiten Sohne des Königs von Polen, geführt. Prinz Ferdinand schickte nun Imhoff nach Kösfeld und Post nach Dülmen. Auf eine Bewegung des Feindes nach Lünen hin wurde auch der Erbprinz zur Verstärkung des Korps bei Dülmen detachiert. Prinz Ferdinand rückte mit der Armee schleunigst nach, und der Erbprinz warf die Franzosen bis Haltern zurück. Unter diesen Umständen fand man es ratsam, ein Korps von 9 000 Mann unter Oberg über die Lippe zu werfen und ins Bistum Paderborn vordringen zu lassen, teils um die Verbindung der beiden französischen Armeen zu unterbrechen, teils um dem Prinzen von Isenburg im Notfalle die Hand reichen zu können.

Prinz Isenburg stand noch immer bei Einbeck. Mittlerweile hatte Soubise Kassel, Göttingen und einige Orte an der Werra besetzt und wollte sich auch Hamelns bemächtigen, mußte aber davon absehen, als er erfuhr, daß Prinz Ferdinand über den Rhein zurückgegangen sei. Hierauf räumte er Münden, Göttingen und alles, was er in Hannover besetzt hatte, um sich an der Diemel zu verstärken. In dieser Stellung blieb er bis zum 5. September, ließ dann aber an der Diemel, gegenüber von Oberg, nur Du Mesnil stehen und marschierte selbst nach und nach über Münden und Göttingen auf Northeim. Beim Anrücken der Franzosen sah sich Prinz Isenburg zur Räumung von Einbeck gezwungen. Er zog sich auf Coppenbrügge zurück, wo er sich<127> mit einigen Regimentern der Verbündeten vereinigte. Dann ging er gemeinschaftlich mit Oberg gegen Holzminden vor. Soubise, der bei Göttingen stand, fürchtete, infolge dieser Bewegung von Kassel abgeschnitten zu werden, zog alle seine Korps sofort zurück und marschierte eiligst nach Hessen. Fast zugleich mit den Franzosen erschienen auch die Truppen der Verbündeten vor Kassel, und beide bezogen einander gegenüber ihr Lager.

All diese Bewegungen hatten aber keinen Einfluß auf die Operationen des Prinzen Ferdinand. Er verfolgte ruhig seinen Plan, Contades' Armee zu beobachten. Umsonst versuchten die Franzosen, den Erbprinzen bei Haltern zu überrumpeln. Sie wurden sogar mit bedeutenden Verlusten zurückgeworfen. Nun gaben sie ihren Plänen eine andere Richtung. Contades schickte Chevert mit 20 000 Mann zum Prinzen von Soubise ab, um ihm durch diese Verstärkung eine hinlängliche Überlegenheit zur Bewältigung des Prinzen von Isenburg zu geben und zugleich Prinz Ferdinand zu beschäftigen, sodaß er keine Detachements nach Hessen senden konnte. Contades selbst rückte mit seiner Armee nach Hamm und schob Chevreuse bis Soest vor. Auf diese Bewegung hin zogen sich die Verbündeten auf Münster zurück. Von dort wurde der Erbprinz nach Warendorf an der Ems und der Prinz von Holstein nach Telgte detachiert.

Inzwischen hatte Soubise seine Verstärkung erhalten und wollte unverzüglich Gebrauch davon machen. Aber Prinz Isenburg ging bei der Nachricht von Cheverts Eintreffen über die Fulda zurück und zog sich, um nicht von Münden abgeschnitten zu werden, vor dem Feinde langsam bis Lutterberg rückwärts. Dort griffen ihn die Feinde mit solcher Übermacht an, daß er das Schlachtfeld mit einem Verlust von 16 Kanonen und ungefähr 2 000 Mann räumen mußte (10. Oktober). Er ging über Dransfeld und Göttingen nach Moringen zurück. Dieser Mißerfolg zwang den Prinzen Ferdinand, Münster zu verlassen. Er ließ eine starke Besatzung zurück und langte mit seiner Armee am 17. Oktober bei Lippstadt an. Am folgenden Tage brach der Erbprinz auf, um Chevreuse bei Soest zu überraschen. Aber sein Anschlag mißlang, da die Franzosen von dem Marsche der Verbündeten Wind bekamen. Trotzdem zogen sie sich nach einem leichten Gefecht zurück und ließen alle Vorräte, die sie in Soest aufgestapelt hatten, im Stiche. Sogleich schlug Prinz Ferdinand in der Nähe von Soest sein Lager auf und zwang dadurch Chevert zur Änderung seiner Marschroute. Dieser hatte sich nach dem Gefecht bei Lutterberg von Soubise getrennt und konnte Contades nur auf einem großen Umwege erreichen. Kaum hatte er die Armee in Hessen verlassen, so überschritt Oberg die Weser bei Holzminden und stieß am 21. Oktober bei Soest zu den Verbündeten.

Die Stellung des Prinzen Ferdinand unterbrach die Verbindung der beiden französischen Armeen. So sehr sie auch an Zahl überlegen waren, hielt Soubise seine Stellung doch für gefährdet. Er räumte daher Kassel und ganz Hessen und ging bei Hanau über den Main zurück. Damit wäre der Feldzug zu Ende gewesen, hätte<128> Contades nicht noch einen Handstreich auf Münster versucht. Armentières war mit 15 000 Mann gegen Münster vorgegangen, hatte sich in der Nähe gelagert und schickte sich an, die Laufgräben zu eröffnen. Aber Imhoff kam am 28. Oktober in Warendorf an. Der Prinz von Holstein folgte ihm, und zugleich besetzte Wangenheim mit einem starken Detachement das Lager von Rheda. Alle diese Bewegungen drohten Armentières von seiner Verbindung mit Wesel abzuschneiden. Nach einem kleinen Gefecht, das Major Bülow128-1 begann, gab Armentières seinen Plan auf und ging am 2. November über die Lippe zurück. Bald darauf marschierte die französische Armee nach Wesel ab und bezog jenseits des Rheins ihre Winterquartiere. So hatten die Franzosen in Hessen nur noch Marburg in Händen. Der Erbprinz unternahm einen Vorstoß dagegen und beendete seinen Zug schon nach wenigen Tagen mit der Einnahme Marburgs. Darauf bezogen die Verbündeten als Herren von ganz Westfalen und Niedersachsen ihre Winterquartiere.

Während dieses ruhmvollen Feldzuges des Prinzen Ferdinand gegen die Franzosen war der König gegen die Österreicher nicht müßig geblieben. Zunächst suchte er aus der Schlacht bei Leuthen und ihren Folgen alle erdenklichen Vorteile zu ziehen. Bereits im Januar war Werner nach Oberschlesien detachiert worden und hatte den Feind trotz seiner Übermacht nach Mähren zurückgedrängt, sodaß die Preußen nun Troppau und Jägerndorf besetzen konnten. Das erschien dem König als notwendige Vorbedingung zur Ausführung der für den nächsten Feldzug gefaßten Pläne. Der Feind hingegen sah darin nur eine Folge der Schlacht bei Leuthen, die der König zur Säuberung ganz Schlesiens von den Österreichern benutzte.

So blieben die Dinge bis zum 14. März. Dann setzte die Armee sich in Marsch, um die Operationen im Felde zu beginnen. Da man bestimmt wußte, daß der Feind seine Vorbereitungen noch nicht so weit beendet hatte, um den Plänen des Königs entgegentreten zu können, so hielt man den Zeitpunkt für höchst geeignet, die Blockade von Schweidnitz128-2 in eine regelrechte Belagerung zu verwandeln. Der König übernahm selbst den Befehl über das Beobachtungskorps und kantonnierte zwischen Landeshut und Friedland. Prinz Moritz kommandierte den linken Flügel und unterhielt Verbindung mit Braunau über Wüstegiersdorf. Diesen schlesischen Gebirgspaß deckte Fouqué mit einem andern Korps. Der König legte sein Hauptquartier nach Kloster Grüssau im Zentrum seiner Aufstellung. Das Gros der feindlichen Armee kantonnierte noch bei Königgrätz und Jaromircz unter Feldmarschall Daun. Nur das Laudonsche Korps war bis Trautenau und das Becksche bis Nachod vorgeschoben.

So standen die Armeen, als Tresckow Schweidnitz enger einschloß. Die Laufgräben konnten erst in der Nacht vom 1. zum 2. April eröffnet werden. Der Angriff richtete sich gegen die schwächste Stelle der Festung, das Galgenfort, wohin auch der<129> Kriegsbedarf am leichtesten geschafft werden konnte. Alsbald wurde eine Batterie von 24 Kanonen, 20 Mörsern und 16 Haubitzen errichtet. Da sie aber von der Artillerie der Belagerten stark belästigt wurde, so war sie erst am 8. völlig ausgebaut. Am 10. wurde ein Außenwerk erobert, durch das man bis auf 100 Schritt an das Galgenfort herankam. Im Besitz dieses Außenwerkes konnte man einen Handstreich auf das Fort wagen, um die Belagerung schneller zu beenden. Nachdem die Geschütze des Wasserforts und des Galgenforts bereits am 15. zum Schweigen gebracht waren, wurde der Sturm auf das Galgenfort um Mitternacht eröffnet. Es wurde in der Kehle umgangen und von 1 000 Grenadieren gestürmt. Der Verlust war nicht der Rede wert. Angesichts dieses tapferen Vorgehens verlor der Kommandant Graf Thürheim den Mut und schlug Schamade. Die ganze Besatzung, 5 000 Mann, streckte die Waffen und räumte am 18. April die Stadt. Sie wurde auf die verschiedenen festen Plätze Schlesiens und der Kurmark verteilt.

Die schnelle und glückliche Beendigung der Belagerung ermöglichte dem König die Ausführung größerer Pläne. Seine Absicht war, in Mähren einzudringen und Olmütz zu erobern, nicht um es zu behalten — denn man sah bereits voraus, daß die Russen, die sich schon Ostpreußens bemächtigt hatten, eine Diversion nach Pommern und der Mark Brandenburg machen würden —, sondern um die Österreicher während des ganzen Feldzuges in einer Gegend zu beschäftigen, die den preußischen Staaten möglichst fernlag. Der König wollte dadurch Zeit und Muße gewinnen, der russischen Armee mit bedeutenden Kräften entgegenzutreten.

Um seinen Plan zur Ausführung zu bringen, mußte der König den Feldmarschall Daun notwendigerweise irreführen, damit er ihm um einige Tagesmärsche zuvorkommen und sich noch vor seinem Eintreffen in der Gegend von Olmütz festsetzen konnte. Zu dem Zweck zog sich die Armee des Königs aus den Bergen in die Ebenen von Schweidnitz und Reichenbach zurück, unter dem Vorwand, die Truppen bedürften nach der anstrengenden Belagerung der Erholung und man müßte die Ankunft der neuen Rekruten erwarten. Zieten blieb mit einem Korps in der Gegend von Landeshut stehen, zog von dort eine Postenkette bis Friedland, und Fouqué rückte in die Grafschaft Glatz, um alle Pässe zu bewachen. Beide Korps sollten die Bewegungen der Armee hinter den Bergen verschleiern und überdies verhindern, daß die Österreicher Nachrichten erhielten, die sie über die Absichten der Preußen aufklären konnten.

Während der Feind durch solche Vorkehrungen getäuscht wurde, marschierte der König mit der Armee nach Neiße, wo sie sich in zwei Kolonnen teilte. Die eine, die der König selbst führte, schlug die Straße nach Troppau ein. Die andere unter Feldmarschall Keith marschierte auf Jägerndorf. Am 3. Mai stiegen beide Kolonnen in die Ebene von Olmütz herab, die eine über Giebau, die andere über Sternberg. Fouqué folgte ihnen, sobald er merkte, daß der Feind Verdacht schöpfte und die Gegend von Königgrätz verließ, um gegen Hohenmauth vorzugehen. Er rückte über Neiße und brachte von dort Lebensmittel und Kriegsbedarf zur Belagerung nach<130> Olmütz. Am selben Tage, dem 12. Mai, ging der König mit der Beobachtungsarmee bei Littau über die March und von dort bis Olschan vor, wo ein feindliches Kavalleriekorps von sieben Regimentern unter de Ville lagerte. Der Prinz von Württemberg griff es an, trieb es über Proßnitz auf Wischau zu und lagerte selbst mit 4 Dragonerregimentern, einem Husarenregiment und 4 Bataillonen bei Proßnitz, um den Feind nach Wischau und Brünn hin zu beobachten.

Inzwischen hatte Feldmarschall Reich Olmütz eingeschlossen und eröffnete am 27. Mai die Laufgräben. Jenseits der March hatte er die 10 Schwadronen Bayreuth-Dragoner, 500 Husaren und einige Freibataillone aufgestellt, die beim Dorfe Hodolein lagerten. Zur größeren Sicherheit des Feldmarschalls Keith und der Belagerungsarmee hielt man es für ratsam, de Ville noch weiter fortzutreiben. Er wäre fast in seinem Lager überrumpelt worden und fühlte sich erst unter den Festungswerken von Brünn wieder sicher. Zugleich besetzte die Beobachtungsarmee alle festen Stellungen, die man beizeiten hatte auswählen können. Markgraf Karl bezog ein Lager bei Mährisch-Neustadt, Prinz Moritz bei Littau, Wedell bei Namiescht und der König zwischen Proßnitz und Olschan auf den Höhen von Namiescht bis Studenetz.

Am 7. Juni traf Puttkamer130-1 mit einem Transport bei der Armee ein. Er war unterwegs nirgends belästigt worden. Zieten wurde bei Grüssau vom Feinde angegriffen, trieb ihn aber zurück. Als er merkte, daß die Österreicher mit ihrer ganzen Macht gegen Mähren zogen, verließ er das Gebirge und vereinigte sich fast gleichzeitig wie Puttkamer mit der Armee des Königs.

Indessen reichten die Lebensmittel und der Kriegsbedarf für die Belagerung nicht aus. Man ließ darum einen neuen Transport aus Schlesien kommen, teils zur Beschleunigung des Angriffs, teils zur Verstärkung der Armee. Wahrscheinlich wäre die Belagerung glücklicher verlaufen, wären die Laufgräben nicht so weitab angelegt worden und hätte man die zuerst errichteten Batterien nicht verlassen müssen, weil ihr Feuer erfolglos blieb und man unnütz viel Munition verschwendete. Mittlerweile rückte die Avantgarde des Feldmarschalls Daun unter Harsch in Mähren ein und lagerte gegenüber dem Prinzen Moritz auf den Hügeln bei Allerheiligen unweit Littau. Harsch machte einen allerdings erfolglosen Versuch, diese Stadt zu überrumpeln (22. Juni). Feldmarschall Daun, der ihm folgte, war auf Gewitsch gezogen und detachierte von da 6 000 Mann, die sich bei Prerau festsetzten. Diese Stellung nötigte den Feldmarschall Keith zur Verlegung seiner Dragoner nach Wisternitz und seiner Freikompagnien130-2 nach Bystrowan und Holitz.

Daun hatte die Absicht, Verstärkungen in die belagerte Stadt zu werfen, sich aber sonst in keinen Kampf einzulassen, da dessen Verlust die Einnahme von Olmütz nach sich gezogen hätte. Nachts ließ er das von einem Freibataillon besetzte Dorf Holitz<131> angreifen und zwang die Besatzung zum Rückzug. Die Bayreuth-Dragoner hatten in der Nacht biwakiert, aber infolge einer Nachlässigkeit ihres Kommandeurs, General Meier131-1, hatten sie mit dem Absatteln nicht so lange gewartet, bis die zur Aufklärung ausgesandten Streifkorps zurückgekehrt waren. Ungestüm rückte der Feind an, trieb ihre Patrouillen vor sich her und überfiel sie, noch ehe sie ihre Zelte verlassen konnten. Das Regiment verlor 300 Mann und wäre völlig vernichtet worden ohne das rechtzeitige Anrücken des Bataillons Nymschöfsky, das den Feind zum schleunigen Abzug nötigte (17. Juni). Seit diesem Erfolge fanden die Österreicher Geschmack an nächtlichen Unternehmungen. Dreimal griffen sie die Zieten-Husaren bei Kosteletz an, wurden aber jedesmal mit ziemlich bedeutendem Verluste zurückgeschlagen. Die Freibataillone Le Noble und Rapin131-2 hatten weniger Glück. Markgraf Karl hatte sie nach Sternberg geschickt, von wo sie zur Deckung eines Transportes, der am 7. Juni eintraf, nach Bärn rücken sollten. Dabei wurden sie von den Panduren arg belästigt und verloren im Gefecht 500 Mann.

Aber kehren wir zu bedeutenderen Ereignissen zurück. Bei der Stellung der österreichischen Armee, besonders des nach Prerau detachierten Korps, war es nötig, Olmütz auf dem linken Marchufer enger einzuschließen. Da das Korps des Markgrafen in Mährisch-Neustadt nicht durchaus nötig schien und an Truppen kein Überfluß war, so marschierte es von dort ab und bezog jenseits der March eine Stellung von der Marchbrücke bei Chomotau bis zu der bei Holitz, die beide im Besitz der Preußen waren. Während dieser Truppenverschiebungen gelang es dem österreichischen Oberst Bülow, sich nach Olmütz hineinzuschleichen und dem Kommandanten Marschall131-3 ein Hilfskorps von 1 200 Mann zuzuführen.

Wenige Tage später tauchte Feldmarschall Daun in der Ebene auf und lagerte sich zwischen Proßnitz und Wischau bei Prödlitz131-4. Dort erfuhr er, daß die Preußen einen großen Transportzug erwarteten, von dessen Eintreffen der Erfolg der Belagerung abhing; denn es war bereits Munitionsmangel eingetreten. Der Transport wurde von 8 Bataillonen und 4 000 Rekonvaleszenten eskortiert, teils Kavallerie, teils Infanterie, die zu Regimentern formiert waren, um sie auf dem Marsche verwenden zu können. Der ganze Zug brach am 25. Juni von Troppau auf. Daun wollte ihn abfangen und sandte zu dem Zweck Jahnus nach Bärn und Laudon nach Liebau. Daraufhin schickte der König Zieten mit 20 Schwadronen und drei Bataillonen dem Transportzug entgegen. Er stieß bei Giebau zu ihm. Am nächsten Tage griff Laudon ihn an, wurde aber nach fünfstündigem Kampfe zum Rückzug gezwungen131-5. Infolge der schlechten Wege kam der Transport nur äußerst langsam vorwärts. Feldmarschall<132> Daun benutzte die Zeit zur Verstärkung von Jahnus und Laudon mit 8 000 Mann. Am 30. wurde der Zug zwischen Bautsch und Domstadtl abermals angegriffen. Kaum hatten 1 000 Mann Kavallerie, 4 Bataillone und 400 Wagen den Marsch angetreten und das Defilee von Domstadtl passiert, so warf der Feind sich von Bärn und Liebau her mit seiner ganzen Macht auf den Zug. Seine beiden Kolonnen vereinigten sich hinter der Avantgarde, die gerade durch das Defilee gekommen war, und schnitt sie von dem nachfolgenden Hauptkorps ab. Zieten, der sich beim Gros des Zuges befand, griff einen der feindlichen Flügel lebhaft an, aber die Überlegenheit des Gegners war zu groß, als daß er hätte Erfolg haben können. Nach tapferer Gegenwehr mußte Zieten sich mit dem größten Teil seiner Leute auf Troppau zurückziehen. General Puttkamer und 300 Mann nebst dem ganzen Transport und der Kriegskasse fielen in die Hände des Feindes.

Infolge dieser Hiobspost mußte die Belagerung aufgehoben werden. Hätte der Transport eintreffen können, so wäre Olmütz in spätestens 14 Tagen gefallen; denn die dritte Parallele war bereits fertig und die Sappen wurden schon vorgeschoben. So dicht man aber auch am Ziel seiner Wünsche zu stehen schien, man mußte zur Rettung der Armee doch Verzicht leisten, da bei längerem Aufenthalt in Mähren die Lebensmittel ausgegangen wären.

Für den Rückmarsch boten sich zwei Straßen: eine nach Oberschlesien, auf der die Armee gekommen war, die andre quer durch Böhmen, die entweder in die Grafschaft Glatz oder über Braunau nach Schlesien führt. Die erste Straße suchte der Feind zu verlegen. Laudon, Jahnus und St. Ignon waren seit der Wegnahme des Transportes dort stehen geblieben, und Daun selbst war mit seiner Armee bis Tobitschau gerückt. Auf dieser Straße hätte man also zwei feindliche Korps in die Flanken bekommen, und Daun hätte immerzu die Arrieregarde beunruhigt. Kurz, der Marsch<133> wäre eine fortgesetzte Schlacht gewesen, in der die Armee ihr Belagerungsgeschütz, ihre Wagen und Verwundeten eingebüßt hätte. Ja, vielleicht wäre sie beim Übergang über die March vom Feinde so bedrängt worden, daß sie ihren völligen Untergang gefunden hätte. Aus diesen Gründen entschloß sich der König kurzerhand zum Abmarsch nach Böhmen. Der Feind hatte nach dorthin keine Gegenmaßregeln getroffen. Man konnte ihm also um zwei Tagesmärsche zuvorkommen, und das war wegen der Artillerie und der Bagage, die die Armee mit sich führen mußte, von großer Bedeutung.

In der Nacht vom 1. zum 2. Juli verließ der König sein Lager und brach mit allen Truppen in zwei Kolonnen auf. Die Avantgarde der einen, bei der sich der König befand, führte Prinz Moritz. Er marschierte über Konitz, Mährisch-Trübau und Zwittau nach Leitomischl, wo er ein feindliches Depot wegnahm. Die zweite Kolonne unter Feldmarschall Keith ließ beim Abzug aus den Laufgräben nur vier Mörser und eine Kanone im Stich, die wegen ihrer zerbrochenen Lafetten nicht transportiert werden konnten. Sie marschierte über Littau, Müglitz und Mährisch-Trübau. Soweit verlief der ganze Marsch ohne Beunruhigung von seiten des Feindes; denn Daun hatte alle seine Maßregeln nur für die Straßen nach Oberschlesien getroffen und konnte seine Truppen nun nicht schnell genug zurückziehen, um mit Nachdruck nach der böhmischen Seite zu operieren. Immerhin wollte Lacy, der bei Giebau lagerte, irgend etwas gegen die preußische Arrieregarde unternehmen. Sie mußte auf dem Wege nach Zwittau durch das Defilee von Krönau. Lacy besetzte Krönau mit seinen Grenadieren, wurde aber von Wied flugs aus dem Dorfe vertrieben (7. Juli). Dann setzten die Truppen ihren Marsch ohne weitere Beunruhigung fort.

Feldmarschall Keith hatte seine Kolonne in drei Korps geteilt. Das eine unter Retzow rückte durch Hohenmauth und näherte sich den Höhen von Neu-Holitz, fand sie aber vom Feinde besetzt. Retzow bemächtigte sich einer Kapelle auf einer Anhöhe gegenüber der feindlichen Stellung, und eine gegenseitige Kanonade begann, indes der Transport mit seiner Bedeckung ruhig weitermarschierte. St. Ignon, der Führer der feindlichen Truppen, hielt den Augenblick zum Angriff auf die Preußen für günstig. Er warf sich mit 1 100 Pferden auf das Kürassierregiment Bredow und brachte es zum Weichen. In diesem Augenblick traf ein Leutnant mit 50 Husaren ein, den der König mit Depeschen an den Feldmarschall Keith gesandt hatte. Der tapfere Offizier, namens Kordshagen133-1, fiel St. Ignon mit seinem Häuflein so zur rechten Zeit in die Flanke, daß der Feind weichen mußte. Zugleich eilte auch die preußische Kavallerie herbei und trieb die Österreicher mit einem Verlust von 6 Offizieren und 300 Mann zurück. Feldmarschall Keith kam mit seiner Kolonne gerade in dem Augenblick an, wo die Feinde in voller Verwirrung flohen. Er packte die feindliche Infanterie, die sich noch auf den Höhen behauptete, im Rücken und beschleunigte dadurch ihre Flucht. Sie rettete sich durch dichte Wälder, die ihren weiteren Rückzug deckten (12. Juli).

<134>

Während Feldmarschall Keith mit den Feinden und seinen Transportzügen zu tun hatte, war der König vorausmarschiert und am 11. bei Königgrätz eingetroffen. Buccow deckte die Stadt mit ungefähr 7000 Mann, die hinter der Elbe und in Verschanzungen rings um die Vorstädte standen. Sobald die Truppen eingetroffen waren, wurden bei Lhota einige Bataillone aufgestellt und eine Batterie errichtet, um Buccow in seinen Verschanzungen im Rücken zu fassen. Zugleich ging ein anderes Korps weiter oberhalb über den Adler, um die Verschanzungen am folgenden Morgen bei Tagesanbruch anzugreifen. Eine starke Kavallerieabteilung sollte zugleich über die Elbe gehen, um den Österreichern jede Rückzugsmöglichkeit abzuschneiden, aber die Brücken wurden erst am 13. morgens fertig. Buccow wartete die Vollendung der Einschließung nicht ab, sondern räumte noch in der Nacht die Stadt und die Verschanzungen und zog sich auf Chlumetz zurück. Auf die Meldung hin, daß Retzow in Neu-Holitz angegriffen würde, brach der König noch am selben Tage mit einer Kavallerieabteilung auf. Aber das Gefecht war bereits entschieden, und Feldmarschall Keith brachte das ganze Belagerungsgeschütz von Olmütz, 1 500 Verwundete und Kranke nebst allen Munitions- und Proviantwagen der Armee des Königs glücklich nach Königgrätz. Sobald alle Truppen beisammen waren, lagerten sie sich am Zusammenfluß des Adler und der Elbe mit der Front nach Königgrätz, das mit 6 Bataillonen besetzt war.

Zunächst sorgte der König dafür, sich der großen Bagage zu entledigen, die man von Olmütz bis Königgrätz hatte mitschleppen müssen. Fouqué erhielt Befehl, das Geschütz, die Verwundeten und die überflüssigen Wagen mit 16 Bataillonen und ebensoviel Schwadronen nach Glatz zu geleiten. Der Feind zeigte bereits die Absicht, die Preußen auf ihrem Marsche zu beunruhigen; denn schon am selben Tag hatte sich Laudon mit 4 000 Mann in einem Gehölz bei Opotzno festgesetzt. Da man es aber erfuhr und der König Fouqués Marsch auf Neustadt sichern wollte, so rückte er mit einigen Truppen stracks auf Laudon los und hätte den Österreicher fast überrumpelt. Aber der Wald begünstigte sein Entkommen. Man konnte nur 100 Kroaten abfangen (16. Juli). Laudon zog sich auf Reichenau zurück, und der König besetzte die Stellung bei Opotzno so lange, bis Fouqué den Transportzug ruhig nach Glatz geleitet hatte. Gleich nach seinem Eintreffen detachierte Fouqué den älteren Schenkendorff nach Reinerz und Goltz nach Hummelberg, während er selbst das Lager von Nachod bezog, um die Armee im Rücken zu decken. Die Schnelligkeit ihres Marsches gab den Preußen genügenden Vorsprung, um alle diese Maßnahmen zu treffen, bevor Daun heranrücken konnte. Erst am 22. langte er an und schlug sein Lager jenseits der Elbe auf den Höhen von Chlum und Libischan auf134-1, gerade als der König von Opotzno zum Gros seiner Armee zurückkehrte.

<135>

Hätte er keine andern Feinde als die Österreicher gehabt, so hätte er den Feldzug zu Ende führen können, ohne Böhmen zu verlassen, außer um die Winterquartiere zu beziehen. Aber die Diversion der Russen, die Pommern und die Neumark bedrohten, zwang den König, die Truppen nach Schlesien zurückzuführen, um von dort aus Hilfe zu bringen, wo sie am nötigsten war. Auch wurden alle Maßregeln zur Sicherung der schlesischen Grenzen getroffen. Zu dem Zwecke wurden alle Lebensmittel und alle Fourage aus dem Königgrätzer Kreise fortgeschafft, damit Feldmarschall Daun, der keine Magazine hatte, nichts gegen diesen Teil von Schlesien unternehmen konnte. Das gelang auch wirklich; denn Daun hatte bei Beginn des Feldzuges alle seine Proviantzüge auf Brünn leiten müssen. Darauf hatten ihm die Preußen während ihres Marsches alle seine Depots in Böhmen weggenommen, und schließlich hatten sie den Königgrätzer Kreis rein ausfouragiert.

In der Nacht zum 26. Juli wurde also das Lager von Königgrätz abgebrochen. Noch während der Räumung der Vorstädte wurden die Truppen von Panduren angegriffen, wobei General Saldern und Oberst Blanckenburg135-1 den Tod fanden. Außerdem verlor man 70 Mann. Die Armee des Königs zog sich über Königslhota auf Nohenitz zurück. Laudon, St. Ignon und Lacy folgten der Nachhut mit ungefähr 15 000 Mann, konnten ihr aber trotz aller Bemühungen nichts anhaben und wurden von den Puttkamerschen Husaren tapfer zurückgewiesen. Um dem Feinde die Lust an der Beunruhigung der Nachhut ganz zu nehmen, wurde am 30. Juli beim Übergang über die Mettau ein Hinterhalt gelegt. 10 Bataillone und 20 Schwadronen besetzten auf der Straße ein Gehölz, das sich von Jaromircz bis an die Mettau erstreckt. Dann trat die Armee ihren Marsch an und zeigte dem Feinde nur eine schwache Arrieregarde von Husaren. Laudon, der leicht hitzig wurde, wollte sie anfallen. Da brach die Kavallerie aus dem Hinterhalt hervor, fiel ihm in den Rücken und packte ihn von allen Seiten. Das bekam ihm übel, und er verlor 300 Mann. Nach dem Scharmützel setzte die Armee des Königs ihren Marsch ruhig fort und lagerte zwischen Bohuslawic und Jessenitz. Von dort wurde Retzow zur Deckung des rechten Flügels der Armee bei ihrem Übergang über das Gebirge detachiert. Nachdem Retzow Jahnus aus Studnitz vertrieben hatte, besetzte der König das Lager von Skalitz (3. August). In der Gegend, wo die Armee lagerte, zog sich rechts eine Anhöhe, in deren Besitz man sich notwendig setzen mußte. Hier stellte der König das Freibataillon Le Noble als lockenden Köder für die Feinde auf. 6 Bataillone wurden in eine Art Schlucht gelegt, mit dem Befehl, die Stellung im Fall eines Angriffs zu unterstützen. Was man erwartet hatte, geschah. Nachts versuchte Laudon, Le Noble zu überrumpeln, wurde aber anders empfangen, als er vermutet hatte, mußte fliehen und verlor 6 Offiziere und 70 Mann, ohne die Toten und Verwundeten.

<136>

Inzwischen war Feldmarschall Daun längs der Elbe vorgerückt, sodaß seine Armee sich von Königgrätz bis Jaromircz gegen Königinhof ausdehnte. Der König lagerte am folgenden Tage bei Wisoka und Retzow bei Starkstadt. Von Wisoka wurde der Marsch nach Politz und Wernersdorf fortgesetzt, ohne daß die Feinde gefolgt wären. Am 9. August bezogen alle Truppen wieder das Lager von Grüssau und Landeshut.

Während dieses Rückzuges aus Böhmen fand die erwartete Diversion der Russen statt. Fermor war aus Ostpreußen in mehreren Kolonnen gegen die Grenzen von Pommern und der Neumark vorgerückt. Platen136-1 hatte den Feind von Stolp aus beobachtet, wo er den ganzen Winter mit einem Detachement gestanden hatte. Auf die Nachricht vom Anmarsch der Russen hatte Graf Dohna136-2 schon im Juni Befehl erhalten, die Blockade von Stralsund aufzuheben, sich der Oder zu nähern und den Russen entgegenzutreten, wo immer, sie in die Staaten des Königs einzudringen beabsichtigten. Fermor war von Posen auf Königswalde, Meseritz und Paradies vorgerückt. Dort bezog er ein Lager in drei Abteilungen. Zur Beobachtung des Feindes schickte Dohna Kanitz136-3 nach Reppen. Von hier unternahm Malachowski einen Streifzug bis Sternberg und vertrieb die Russen von dort (5. August). Da Dohna aber nicht stark genug war und sich nicht durch Detachierungen zersplittern wollte, zog er Platen an sich und beschränkte sich darauf, den Feinden den Übergang über die Oder streitig zu machen. Zu diesem Zweck lagerte er bei Frankfurt.

Trotzdem stand das Spiel nicht gleich. Da die geringste Niederlage Dohnas dem Staat verhängnisvoll werden mußte und den völligen Untergang der Kurmark zur Folge haben konnte, beschloß der König, mit hinreichender Verstärkung zu Dohna zu stoßen, um eine Art von Gleichgewicht zwischen den preußischen und russischen Truppen herzustellen. Die Verstärkung bestand aus 16 Bataillonen und 28 Schwadronen. Der größere Teil der Armee blieb unter dem Befehl des Feldmarschalls Keith und des Markgrafen Karl im Lager von Landeshut zum Schutze der schlesischen Grenze. Der König marschierte über Rohnstock, Liegnitz, Heinzendorf, Dalkau, Deutsch-Wartenberg, Schertendorf, Crossen und Ziebingen auf Frankfurt. Dort (20. August) erfuhr er, daß Fermor über Landsberg nach Groß-Cammin und Tamsel vorgerückt war und Küstrin hatte bombardieren lassen, nachdem alle Kapitulationsvorschläge des Generals Stoffeln vom Kommandanten Schach136-4 abgewiesen worden waren. Die Festung war nur noch ein Aschenhaufen.

Das Vorgehen des Feindes hatte Dohna bestimmt, sich Küstrin zu nähern, um es besser unterstützen zu können. Am 22. August vereinigte er sich mit dem König im Lager von Gorgast. Die Russen hatten ihre Parallelen genau am Anfang der von<137> Küstrin nach Tamsel führenden Straße angelegt. Ihre Batterien waren so eingebaut, daß die preußische Armee ihre Stellung nicht verlassen konnte, ohne sich bedeutenden und überflüssigen Verlusten auszusetzen. Dennoch beschloß der König, den Feind anzugreifen. Er mußte einen Schlag führen, um sich für eine Zeitlang eine feindliche Armee vom Halse zu schaffen und die Hand frei zu bekommen, damit er sich nach einer anderen Seite wenden konnte. Drei Wochen standen also dem König für sein Unternehmen zur Verfügung. Aber wie sollte er es so schnell ausführen, ohne daß es zur Schlacht kam? Konnte sich Feldmarschall Daun, den der König bei Jaromircz verlassen hatte, in der Zwischenzeit doch gegen Schlesien oder Sachsen wenden, und der König mußte imstande sein, je nach der Lage der Dinge hier- oder dorthin zu rücken.

Zur Ausführung des Planes erschien es am besten, den Feind durch Demonstrationen zu täuschen. Man errichtete Batterien gegenüber von Drewitz und besetzte die Oderdämme, als ob man tatsächlich die Absicht hätte, den Fluß in jener Gegend zu überschreiten. Zugleich verstärkte der König die Besatzung von Küstrin um 4 Bataillone. Kanitz war nach Wriezen detachiert worden, um alle Kähne zusammenzubringen, die man in diesem Teil des Oderlaufes auftreiben konnte. In der Nacht zum 23. August marschierte die Armee flußaufwärts bis Alt-Güstebiese. Dort stieß Kanitz zu ihr, der eine genügende Zahl von Kähnen zum Schlagen einer Schiffbrücke mitbrachte. Sie wurde so schleunig fertiggestellt, daß die ganze Armee den Übergang schon am Mittag bewerkstelligt hatte. Dann setzte sie den Marsch bis zum Dorfe Clossow fort, wo sie ein Lager bezog. In dieser Stellung schnitt sie Fermor bereits von Rumänzow ab, der bei Schwedt stand und dort über die Oder zu gehen beabsichtigte.

Am 24. lagerte sich die Armee bei Darrmietzel gegenüber von Fermor. Der hatte auf die Bewegungen der Preußen hin die Belagerung von Küstrin aufgehoben, die Division Tschernyschew herangezogen und mit ihr und dem Gros seiner Truppen eine Stellung zwischen den Dörfern Quartschen und Zicher bezogen, wo er ein morastiges Flüßchen137-1 vor seiner Front hatte. Die Russen lagerten im Viereck, wie sie es durch Feldmarschall Münnich vom Türkenkrieg137-2 in der Kleinen Tartarei her gewohnt waren. Noch am selben Tage, an dem die preußische Armee eintraf, bemächtigte sich der König der Neudammer Mühle und der Brücke über die Mietzel. Seine Avantgarde besetzte die Massinsche Heide, die man zur Umgehung des feindlichen Lagers durchschreiten mußte.

Am folgenden Morgen rückte die Armee in vier Kolonnen beim Dorfe Batzlow in die Ebene vor. Zwischen Batzlow und Klein-Cammin hatte der Feind den Hauptteil seiner Bagage unter schwacher Bedeckung zurückgelassen. Hätte die Zeit nicht gedrängt, so hätte man sie mit leichter Mühe wegnehmen und den Feind durch einige Märsche zum Verlassen des Landes zwingen können. Indes mußte eine Entscheidung herbeigeführt werden. Angesichts der seltsamen Stellung, die der Feind seiner Schlachtord<138>nung gegeben hatte, konnte man sich das Beste vom Angriff versprechen. Die Armee setzte also ihren Marsch auf Zorndorf fort, um die entgegengesetzte Seite des Vierecks anzugreifen, der man bei Darrmietzel gegenübergestanden hatte. Da die Kosaken Zorndorf in Brand gesetzt hatten, entstand ein kleiner Aufenthalt; denn die schwere Artillerie mußte durch das Dorf, um dem Feinde gegenüber aufzufahren.

Der linke Flügel, der zum ersten Angriff bestimmt war, lehnte sich an den nach Wilkersdorf verlaufenden Zabern-Grund138-1. Manteuffel138-2 begann den Angriff mit zehn Bataillonen. Dabei wurde er vom linken Flügel des ersten Treffens unter Kanitz und vom ganzen zweiten Treffen unterstützt. Die Kavallerie des linken Flügels wurde unter Benutzung von Bodenfalten so aufgestellt, daß sie vor der feindlichen Artillerie geschützt und doch stets bereit war, im Notfalle einzugreifen. Der König hatte bestimmt, daß Manteuffel sich unter beständigem Vorrücken an den Zabern-Grund anlehnen sollte, der ihn direkt auf den rechten russischen Flügel zuführte. Aber infolge von Zwischenfällen und Mißverständnissen verließ er beim Vorrücken den Zabern-Grund138-3, sodaß Kanitz, der ihm folgen sollte, rechts von ihm zu stehen kam. Der Angriff wurde zurückgeworfen, und die Infanterie zog sich in ziemlich großer Verwirrung zurück. Da aber der Feind gleichfalls in Unordnung geraten war, ließ der König Seydlitz unverzüglich zur Attacke vorgehen. Der Angriff erfolgte in drei Kolonnen, die gleichzeitig in das russische Viereck einbrachen. In weniger als einer Viertelstunde war das ganze Schlachtfeld vom Feinde gesäubert. Die Übriggebliebenen retteten sich durch den Zabern-Grund und begannen sich bei Quartschen von neuem zu sammeln.

Nun ließ der König die Infanterie seines rechten Flügels eine Viertelschwenkung machen und stellte sie dem Galgen-Grunde gegenüber auf. Mehrmals sollten die Truppen hindurchstoßen. Sie kamen aber immer wieder nach kurzer Zeit zurück, ohne daß man sich den Grund anfangs erklären konnte. Die Kriegskasse und das gesamte Gepäck der russischen Generale befand sich nämlich in dieser Einsenkung, und anstatt hindurchzumarschieren, wie es wohl möglich war, hielten sich die Truppen mit Plündern auf und kamen wieder zurück, sobald sie genügend mit Beute beladen waren. Die Kavallerie konnte wegen der Sümpfe in dem Galgen-Grunde nicht operieren, und so mußten die Preußen sich darauf beschränken, den Feind mit Kanonen zu beschießen. Das setzten sie bis zur sinkenden Nacht fort.

Die Schlacht hatte um neun Uhr morgens begonnen und endigte erst um halb neun Uhr abends. Die Russen zogen sich in den Wald von Tamsel zurück, wo sie ihre Truppen zugweise aufstellten, die Kavallerie in der Mitte und die Infanterie ringsherum. Sie verloren in der Schlacht 103 Kanonen, 27 Fahnen und Standarten, 82 Offiziere, darunter 5 Generale, ungefähr 2 000 Gefangene und wenigstens 15 000<139> Mann an Toten, da die Kavallerie kein Pardon gab. Die Preußen verloren zwei Generale: Froideville und Zieten von den Kürassieren139-1, 60 Offiziere an Toten und Verwundeten und ungefähr 1 200 Mann, nebst 20 Kanonen.

Am nächsten Morgen, dem 26., nahm die Armee des Königs eine Stellung dicht gegenüber den Russen ein. Sie war nur 1 200 Schritt vom Feinde entfernt. Bei hinreichender Munition wäre der Angriff erneuert worden. So aber mußte man sich mit einer Kanonade begnügen, die nicht einmal so lebhaft ausfiel, wie man gewünscht hätte, weil das Pulver gespart werden mußte. Auf beiden Seiten wurden keine Zelte aufgeschlagen. Die russischen Dragoner versuchten die preußische Infanterie anzugreifen, wurden aber vom Regiment Kreytzen kräftig zurückgewiesen. Während der beiden Schlachttage boten die von den Kosaken in Brand gesteckten umliegenden Dörfer einen furchtbaren Anblick. Alles Elend, das über die Menschen hereinbrechen kann, war hier vereinigt. Indessen schoß die preußische Artillerie mit Erfolg in die dichte Masse des Feindes, die sie garnicht verfehlen konnte, während das russische Geschützfeuer völlig wirkungslos blieb. Gegen Abend bekam man etwas neue Munition, von der die Batterien so trefflichen Gebrauch machten, daß die Russen ihre Stellung nicht mehr behaupten konnten. Sie zogen noch in derselben Nacht ab und lagerten bei Klein-Cammin. Der König folgte ihnen, machte noch einige hundert Gefangene bei der Arrieregarde und lagerte sich dann vor Tamsel dicht am Feinde.

Der Verlust der Schlacht zwang Rumänzow zum schleunigen Verlassen des Oderlaufes und der Stadt Stargard, um seine Vereinigung mit Fermor zu beschleunigen. Der zog sich bald darauf nach Metz, dann nach Landsberg zurück, wo er alle seine Truppen sammelte. Der König verfolgte ihn bis Blumberg.

Während die preußische Armee gegen die Russen focht, war Laudon durch die Lausitz gezogen, um sich mit ihnen zu vereinigen. Das wäre ihm auch gelungen, wäre er unterwegs nicht auf den Prinzen Franz von Braunschweig139-2 gestoßen, den der König aus dem Lager bei Tamsel nach Beeskow detachiert hatte. Der Prinz hob verschiedene Laudonsche Streifkorps auf und zwang den Feind, sich auf Lübben zurückzuziehen. Stärkere Gründe jedoch als dieser hinderten den König an der weiteren Ausnutzung der über die Russen errungenen Erfolge. Er mußte in Sachsen dem Prinzen Heinrich zu Hilfe kommen. Infolgedessen blieb Dohna den Russen gegenüber stehen, und der König brach mit dem Korps, das er in die Kurmark geführt hatte, wieder auf, um zu seinem Bruder zu stoßen.

Des Zusammenhangs halber müssen wir hier in Kürze die bisherigen Ereignisse in Sachsen berichten. Seit Ende Juni hatte Prinz Heinrich139-3 das Lager von Zschopau<140> bezogen, um den Reichstruppen unter dem Prinzen von Zweibrücken140-1 entgegenzutreten, zu denen auch ein österreichisches Korps unter Hadik gestoßen war. Prinz Heinrich ließ ein feindliches Detachement von Sebastiansberg vertreiben, und da das Gros der Reichsarmee noch nicht heran war, beschränkte er sich auf den Kleinkrieg, in dem die Preußen die Oberhand behielten. Bei verschiedenen Zusammenstößen nahmen sie dem Feinde Gefangene ab, darunter sogar einen österreichischen General Mittrowsky. Als Prinz Heinrich vom Anrücken eines feindlichen Korps unter Dombasle auf Zwickau erfuhr, sandte er Finck ab, um den Gegner aus Sachsen zu vertreiben. Finck warf ihn bis nach Reichenbach zurück. Bald darauf mußte Prinz Heinrich in die Gegend von Dresden rücken, da der Prinz von Zweibrücken durch Böhmen über Teplitz marschierte. Die Armee ging gegen Chemnitz vor und setzte sich bei Dippoldiswalde fest, während Hülsen mit einer Abteilung bei Freiberg und Knobloch bei Maxen Stellung nahmen. Inzwischen wurden andere Reichstruppen, die sich bei Waldkirchen postiert hatten, von Kleist140-2 angegriffen und geschlagen. Da aber Hadik auf Cotta vorrückte, änderte Prinz Heinrich seine Stellung, bezog das Lager von Groß-Sedlitz bei Pirna und besetzte die Dörfer Zehista und Zuschendorf vor seiner Front. Später vertauschte er sein Lager mit dem von Gamig, das günstiger gelegen war. Bald zeigte sich der Prinz von Zweibrücken. Er besetzte die Höhen von Struppen und behielt auf seiner Linken Hadik, der sich von Rottwerndorf bis Cotta ausbreitete. Zur Einnahme des seiner Stellung hinderlichen Sonnensteins ließ er einige Mörser heranschaffen. Der Kommandant Grape ergab sich sehr zur Unzeit (5. September), und die Besatzung geriet in Kriegsgefangenschaft.

Gleichzeitig war Feldmarschall Daun in die Lausitz vorgedrungen und hatte ein Detachement von 20 000 Mann unter Harsch und de Ville zwischen Jägerndorf und Troppau zurückgelassen. Dies Korps sollte nach Dauns Plan Neiße belagern, sobald die preußische Armee weit genug entfernt war, daß die Belagerung ungestört blieb. Er hatte gehofft, der Einfall der Russen würde alle Kräfte des Königs ablenken. Da aber diese Hoffnung fehlschlug, rückte er in die Lausitz ein, um die Preußen dorthin zu ziehen und Harsch Zeit zur Belagerung von Neiße zu verschaffen. Er war schon bis Königsbrück vorgedrungen, als er die Niederlage der Russen erfuhr. Daraufhin ließ er seine Absichten auf Meißen und Torgau fallen und zog sich auf Stolpen zurück (5. September). Bald hernach besetzte er die Elbufer mit verschiedenen Detachements, um den Fluß bei Pillnitz zu überschreiten und die Stellung der Preußen bei Gamig im Rücken zu umfassen, während der Prinz von Zweibrücken und Hadik sie in der Front angreifen sollten. Prinz Heinrich erfuhr von dem Plane und meldete ihn dem König, der infolgedessen seinen Marsch beschleunigte, um sich mit dem Prinzen, seinem Bruder, zu vereinigen. Sofort erhielten Feldmarschall Keith und Markgraf Karl Befehl, Schlesien zu verlassen und in der Lausitz zu den Truppen des Königs zu stoßen. Fouqué blieb in Landeshut, um die böhmischen Pässe zu bewachen.

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Das Korps des Königs brach am 2. September von Blumberg auf und erreichte über Manschnow, Müllrose, Trebatsch, Lübben, Dobrilugk und Elsterwerda am 9. Groß-Dobritz bei Großenhain. Dort stießen Feldmarschall Keith und der Markgraf zu ihm. Sie waren über Nieder-Hartmannsdorf, Priebus, Muskau, Spremberg und Senftenberg marschiert. Unterwegs hatten Werner und Möhring141-1 zwei österreichische Detachements geschlagen, der eine bei Priebus, der andre bei Spremberg, und über 500 Gefangene gemacht. Die Armee lagerte am 12. zwischen Boxdorf und Reichenberg, wo der König mit dem Prinzen, seinem Bruder, die den Umständen entsprechenden Maßnahmen verabredete. Noch am selben Abend setzte sich die Armee in Marsch; denn es galt, die Höhen von Weißig vor dem Feinde zu besetzen. Die Österreicher hatten auf dem Weißen Hirsch eine befestigte Stellung, aus der man sie vertreiben mußte. Der König marschierte stracks darauf los, während Wedell die Stellung auf der von Radeberg kommenden Straße umging. Die Österreicher mußten sie räumen. Sobald die Spitze der Armee die Höhen von Weißig erreicht hatte, griff sie die österreichischen Husaren und Dragoner an, die zur Deckung von Dauns Lager dorthin marschiert waren. Daun selbst war nach Weißig vorausgegangen, um die Stellung der Truppen anzugeben. Alle feindlichen Korps wurden zurückgeworfen, und die Armee des Königs bezog die Stellung von Schönfeld gegenüber dem Lager des Feldmarschall Daun, das sich von Lohmen über Stolpen bis Bischofswerda erstreckte. Sogleich wurde die Verbindung der beiden preußischen Armeen durch Brücken über die Elbe gesichert. Die Armee des Königs war gerade zur rechten Zeit eingetroffen; denn Lacy sollte schon mit allen österreichischen Grenadieren die Brücke bei Pillnitz schlagen. Wie man gestehen muß, hätte Feldmarschall Daun völlig Zeit gehabt, diese Absicht vor dem Eintreffen des Königs zu verwirklichen, wenn es in seinem Charakter gelegen hätte, mit größerer Tatkraft und Schnelligkeit zu verfahren.

An dem Tage, wo die Armee die Stellung von Schönfeld besetzte, wurde General Retzow mit einem Detachement abgeschickt, um Laudon aus Radeberg zu vertreiben. Der Österreicher zog sich auf Arnsdorf und Fischbach zurück. In dieser Stellung beschloß man, ihn abermals anzugreifen. Zu dem Zweck rückte Prinz Franz141-2 mit einigen Bataillonen vor, um sich in seiner Front zu zeigen, indes Retzow seinen rechten und der König seinen linken Flügel umging. Wie man sieht, wäre das Korps verloren gewesen, wenn alles geklappt hätte. Aber gewöhnlich gelingen solche Pläne nur teilweise. Immerhin verlor Laudon bei diesem Treffen über 500 Mann. Er entkam durch den Wald und besetzte die Hügel bei Harthau, wo er unter dem Schutz der Daunschen Kanonen sein Lager bezog (16. September).

Die Preußen hatten zwar einige Erfolge zu verzeichnen, aber ein entscheidender Schlag war doch nicht gefallen. Bei der Stellung beider Heere kam es vor allem darauf an, die Österreicher vom Elbufer zu entfernen. Das war aber kaum anders<142> zu erreichen, als indem man ihnen Besorgnis wegen ihrer Transporte aus Zittau erregte. Der König verließ also sein Lager bei Schönfeld und zog mit seiner Armee nach Rammenau142-1. In dieser Stellung bedrohten die Preußen die Flanke des Feindes. Zur Vermehrung seiner Besorgnis setzte sich Retzow mit seinem Korps in Bautzen fest. Wer noch hielt Laudon bei Bischofswerda, gegenüber der linken preußischen Flanke, eine Anhöhe besetzt. Man beschloß, sie zu nehmen. Zu diesem Zweck umging der Prinz von Württemberg die Österreicher im Rücken, und der König erschien vor ihrer Front. Laudon wartete das Gefecht garnicht ab, sondern zog sich in großer Verwirrung bis über Bischofswerda zurück, und die Preußen besetzten Stadt und Lager. Feldmarschall Daun befürchtete seinerseits, die Stellung der Preußen könne ihm nachteilig werden. Er hatte bereits alle Pläne gegen die Armee des Prinzen Heinrich fallen lassen, mußte sich seinen Lebensmitteln nähern und beschloß zugleich eine Stellung zu wählen, durch die er die Preußen von Schlesien abschnitt, damit Harsch Neiße in Ruhe belagern und einnehmen könnte.

Am 5. Oktober verließ der Feldmarschall endlich die Elbgegend, zog über Crostau und Neukirch ab und lagerte sich bei Kittlitz auf den Höhen von Löbau bis zum Strohmberg (7. Oktober). Der Markgraf von Durlach142-2 nahm mit der Reserve zwischen Reichenbach, Arnsdorf und Dobschütz Stellung. Auf diese Bewegung des Feindes hin wurde Retzow zur Besetzung von Weißenberg abgesandt. Die Armee selbst marschierte nach Bautzen (7. Oktober). Von dort wurde Wedell mit 6 Bataillonen und einiger Kavallerie detachiert, um den bis Pasewalk vorgedrungenen Schweden entgegenzutreten. Dann rückte die Armee des Königs gegen die Österreicher vor und nahm Stellung zwischen Hochkirch und Kotitz (10. Oktober). Das Hauptquartier war bei Rodewitz. Die Armee war geschwächt durch Entsendung des Wedellschen Detachements und durch die starke Besatzung, die in Bautzen hatte zurückbleiben müssen, um die Feldbäckerei vor feindlichen Handstreichen zu sichern.

Das Lager bei Hochkirch hatte der König gewählt, um den Österreichern seinen eigentlichen Plan zu verbergen. Seine Absicht war, sich mit Retzow, der neben dem linken Flügel der Preußen stand, zu vereinigen und den Markgrafen von Durlach bei Dobschütz gemeinsam zu überfallen. Das ließ sich aber nur in der Nacht vom 14. auf den 15. ausführen, da die Armee nicht früher mit Lebensmitteln versorgt werden konnte. Ein Teil des Transportes traf indessen schon am 12. ein. Feldmarschall Keith, der sich dabei befand, wurde unterwegs von Laudon angegriffen, schlug ihn aber mit einem Verlust von 80 Mann zurück. Unter den Gefangenen befand sich auch ein Prinz Lichtenstein, Oberstleutnant im Regiment Löwenstein. Nach diesem Gefecht sammelte Laudon seine zerstreuten Truppen wieder und setzte sich mit ihnen in einem Gehölz fest, eine starke Viertelmeile vom rechten preußischen Flügel gegenüber dem Dorfe Hochkirch. Eine sumpfige Niederung trennte die Preußen von jenen Anhöhen.

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Die Schlacht, auf die wir gleich zu sprechen kommen, nötigt uns zu genauerer Beschreibung des von beiden Armeen besetzten Geländes. Das Dorf Hochkirch, an das sich der rechte Flügel des Königs lehnte, liegt auf einer Anhöhe. Ein Kirchhof mit einer dicken Mauer, der Raum für ein ganzes Bataillon bietet, beherrscht die ganze Gegend. Das langgestreckte Dorf bildete die natürliche Flanke der Armee. Es war mit 6 Bataillonen besetzt. Im Winkel der Front und der Flanke war eine Batterie von fünfzehn Geschützen errichtet. Vor der Frontlinie fließt ein Bach zwischen felsigen Ufern. Am Fuße der Höhe von Hochkirch liegt eine Mühle nebst einigen Hütten. Zur Verteidigung des Überganges wurde sie mit einem Freibataillon besetzt. Es war dort um so sicherer, als es unter dem Schutz der Kanonen bei Rodewitz stand, wo das Hauptquartier war. Ein Teil des Lagers zog sich über den Bach, weil man die jenseitigen Höhen notwendig mitbesetzen mußte. Auch wurde die Verbindung mit dem Retzowschen Korps dadurch gesichert und der Weg abgekürzt. Dauns rechter Flügel stützte sich, wie gesagt, auf den Strohmberg. Das Zentrum stand auf uneinnehmbaren Höhen. Der linke Flügel zog sich nach Jauernick und Sornssig hin. Heimlich ließ er Wege für vier Kolonnen nach dem von Laudon besetzten Gehölz anlegen. Er wollte die preußische Armee an vier Stellen zugleich angreifen, nämlich von der Laudonschen Stellung aus, an der von dem Freibataillon besetzten Mühle, in der Gegend von Kotitz jenseits des Baches, und viertens sollte der Markgraf von Durlach Netzows Stellung bei Weißenberg angreifen.

In der Nacht vom 13. zum 14. Oktober führte Feldmarschall Daun seinen Plan aus. Zuerst erfolgte der Angriff auf die von dem Freibataillon besetzte Mühle. Sie wurde ohne viel Mühe genommen. Zugleich hatte Laudon es fertiggebracht, mit seinen Panduren der Armee in den Rücken zu schleichen und Hochkirch in Brand zu setzen. Nun mußten die Bataillone, die das Dorf hielten, hinaus. In der entstandenen Verwirrung eroberten die Feinde die Batterie an der Ecke des Dorfes. Zugleich<144> warf sich der tapfere Major Langen144-1 mit einem Bataillon vom Regiment Markgraf Karl in den Friedhof von Hochkirch. Die Armee hatte knapp Zeit, zu den Waffen zu greifen, nicht aber, die Zelte abzubrechen. Der König hörte das Geschützfeuer. Er nahm, obwohl er keine Meldung erhielt, sofort drei Brigaden vom Zentrum und eilte mit ihnen auf den rechten Flügel. Die Dunkelheit war so groß, daß man nicht die Hand vor Augen sah. Indes erkannte man sofort, daß der Feind sich der großen Batterie bemächtigt hatte; denn die Stückkugeln sausten durchs Lager und konnten doch unmöglich von den feindlichen Batterien herkommen. Beim Flammenschein des brennenden Dorfes traf der König seine Dispositionen. Er zog hinter seinem Lager entlang, um das Dorf zu umgehen. Unterwegs stieß er auf ein österreichisches Grenadierkorps und nahm 3 000 Mann gefangen. Da aber nicht Leute genug zu ihrer Bewachung da waren, so entliefen die meisten in der Verwirrung des Kampfes. Die preußische Infanterie umging Hochkirch und fing an, die Österreicher vor sich her zu treiben, wurde aber von einigen feindlichen Schwadronen, die man in der Dunkelheit nicht ankommen sah, wieder zurückgedrängt. Die Gensdarmes und das Regiment Schönaich ritten eine schneidige Attacke und warfen alles, was ihnen in den Weg kam, nieder. Aber da sie in der Dunkelheit keine Richtung einhalten konnten, so gerieten sie auf die Infanterie in dem Gehölz, das Laudon tags zuvor besetzt hatte. Dort stand die ganze österreichische Artillerie und Infanterie in sehr vorteilhafter Stellung. Die preußische Kavallerie wurde von einem Kartätschenhagel empfangen und auf die eigene Infanterie zurückgeworfen. Inzwischen planten Feldmarschall Keith und Prinz Moritz von Anhalt, die verlorene Batterie zurückzuerobern. Sie setzten sich an die Spitze einiger Bataillone, um durch Hochkirch vorzudringen. Der Weg durch das Dorf ist aber so schmal, daß man kaum in einer Front von sieben Mann hindurchkonnte, und so sahen sie sich denn, als sie aus dem Orte hervorbrechen wollten, von den Österreichern derart überflügelt, daß sich die Truppen garnicht erst zum Angriff formieren konnten, sondern sofort zurückgehen mußten. Dabei fiel Feldmarschall Keith. Geist144-2 wurde tödlich und Prinz Moritz gefährlich verwundet. Verschiedene Versuche, durch das Dorf vorzudringen, schlugen fehl. Die Glut war zu groß, und die Schlacht war verloren.

Zur Deckung des Rückzuges erhielt Retzow Befehl, unverzüglich zum König zu stoßen. Dreimal hatte der General den Markgrafen von Durlach zurückgeworfen. Da dieser nur durch ein Defilee an ihn herankommen konnte, ließ Retzow so viel Leute, als ihm gutdünkte, hindurch, griff dann den Feind an und warf ihn mit bedeutendem Verlust dorthin zurück, woher er gekommen war. Das hatte er nun schon dreimal wiederholt, als er Befehl erhielt, zur Armee zu stoßen. Er traf gerade zur rechten Zeit beim linken Flügel ein, den der König hatte entblößen müssen, um dem<145> rechten Flügel Hilfe zu schicken. Indes kam Retzow nicht mehr zeitig genug, um das Grenadier-Bataillon Kleist herauszuhauen. Es wurde vom Feinde umzingelt und mußte die Waffen strecken.

Noch hielt sich der rechte Flügel der Armee, so sehr sich der Feind auch anstrengte, über Hochkirch hinauszudringen. Die Schlacht hatte um 4 Uhr begonnen. Um 10 Uhr war der Kirchhof genommen. Das Dorf und die Batterie waren bereits verloren. Die Stellung des Feindes war zu vorteilhaft, um ihn daraus vertreiben zu können. Zudem fiel eine große Kavalleriemasse der Armee in den Rücken, und Retzow hatte Weißenberg aufgegeben. Unter solchen Umständen war die Stellung nicht länger zu halten, und es blieb nichts übrig als der Rückzug. Zuerst ging die Kavallerie von den Höhen in die Ebene hinab, um den Marsch der Infanterie zu decken. Dann schlug der rechte Infanterieflügel den Weg nach Doberschütz ein, wo das Lager abgesteckt wurde. Das Retzowsche Korps bildete die Arrieregarde. Mehrmals griff die österreichische Kavallerie die preußische an, wurde aber von Seydlitz und dem Prinzen von Württemberg kräftig zurückgeworfen. Das Lager, das die Armee nahe bei Bautzen bezog, war gut, von einem doppelten sumpfigen Graben umgeben und auf Hügeln gelegen, die von keiner Seite beherrscht wurden. Am selben Tage kehrte Feldmarschall Daun in sein altes Lager zurück. Es schien garnicht, als hätte er den Sieg gewonnen.

Die Preußen verloren, wie schon erwähnt, Männer, deren Verlust wegen ihrer großen Verdienste tief zu beklagen war: Feldmarschall Keith, den Prinzen Franz von Braunschweig und Generalmajor von Geist. Fast alle Generale trugen Verletzungen oder Wunden davon, unter anderen der König, Markgraf Karl und viele andere, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Die Preußen verloren 3 000 Mann, größtenteils Infanterie, und von den vielen Gefangenen, die sie dem Feind abgenommen hatten, blieben ihnen nur ein General, namens Vitelleschi, und 700 Mann.

Während dieser Ereignisse in der Lausitz hielten de Ville und Harsch Neiße eng umschlossen145-1. Man erfuhr, daß ein Artillerietrain von 100 Kanonen und 40 Mörsern von Olmütz nach Schlesien abgegangen sei. Verknüpfte man diese Vorbereitungen mit dem Eindruck, den ein errungener Sieg auf die Österreicher machen mußte, so war leicht vorauszusehen, daß die Belagerung von Neiße die Folge davon sein würde. Die Festung war aber zu wichtig, als daß der König nicht alle erdenklichen Mittel zu ihrer Rettung angewandt hätte. Der Entsatz war indes nur möglich, wenn eine Armee nach Schlesien rückte. Die Schwierigkeit bestand darin, auf der einen Seite nichts zu verlieren, während man auf der anderen Seite die Dinge wieder ins Gleichgewicht brachte. Doch auf die Nachricht, die Russen hätten Stargard geräumt und zögen über Reetz und Kallies nach Polen ab, entschloß sich der König endlich zu folgenden Maßnahmen. Er zog Prinz Heinrich, seinen Bruder, mit 10 Bataillonen und Geschütz<146> an sich, um den Verlust der Kanonen bei Hochkirch zu decken. Dohna erhielt Befehl, nach Sachsen zu rücken und in Pommern nur ein Korps unter Platen zum Entsatz von Kolberg zurückzulassen, das Palmenbach mit 15 000 Russen belagerte. Dohna sollte auf Torgau marschieren, um von da sich hinwenden zu können, wo seine Hilfe am nötigsten war. Finck übernahm das Kommando über den Rest der Truppen des Prinzen Heinrich, der im Lager von Gamig stand.

Während diese Befehle abgingen, rückte Feldmarschall Daun vor und lagerte sich dicht bei der Armee des Königs (17. Oktober). Ein Detachement deckte seine Flanke bei Buchwalde. Sein rechter Flügel lehnte sich an Cannewitz. Von da zog sich die Frontlinie über Belgern, Wurschen und Drehsa in offenem Halbkreis bis nach Kubschütz und Strehla. Die Reserve hielt die Stellung von Hochkirch besetzt. So furchtgebietend auch der Anblick dieser Truppenmacht war, so hatten doch die Preußen nur wenig zu besorgen, da die Österreicher sich in ihrer Stellung sofort bis an die Zähne verschanzten.

Auf zweierlei war das Hauptaugenmerk zu richten: Es galt Bautzen zu halten, wo sich die Lebensmittel und die Feldbäckerei befanden, und zweitens durfte man nicht dulden, daß die Mühle von Malschwitz, die auf einer Anhöhe lag, vom Feinde besetzt wurde. Bautzen sicherte der König gegen österreichische Anschläge durch ein Detachement, das er zwischen die Stadt und seinen rechten Flügel stellte. In die Mühle jedoch, die auf seiner äußersten Linken lag, legte er nur eine Husarenvedette, damit der Feind nicht selbst auf den Gedanken kam, wie wichtig der Posten für die Preußen war.

Der Grund, so zu verfahren, war dieser. Die Mühle lag eine Viertelmeile vom linken Flügel entfernt. Blieb die Armee also in ihrer Stellung, so konnte man die Mühle der Entfernung wegen nicht behaupten. Ihre Wichtigkeit bestand aber darin, daß der König Görlitz auf dem geplanten Marsche nicht vor dem Feldmarschall Daun erreichen konnte, wenn seine Kolonnen nicht am Fuße der Mühle vorbeimarschierten. Wurde sie also vom Feinde besetzt, so mußte der König hinter dem Lager über die Spree gehen und sie weiter flußabwärts wieder überschreiten, wodurch ein Umweg von zwei Meilen für die Truppen entstanden wäre.

Feldmarschall Daun vermutete seinerseits, der König würde auf die Meldung von der Belagerung Neißes kein anderes Mittel finden, nach Schlesien zu kommen, als ihn anzugreifen. Darum hatte er die Stellung bei Cannewitz und Burschen besetzt und sich darin verschanzt. Dieser Zusammenhang ging auch aus einem Briefe hervor, den Daun an Harsch schrieb. Es hieß darin: „Laßt die Belagerung ruhig weitergehen. Ich halte den König fest. Er ist von Schlesien abgeschnitten, und sollte er mich angreifen, so stehe ich Euch für den Erfolg.“ Es kam aber ganz anders, als der Feldmarschall sich einbildete.

Prinz Heinrich brach mit seinem Detachement von Gamig auf und erreichte über Kloster Marienstern am 21. die Armee des Königs, ohne unterwegs auf den Feind zu stoßen. Alle Vorbereitungen zum Marsche wurden indes erst am 24. fertig. Noch am<147> selben Abend setzte sich die Armee in Bewegung. Die Besatzung von Bautzen diente zur Deckung des Armeeproviants. Sie war schon in der vorhergehenden Nacht aufgebrochen und rückte über Commerau, Neudorf, Droben und Colmen. Die Armee marschierte in zwei Kolonnen. Auf dem Windmühlenberg wurde die Arrieregarde formiert. Dann zog das Gros über Leichnam und Jeschütz mit völliger Umgehung des rechten feindlichen Flügels nach Weickersdorf und weiter nach Ullersdorf, wo es ein Lager bezog. Möhring, der die Vorhut der Bagage führte, überraschte bei Ullersdorf 300 österreichische Reiter, von denen nur wenige entkamen. Die Kolonne des Königs stieß nahe bei Weickersdorf auf ein Pandurenbataillon, das auf keinen Feind gefaßt war und völlig aufgerieben wurde.

Am folgenden Tage, dem 26. Oktober, zog die Armee noch vor Tagesanbruch weiter, um Görlitz vor dem Feldmarschall Daun zu erreichen. Die Avantgarde, Husaren und Dragoner, langte zuerst an. Sie stieß sofort auf ein Kavalleriekorps, das hinter einem Defilee bei Rauschwalde stand. In dieser vorteilhaften Stellung war es unangreifbar. Man suchte es durch leichte Scharmützel in einen Kampf zu verwickeln, doch vergeblich! Durch einen Überläufer erfuhr man schließlich, daß es Karabiniers und Grenadiere zu Pferde unter einem spanischen General Ayasasa wären. Auf die Nachricht hin beschloß man, den General durch Verletzung des spanischen Hochmuts so zu reizen, daß er das Defilee passierte und sich schlagen ließ. Zu dem Zweck drehten die Husaren sich um und zeigten ihm einen Körperteil, den man anständigerweise zu verbergen pflegt. Kaum hatten ihm einige Husaren diesen Anblick geboten, so hielt der General nicht länger an sich. Er stürzte wütend durch das Defilee und warf sich auf seine Beleidiger. Sofort griffen ihn die Dragoner an und warfen seine Leute in das Defilee zurück, das er so unklug passiert hatte. Dabei verlor er 800 Mann an Gefangenen und rettete sich unter den Schutz der Landeskrone, wo der Markgraf von Durlach mit der Reserve soeben angelangt war. Zugleich traf die Infanterie der preußischen Avantgarde ein. Mit ihrer Hilfe nahm man Görlitz, das sich ohne viel Schwierigkeiten ergab. Die Armee des Königs benutzte die Stadt nun als Stützpunkt für ihren linken Flügel, während der rechte bis Girbigsdorf und Ebersbach vorgeschoben wurde. Die linke Flanke war durch einen morastigen Bachgrund gedeckt, dessen Rand vor der preußischen Stellung steil abfiel. Am Nachmittag trafen die Österreicher ein. Feldmarschall Daun dehnte seine Armee hinter der Landeskrone von Ossig bis Markersdorf aus.

Der König mußte einige Tage in seinem Lager verweilen, um Vorkehrungen für den Proviant zu treffen. So kam es, daß die Armee sich nicht vor dem 30. in Marsch setzen konnte. Noch in derselben Nacht brachen die Truppen das Lager ab, um den Übergang über die Lausitzer Neiße beendet zu haben, bevor der Feind Meldung davon erhielt. In einem Hinterhalt des Schönberger Waldes stieß man auf Laudon. Die Preußen legten den Marsch mühelos zurück, da Proviant und Bagage über Naumburg am Queis gegangen waren. Die Nachhut wurde jedoch bei Schönberg ange<148>griffen, und ihr ganzer Marsch war eine beständige Schlacht. Laudons Mut war geschwollen durch eine Verstärkung von 12 000 Mann, die ihm Feldmarschall Daun geschickt hatte. Prinz Heinrich aber, der die Nachhut befehligte, traf so richtige Anordnungen, unterstützte die Brigaden gegenseitig so gut und stellte andere so geschickt zur Aufnahme der zurückgehenden auf, daß schließlich nichts anderes als Zeit verloren ging. Allerdings wurden dabei Generalmajor Bülow148-1 und ungefähr 200 Mann verwundet. An Gefallenen aber hatte man, wenn es hochkam, nur 15 Mann. Nach dem Eintreffen in Lauban mußten Brücken über den Queis geschlagen werden, wobei man einen Tag verlor.

Am 1. November rückte die Armee in Schlesien ein. Vor allem wurde für gebührenden Empfang des Feindes durch die Arrieregarde gesorgt; denn er war stark genug, um diese Aufmerksamkeit zu verdienen. Die beiden Flügel des preußischen Lagers standen auf zwei Bergrücken, die gegen den Queis ausliefen. Je mehr man sich Lauban näherte, um so mehr beherrschten diese Anhöhen das Lager. Auf jeder von ihnen wurde eine besondere Arrieregarde formiert. Der König befand sich auf der Anhöhe des rechten Flügels, Markgraf Karl auf der des linken. In den Mittelgrund zwischen beiden Infanteriekorps waren Husaren gestellt, um sie nach Bedarf zu verwenden. Hinter den vordersten Korps besetzten Infanterie- und Artilleriebrigaden staffelförmig die beherrschenden Höhen, damit jede Abteilung sich unter dem Schutze der anderen zurückziehen konnte. Bei der ersten Rückzugsbewegung der preußischen Truppen eilte Laudon kampflustig herbei, um die Arrieregarde anzugreifen. Um ein Haar hätten ihn die preußischen Husaren gefangen genommen. Er wollte die erste vom König geräumte Stellung besetzen und zog bereits seine Artillerie vor, aber das wohlgezielte Feuer der preußischen Batterien brachte seine Geschütze zum Schweigen. Seine Infanterie geriet in Unordnung und ergriff die Flucht. Dreimal versuchte er das Manöver zu wiederholen, aber umsonst; denn ein gleich wohlgezieltes Feuer bereitete ihm das gleiche Schicksal. Schließlich griffen ihn die Puttkamerschen Husaren aus einem Hinterhalt im Wald an und verdarben ihm für diesen Tag die Lust, den Marsch der Preußen noch weiter zu belästigen. Prinz Heinrich, der am andern Queisufer stand, nahm die Arrieregarde auf. Dann trennte sich der König von seinem Bruder. Er selbst marschierte über Löwenberg, Pombsen, Jauernick und Girlachsdorf nach Groß-Nossen. Prinz Heinrich ging nach Landeshut, wo er Fouqué ablöste, der auf dem Wege nach Neiße zum König stieß.

Seit dem 20. Oktober wurde Neiße vom Feldzeugmeister Harsch belagert. Sein Angriff richtete sich gegen das Fort Preußen von Heidersdorf her. Die schon vollendete zweite Parallele befand sich 30 Ruten vom gedeckten Wege, und alle Batterien waren eingebaut. Obwohl Feldmarschall Daun dem Feldzeugmeister über Silberberg Hilfe geschickt hatte, hob dieser auf das Gerücht vom Anmarsch des Königs<149> die Belagerung auf149-1. Tresckow, der Kommandant von Neiße, benutzte den Augenblick zu einem Ausfall, bei dem der Feind 800 Mann verlor. Harsch und de Ville zogen sich eiligst zurück. Sie gingen über die Neiße, dann über Ziegenhals nach Jägerndorf, unter Zurücklassung bedeutender Munitionsvorräte, zu deren Fortschaffung man ihnen nicht mehr Zeit ließ. Fouqué folgte dem Feinde nach Oberschlesien und nahm Stellung bei Neustadt, wo er ihn am besten beobachten konnte.

Kaum waren die Truppen in der Nähe von Neiße angekommen, so rüstete sich der König zu einem neuen Zuge. Nachdem die Preußen die Lausitz geräumt hatten, war Feldmarschall Daun am 4. November nach der Elbe vorgerückt, hatte sie am 7. bei Lohmen überschritten und bei Pirna ein Lager bezogen. Finck, der nach dem Abmarsch des Prinzen Heinrich in Gamig geblieben war, konnte die Stellung gegen eine so starke feindliche Übermacht nicht halten. Er zog sich auf den Windberg und von da nach Kesselsdorf zurück, während Feldmarschall Daun die Reichstruppen nach Eilenburg, Torgau und Leipzig detachierte. Von dorther war Dohna im Anmarsch.

Wie schon erwähnt, waren die Russen nach Polen abgezogen, mit Ausnahme von Palmenbach, der mit einigen tausend Mann die Belagerung von Kolberg begonnen hatte. Der russische General hatte die Arbeiten mit Macht betrieben. Am 26. und 27. Oktober versuchte er verschiedene Angriffe auf den gedeckten Weg der Festung, wurde aber jedesmal kräftig zurückgeschlagen. Für den 29. bereitete er einen neuen Sturm vor. Selbst für Boote hatten die Russen gesorgt, um über den Festungsgraben zu setzen und den Platz im Sturm zu nehmen. Dohna hatte Platen zum Entsatz von Kolberg geschickt. Er schlug bei Greifenberg ein dortstehendes russisches Beobachtungskorps149-2 und rückte bis Treptow vor. Sein Erscheinen nahm Palmenbach die Lust an Stürmen und Belagerungen. Er zog über Köslin und Bublitz nach Polen zurück. Die Laufgräben waren am 3. eröffnet worden. Am 29. Oktober wurde die Festung entsetzt. Der Kommandant, Major Heyde149-3, zeichnete sich während der Belagerung durch seine geschickten Anordnungen, seine Wachsamkeit und Standhaftigkeit aus.

Nun zog Dohna Wedell an sich, der gegen die Schweden gefochten hatte. Er hatte sie bei Fehrbellin geschlagen149-4 und durch Ruppin bis über Prenzlau zurückgedrängt, dann das ganze Hessensteinsche Detachement in der Arnimschen Herrschaft aufgehoben149-5 — kurz, er war überall siegreich gewesen. Nun löste Manteuffel ihn mit geringerer Truppenanzahl ab, und auf dem Marsche nach Sachsen führte Wedell die Avantgarde Dohnas.

Genau zur selben Zeit, wo Hadik bei Torgau eintraf, erschien auch die preußische Avantgarde dort (12. November). Hadik zog sich durch den Wald nach Eilenburg zurück, und Wedell folgte ihm auf den Fersen. Da die Elsterbrücken abgebrochen<150> waren, ging die preußische Kavallerie durch eine Furt über den Fluß und traf so rechtzeitig auf den Feind, daß Hadik 200 Mann und drei Kanonen verlor150-1. Dohna folgte Wedell von Eilenburg aus und rückte auf Leipzig vor, das die Reichstruppen umzingelt hatten. Durch Hadiks Schlappe eingeschüchtert, wartete der Prinz von Zweibrücken den Anmarsch der Preußen nicht ab, sondern hob die Belagerung auf und zog sich eilig nach Kolditz zurück. Von da rückte er nach Plauen und ins Reich ab, um bei Hof und Bayreuth Winterquartiere zu beziehen.

Während der Prinz von Zweibrücken und Hadik ins Reich flohen, rückte Feldmarschall Daun auf Dresden150-2. Da das preußische Korps bei Kesselsdorf gar zu exponiert stand, ging es über die Elbe und lagerte vor der Dresdener Neustadt zwischen dem Fischhaus und den Scheunen. Als Schmettau, der Kommandant von Dresden, merkte, daß die Österreicher die Pirnaer Vorstadt besetzen wollten, ließ er sie in Brand setzen (10. November). Feldmarschall Daun schonte den jungen Hof, der sich in Dresden befand; sonst wäre er wohl unternehmender gewesen. Indes waren auch die Stadtgräben in gutem Zustand. Der König hatte Schlesien verlassen. Seine Avantgarde stand bei Weißenberg150-3, sodaß der Kommandant mit voller Sicherheit Hilfe abwarten konnte. Durch die Rückkehr des Königs wurden Dauns Pläne vollends über den Haufen geworfen. Dohna hatte die Reichstruppen abgefertigt, die Jahreszeit war vorgerückt, und die Armee des Königs konnte in drei Märschen in Dresden sein. Alle diese Erwägungen bestimmten den Feldmarschall zum Rückzuge. Am 16. brach er von Gruna und Leubnitz auf und zog sich nach Böhmen zurück, wo er seine Truppen in die Winterquartiere legte.

Auf die Nachricht von seinem Abzug erhielt Markgraf Karl, der mit dem Gros der Armee bei Görlitz stand, Befehl, die Truppen nach Schlesien zurückzuführen. Der König, der sich bei Weißenberg befand, eilte nach Dresden, wo er die Anordnungen für die Winterquartiere traf. Dohna kehrte nach Pommern und Mecklenburg zurück. Hülsen besetzte Freiberg an der böhmischen Grenze. Itzenplitz befehligte in Zwickau, und in Schlesien wurde die Kette der Winterquartiere längs der böhmischen Grenze von Greiffenberg bis Glatz gezogen. Fouqué schließlich besetzte Jägerndorf, Leobschütz, Neustadt und Umgegend.

Nur kurz haben wir den Feldzug gegen die Schweden erwähnt, denen nur Detachements der Stettiner Besatzung entgegengetreten waren, bis der König Wedell aus dem Lager von Rammenau in der Lausitz nach Pommern schickte150-4. Die Heldentaten der Schweden bestanden darin, daß sie ins flache Land vordrangen, wo sie keinen Widerstand fanden. Ein schwaches Detachement warf sie wieder in die Defensive zurück. Weit entfernt, Eroberungen gemacht zu haben, waren sie nur allzu froh, daß man sie den Winter über in der Gegend von Stralsund kantonnieren ließ.

<151>

Ebenso haben wir mit Stillschweigen übergangen, daß Prinz Heinrich zu Beginn des Frühlings einige Detachements nach Bayreuth und Bamberg schickte. Driesen und Mayr wurden mit diesen kleinen Unternehmungen betraut, die den Zweck hatten, die Operationen der Reichsarmee zu verzögern und die deutschen Fürsten, die sich gegen den König erklärt hatten, zu schrecken.

Betrachtet man den Feldzug im ganzen, so muß die Menge der aufgehobenen Belagerungen auffallen. Nur zwei Plätze wurden genommen: Schweidnitz von den Preußen und der Sonnenstein von den Reichstruppen. Dagegen hob der König die Belagerung von Olmütz auf, die Russen die von Küstrin und Kolberg, die Österreicher die von Neiße und Dresden und die Reichsarmee die von Torgau und Leipzig.

Nach Beendigung des langen und ermüdenden Feldzuges ließ der König die Festungswerke des Sonnensteins schleifen, kehrte dann nach Schlesien zurück und errichtete sein Hauptquartier in Breslau.

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9. Kapitel

Der Winter von 1758 auf 1759.

Die preußische Königsfamilie verlor im Laufe des Jahres zwei erlauchte Persönlichkeiten: zunächst den Prinzen von Preußen, der seit einiger Zeit dahinsiechte und Anfang Juni152-1, gerade als die Preußen Olmütz belagerten, von einem Stickfluß dahingerafft ward. Man betrauerte ihn wegen seines guten Herzens und seiner Kenntnisse. Wäre er auf den Thron gelangt, so wäre seine Regierung milde und glücklich verlaufen.

Ferner starb die Markgräfin von Bayreuth, eine Fürstin von seltenen Eigenschaften. Sie besaß einen feingebildeten Geist, ausgebreitete Kenntnisse, Begabung zu allem und hervorragenden Kunstsinn. Aber diese glücklichen Anlagen bildeten nur den kleinsten Teil dessen, was man zu ihrem Lobe sagen kann. Ihre Herzensgüte, ihre Neigung zu Großmut und Wohltätigkeit, ihre edle und hohe Seele und ihr sanfter Charakter fügten zu den leuchtenden Vorzügen ihres Geistes einen Schatz echter, sich niemals verleugnender Tugenden. Oft hatte sie die Undankbarkeit derer erfahren, die sie mit Wohltaten und Gunstbezeugungen überhäufte. Sie dagegen hatte es nie gegen jemanden fehlen lassen. Die zärtlichste, die festeste Freundschaft verband den König mit seiner würdigen Schwester. Ihre Bande hatten sich schon in zarter Kindheit geknüpft. Gleiche Erziehung und gleiche Anschauungen hatten sie gefestigt. Eine Treue, die jeder Probe standhielt, machte sie unauflöslich. Die Fürstin war von zarter Gesundheit und nahm sich die Gefahren, die ihrer Familie drohten, so zu Herzen, daß der Kummer ihre Gesundheit völlig zerrüttete. Bald trat ihr Leiden zutage. Die Ärzte erkannten es als ausgesprochene Wassersucht und vermochten sie nicht zu retten. Sie starb am 14. Oktober, mit einem Mut und einer Seelenstärke, die des unerschrockensten Philosophen würdig waren. Am selben Tage wurde der König bei Hochkirch von den Österreichern geschlagen. Angesichts zweier so schwerer Schicksalsschläge hätten die Römer diesen Tag gewiß für einen Unglückstag gehalten. In unserem aufgeklärten Jahrhundert ist man wenigstens von dem einfältigen Aberglauben abgekommen, gewisse Tage für glück- oder unglückbringend zu halten. Das<153> Menschenleben hängt nur an einem Haar, und den Ausschlag für den Gewinn oder den Verlust einer Schlacht gibt oft nur eine erbärmliche Nichtigkeit. Unser Schicksal entsteht aus der Verkettung unberechenbarer Ursachen. In der Fülle von Ereignissen, die sie herbeiführen, müssen also notgedrungen die einen glücklich, die anderen verhängnisvoll sein.

Im selben Jahre endete das Pontifikat des Papstes Benedikt XIV.153-1, des am wenigsten abergläubischen, aufgeklärtesten Papstes, der seit lange auf dem römischen Stuhle gesessen hat. Die französische, spanische und österreichische Partei gab ihm zum Nachfolger den Venezianer Rezzonico, der den Namen Klemens XIII. annahm. Die geistige Verschiedenheit der beiden Päpste war auffallend. Klemens war vielleicht ein guter Priester, besaß aber keine jener Eigenschaften, die zur Beherrschung des Kirchenstaates und der römischen Weltkirche erforderlich sind. Schon seine ersten Schritte nach Besteigung des Papstthrones waren falsch. Er sandte dem Feldmarschall Daun einen geweihten Hut und einen geweihten Degen, weil er die Preußen bei Hochkirch geschlagen hatte153-2. Solche Geschenke pflegt der römische Hof sonst nur Feldherren zu geben, die über die Ungläubigen gesiegt oder wilde Völker gebändigt haben. Dieser aufsehenerregende Schritt mußte den Papst also notwendig mit dem König von Preußen entzweien, den er doch schonend hätte behandeln sollen, da viele preußische Untertanen katholisch waren.

Noch anstößiger waren die Händel, die Klemens XIII. mit dem König von Portugal wegen der Jesuiten bekam. Die Jesuiten in Paraguay hatten Krieg gegen die Spanier und Portugiesen geführt, ja sie geschlagen. Seit diesen Zwistigkeiten hielt es der König von Portugal für angezeigt, die Geheimnisse seines Gewissens und seiner Regierung den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu zu entziehen, die sich als Feindin seines Reiches gezeigt hatte. Er verabschiedete also den Jesuiten, der sein Beichtvater war, und nahm sich einen aus einem anderen religiösen Orden. Zur Rache für diese vielleicht folgenschwere Schmach — denn andere Herrscher konnten dem Beispiel des Königs sehr wohl folgen—spannen die Jesuiten Intrigen in Portugal und wiegelten alle Granden, auf die sie Einfluß hatten, gegen die Regierung auf. Der Pater Malagrida, noch zelotischer und von noch glühenderem Priesterhaß erfüllt als seine Ordensbrüder, zettelte sogar eine Verschwörung gegen die Person des Königs an, deren<154> Haupt der Herzog von Aveiro war. Bei einer Spazierfahrt des Königs legte Aveiro auf dem Wege, den die Karosse nehmen mußte, Verschworene in einen Hinterhalt. Durch den ersten Schuß wurde der Kutscher getötet. Der zweite traf den Arm des Königs154-1. Erst viel später kam die Verschwörung durch Briefe heraus, die die Rädelsführer nach Brasilien schrieben, um dort eine Empörung hervorzurufen. Nun wurde der Herzog von Aveiro nebst seinen Mitverschworenen verhaftet. Sie sagten übereinstimmend aus, die Jesuiten seien die Urheber von allem und hätten sie zu dem Attentat verleitet. Der König wollte die Anstifter des schändlichen Komplotts exemplarisch bestrafen. Seine gerechte Rache, auf die Gesetze gestützt, von den Richtern gebilligt, sollte sich gegen die Jesuiten entladen. Da übernahm der Papst ihre Verteidigung und trat offen gegen den König auf. Trotzdem wurden die Jesuiten aus dem Königreiche verbannt. Sie gingen nach Rom, wo sie nicht wie Rebellen und Verräter, sondern wie Märtyrer aufgenommen wurden, die heldenhaft für den Glauben gelitten hatten. Nur Belohnungen hätten noch gefehlt, um das Andenken dieses Papstes und seines Pontifikats bei der Nachwelt noch verhaßter zu machen. Nie zuvor hatte der römische Hof ein solches Ärgernis gegeben. Denn so lasterhaft auch die Päpste waren, die den Abscheu vergangener Jahrhunderte gebildet hatten, so war doch keiner von ihnen offen als Beschützer von Mord und Verbrechen aufgetreten.

Das unvernünftige Benehmen des Papstes schien den ganzen Klerus zu beeinflussen. Der dem Feldmarschall Daun übersandte geweihte Hut rief bei den geistlichen Fürsten Deutschlands die wunderlichsten Aufwallungen des Glaubenseifers hervor. Unter anderm erließ der Kurfürst von Köln154-2 in seinen Staaten ein Edikt, worin er seinen protestantischen Untertanen bei schwerer Strafe verbot, sich über die Siege der Preußen oder ihrer Verbündeten zu freuen. Der an sich belanglose Vorfall verdient doch Erwähnung; denn er kennzeichnet die abgeschmackten Sitten, die in einem Jahrhundert noch herrschten, in dem die Vernunft sonst so große Fortschritte gemacht hat. Aber diese Farcen an den kleinen Höfen zogen sich doch nur das Lachen oder Zischen der Öffentlichkeit zu, während die Leidenschaften, die die großen europäischen Höfe aufwühlten, verhängnisvollere und tragischere Szenen hervorriefen.

Wir sahen bereits, daß der Abbé Bernis vor kurzem Minister des Auswärtigen in Versailles und bald daraus Kardinal geworden war, weil er den Vertrag mit Wien unterzeichnet hatte154-3. So lange es galt, sein Glück zu machen, war ihm jeder Weg recht. Sobald er aber seine Stellung gefestigt sah, suchte er sich durch weniger wandelbare Vorsätze zu behaupten und dem dauernden Staatsinteresse mehr Rechnung zu tragen. Jetzt neigte er zum Frieden, teils um einen Krieg zu beendigen, von dem er<155> nur Nachteil voraussah, teils um Frankreich von einem widersinnigen und erzwungenen Bündnis zu befreien, dessen Last es allein trug, während das Haus Österreich allen Gewinn und Vorteil daraus ziehen sollte. Auf geheimen und verstohlenen Wegen knüpfte er Friedensunterhandlungen mit England an. Aber die Marquise von Pompadour war anderer Meinung, und so sah er sich in seinen Maßnahmen sofort gehindert. Seine unklugen Handlungen hatten ihn erhöht, seine verständigen Absichten stürzten ihn. Weil er das Wort Frieden ausgesprochen hatte, fiel er in Ungnade und wurde nach dem Bistum Aire155-1 verbannt (13. Dezember). Choiseul155-2, ein geborener Lothringer, französischer Botschafter am Wiener Hof und Sohn Stainvilles, des Kaiserlichen Botschafters in Paris, übernahm das Ministerium des Äußeren an Stelle des in Ungnade gefallenen Kardinals (9. Oktober). Er führte sich durch einen neuen Allianzvertrag mit dem Wiener Hofe155-3 ein, der erkennen ließ, welches Übergewicht dieser in Versailles gewonnen hatte. Es sollte noch beständig zunehmen. Nicht zufrieden mit dem unvorteilhaften Vertrag, den Choiseul mit der Kaiserin-Königin geschlossen hatte, befahl er auch der Akademie der Inschriften im Namen des Königs, eine Denkmünze zur Verewigung dieses Ereignisses zu schlagen.

Dabei ließen es die beiden Höfe aber noch nicht bewenden. Sie boten gemeinsam ihren Einfluß in Petersburg auf, um den Haß der Kaiserin Elisabeth gegen den König von Preußen neu aufzustacheln. Sie stellten ihr vor, sie müsse die Scharte von Zorndorf wieder auswetzen und im kommenden Frühjahr eine viel stärkere Armee ins Feld stellen. Ihr Günstling Schuwalow wiederholte ihr unaufhörlich: um die Verachtung der Preußen gegen die Russen in Schrecken zu verwandeln, müsse die Kaiserin den Heerführern größere Tatkraft und blinde Fügsamkeit gegen die Anregungen und Wünsche der verbündeten Mächte anbefehlen. Alle diese Einflüsterungen führten schließlich zu dem vom Wiener Hofe erstrebten Ziele, seinen Verbündeten das Risiko des Krieges aufzubürden, sich aber allein den Vorteil vorzubehalten. Die Minister in Wien und Versailles glaubten das Bündnis mit der Kaiserin von Rußland noch unlöslicher zu knüpfen, indem sie ihr Ostpreußen als Beute zusicherten, die später dem riesigen Zarenreiche einverleibt werden sollte. Diesen Vorschlag nahm die Zarin gern an, und so wurde der Vertrag geschlossen und unterzeichnet155-4.

<156>

An all diesen Intrigen war der König von Polen beteiligt, nicht allein, um den Petersburger Hof gegen den Berliner Hof zu erbittern, sondern auch um aus der Freundschaft der Kaiserin Elisabeth Vorteile für seine Familie herauszuschlagen. So bat er sie um ihren Beistand für die Verleihung des Herzogtums Kurland an seinen dritten Sohn, Prinz Karl. Die Kaiserin, die den Sachsen gewogen war, willigte ein, und August III. belehnte seinen Sohn mit Kurland156-1. Der neue Herzog reiste nach Petersburg, um der Kaiserin für ihre Gunst zu danken, und mischte sich dort bei seinem unruhigen und hitzigen Charakter in alle Hofintrigen. Aber sein grobes Benehmen, sein hochfahrendes und geringschätziges Wesen entzweiten ihn bald mit dem Großfürsten und seiner Gemahlin. Er zog sich ihre Feindschaft und ihren Haß zu, der ihn in der Folge stürzen sollte.

Während die Kaiserin von Rußland Herzogtümer vergab und sich Königreiche aneignete, war sie selber nicht ohne Besorgnis. Fürchtete sie doch, die Engländer könnten — als Bundesgenossen der Preußen wie aus Groll über das Betragen der Russen gegen sie seit Beginn des Krieges — eine Flotte in die Ostsee schicken und den Hafen von Kronstadt in Brand schießen. Um solchen Unternehmungen vorzubeugen, brachten die russischen Minister einen Dreibund mit Schweden und Dänemark zustande, um fremden Flotten die Durchfahrt durch den Sund zu verwehren. Die Schweden kamen bei dieser Konvention auf ihre Rechnung, und die Dänen wurden durch die französischen Subsidien zum Beitritt bestimmt. So wurde der Vertrag zwischen den drei Mächten denn rasch abgeschlossen156-2.

England gab wenig auf die Maßnahmen der drei nordischen Mächte, die den britischen Geschwadern die Einfahrt in die Ostsee sperrten. England beherrschte den Ozean und alle anderen Meere. Was lag ihm an der Ostsee und am Sund! Die englischen Admirale Boscawen und Amherst hatten Kap Breton genommen156-3, und Keppel hatte die Insel Gorea an der afrikanischen Küste besetzt. Indien bot ihnen Gelegenheit zu Eroberungen, die Küsten von Dänemark, Schweden und Rußland aber keine.

Doch die großen Erfolge der Engländer nahmen dem König von Preußen nichts von der Last, die er trug, und schirmten seine Krone nicht vor Gefahren. Umsonst<157> hatte er die Engländer um eine Flotte zum Schutz seiner baltischen Häfen gebeten, die durch die Rüstungen der russischen und schwedischen Flotte bedroht waren. Dies stolze und glückliche Volk, dem einzig die eigenen Handelsinteressen am Herzen lagen, sah auf seine Verbündeten wie auf Söldlinge herab. Was nicht mit dem Handel zusammenhing, ließ England kalt. So schenkte man dem Krieg in Deutschland und den preußischen Interessen nie die geringste Beachtung, weder im Parlament noch im Volke selbst. Alles, was nicht englisch war, wurde hochmütig verachtet. Ja, die Engländer waren so unzuverlässige Bundesgenossen, daß sie den Absichten des Königs selbst bei Verhandlungen im Wege standen, wo der Anstand ihren Beistand erheischt hätte. So bei dem Versuch in Konstantinopel, die Pforte zu einem Bündnis mit Preußen zu bestimmen157-1. Sicherlich hätte England dabei seinen Vorteil gefunden; denn eine türkische Diversion gegen Österreich hätte den Landkrieg auf allen Schauplätzen entscheidend beeinflußt. Preußen und England hätten dann die Oberhand über ihre Feinde gewonnen, und der Krieg wäre schnell beendigt gewesen. Trotzdem wurden die Verhandlungen des preußischen Gesandten Rexin beständig von Porter, dem Gesandten Großbritanniens, durchkreuzt. Überdies war der neue Türkenkaiser157-2 ungebildet und unwissend in den Staatsgeschäften, dazu äußerst furchtsam, teils weil er Angst hatte, entthront zu werden, teils weil er in einem Kriege mit Österreich den kürzeren zu ziehen besorgte. Trotz der riesigen Summen, die dem türkischen Hofe zuflossen, trotz aller möglichen Arten von Bestechung rückten die Verhandlungen keinen Schritt weiter; denn die Franzosen und Österreicher streuten mit derselben Verschwendung Geld und Geschenke aus, und die Türken kamen besser auf ihre Rechnung, wenn sie sich für ihr Nichtstun als für Taten bezahlen ließen.

Die Vergeblichkeit aller Bemühungen bei der Pforte überzeugte den König mehr und mehr, daß er nichts von fremder Hilfe zu erwarten habe, sondern ganz auf sich selbst gestellt sei. So richtete er denn sein Augenmerk allein auf seine Armee, hob soviel Mannschaft wie möglich aus, beschaffte Waffen und Pferde und versah die Truppen mit Proviant, um der Menge seiner Feinde im nächsten Feldzuge mit einem schlagfertigen und starken Heere entgegenzutreten.

<158><159>

Anhang

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1. Denkschrift über die gegenwärtige politische Lage Deutschlands161-1
(Ende Juni 1756)

Die Unterzeichnung des Neutralitätsvertrages zwischen Preußen und England161-2 bildet einen Wendepunkt in der bisherigen Gruppierung der europäischen Mächte. Die Ereignisse, die man voraussieht, sind lediglich die Folgen des verschiedenen Eindrucks, den dieser Vertrag auf die europäischen Höfe gemacht hat. Frankreich rechnete darauf, daß jeder aus Versailles ergehende Befehl von Preußen blindlings befolgt würde. Das Ministerium fand es höchst strafwürdig, daß Preußen nicht — Frankreichs Antrieben gehorsam — unverzüglich mit Feuer und Schwert gegen das Kurfürstentum Hannover vorgegangen ist161-3. Es war Herrn Rouillé nicht beizubringen, daß das Bündnis zwischen Preußen und Frankreich ablief, daß der Anlaß zum gegenwärtigen Kriege in jenem Vertrage ausdrücklich als Casus foederis ausgeschlossen war und daß sich beim besten Willen keine Silbe darin finden läßt, die auf ein Offensivbündnis deutet, daß also der Neutralitätsvertrag, über den Frankreich so verletzt scheint, nur ein Mittel mehr ist, um Europa vor einem Kriege zu bewahren, der im Grunde bloß die französischen und englischen Interessen in Amerika berührt. Die Versalller Minister ließen sich im ersten Augenblick vom Zorn völlig hinreißen und gaben zu erkennen, wie gerechtfertigt ihr Groll über den angeblichen Ungehorsam Preußens gegen ihre Befehle sei. Später zogen sie mildere Saiten auf, um zu imponieren, aber die Heftigkeit ihrer ersten Zorneswallung hatte sie allzusehr verraten.

Der Wiener Hof erhielt Kunde von den Verhandlungen zwischen Preußen und England. Mit Verdruß sah er sich in seinen Hoffnungen getäuscht. Hatte er doch sicher<162> darauf gerechnet, daß Preußen Hannover angreifen werde und daß er dann mit Rußlands Hilfe Schlesien zurückerobern könne. Der Streich war ihm also mißlungen. Graf Kaunitz, der Leiter der österreichischen Politik, hatte seit der Zeit seiner Pariser Gesandtschaft den Plan eines Bündnisses zwischen Österreich und Frankreich gefaßt. Von langer Hand und mit Hilfe aller erdenklicher Schmeicheleien hatte er auf die Marquise von Pompadour eingewirkt, um sie dem Gedanken jenes Bündnisses geneigt zu machen. Nun arbeitete er an der Beschleunigung seines Vorhabens. Da ihm aber der Abschluß des französischen Bündnisses noch nicht genügte und seine Pläne weitergingen, wollte er sich zunächst Rußlands versichern. Brachte er diesen Dreibund zustande, so glaubte er seiner Gebieterin ein entscheidendes Übergewicht in allen europäischen Fragen zu sichern. Er gewann Schuwalow und versprach Woronzow162-1 seine Unterstützung und die Erhebung auf den höchsten Posten. Sobald der Erfolg in Rußland den Erwartungen des Grafen Kaunitz entsprach, ging er an den Abschluß des Versailler Vertrages162-2, und Keith erhielt jene so wenig befriedigende und so lange erwartete Antwort162-3.

Dank diesem glücklichen Anfang schwoll dem Wiener Hofe der Mut. Er wollte seine vorteilhafte Lage ausnutzen und hielt die neuen Bündnisse für das Triumvirat des Augustus, Antonius und Lepidus. Nach dem Vorbild dieser Triumvirn ächtete man und opferte einander gekrönte Häupter Europas. Die Kaiserin überließ England und Holland der Rache Frankreichs, und der Versailler Hof opferte Preußen dem Ehrgeiz der Kaiserin. Diese nahm sich das Verhalten des Augustus zur Richtschnur, der die Macht seiner Amtsgenossen benutzt hat, um seine eigne Macht zu vergrößern und sie dann einen nach dem andern zu stürzen.

Der Wiener Hof verfolgt mit seinen gegenwärtigen Schritten drei Absichten zugleich. Er will seinen Despotismus in Deutschland aufrichten, die Protestanten unterdrücken und Schlesien zurückerobern. Den König von Preußen betrachtet er als das größte Hindernis seiner weitausschauenden Pläne. Ist ihm erst dessen Niederwerfung geglückt, so glaubt er, alles übrige werde dann von selbst in Erfüllung gehen. Aus seinen letzten Schritten am Kasseler Hofe162-4 und aus der Art, wie er die Protestanten in seinen Staaten, sowohl in Ungarn wie in Steiermark, behandelt162-5, haben wir erst kürzlich ersehen, daß die ihm zugeschriebenen Absichten nur zu wahr sind.

Gutem Vernehmen nach wird die Kaiserin, sobald sie den Krieg gegen Preußen eröffnet hat, die 24 000 Mann Hilfstruppen beanspruchen, die ihr im Versailler Ver<163>trage zugesichert sind. Wie man versichert, wird sie kaltblütig zusehen, wie diese Hilfstruppen — wenn sie können — ins Hannöversche eindringen, um es zu verwüsten. Ein Rest von Zurückhaltung hindert die Kaiserin noch, zum Sturz ihres Wohltäters selbst beizutragen, eines Fürsten, der sie gerettet hat, als sie ohne Hilfe dastand163-1, der ihr Geld und Truppen, ja seine eignen Interessen geopfert hat. Die Kaiserin glaubt sich dem König von England gegenüber quitt, wenn sie ihn allein den Franzosen preisgibt, ohne daß ihre eignen Truppen mitwirken. Sie begnügt sich damit, den König von Preußen in Schach zu halten, — den einzigen Bundesgenossen, der dem König von England bleibt —, um den letzteren jedes Beistandes zu berauben. Mit all diesen ehrgeizigen Absichten verbindet der Wiener Hof auch noch den Plan, den Erzherzog Joseph zum römischen König zu machen.

Rußland, das sich dem Meistbietenden verkauft und durch innere Spaltungen zerrissen ist, wird nach allem Anschein dem Rate des Wiener Hofes folgen. Nach aller Wahrscheinlichkeit wird Frankreich es übernehmen, ihm die Subsidien zu zahlen, die Rußland bisher von England bezog.

Das ist tatsächlich die gegenwärtige politische Lage Europas. Das Gleichgewicht ist verloren gegangen, sowohl unter den Großmächten wie im Deutschen Reiche. Das Übel ist schlimm, aber nicht ohne Abhilfe. Man bittet den König von England um ernstliche Erwägungen über die Mittel, die man zur Herstellung eines neuen Gleichgewichts in Deutschland wie in Europa für die geeignetsten hält.

Die Herbeiführung eines engen Bündnisses mit der Hohen Pforte würde, so glaubt man, einen tiefen Eindruck auf die Höfe von Wien und Petersburg machen. Man muß zwar gewärtig sein, daß die drei verbündeten Mächte ihre ganze Geschicklichkeit aufbieten, um diese Unterhandlung zu durchkreuzen, aber vor solchen Hindernissen darf man nicht zurückschrecken, und es liegt unzweifelhaft im eignen Interesse der Pforte, ein Gegenbündnis gegen die beiden Kaiserhöfe zu schließen, deren Einvernehmen ihr eines Tages verhängnisvoll werden muß.

Man hält es nicht für unmöglich, ein Bündnis mit dem König von Dänemark163-2 abzuschließen, namentlich zur Unterstützung der deutschen Protestanten. Offenbar muß auch Holland, wenn es seine wahren Interessen zu Rate zieht, angesichts seiner kritischen Lage schleunigst dem gleichen Bündnis beitreten. Was das Heilige Römische Reich betrifft, so dürfte es dem König von England, wenn er nur will, leicht gelingen, sich hier einen Anhang zu bilden und den ehrgeizigen Plänen des Wiener Hofes eine Schranke zu ziehen, wenn er nur in allen seinen Verträgen zur Bedingung macht, daß die deutschen Fürsten sich mit ihm ins Einvernehmen über alles setzen, was auf den Reichstag und die Reichsangelegenheiten Bezug hat.

Um die deutschen Fürsten namhaft zu machen, die für den Beitritt zu diesem Bündnis am geeignetsten erscheinen, so denkt man an den Kurfürsten von Köln163-3, den<164> Herzog von Braunschweig, den Landgrafen von Hessen, den Herzog von Gotha164-1, den Markgrafen von Ansbach164-2, den Herzog von Mecklenburg164-3 usw.164-4

Großes Unheil droht Deutschland. Preußen steht dicht vor dem Ausbruch des Krieges, aber alle diese schlimmen Umstände entmutigen es nicht. Drei Dinge können das europäische Gleichgewicht wiederherstellen: die enge und innige Verbindung zwischen den beiden Höfen von Berlin und London, fleißiges Bemühen, neue Bündnisse zu schließen und die Absichten der feindlichen Mächte zu durchkreuzen, und Wagemut im Angesicht auch der größten Gefahren.

<165>

2. Entwürfe zu den Kriegsmanifesten

I
Entwurf eines Manifestes gegen Österreich165-1
(Juli 1756)

Seit dem Ausbruch der Zwistigkeiten in Amerika zwischen Frankreich und England165-2 droht Europa, insbesondere Deutschland, ein Krieg mit all dem Elend, das er nach sich zieht. Der König von Preußen hat als einer der vornehmsten Reichsfürsten keine Mühe gescheut, den Sturm zu beschwören. Namentlich in der Absicht, Deutschland vor den Plagen eines Krieges zu behüten, hat Seine Majestät einen Neutralitätsvertrag mit dem König von England geschlossen165-3. Es war anzunehmen, daß der Kaiser als Reichsoberhaupt zu einem für das gemeinsame Vaterland so heilsamen Zweck beitragen müßte. Jedoch ergriff der Wiener Hof aus weiterhin zu erörternden Gründen ganz andre Maßregeln. Er schloß ein Defensivbündnis mit dem französischen Hofe165-4, und da er hierdurch Flandern und Italien gesichert wußte, glaubte er den König von Preußen angreifen zu können, wider Treu und Glauben der Verträge und trotz der feierlichen Versprechungen und Garantien für Schlesien, die dem König im Frieden von Aachen gegeben worden. Auch damit noch nicht zufrieden, hat der Wiener Hof seit dem Aachener Frieden nicht aufgehört, Rußland gegen Preußen aufzustacheln. Er war es, der die Abberufung der Gesandten veranlaßt165-5. Er verstand es, beide Höfe durch unwürdige Täuschungen völlig zu entzweien, wiewohl es im Grunde keine Streitfragen zwischen ihnen gibt. Er war es, der die Kaiserin von Rußland zu fortwährenden kriegerischen Demonstrationen an der preußischen Grenze<166> veranlaßte, in der Hoffnung, der Zufall würde eine Gelegenheit zum offenen Bruch zwischen beiden Mächten herbeiführen.

Soviel von seinen geheimen Machenschaften. Was die Vorgänge im Angesicht der ganzen Welt betrifft, so ist durch den Breslauer Frieden festgesetzt, daß beide Kontrahenten ihre gegenseitigen Handelsbeziehungen auf dem Fuße von 1739 belassen und künftig versuchen sollen, die Interessen ihrer Staaten durch eine von beiden Höfen eingesetzte Kommission zu regeln. Ein andrer Artikel bestimmte, daß beide Mächte die auf Schlesien ruhenden Schulden nach Maßgabe ihres beiderseitigen Besitzanteils tilgen sollen. Beides mußte gleichzeitig geregelt werden. Aber der Wiener Hof hat unter Nichtachtung der Verträge auf alle schlesischen Erzeugnisse einen Zoll von 30 Prozent gelegt. Obwohl mehrere preußische Kommissare während ihres Aufenthalts in Wien Vorstellungen erhoben, hat der Wiener Hof jede Art von gütlicher Schlichtung ausgeschlagen, ja kurz nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages den Zoll auf alle schlesischen Waren auf 60 Prozent erhöht.

Diese Tatsachen werden hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, damit jedermann über das Benehmen des Wiener Hofes Bescheid weiß. Alle Mächte, die mit dem Wiener Hof über Interessenfragen zu verhandeln hatten, werden in solchen Zügen dessen gewohntes Verfahren erkennen. Jetzt, wo der Wiener Hof sich mit einer der Mächte verbündet hat, die den Westfälischen Frieden garantiert haben, glaubt er, er könne ungestraft alle Reichsgesetze übertreten, die evangelische Freiheit unterdrücken, seinen Despotismus in Deutschland aufrichten, die souveränen Fürsten zu Vasallen im Stil böhmischer Grafen machen, kurz, den Plan ausführen, den Kaiser Ferdinand II. verwirklicht hätte, wäre nicht ein Herzog von Richelieu und ein König Gustav Adolf von Schweden gewesen.

Das Wiener Ministerium glaubt, wenn es erst den König von Preußen gedemütigt habe, werde das übrige ihm leicht fallen. Demzufolge hat es sich zur Ausführung seines Vorhabens gerüstet. Seit dem Frühjahr haben starke Aushebungen stattgefunden; die Kavallerie hat Remonten erhalten. Im Mai wurde bestimmt, daß ein Lager von 60 000 Mann in Böhmen und eins von 40 000 Mann in Mähren errichtet werden sollte. Große Vorräte an Kriegsmunition sind in Prag und Olmütz angehäuft worden. Im Juni erfolgte ein Ausfuhrverbot für Getreide; die Kriegskommissare erhielten Befehl, sich über die Ankäufe mit dem Lande zu verständigen. Im Juli wurden Truppen aus Ungarn nach jenen Lagern geschickt. Das Kriegskommissariat hat bereits mit der Anlage von Magazinen an der sächsischen Grenze begonnen. Da große Heere zusammengezogen, Magazine errichtet und irreguläre Truppen aufgebracht werden, so ist es offenbar, daß dies nicht zur Bildung von Friedenslagern geschieht, wie es seit dem letzten Kriege Brauch ist, sondern zum Angriff auf den König von Preußen und, wenn möglich, zum plötzlichen Überfall. Der Angreifer ist aber nicht der, der den ersten Schuß tut, sondern der, der den Plan faßt, seinen Nachbarn anzugreifen, und dies offen durch seine drohende Haltung kundgibt.

<167>

Da der König sich also am Vorabend eines Angriffs von seiten der Kaiserin-Königin sieht, hielt er es im Interesse seiner Würde und Sicherheit für geboten, einem Feinde zuvorzukommen, der ihm und dem ganzen Deutschen Reiche den Untergang geschworen hat. Der König hält sich für berechtigt zum Gebrauch der Macht, die ihm der Himmel gegeben hat, um Gewalt der Gewalt entgegenzusetzen, die Anschläge seiner Feinde zu vereiteln und die Sache des Protestantismus und der deutschen Freiheit vor den Unterdrückungsgelüsten des Wiener Hofes zu schirmen.

II
Entwurf des Manifestes gegen Sachsen167-1
(Juli 1756)

Bei der Handlungsweise des Königs von Preußen vor und nach dem Dresdner Frieden lag es nahe, daß der König von Polen und Kurfürst von Sachsen jede Gelegenheit wahrnehmen würde, um mit Seiner Majestät in gutem Einverständnis zu leben. Um Seiner Majestät von Polen Beweise seiner Freundschaft zu geben, bot der König seinen ganzen Einfluß auf, um Frankreich der Heirat der Prinzessin von Sachsen mit dem Dauphin geneigt zu machen167-2. Indes trat genau das Gegenteil von dem ein, was man erwarten mußte. Ein Minister, der zu allem fähig ist, hat nicht nur die inneren Verhältnisse in Sachsen heillos verwirrt, sondern auch seinen Herrn sehr zur Unzeit mit einem Nachbar verfeindet, der ihn nach der Schlacht bei Kesselsdorf mehr geschont hatte, als es Preußens Vorteil erheischte. Ohne uns in zwecklosen Deklamationen zu ergehen, wollen wir lediglich die Tatsachen sprechen lassen.

<168>

Der Dresdner Hof erfuhr als einer der ersten von dem zu Petersburg geschlossenen Vertrage168-1. Am 19. Februar 1750 schreibt Graf Brühl an General Arnim, damaligen sächsischen Gesandten in Rußland, der König sei bereit, dem Petersburger Vertrage einschließlich der Geheimartikel beizutreten, wolle jedoch erst abwarten, bis der König von England als Kurfürst von Hannover ihm beigetreten sei und die beiden Kaiserrinnen sich darüber geeinigt hätten, welche Hilfe Sachsen im Notfalle zu erwarten habe und welcher Anteil an der Beute ihm zufallen werde. Schöne Ausdrücke, die der Schreiber gebraucht, und recht kennzeichnend für den Geist des sächsischen Hofes! In demselben Schreiben wird Herrn von Arnim eingeschärft, Rußlands Eifersucht und Mißtrauen gegen Preußens Macht geschickt zu nähren und alle Maßnahmen, die gegen die preußische Krone getroffen würden, zu billigen und zu loben. Ende 1752 — Auszug aus einem Schreiben — schärft Graf Brühl dem Gesandten ein, den Russen einzublasen, daß sie den Beschwerden der Polen über Kurland168-2 prompt abhelfen müßten, damit dies Herzogtum nicht einem unruhigen, ehrgeizigen Nachbarn zur Beute fiele. Man mußte den König fürwahr für sehr ausgehungert halten, um seine Begehrlichkeit auf Kurland auszudehnen!

Die Schreiben vom 6., 15. und 20. Februar 1754 enthalten nichts als Nachrichten des Grafen Brühl an die Petersburger Minister über die Maßnahmen, die der König in Preußen bezüglich des Handels, der Münze und der Heeresrüstungen traf, Maßregeln, die nach Brühls Worten dahin abzielten, den Handel von Danzig zu vernichten und sich jenes Gebiet anzueignen.

Es ist unnötig, hier alle Machenschaften aufzuführen, die Graf Brühl im Jahre 1753 in Rußland, in Wien, in Paris und London anläßlich der Frage der Steuerscheine168-3 anzettelte. Alle seine Lügen, Täuschungen und Verleumdungen gegen den König von Preußen sind so scheußlich, daß man seine Feder durch ihre Wiedergabe zu beschmutzen fürchtet. In seiner Mäßigung wollte der König seine Rechte und die Interessen seiner Untertanen der Ruhe Europas opfern. Er entsagte dem einzigen Vorteil, den er durch den Dresdner Frieden erlangt hatte, und ließ seine Rechtsansprüche auf Bezahlung fallen168-4.

Aber all die erwähnten schwarzen Taten reichen noch nicht an die schmähliche Verschwörung heran, die die Sachsen neben allen übrigen Intrigen, auch den österreichischen, in Rußland anzettelten. In der Sitzung des Petersburger Staatsrates vom 14. und 15. Mai168-5 1753 wurde als Grundlage der Politik der Plan aufgestellt,<169> den König von Preußen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit mit überlegenen Kräften zu zerschmettern, um ihn — so lautete der Ausdruck des Originals — auf seine ursprüngliche bescheidene Stellung herabzudrücken. Wir geben alle diese Kraftausdrücke ohne Abschwächung und ohne Veränderung ihrer vornehmen Fassung wieder. Die Schreiben des Grafen Brühl vom 16. Juli und 3. Dezember 1753, sowie vom 9. April 1754 enthalten nichts als hämische Unterstellungen über die angeblichen Absichten des Königs auf Polnisch-Preußen und Hinweise, wie nötig es für den russischen Hof sei, stets ein starkes Heer in Livland und Kurland zu halten. Im August169-1 fand wieder ein großer Staatsrat in Petersburg statt, ähnlich dem schon erwähnten. Dort wurde kraft der Allmacht, die der Himmel jenem Hof verliehen hatte, der König in Acht und Bann erklärt. Das russische Ministerium bittet das sächsische, zum Trost für die Untätigkeit, in der es verharrt, den Augenblick abzuwarten, wo der Ritter in den Sand geworfen sei, um ihm den Gnadenstoß zu geben. Darauf antwortete Brühl in einem Schreiben vom 11. November 1755 an Herrn Funcke169-2: „Die Beschlüsse dieser großen Staatsratssitzung sind für Rußland doppelt glorreich, da der gemeinsamen Sache nichts förderlicher sein kann, als die vorherige Festsetzung der wirksamen Mittel zur Vernichtung der übermäßigen Macht Preußens und des unzweifelhaften Ehrgeizes dieses Staates.“

Das Schreiben vom 23. November 1755 an denselben Gesandten lautet wörtlich, wie folgt: „Das Ergebnis der großen, in Petersburg abgehaltenen Staatsratssitzung hat uns sehr befriedigt. Die vertrauliche Mitteilung darüber, die Rußland an alle seine Verbündeten machen möge, wird zur Vereinbarung aller entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen führen. Man darf es Sachsen nicht verübeln, wenn es angesichts der Übermacht seines Nachbars mit äußerster Vorsicht zu Werke geht und vor allem abwartet, bis es seiner Alliierten und der Mittel zum Handeln sicher ist.“ Das heißt auf gut Deutsch: „Ich bin zu feige, mit meinem Gegner zu kämpfen, aber wenn er am Boden liegt, will ich ihn gern ermorden und meinen Teil an der Beute haben.“

Schließlich lautet das Schreiben vom 23. Juni 1756 an den Gesandtschaftssekretär in Petersburg169-3, wie folgt: „Die Aussöhnung zwischen den Höfen von Berlin und Petersburg wäre das Entsetzlichste, was geschehen könnte. Er (Brühl) hoffte, Rußland werde so hassenswerten Vorschlägen kein Ohr leihen, und der Wiener Hof werde Mittel und Wege zur Verhütung einer so verhängnisvollen Einigung finden.“

Seit der Bruch zwischen den Höfen von Berlin und Wien wahrscheinlich geworden ist, hat Graf Brühl vollends die Fassung verloren. Der König ließ fünf Regimenter nach Pommern marschieren169-4. Daraufhin zetern die Sachsen in Paris, in Wien und in Petersburg, Preußen mache so drohende Bewegungen an seinen Grenzen, daß man<170> ganz Europa zu den Waffen rufen müsse. Diese Bewegungen würden für Sachsen zur ernsten Gefahr. Die sächsischen Truppen werden an der böhmischen Grenze zusammengezogen, um zu den Österreichern zu stoßen.

Das Verhalten der Königin von Ungarn zwingt den König zum Bruche mit ihr. Welche Partei Sachsen ergreifen wird, ist nach den Vorgängen von 1744/45 nicht zweifelhaft. Jetzt aber, wo die Denkweise des Grafen Brühl zutage liegt und man sieht, daß in dem Tun und Lassen dieses Mannes, der seinen Herrn unbeschränkt beherrscht, nur Ränke, Lügen und Verruchtheit walten, bleibt dem König kein anderer weiser und sicherer Entschluß, als die sächsischen Truppen zu entwaffnen und sie für den weiteren Verlauf des Krieges unschädlich zu machen.

<171>

3. Unterredung des Königs mit dem Kabinettsminister Graf Podewils
(21. Juli 1756)

Podewils schreibt aus Berlin, 22. Juli 1756, über die Unterredung an den Kabinettssekretär Eichel171-1: Es ließen Se. Königl. Majestät mich kurz nach der gestrigen Mittagstafel, nachdem Sie den englischen Gesandten gesprochen, herein in Dero retraite berufen und geruheten mir zu sagen, wie zwar Dero aus denen gedruckten Zeitungen geschöpfte appréhensions von einer französischen Armee, so in Teutschland an der Maas oder dem Rhein durch den Prinz von Conty commandiret werden sollen, durch die Depeschen des Herrn von Knyphausen171-2 nicht confirmiret würden und Sie dahero davon noch zur Zeit nichts glauben könnten, so hätten Höchstdieselbe dennoch solche authentique Nachrichten171-3 erhalten, welche Sie vollenkommen au fait von dem gegen Dieselbe geschmiedeten Concert setzten und mehr als jemalen in der Idee, das Praevenire zu spielen, bestärketen. Nämlich, daß der wienersche Hof mit dem russischen eine Offensiv-Allianz gegen Dieselbe geschlossen und Höchstdieselbe NB künftiges Frühjahr unitis viribus attaquiren würden; ehe aber könnte weder der wienersche Hof mit seinen Praeparatorien fertig sein, noch der russische die ihm nötige Rekruten zu Completirung der Regimenter anschaffen; der französische hätte sich durch einen sekreten Articul bei dem Defensiv-Allianztraktat vom 1. Mai anni currentis171-4 engagiret, daß derselbe, wenn Schlesien attaquiret würde, davon sich nicht meliren und Sr. Königl. Majestät keine Assistenz leisten, sich auch in einen Krieg, so Oesterreich oder Rußland mit der Pforte haben könnte, gar nicht mischen wollte; und daß endlich in Petersburg vor Engelland alles auf einmal aus und solches von dem Bestushew rondement an Williams171-5 declariret worden wäre.

Ich habe darauf nichts anderes zu antworten gewußt, als daß ich billig supponiren müßte, daß diese Nachrichten authentique wären und nicht in fliegenden<172> Zeitungen, bloßen Soupçons und combinirten Conjuncturen bei der itzigen Krise bestünden.

Worauf Se. Königl. Majestät einigermaßen Feuer zu fassen schienen, als wenn ich zu incrédule wäre und nicht, was Höchstdieselbe mir mit gutem Fundament avancirten, Glauben beimessen wollte.

Ich nahm mir die Freiheit, nochmalen mit einer respectueusen franchise Sr. Königl. Majestät alle die Inconvenienzen und terriblen Suiten zu detailliren, welche daraus erwachsen könnten, wenn man diesseits im Aggressorium agiren und Frankreich und Rußland gleichsam au pied du mur poussiren wollte, ihre Garantie und Defensiv-Engagements, wenn beide auch sonst dieses Jahr es zu tun nicht Lust hätten, zu erfüllen, und in was vor einen terriblen embarras Se. Königl. Majestät zu gleicher Zeit ohne anitzo noch dringende Not gesetzet werden dürften, dreien so mächtigen Puissancen zugleich zu resistiren, anstatt das beneficium temporis, so von nun an bis künftige Operationssaison beinahe 10 Monate wäre, Ihro [Majestät] mehr Gelegenheit fourniren dürfte, inzwischen Ihre Partei inner- und außerhalb des Reichs zu verstärken; [daß] das beneficium temporis zu erwarten und vielleicht einige ouvertures zu Friedensnegociationen zwischen Frankreich und Engelland von neuem zu tentiren, auch inzwischen verschiedene Reichsstände in das hiesige und englische Interesse zu Fournirung von Truppen gegen Subsidien zu ziehen und unsere Partei unter denen Evangelischen in- und außerhalb des Reichs zu vergrößern, auch von allerhand Incidentpunkten und évènements zur Verbesserung unser itzigen mißlichen Situation zu profitiren sei, übrigens aber inzwischen in Preußen, Schlesien und sonsten ein formidables Corps Truppen parat gehalten würde, umb unseren Feinden zu zeigen, daß man bereit wäre, sie wohl zu empfangen und ihnen selbst zu begegnen.

Allein alles dieses wurde gänzlich verworfen, vor einen Effect von gar zu großer timidité gehalten und ich zuletzt ziemlich sèchement mit denen Worten congediiret: „Adieu, Monsieur de la timide politique!“

Ich habe inzwischen die consolation, daß ich zu zweien wiederholten Malen alles gesaget, was ein treuer und redlicher Diener zu thun schuldig, und zuletzt noch zuzufügen mir die Freiheit genommen:

„Die ersten Fortschritte und Erfolge würden ohne Zweifel brillant sein, aber bei der großen Macht der Feinde und zu einer Zeit, da der König isoliret und aller fremden Hilfe beraubt sei, welches ihm noch nie passiret wäre, zum mindesten insofern nicht, als in den beiden vorhergehenden Kriegen wenigstens diversions zu seinen Gunsten gemacht worden seien, würde vielleicht ein Tag kommen, wo er dessen gedenken werde, was ich ihm mit respektueuser Freiheit zum letzten Male vorstellte.“

<173>

4. Denkschrift für England173-1
(Juli 1756)

Nach all den zuverlässigen Nachrichten, die wir über die Absichten der Österreicher und ihre Intrigen in Rußland und Frankreich erhalten haben173-2, bleibt dem König zu seiner Sicherung nichts andres übrig, als seinen Feinden zuvorzukommen. Der König hat Kenntnis von den Bewegungen der russischen Truppen173-3. Durch diese Nachrichten glaubt er sich für den Winter vor all ihren schlimmen Absichten sicher. Er fordert vom König von England keinerlei Hilfe. Will dieser ihm im nächsten Jahre ein Geschwader für die Ostsee stellen, so wird der Londoner Hof den Berliner Hof dadurch aufs neue zu Dank verpflichten. Glaubt der König von England seine Flotte anderswo nötig zu haben, insbesondere zur Verteidigung seiner Insel, so verzichtet der König auf diese Hilfe. Ja, er will aus Freundschaft für den König von England den Beginn seiner Operationen bis Ende August, ungefähr bis zum 24., aufschieben, damit die Franzosen in diesem Jahre weder den Vorwand noch die Möglichkeit zum Einmarsch in Deutschland haben173-4.

Der König von England wird gebeten, diese Zeit gut zu nutzen, die Holländer zur Vermehrung ihrer Landmacht um 30 000 Mann anzutreiben und selbst Hilfstruppen in Dienst zu nehmen173-5, 4 000 Mann von Gotha, 6 000 von Darmstadt, 5 000 von Braunschweig und 8 000 Hessen, den Bayern Subsidien zu zahlen, 3000 Ansbacher zu ihnen stoßen zu lassen und seine eignen Truppen im Kurfürstentum Hannover auf 22 000 Mann zu bringen. Alles zusammen würde eine Armee von mindestens 74 000 Mann ausmachen. Rückt diese Armee im nächsten Frühjahr ins Herzogtum Berg und gelingt es ihr unter Beschränkung auf die Defensive, das Vordringen der Franzosen zu hemmen, sei es im Kurfürstentum Köln, sei es in der Pfalz, so könnte sie alle Absichten unsrer Feinde vereiteln und zugleich das Darmstädtische, Hessen,<174> Franken, Westfalen und Holland decken. Sie stände bereit, jedem von diesen Staaten, wenn ihm ein französischer Einfall drohte, zu Hilfe zu kommen, und sicherte das Kurfürstentum Hannover und alle Besitzungen der Reichsfürsten. Entblößt Frankreich seine Küsten am Ärmelkanal, um eine Invasionsarmee aufzustellen, so kann die englische Flotte das benutzen, um Landungen an den unverteidigten Küsten vorzunehmen und die Franzosen längs der Bretagne und Normandie zu beunruhigen. Bleiben aber alle jene Truppen an den Küsten, so kann Frankreich am Rheine eine Armee von höchstens 50 000 Mann aufstellen. Dann haben die Alliierten die Oberhand, können die Franzosen am Rheine in Schach halten, und die gemeinsame Sache gewinnt in den gegenwärtigen kritischen Zeiten soviel wie durch gewonnene Schlachten.

Dieser Plan verdient Beachtung. Zu seiner Ausführung ist kein Augenblick zu verlieren. Es gilt, von Stund an zu arbeiten, um mit Beginn des Frühjahrs 1757 schlagfertig zu sein. Das ist das einzige Mittel zur Fortsetzung des Krieges und die einzige Aussicht auf guten Erfolg. Bleiben wir mit verschränkten Armen stehen, so werden wir einer nach dem andern zermalmt, weil wir die Vorteile nicht ausgenutzt haben, die wir von der Gunst der Zeit und unserer Wachsamkeit erwarten durften. Es ist also kein Augenblick zu verlieren! Der König, der eine mächtige Liga gegen sich geschlossen sieht, ist der erste, der ihr entgegentritt. Seine Sicherheit duldet keinen Aufschub, und er hofft dadurch seinen Alliierten im Verlaufe des Krieges desto nützlicher werden zu können.

<175>

5. Die drei Anfragen in Wien

I
Die erste Anfrage175-1

Erlaß des Königs an den Geheimen Kriegsrat von Klinggräffen in Wien

Potsdam, 18. Juli 1756.

Ihr werdet eine besondere Audienz bei der Kaiserin erbitten. Wenn Ihr vorgelassen seid, werdet Ihr nach den üblichen Komplimenten in meinem Namen erklären, ich hätte von vielen Seiten Nachrichten über die Bewegungen ihrer Truppen in Böhmen und Mähren und über die Zahl der dorthin abgehenden Regimenter erhalten. Ich fragte die Kaiserin, ob diese Rüstungen den Zweck hätten, mich anzugreifen.

Antwortet sie Euch, sie folge nur dem Beispiel meiner Truppenbewegungen175-2, so werdet Ihr sagen, Euch schiene da ein Unterschied zu bestehen. Es sei Euch bekannt, daß ich Truppen nach Pommern geschickt hätte, um Ostpreußen gegen die etwaigen feindlichen Absichten der Russen zu decken, die 70 000 Mann an der preußischen Grenze versammelt haben. An ihrer schlesischen Grenze hingegen hätte sich nichts gerührt, und keine meiner Maßnahmen sei geeignet, ihren Verdacht zu erregen.

Antwortet sie Euch, daß jeder bei sich tun könne, was er wolle, so laßt Euch das gesagt sein und begnügt Euch mit ihrer Antwort.

Sagt sie Euch, sie zöge die Truppen in Böhmen und Mähren wie alljährlich in Feldlagern zusammen, so weist sie auf den Unterschied in der Truppenzahl, den Magazinen und Kriegsrüstungen hin und fragt sie, ob das die ganze Antwort sei, die sie Euch zu geben hätte.

<176>

II
Die zweite Anfrage176-1

Erlaß des Königs an den Geheimen Kriegsrat von Klinggräffen in Wien

Potsdam, 2. August 1756.

Unverzüglich nach Empfang dieses Schreibens werdet Ihr die Kaiserin-Königin um Audienz bitten. Ihr werdet ihr sagen, es verdrieße mich zwar, sie noch einmal behelligen zu müssen, es sei aber bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht anders möglich. Der Ernst der Lage erheische deutlichere Erklärungen als die, die sie mir gegeben habe. Weder den Staaten der Kaiserin noch denen ihrer Alliierten droht ein Angriff, wohl aber den meinen.

Sagt der Kaiserin, um ihr nichts zu verhehlen, ich wüßte aus ganz zuverlässiger Quelle, daß sie zu Anfang dieses Jahres mit dem russischen Hofe eine Offensivallianz gegen mich geschlossen hat176-2. Darin ist ausgemacht, daß die beiden Kaiserinnen mich unvermutet angreifen werden, die Zarin mit 120 000 Mann, die Kaiserin-Königin mit 80 000 Mann. Der Plan sollte im Mai dieses Jahres zur Ausführung kommen, wurde aber aufgeschoben, da es den russischen Truppen an Rekruten, ihren Flotten an Matrosen und in Finnland an Getreide zu ihrer Ernährung fehlte. Beide Höfe sind übereingekommen, ihr Vorhaben nur bis zum nächsten Frühjahr aufzuschieben.

Da ich nun von allen Seiten höre, daß die Kaiserin ihre Hauptstreitkräfte in Böhmen und Mähren versammelt, daß die Truppen ganz dicht an meinen Grenzen kampieren, daß beträchtliche Magazine und Vorräte an Kriegsbedarf angelegt werden, daß Husaren und Kroaten längs meiner Grenzen Postenketten ziehen, als ob wir mitten im Kriege wären, so halte ich mich für berechtigt, von der Kaiserin-Königin eine formelle und kategorische Erklärung zu fordern, bestehend in der mündlichen oder schriftlichen Versicherung, daß sie mich weder in diesem noch im nächsten Jahre anzugreifen gedenkt. Es gilt mir gleich, ob diese Erklärung schriftlich oder mündlich in Gegenwart des französischen und englischen Gesandten176-3 erfolgt. Das steht ganz im Belieben der Kaiserin.

Ich muß wissen, ob wir im Krieg oder Frieden leben; ich lege die Entscheidung in die Hände der Kaiserin. Sind ihre Absichten lauter, so ist jetzt der Augenblick, sie<177> zu offenbaren. Erhalte ich aber eine Antwort in Orakelstil, unbestimmt oder nicht bündig, so hat die Kaiserin sich selbst all die Folgen des stillschweigenden Eingeständnisses der gefährlichen Pläne vorzuwerfen, die sie mit Rußland gegen mich geschmiedet hat. Ich rufe den Himmel zum Zeugen an, daß ich an dem Unglück, das daraus entstehen wird, unschuldig bin.

P.S.

Sofort nach der Audienz werdet Ihr den Kurier mit der Antwort abfertigen und dem englischen Gesandten Abschrift zustellen. Da Ihr selbst zu ermessen vermögt, welche Wendung die Dinge nehmen werden, so muß ich Euch vorhersagen: bekomme ich diesmal keinen klareren Bescheid, so bleibt mir nichts übrig als der Krieg, und Ihr werdet Befehl erhalten, abzureisen, ohne Euch zu verabschieden. Das kann am 23. oder 24. geschehen. Ich muß Euch gleich mitteilen, daß Feldmarschall Schwerin177-1 dann in Neiße ist. Ihr werdet ihn durch denselben Kurier, den Ihr an mich sendet, benachrichtigen, ob es Krieg oder Frieden gibt, damit er dort die geeigneten Maßregeln treffen kann. Die Hauptsache ist, daß ich rasch Nachricht erhalte. Ich muß also durchaus am 15. dieses Monats einen Kurier haben177-2. Selbst wenn er noch nicht die Antwort bringt, kann ich doch durch ihn erfahren, was Ihr über die Sache denkt.

III
Die dritte Anfrage177-3

Erlaß des Königs an den Geheimen Kriegsrat von Klinggräffen in Wien

Potsdam, 26. August 1756.

Gestern abend erhielt ich Euren letzten Kurier mit der Antwort, die der Wiener Hof Euch auf die zweite, von ihm geforderte Erklärung ausgefertigt hat. Dies sonderbare Schriftstück kann eigentlich nicht als Antwort bezeichnet werden; denn man berührt und beantwortet darin mit keinem Sterbenswörtchen die von mir gestellte Hauptfrage, ob die Kaiserin-Königin mir zum Zweck der Erhaltung des<178> Friedens und der öffentlichen Ruhe versprechen will, mich weder in diesem noch im nächsten Jahre anzugreifen.

Da die Antwort also völlig unzureichend ist und auf den Hauptpunkt der Frage nicht eingeht, so ist es mein Wille, daß Ihr zum drittenmal vorstellig werdet und der Kaiserin-Königin mündlich oder schriftlich, wie man es von Euch verlangt, folgende Erklärung abgebt. Aus dem Inhalt ihrer letzten Antwort ersähe ich allerdings deutlich den bösen Willen, den der Wiener Hof gegen mich hege, und es bliebe mir infolgedessen nichts andres übrig, als die nötigen Maßregeln zu meiner Sicherheit zu treffen. Wolle die Kaiserin-Königin mir indes noch jetzt die positive Versicherung geben und mir ausdrücklich erklären, daß sie mich weder in diesem noch im nächsten Jahre anzugreifen gedenke, so würde ich umgehend meine Truppen zurückziehen und alles wieder in den gehörigen Zustand bringen.

Über diesen letzten Punkt werdet Ihr eine kategorische Antwort fordern und sie mir ohne den geringsten Verzug durch einen besonderen Kurier zusenden. Fällt diese Antwort ebenso unbefriedigend aus wie die vorhergehenden, oder schlägt man sie überhaupt ab, so werdet Ihr in diesen beiden Fällen dem Grafen Kaunitz einen höflichen und angemessenen Brief schreiben, worin Ihr erklärt: Da die Dinge so weit gekommen seien, daß Eure Anwesenheit überflüssig werde, so bleibe Euch nichts weiter übrig, als den Wiener Hof zu verlassen. Es wäre Euch sehr schmerzlich, daß Ihr Euch unter den obwaltenden Umständen von Ihren Majestäten nicht mehr verabschieden könntet. Danach werdet Ihr so schleunig wie möglich abreisen, nachdem Ihr Eure Archive gemäß den Euch früher zugegangenen Befehlen in Sicherheit gebracht habt....

P.S.

Da ich keine Sicherheit mehr für die Gegenwart noch für die Zukunft habe, so bleibt mir nur der Weg der Waffen übrig, um die Anschläge meiner Feinde zu vereiteln. Ich marschiere178-1 und gedenke, binnen kurzem Die, die sich jetzt durch ihren Stolz und Hochmut verblenden lassen, anderen Sinnes zu machen. Aber ich bewahre doch so viel Selbstbeherrschung und Mäßigung, um Ausgleichsvorschläge anzuhören, sobald mir solche gemacht werden. Denn ich hege weder ehrgeizige Pläne noch begehrliche Wünsche. Ich treffe nur gerechtfertigte Vorkehrungen zur Wahrung meiner Sicherheit und Unabhängigkeit178-2.

<179>

6. Darlegung der Gründe, die Se. Majestät den König von Preußen gezwungen haben, den Anschlägen des Wiener Hofes zuvorzukommen179-1
(August 1756)

Seit dem Abschluß des Dresdener Friedens hat der Wiener Hof mit allen Mitteln geflissentlich darauf hingearbeitet, diesen Frieden zu erschüttern oder zu brechen. Sowohl auf offenen wie auf geheimen Wegen strebte er diesem Ziele zu.

Nach Artikel 8 des Breslauer Friedens, der durch den Dresdener Frieden erneuert wurde, sollte der Handel zwischen Österreich und Schlesien „auf dem Fuße bleiben, auf dem er sich im Jahre 1739 vor dem Kriege befand, bis eine neue Vereinbarung getroffen würde“. Der Wiener Hof, der seine Verträge nur so lange gewissenhaft erfüllt, als man ihn mit Waffengewalt dazu zwingt179-2, begann 1753 auf alle in Schlesien hergestellten Erzeugnisse einen Zoll von 30 Prozent zu legen. Ja, ungeachtet der Vorstellungen mehrerer preußischer Kommissare, die zu dem Zweck eigens nach Wien geschickt wurden, erhöhte er den Zoll auf 60 Prozent, kaum daß er in diesem Jahre den Versailler Vertrag179-3 unterzeichnet hatte.

Dies unfreundliche, ja schroffe Gebaren, das gegen Treu und Glauben der Verträge verstößt, war eine Nichtachtung des von allen europäischen Mächten garantierten Friedens und hätte einem ehrgeizigeren Fürsten als dem König von Preußen als triftiger Vorwand zum Kriege dienen können. Wir gehen jedoch darüber hinweg;<180> denn dieser Vorfall wird zur Läpperei im Vergleich zu den übrigen Klagen, die gegen den Wiener Hof bestehen.

Unter Vermeidung jedes unnützen Wortschwalls begnügen wir uns mit der Enthüllung der weitausschauenden Pläne des Wiener Hofes, dessen gefährliche Absichten sowohl in seinen geheimen Unterhandlungen, wie in seinem jetzigen Benehmen zutage treten.

Kaum war die Kaiserkrone wieder an das neue Haus Österreich gefallen, so griff man in Wien auf die ehrgeizigen Pläne zurück, die Kaiser Ferdinand II. ausgeführt hätte, wäre kein Kardinal Richelieu Premierminister von Frankreich und kein Gustav Adolf König von Schweden gewesen, zwei Zeitgenossen, die sich ihm widersetzten.

Der Wiener Hof wollte die deutschen Fürsten unterjochen, seinen Despotismus dem Reiche aufzwingen, wollte die protestantische Religion, die Gesetze, die Verfassung und die Freiheiten abschaffen, die diese Republik von Fürsten und Souveränen genießt. In seinem Vorhaben sah sich der Wiener Hof nach dem Aachener Frieden behindert durch Frankreich, das den Westfälischen Frieden garantiert hatte, durch Preußen, das aus den verschiedensten Gründen ein solches Unterfangen nicht dulden konnte, und schließlich durch den türkischen Sultan, der durch Einfälle in Ungarn die bestgetroffenen Maßregeln umwerfen konnte.

Alle diese Dämme seines Ehrgeizes mußten nach und nach untergraben werden. Der Wiener Hof glaubte mit Preußen beginnen zu müssen. Unter dem Vorwand, eine Provinz zurückzufordern, die er dem König im Breslauer Frieden abgetreten hatte, wollte er den Blick der Welt von den gefährlicheren Absichten ablenken, die unerkannt bleiben sollten.

Zu dem Zweck wurde der Petersburger Vertrag geschlossen180-1. Aber nicht zufrieden mit einem Defensivbündnis, gegen das niemand etwas einwenden konnte, gedachte man in Wien, die Höfe von Berlin und Petersburg zu entzweien und mit der Kaiserin von Rußland ein Bündnis gegen die Hohe Pforte zu schließen. Beide Pläne gelangen gleichermaßen. Das Bündnis gegen die Pforte kam zum Abschluß180-2, und durch zahlreiche Täuschungen und Verleumdungen gelang es den österreichischen Ministern, den König mit der Kaiserin von Rußland zu entzweien, obwohl zwischen beiden Höfen im Grunde keine Streitfrage bestand. Die beiderseitigen Gesandten wurden abberufen180-3, damit die österreichischen Diplomaten von unbequemer Überwachung befreit würden und desto leichteres Spiel hätten.

Sie brachten Rußland in Harnisch und bewogen es zu den kriegerischen Demonstrationen an der preußischen Grenze, die alljährlich wiederholt wurden, in der Hoffnung, der Zufall würde eine Gelegenheit zum Bruche zwischen beiden Mächten herbeiführen.

<181>

In Wien wünschte man den Bruch und trug sich mit der Hoffnung, in diesem Kriege nur als Hilfsmacht der Kaiserin von Rußland auftreten zu brauchen. Die Absichten der österreichischen Minister hätten leicht in Erfüllung gehen können. Von Demonstrationen zu Feindseligkeiten ist nur ein Schritt. Der Krieg wäre auch entbrannt, hätte der König nicht durch sein festes und maßvolles Benehmen sorgfältig jeden Anlaß zu Händeln mit dem russischen Hofe vermieden. Wie bei einem Brande, den man ersticken will, entfernte er vorsichtig allen Zündstoff.

So lagen die Dinge, als die Wirren in Amerika181-1 die Ruhe Europas zu stören drohten. Ein Weltkrieg war dem Wiener Hofe gerade recht. Die Großmächte mußten mit ihren eignen Interessen beschäftigt sein, damit er seine Pläne glücklich zum Ziel führen konnte.

In London war man von den Absichten des Wiener Hofes nicht unterrichtet. Der König von England, der mit Frankreich im Kriege lag, bat die Kaiserin-Königin um Hilfe. Das glaubte er von ihrem guten Willen und ihrer Dankbarkeit beanspruchen zu dürfen. Nachdem er seine Schätze und Truppen verschwendet, die Interessen seines Reiches geopfert, ja selbst seine geheiligte Person in Gefahr gebracht hatte181-2, um die Kaiserin in den Besitz ihres väterlichen Erbes zu setzen, meinte er, ihre Dankbarkeit würde den ihr geleisteten Diensten entsprechen. Wie groß war wohl seine Überraschung, als er erfuhr, daß die Kaiserin von Hilfe nichts wissen wollte, außer wenn England der Verschwörung beiträte, die sie gegen die Staaten und Besitzungen des Königs von Preußen angezettelt hatte. Der König von England dachte zu vornehm und zu hochherzig, um sich an Maßregeln zu beteiligen, die sein Rechtsgefühl verletzten. Er verwarf alle ihm gemachten Vorschläge. Dann wandte er sich an den König von Preußen, mit dem er durch die Bande des Blutes verknüpft war181-3, und beide Herrscher schlossen zur Beschwörung des Sturmes, der Deutschland bedrohte, den Neutralitätsvertrag zu London181-4.

Die Ruhe Deutschlands paßte ganz und garnicht zu den Plänen des Wiener Hofes. Er setzte alles in Bewegung, um die Maßregeln der beiden Fürsten zu vereiteln, denen die Ruhe ihres Vaterlandes am Herzen lag und die sich zu ihrer Aufrechterhaltung verbündet hatten. Sofort verdoppelte sich das Ränkespiel in Petersburg, und die österreichischen Minister vereinbarten dort einen Plan zur Aufteiling aller Besitzungen des Königs von Preußen.

Das genügte noch nicht. Es galt auch Frankreich aus dem Spiel auszuschalten, um in Deutschland völlig freie Hand zu haben. So kam der Vertrag von Versailles zustande.

Der König traut dem französischen Hofe beim Abschluß dieses Bündnisses keine agressiven Absichten zu. Seine Majestät läßt den lauteren Absichten des Allerchrist<182>lichsten Königs ihr Recht widerfahren. Leider aber ist nicht das gleiche vom Wiener Hofe zu sagen, dessen Gebaren seit der Unterzeichnung jenes Vertrages nur zu sehr das Gegenteil bewiesen hat.

Inzwischen nahm das Ränkespiel in Frankreich zu. Das Ziel, das man sich in Wien gesteckt hatte, war die langsame, unmerkliche Herbeiführung eines Bruches zwischen Frankreich und Preußen. Zu dem Zweck sparte man weder unredliche Mittel noch tückische Anschwärzungen, weder Listen noch betrügerische Winkelzüge.

Unter so kritischen Umständen, wo der Wiener Hof Europa von einem Ende bis zum anderen verhetzt, um dem König Feinde zu schaffen, wo er seine Schritte verleumdet, den harmlosesten Dingen schlimme Deutungen gibt, wo er die Mächte zu blenden, zu verführen und einzuschläfern sucht, je nachdem es ihm für seine Pläne günstig scheint — in einer Zeit, wo Maßnahmen zum Angriff auf den König getroffen werden, wo der Wiener Hof Munitions- und Proviantvorräte in Mähren und Böhmen anhäuft und gewaltige Rüstungen macht, wo er Lager von 80 000 Mann in seinen Staaten bildet, wo die Ungarn und Kroaten Postenketten längs der schlesischen Grenze ziehen, wo Lager an den preußischen Grenzen abgesteckt werden und der Friede dem Kriege gleicht, wohingegen alle preußischen Truppen ruhig im Quartier liegen und kein Zelt aufgeschlagen ist, glaubte der König das Schweigen brechen zu müssen.

Seine Majestät beauftragte Herrn von Klinggräffen, seinen bevollmächtigten Gesandten am Wiener Hofe, von der Kaiserin-Königin eine Erklärung zu fordern, ob all die großen Kriegsvorbereitungen an der schlesischen Grenze gegen den König gerichtet seien oder welches die Absichten Ihrer Kaiserlichen Majestät wären182-1. Die Kaiserin-Königin erwiderte wörtlich:

„Sie habe unter den gegenwärtigen Umständen sowohl zu ihrer eigenen Verteidigung wie zu der ihrer Verbündeten Rüstungen für angezeigt gehalten, die überdies nicht bezweckten, irgend jemand zum Schaden zu gereichen.“

Eine so unbestimmte Antwort in einem so kritischen Zeitpunkt erheischte eine bündigere Erklärung. Daraufhin erhielt Herr von Klinggräffen neue Weisungen und stellte der Kaiserin-Königin folgendes vor. Der König habe zu den schlimmen Absichten, die man der Kaiserin beimesse, geschwiegen, solange er es mit seiner Sicherheit und seinem Ruhme vereinbar gefunden hätte. Nun aber dürfe er nichts mehr verhehlen. Er (Klinggräffen) habe Befehl, ihr zu eröffnen, daß der König von den Angriffsplänen unterrichtet sei, die beide Höfe in Petersburg vereinbart hätten. Er wisse, daß sie ausgemacht hätten, ihn unvermutet gemeinsam anzugreifen, die Kaiserin-Königin mit 80 000 Mann, die Kaiserin von Rußland mit 120 000 Mann. Dieser Plan sollte im letzten Frühjahr zur Ausführung gelangen, sei aber auf das nächste Frühjahr verschoben worden, da es den russischen Truppen an Rekruten, an<183> Matrosen für die Flotte und an Getreide aus Livland zur Verproviantierung mangele. Der König lege die Entscheidung über Krieg und Frieden in die Hand der Kaiserin. Wolle sie den Frieden, so verlange er eine bestimmte und förmliche Erklärung, bestehend in der positiven Zusicherung, daß sie den König weder in diesem noch im kommenden Jahre anzugreifen gedenke. Jede zweideutige Erklärung aber werde er für eine Kriegserklärung ansehen. Er rufe den Himmel zum Zeugen an, daß die Kaiserin allein die Schuld an dem unschuldig vergossenen Blute und den unglücklichen Folgen dieses Krieges trage183-1.

Auf eine so gerechte und billige Anfrage wurde eine noch hochfahrendere und noch weniger befriedigende Antwort als die erste gegeben. Ihre Inhaltsangabe genügt, um der Welt den bösen Willen des Wiener Hofes in seinem ganzen Umfang kundzutun.

Die Antwort lautete, wie folgt:

„Seine Majestät der König von Preußen habe schon seit einiger Zeit die beträchtlichsten und für die öffentliche Ruhe bedrohlichsten Kriegsrüstungen aller Art unternommen, als er es am 26. des letzten Monats für angezeigt gehalten habe, von Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin Aufklärungen über die militärischen Maßnahmen in ihren Staaten zu fordern, die erst auf die verschiedenen Rüstungen Seiner Majestät des Königs von Preußen hin getroffen worden seien. Diese Tatsachen seien ganz Europa bekannt.

Infolgedessen hätte Ihre Majestät, die Kaiserin-Königin, Aufklärungen über Dinge, die dessen nicht bedurften, verweigern können. Trotzdem habe sie sich zur Antwort entschlossen und habe zu dem Zweck Herrn von Klinggräffen in der ihm bewilligten Audienz am besagten 26. Juli Höchsteigen erklärt:

Daß die kritische allgemeine Lage sie zum Ergreifen der Maßregeln veranlaßt habe, die sie für ihre und ihrer Verbündeten Sicherheit für nötig befunden hätte, und die überdies nicht bezweckten, irgend jemand zum Schaden zu gereichen.

Ihre Majestät die Kaiserin-Königin sei ohne Zweifel berechtigt, über die gegenwärtige Lage so zu urteilen, wie sie es für gut befinde, und es stehe ihr allein zu, die ihr drohenden Gefahren einzuschätzen. Im übrigen sei ihre Erklärung so deutlich, daß sie sich nie gedacht habe, daß man sie anders auslegen könne. Gewöhnt, die unter Herrschern üblichen Rücksichten gegen sich ebenso gewahrt zu sehen, wie sie selbst sie wahre, habe sie daher nur mit Erstaunen und wohlberechtigter Empfindlichkeit Kenntnis vom Inhalt der Denkschrift nehmen können, die Herr von Klinggräffen ihr am 20. des Monats überreicht hätte.

Diese Denkschrift sei der Form und dem Inhalte nach derart, daß Ihre Majestät die Kaiserin-Königin, wenn sie dieselbe voll beantworten wolle, sich gezwungen sähe, die Schranken der Mäßigung, die sie sich gezogen hätte, zu überschreiten. Trotz<184>dem wolle sie, daß Herrn von Klinggräffen des weiteren folgende Antwort erteilt werde:

Die Seiner Majestät dem König von Preußen gegebenen Informationen über ein Angriffsbündnis gegen ihn zwischen Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin und Ihrer Majestät der Kaiserin von Rußland, sowie alle näheren Umstände und angeblichen Bedingungen der genannten Allianz seien völlig unwahr und erfunden. Ein solcher Vertrag gegen Seine Preußische Majestät existiere nicht und habe nie existiert184-1.

Diese Erklärung gestatte ganz Europa ein eignes Urteil über den Wert und die Bedeutung der in der Denkschrift des Herrn von Klinggräffen angeführten schlimmen Ereignisse. Man werde erkennen, daß sie niemals Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin zur Last gelegt werden dürfen.“

So lautete die zweite Antwort des Wiener Hofes. Eine kurze Rekapitulation wird genügen, um ihre Unzulänglichkeit und Haltlosigkeit darzutun.

Die Tatsachen, die der Wiener Hof als ganz Europa bekannt hinstellen möchte, stimmen so wenig zu seinen Behauptungen, daß man sich gezwungen sieht, diesen Gegenstand näher zu beleuchten. Auf die russischen Rüstungen hin ließ der König im Juni vier Regimenter aus der Kurmark nach Pommern marschieren184-2 und gab Befehl, die Festungen in Verteidigungszustand zu setzen. Das war es, was beim Wiener Hofe so großen Verdacht erregte, daß er in Böhmen und Mähren ein Heer von über 80 000 Mann zu versammeln befahl. Hätte die Kaiserin Truppen aus Böhmen nach Toskana marschieren lassen, würde da der König wohl Anlaß gehabt haben, um Schlesien besorgt zu sein und dort ein starkes Heer zusammenzuziehen? Man sieht also deutlich, daß der Abmarsch der vier Regimenter nach Pommern dem Wiener Hofe nur als Vorwand zur Bemäntelung seiner schlimmen Absichten gedient hat. Auf die Nachricht hin, daß das österreichische Heer in Böhmen zusammengezogen sei, ließ der König drei Infanterieregimenter, die in Westfalen im Quartier gelegen hatten, nach Halberstadt rücken. Um aber alles zu vermeiden, was beim Wiener Hof Verdacht erregen konnte, wurde nicht ein einziges Regiment nach Schlesien geschickt. Die Truppen blieben ruhig in ihren Garnisonen und hatten nicht einmal die Pferde und den andern Kriegsbedarf, den ein Heer für das Feldlager oder bei Offensivplänen braucht. Doch der Wiener Hof fuhr fort, eine friedliche Sprache zu führen und dabei die ernstlichsten Kriegsrüstungen zu treffen. Nicht zufrieden mit all diesen Demonstrationen, ließ er auch noch ein Lager bei der Stadt Hotzenplotz abstecken, die zwar österreichisch ist, aber dicht an der preußischen Grenze und direkt zwischen den Festungen Neiße und Kosel liegt. Außerdem schickt die öster<185>reichische Armee in Böhmen sich an, das Lager von Jaromircz vier Meilen von Schlesien zu beziehen. Auf alle diese Nachrichten hin glaubte der König, daß es an der Zeit sei, Maßregeln zu ergreifen, die seine Sicherheit und Würde von ihm forderten. Er gab also Befehl, daß die Armee sich mit Pferden versehen und sich marschfertig machen solle. Er wollte nicht in völliger Abhängigkeit von dem Gutdünken eines Hofes sein, der seinen Interessen so feindlich gesinnt ist wie der Wiener Hof. Hätte der König etwas gegen die Kaiserin im Schilde geführt, so konnte er das schon zwei Monate früher leicht ausführen, bevor er ihr Zeit zur Versammlung so starker Heere gab. Aber der König verhandelte, während seine Feinde rüsteten. Er folgte nur den Maßregeln der Österreicher. So setzt also dieser Artikel, den der Wiener Hof so geflissentlich betont, dessen schlimme Absichten erst recht ins volle Licht.

Ein anderer Punkt seiner Antwort ist ebenso unwahr, nämlich die Behauptung, er habe Herrn von Klinggräffen eine durchaus deutliche Erklärung gegeben. Diese durchaus deutliche Erklärung ist völlig unverständlich. Denn man fragt sich: welchem von den Bundesgenossen der Kaiserin droht ein Krieg? Ist's Frankreich? Ist's Rußland? In der Tat müßte man sonderbar verblendet sein, um dem König von Preußen Angriffspläne gegen eine dieser beiden Mächte zuzutrauen, und jedenfalls wären zur Ausführung eines solchen Unterfangens etwas mehr als vier nach Pommern gesandte Regimenter nötig gewesen. Der Wiener Hof sagt, er wolle niemanden angreifen. Hätte er dann nicht ebensogut erklären können, er wolle namentlich den König von Preußen nicht angreifen?

Der Inhalt der Denkschrift des Herrn von Klinggräffen, über die der Wiener Hof sich beschwert, konnte einen Hof nur dann unangenehm berühren, wenn er seinem Nachbarn keine Erklärungen über die Lauterkeit seiner Absichten geben wollte.

Schließlich legt der Wiener Hof den größten Nachdruck auf den Artikel in seiner Antwort, der sein Bündnis mit Rußland betrifft. Die Bedingungen dieses Bündnisses sollen nach seiner Behauptung völlig unwahr und erfunden sein. Die Ableugnung jener Vereinbarungen ist für die österreichischen Minister ein leichtes. Aber außer den angeführten Tatsachen sind noch Anzeichen genug vorhanden, die wenigstens für ein Übereinkommen sprechen. Anfang Juni rückten die russischen Truppen an die ostpreußische Grenze. In Livland wurde ein Heer von 70 000 Mann aufgestellt, zur selben Zeit, wo man in Wien Vorbereitungen zur Versammlung einer starken Armee in Böhmen traf, die dort als Beobachtungsarmee auftreten sollte. Gegen Mitte desselben Monats erhielten die russischen Truppen Befehl, in ihre Quartiere zurückzukehren185-1, und die österreichischen Lager wurden aufs nächste Jahr verschoben. Trotz dieser Verdachtsmomente und Anzeichen wäre der König sehr froh gewesen, vom Wiener Hofe zu erfahren, daß er Pläne ableugnet, die seiner Mäßigung keine<186> Ehre machen würden — hätte der Hof nur ein Wort der Antwort auf die an ihn gerichtete Frage hinzugefügt. Der König ersuchte um die Versicherung, daß ein Angriff auf ihn weder in diesem noch im folgenden Jahre erfolgen werde. Das war der springende Punkt in Klinggräffens Denkschrift, und gerade auf diesen Punkt blieb man die Antwort schuldig. Zeigt dies Schweigen nicht zur Genüge, wohin die Pläne des Wiener Hofes abzielen? Erkennt man nicht den klaffenden Widerspruch zwischen seinen Worten und Handlungen? Eine friedfertige Sprache und dabei zahlreiche Heere an der schlesischen Grenze, eine geheuchelte Abneigung gegen den Krieg und dabei die Verweigerung positiver Versicherungen, die zu verlangen der König sich für berechtigt hielt! Man fragt sich, welche von beiden Mächten den Krieg wünscht, die, deren starke Heere an den Grenzen ihres Nachbarn lagern, oder die, deren Truppen ruhig in ihren Quartieren liegen?

Aus dieser hochmütigen und abschlägigen Antwort ist also ersichtlich, daß der Wiener Hof, weit entfernt, den Frieden zu wollen, nichts als Kriegslust atmet und den König durch fortwährende Plackereien und hochfahrendes Benehmen zum Kriege zu reizen beabsichtigt, um einen Vorwand zu haben, den Beistand seiner Verbündeten anzurufen. Man glaubt aber nicht, daß seine Bundesgenossen ihm Hilfe versprochen haben, um sein ungerechtes Vorgehen zu rechtfertigen und den König daran zu hindern, seinen nur zu deutlichen Absichten zuvorzukommen. Denn durch die Verweigerung der vom König geforderten Zusicherungen gibt der Wiener Hof ja klar seinen Entschluß kund, die Ruhe und den Frieden, deren sich Deutschland bisher erfreut hat, zu stören.

Obwohl jene Antwort also keinen Zweifel mehr über die Absichten der Kaiserin-Königin läßt und obwohl sie den König zu dem einzigen Entschlusse zwingt, der seiner Ehre und seinem Ruhme entspricht, so hat Seine Majestät doch noch einen letzten Versuch gemacht, um die Unbeugsamkeit des Wiener Hofes zu erschüttern. Er hat zwar die nötigen Maßregeln zu seiner Sicherheit getroffen, aber auch das einzige Mittel zur Erhaltung des Friedens pflichtgemäß angewandt. Zu dem Zweck erhielt Herr von Klinggräffen den Auftrag, zum dritten Male zu erklären: Wolle die Kaiserin jetzt noch die positive Zusicherung geben, daß sie den König weder in diesem noch im folgenden Jahre anzugreifen gedenke, so werde Seine Majestät seine Truppen sofort zurückziehen und alles wieder in den gehörigen Zustand versetzen186-1. Aber dieser letzte Schritt war ebenso erfolglos wie die vorhergehenden.

Nachdem also der König alles erschöpft hat, was man von seiner Mäßigung erwarten konnte, hofft er, daß ganz Europa ihm die schuldige Gerechtigkeit erweisen und überzeugt sein wird, daß nicht der König, sondern der Wiener Hof den Krieg gewollt hat. Wünscht die Kaiserin ehrlich den Frieden, wie sie es glauben machen will, warum erklärte sie es dann nicht in deutlichen Ausdrücken und in aller Form, als man ihr<187> die Entscheidung in die Hand legte? Ihre zweideutige Antwort jedoch, die alle möglichen Auslegungen zuließ, und die beständige Verweigerung der einzigen Erklärung, die den König beruhigen konnte, ist in der Tat nichts als das schweigende Eingeständnis der gefährlichen Absichten, die man ihr vorwirft. Dies Verhalten von seiten des Hauses Österreich gibt dem König keine Sicherheit für die Zukunft. Im Gegenteil! Seine Majestät hat das Benehmen des Wiener Hofes bei all seinen Unterhandlungen klargelegt und ist unterrichtet von dessen Umtrieben und Einflüsterungen an allen europäischen Fürstenhöfen, wo er gegenwärtig an einem Bündnis gegen Preußen arbeitet. Die Kenntnis dieser schlimmen Absichten zwingt den König, das Prävenire zu spielen.

Gewiß beginnt der König die Feindseligkeiten. Da aber dieser Ausdruck häufig mit dem des Angriffs verwechselt wird und der Wiener Hof stets geflissentlich darauf ausgeht, Preußens Schritte zu verleumden, so hält man es für angezeigt, den Sinn beider Worte zu unterscheiden. Unter Angriff versteht man jeden Akt, der dem Sinn eines Friedensvertrages strikt zuwiderläuft. Ein Offensivbündnis, Feinde, die man einer andern Macht erweckt und zum Kriege mit ihr drängt, Pläne zum Einmarsch in die Staaten eines andern Fürsten und zu plötzlichem Überfall — das alles sind lauter Angriffe, obwohl nur das letzte zu den Feindseligkeiten gehört.

Wer diesen Angriffen zuvorkommt, kann Feindseligkeiten begehen, ist aber nicht der Angreifer. Im Spanischen Erbfolgekriege, als die savoyischen Truppen im französischen Heere in der Lombardei fochten, schloß der Herzog von Savoyen187-1 ein Bündnis mit dem Kaiser gegen Frankreich (1703). Die Franzosen entwaffneten seine Truppen und trugen den Krieg nach Piemont. Hier war also der Herzog von Savoyen der Angreifer, und die Franzosen begingen die ersten Feindseligkeiten. Die Ligue von Cambrai187-2 war ein Angriff. Wären die Venezianer damals ihren Feinden zuvorgekommen, so hätten sie die ersten Feindseligkeiten begangen, wären aber nicht die Angreifer gewesen.

Da also der Wiener Hof die von allen europäischen Mächten garantierten Verträge brechen will, da sein Ehrgeiz ungestraft die heiligsten Schranken umstürzt, die der menschlichen Begehrlichkeit gesetzt sind, da er sich den Weg zum Despotismus im Deutschen Reiche bahnen will und seine weitausschauenden Pläne auf nichts Geringeres abzielen als auf den Umsturz dieser Republik von Fürsten, die zu erhalten die Pflicht der Kaiser ist, so hat der König beschlossen, sich den Feinden seines Vaterlandes hochherzig zu widersetzen und den verderblichen Folgen dieses gehässigen Planes vorzubeugen.

<188>

Seine Majestät erklärt, daß die Freiheit des Deutschen Reiches nur mit Preußen zugleich begraben werden soll. Er ruft den Himmel zum Zeugen an, daß er alle geeigneten Mittel erschöpft hat, um seine Staaten und ganz Deutschland vor der Geißel des drohenden Krieges zu bewahren, nun aber gezwungen ist, die Waffen zu ergreifen, um eine Verschwörung gegen seine Besitzungen und seine Krone zu sprengen. Umsonst hat er alle Wege zur gütlichen Beilegung beschritten, ja die Entscheidung über Krieg und Frieden in die Hand der Kaiserin gelegt.

Seine Majestät gibt seine gewohnte Mäßigung nur deshalb auf, weil sie aufhört, eine Tugend zu sein, wenn es gilt, seine Ehre und Unabhängigkeit, sein Vaterland und seine Krone zu verteidigen.

<189>

7. Instruktion für Feldmarschall Schwerin189-1

Potsdam, 2. August 1756.



Herr Feldmarschall!

Euch vertraue ich das Kommando über meine Armee in Schlesien an. Die bezüglichen Befehle sind den Euch unterstellten Regimentern soeben ausgefertigt worden. Ihr werdet von hier nach Neiße reisen, unter dem Vorwand, Euer Gouvernement189-2 zu besichtigen, damit Ihr im Kriegsfall an Ort und Stelle seid, um die ersten Anordnungen zur Versammlung der Truppen zu treffen, bis ich selbst hinkomme.

Herr von Klinggräffen, mein Gesandter in Wien, hat Befehl, Euch durch seinen Kurier, der über Neiße reisen wird, die Antwort des Wiener Hofes189-3 zu übermitteln. Aus dieser Antwort werdet Ihr selbst ersehen können, welchen Entschluß ich fassen werde.

Damit im Interesse des Dienstes nichts verabsäumt wird, sollt Ihr wissen, daß an alle Regimenter, die ihre Kantons in Oberschlesien haben, Befehl ergangen ist, nicht nur die doppelten Beurlaubten, sondern auch alle, die sie im nächsten Frühjahr einzustellen hätten, schon jetzt aus ihren Kantons einzuziehen. Diese neuen Rekruten sollen samt und sonders in Breslau abgeliefert werden, wo ich sie auf meine Kosten bis zum nächsten Frühjahr besolden werde. Dann sollen sie zu ihren Regimentern, um sie vollzählig zu machen.

Beifolgend die Verteilung der Garnisonregimenter: Glogau 1. Bataillon Lange, Breslau 2. Bataillon Lange und 4. Bataillon Lattorff, Brieg 3. Bataillon Lattorff, Kosel 1. und 2. Bataillon Lattorff, Neiße 4 Bataillone Blanckensee, Glatz 4 Bataillone Nettelhorst, Schweidnitz 4 Bataillone Mützschefahl.

Der Anfang des Krieges ist für den Feldmarschall sehr schwierig, weil er in der Front das mährische Korps und in der Flanke die Armee in Böhmen hat189-4. Da er nicht überall sein kann, so wird er die Festungen, die in Abwesenheit seiner Armee<190> ungedeckt sind, noch mit Feldtruppen besetzen müssen. Rückt er z.B. nach Schweidnitz, so muß er das Grenadierbataillon Kreytzen nach Kosel und 2 Feldbataillone nach Neiße legen, wo er in diesem Falle General Kleist zurückläßt. Rückt er hingegen nach Hotzenplotz, so muß er die 2 Bataillone nicht nach Neiße, sondern nach Schweidnitz werfen.

Seine Truppen können erst in 6 Tagen marschfertig sein. Da ich meine Operationen nicht vor Ende dieses Monats, d. h. am 25., beginnen kann190-1, soll auch der Feldmarschall seine Truppen nicht früher versammeln. Er soll sich mit Schlabrendorff190-2 bereden, an welcher Stelle die Armee am besten zusammengezogen wird. Ich für mein Teil halte das Lager von Frankenstein für das geeignetste; denn von dort kann er gleich nach Schweidnitz marschieren, und die Armee kann zwischen den Festungswerken lagern, falls die Österreicher in Böhmen Miene machen, in Schlesien einzudringen. Da Niederschlesien als wichtigster Teil der Provinz anzusehen ist, so muß er es in erster Linie decken. In diesem Falle kann er seine Dragoner und einen Teil seiner Husaren nach Glatz schicken, um die Österreicher im Rücken zu beunruhigen. Da aber dieser Zustand nur vorübergehend sein kann und ich die Österreicher durch meine Diversion bald nach einer andern Seite abzulenken gedenke, falls die kaiserliche Armee wirklich aus Böhmen in Schlesien eindringt, so wird der Feldmarschall sie bald los sein und findet auf ihrem Rückzuge vielleicht Gelegenheit, über ihre Nachhut herzufallen und sie für ihre Fehler zu züchtigen. Da sich dies österreichische Heer höchstwahrscheinlich nach Prag wenden wird, so kann der Feldmarschall dann seine Husaren und Dragoner sammeln, in Oberschlesien eindringen und bis Jägerndorf und Troppau vorstoßen.

Solange sich der Krieg in der Gegend von Schweidnitz abspielt, kann der Feldmarschall sich an Major Enbers halten, einen fähigen Offizier, der die Karte des Gebirges aufgenommen hat und alle dortigen Lagerplätze und Zugangsstraßen kennt, ihm auch alles Wissenswerte angeben kann, was er zu seinen Unternehmungen braucht. Wird der Kriegsschauplatz nach Mähren verlegt, so kann der Feldmarschall sich an den Kapitän Giese in Breslau halten. Der kennt Oberschlesien, beide Oderufer, Hotzenplotz und ganz Polen bis nach Krakau und ist zudem ein geweckter Kerl, der die Lagerplätze ganz nach Wunsch des Feldmarschalls aussuchen wird.

Die in Mähren aufgestellten regulären Truppen sind 20 000 Mann stark. Auch ist die Rede von 12 000 Ungarn, die sich an der Jablunka versammeln sollen, um in Schlesien einzufallen. Aus allen diesen Gründen kann der Feldmarschall nicht in Mähren eindringen. Sein Hauptaugenmerk beschränkt sich darauf, die Festungen und das flache Land gegen feindliche Einfälle zu decken. Schickt die österreichische Hauptarmee Verstärkungen an Piccolomini190-3, so werde ich Euch in gleichem Maße Detachements von meiner Armee schicken. Sieht sich der Feldmarschall zur Entsendung<191> eines großen Detachements nach Glatz gezwungen, so wird er es General Fouqué anvertrauen. Schickt er es nach Kosel, dann soll es Hautcharmoy führen. Hat er nur Kommandos für Generalmajors zu vergeben, so soll er von der Infanterie nur Tresckow und Brandes verwenden. Die andern sind zwar brave Leute, aber ohne Erfahrung. Handelt es sich um Kavalleriedetachements, so eignet sich Prinz Schönaich für größere Korps, Wartenberg191-1 für kleinere. Die Generalmajors von der Kavallerie sind zur Führung von Detachements ungeeignet. Schickt er welche ab, muß er es daher so einrichten, daß sie unter Wartenberg stehen.

Da es zu Eurer Hauptaufgabe gehört, das flache Land zu decken, so werdet Ihr ein Auge darauf haben, daß die Ungarn, die von der Jablunka herkommen, nicht über Rosenberg hinausdringen. Namslau muß gedeckt werden. Es hieße zuviel aufs Spiel setzen, ließe man sie weiter vordringen.

Vor den Unternehmungen der Russen dürften wir für dies Jahr sicher sein. Vermutlich werden sie sich nächstes Frühjahr in Marsch setzen. Sobald ich Nachricht davon erhalte, werde ich das Heer des Feldmarschalls um 15 bis 20 Bataillone verstärken. Sollten die Russen dann Schlesien bedrohen, so geschieht das, glaube ich, in der Absicht, sich mit dem Korps Piccolomini zu vereinigen. Zur Verhinderung dieses Vorhabens soll der Feldmarschall alle festen Plätze stark mit Infanterie besetzen und Kommandanten darin zurücklassen. Dann kann er mit seiner Armee ein bis zwei Tagemärsche nach Polen vorrücken, um die Russen vor ihrer Vereinigung zu schlagen, und darauf nach Schlesien zurückkehren, um Piccolomini flugs zu vertreiben, falls er ins Land gedrungen ist.

Ich gebe Euch meine Ideen nur im großen an. Unmöglich kann ich alle etwa eintretenden Möglichkeiten vorhersehen. Die Zukunft ist ungewiß, und die Pläne des Wiener Hofes können sich noch sehr ändern. Da ich Euch aber meine Truppen und die Verteidigung einer Provinz anvertraue, die Ihr mir erobern halfet, so verlasse ich mich ganz auf Eure Treue, Geschicklichkeit und Erfahrung. In allen unvorher gesehenen Fällen werdet Ihr Euren Entschluß fassen, wie Ihr es im Interesse des Dienstes angemessen findet. Ich gebe Euch Vollmacht, zu handeln, wie Ihr es in der gegenwärtigen Lage für gut und richtig haltet. Nur empfehle ich Euch, achtet ganz besonders darauf, daß Ihr die Truppen in den Winterquartieren nicht zerstreut, sondern sie eng zusammenlegt, sodaß Ihr sie versammeln könnt, ehe der Feind heran ist. Über alles, was das Kriegskommissariat191-2, die Versorgung mit Lebensmitteln, den Unterhalt der Armee usw. betrifft, hat Schlabrendorff Instruktionen erhalten. Von ihm könnt Ihr alles Nötige erfahren. Ich nehme nur kurz vorweg, daß ich den Offizieren eine Zulage für die Winterquartiere gebe, und wenn es den Truppen an irgend etwas mangelt, so braucht Ihr mir nur ein Wort zu sagen, und es soll Abhilfe geschaffen werden. Beifolgend das Verzeichnis Eurer Armee, die Chiffren für<192> die Festungskommandanten und die Chiffre, die Ihr in Euren Briefen an mich benutzen sollt. Da wir offene Verbindung behalten und einander ziemlich nahe bleiben werden, so können wir uns oft gegenseitig Nachricht geben. Nun aber bitte ich Gott, mein lieber Feldmarschall, er möge Euch in seine Hut nehmen.

Friderich.

Das einzige, was ich Euch noch dringend anempfehle: trennt nicht die Euch unterstellte Armee und verzettelt die Truppen nicht, haltet sie vielmehr zusammen, zumal die ganze Armee noch ziemlich schwach ist, also nicht zersplittert werden darf.

<193>

8. Schreiben des Königs an Feldmarschall Schwerin193-1

[Lobositz], 2. Oktober [1756] .



Mein lieber Feldmarschall!

Damit Ihr mir nicht vorwerft, ich fürchtete mich vor den 700 österreichischen Kanonen193-2, so glaubte ich es meinem Rufe zu schulden, einen Gewaltstreich gegen die Leute zu führen.

Ich bin am 27. aus meinem Lager von Groß-Sedlitz ganz allein aufgebrochen und habe mich zu meiner Armee in Böhmen begeben, die aus 60 Schwadronen und 28 Bataillonen besteht. Ich fand sie bei Aussig in einem Lager193-3, das ich für schlecht und unvorteilhaft hielt. Nach Erkundung der näheren Umstände faßte ich meinen Entschluß. Ich brach mit einer Vorhut von 8 Bataillonen, 10 Dragoner- und 8 Husarenschwadronen auf und marschierte an ihrer Spitze nach Türmitz. Die Armee<194> erhielt Befehl, mir in zwei Kolonnen zu folgen, die eine über den Paschkopole, die andere hinter der Vorhut her; denn die Poststraße von Aussig nach Lobositz war wegen der Panduren, die das rechte Flußufer194-1 besetzt hielten, nicht zu benutzen. Von Türmitz marschierte ich mit meiner Avantgarde nach Wellemin, wo ich am Abend eine Stunde vor Sonnenuntergang eintraf. Dort erblickte ich die österreichische Armee, rechts an Lobositz und links an die Eger angelehnt. Weder ihre Stärke von 60 000 Mann noch ihre Kanonen schreckten mich. Noch am Abend besetzte ich selbst mit 6 Bataillonen eine Lücke194-2 und die Lobositz beherrschenden Höhen, von denen aus ich am nächsten Morgen gegen den Feind vorbrechen wollte. In der Nacht traf meine Armee in Wellemin ein. Ich begnügte mich damit, die Bataillone in Linie hintereinander aufmarschieren zu lassen, ebenso die Schwadronen.

Am 1. Oktober, als der Morgen graute, nahm ich die höchsten Offiziere mit mir und zeigte ihnen das Gelände der Lücke, das ich mit der Armee besetzen wollte: die Infanterie im ersten Treffen auf zwei Höhen194-3 und in einem dazwischen liegenden Grunde, 6 Bataillone im zweiten Treffen und die ganze Kavallerie im dritten. Ich beeilte mich nach Kräften, meine Flügel auf den beiden Höhen gut anzulehnen und die Flanken zu sichern. Der rechte Infanterieflügel nahm seine Stellung ein. Ich traf alle Vorsichtsmaßregeln zu seiner Sicherung; denn in ihm sah ich mein Heil und die Hauptstütze der Armee. Meine Linke wurde, als sie sich formierte, gleich mit den Panduren und den feindlichen Grenadieren handgemein, die sich hinter den steinernen Weinbergsmauern eingenistet hatten.

So rückten wir bis zu der Stelle vor, wo der Bergrücken nach dem Feinde zu abfällt. Dort sahen wir die Stadt Lobositz stark mit Infanterie besetzt, davor eine schwere Batterie von 12 Geschützen und die Kavallerie teils in Linie, teils gestaffelt, zwischen Lobositz und dem Dorfe Sullowitz aufgestellt. Dichter Nebel herrschte. Alles, was man erblicken konnte, war eine Art von feindlicher Nachhut, die nur angegriffen zu werden brauchte, um sich zurückzuziehen. Da ich schlecht sehe, so nahm ich bessere Augen als die meinen zu Hilfe, um festzustellen, was eigentlich vorging, aber alle sahen das gleiche. Ich schickte Patrouillen zur Aufklärung vor, jedoch alle ihre Meldungen bestätigten meine Vermutung.

Nachdem ich also meine 24 Bataillone in der Lücke aufgestellt hatte, wie ich es für geeignet hielt, glaubte ich nur noch die vor mir stehende Kavallerie vertreiben zu brauchen, die fortwährend ihre Formation wechselte, wie Ihr es ungefähr aus der schlechten Skizze ersehen könnt, die ich Euch beilege194-4. Daraufhin ließ ich die feindliche Reiterei von dreißig Schwadronen angreifen. Sie warfen den Feind, verfolgten ihn aber zu hitzig und gerieten selbst in das feindliche Geschützfeuer. Nun mußten sie nach tapferem Widerstande zurückgehen und sich unter dem Schutze meiner<195> Infanterie sammeln. Kaum war diese Attacke erfolgt, als meine 60 Schwadronen ohne meinen Befehl und sehr wider meinen Willen zum zweitenmal angriffen. Trotzdem sie in beiden Flanken von 60 Geschützen beschossen wurden, schlugen sie die österreichische Kavallerie vollständig. Außer diesem Feuer stießen sie noch auf einen furchtbaren Graben, setzten darüber hinweg, prallten aber jenseits davon auf österreichische Infanterie, die in einem zweiten Graben stand, und auf Artillerie. Von dort aus und in der linken Flanke mit Feuer überschüttet, mußten sie sich unter den Schutz unserer Infanterie flüchten. Verfolgt wurden sie nicht. Ich benutzte den Augenblick, um sie wieder auf dem Berg hinter meiner Infanterie aufzustellen, wo ich sie wie im Manöver sammelte.

Inzwischen dauerte das Geschützfeuer fort, und der Feind machte die größten Anstrengungen zur Umfassung meines linken Infanterieflügels. Ich sah die Notwendigkeit ein, ihn zu unterstützen, und schickte ihm die beiden letzten Bataillone, die mir von den 24 blieben, zu Hilfe. Um gute Miene zum bösen Spiel zu machen, ließ ich die 24 Bataillone des ersten Treffens linksum machen. Die Lücke im Zentrum füllte ich zum Notbehelf mit meinen Kürassieren, und aus dem Rest der Kavallerie bildete ich ein zweites Treffen zur Unterstützung des Fußvolks. Zugleich rückte mein ganzer linker Infanterieflügel mit einer Viertelschwenkung staffelweise gegen Lobositz vor, eroberte den Ort trotz des Geschützfeuers und der unerhört starken feindlichen Infanterie in seiner Flanke und zwang die ganze feindliche Armee zur Flucht.

Der Herzog von Bevern zeichnete sich derart aus, daß ich sein Lob nicht laut genug singen kann. Mit 24 Bataillonen haben wir 72 vertrieben und, wenn Ihr wollt, 700 Geschütze. Von den Truppen rede ich nicht. Ihr kennt sie. Aber seit ich die Ehre habe, sie zu führen, sah ich noch nie solche Wunder der Tapferkeit bei der Reiterei wie beim Fußvolk. Die Infanterie eroberte ummauerte Weinberge und steinerne Häuser. Sie stand von 7 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags im Geschützund Gewehrfeuer und hielt vor allem den Angriff auf Lobositz aus. Kurz, sie kämpfte ununterbrochen, bis der Feind vertrieben war. Ich war besonders darauf bedacht, mit meinem rechten Flügel die Höhe zu halten. Das hat, glaube ich, den Sieg entschieden. Zeigt die beifolgende Skizze bitte Fouqué; er würde mir nie verzeihen, wenn er sie nicht zu Gesichte bekäme.

Ich ersehe aus alledem, daß die Feinde sich nur auf Stellungskämpfe einlassen wollen, und daß man sich hüten muß, sie auf Husarenart anzugreifen. Sie sind gewitzigter geworden als früher. Und glaubt mir aufs Wort: wenn man ihnen nicht starkes Geschütz entgegenstellen kann, würde es unendlich viel Leute kosten, sie zu schlagen.

Moller195-1 von der Artillerie hat Wunder vollbracht und mich hervorragend unterstützt.

<196>

Von meinen Verlusten rede ich nur tränenden Auges. Die Generale Lüderitz196-1 und Oertzen196-2 sind gefallen, auch Holtzendorff196-3 von den Gensdarmes. Kurz, ich will nicht weich werden, indem ich Euch meine Verluste melde. Aber dieser Gewaltstreich übertrifft den von Soor196-4 und alles, was ich bisher von meinen Truppen gesehen habe. Nun werden die Sachsen sich ergeben, und meine Aufgabe ist für dies Jahr beendet. Ich umarme Euch, lieber Feldmarschall, und rate Euch, vorsichtig zu sein. Adieu.

<197>

9. Denkschrift für England197-1
(29. Oktober 1756)

In der allgemeinen Gärung Europas wird Seine Britische Majestät um Erwägung des gegenwärtigen Standes der Dinge und der Mittel zur Abhilfe ersucht, damit man ohne Zeitverlust handeln und von Beginn des Winters an die nötigen Maßregeln ergreifen kann, um rechtzeitig den wahrscheinlich werdenden Unglücksfällen vorzubeugen.

Die Königin von Ungam hat 90 000 Mann regulärer Truppen in Böhmen, dazu 10 000 Ungarn, 8 000 Mann aus Italien, 16 000 aus Flandern, 4 000 Württemberger, 8 000 Bayern, 2 000 aus dem Bistum Bamberg und 24 000 Franzosen197-2, insgesamt 162 000 Mann. Über Rußland weiß man nichts Bestimmtes, aber nach seinen Erklärungen will es wenigstens 40 000 Mann gegen den König von Preußen ins Feld stellen. Frankreich hat, wie versichert wird, der Königin von Ungarn versprochen, mit 40 000 Mann eine Diversion nach dem Herzogtum Kleve zu machen. Seiner Britischen Majestät wird zu bedenken gegeben, ob er einen Einfall ins Klevesche kalten Blutes mitansehen kann. Die Fortschritte der Franzosen diesseits des Rheines dürften binnen kurzem die Weser und sein eignes Kurfürstentum197-3 bedrohen, und die deutsche Freiheit, die Sache des Protestantismus und das europäische Gleichgewicht würden dadurch aufs äußerste gefährdet.

Preußen kann nichts weiter leisten, als sich gegen soviel Feinde zu wehren. Es muß die Herzogtümer Kleve und Mark dem Zufall der Ereignisse preisgeben. Da es aber nicht genügt, die Diagnose zu stellen, schlägt man zugleich die einzigen Heilmittel vor, mit denen das Übel zu bekämpfen ist:

1. Völlige Loslösung Rußlands vom Wiener Hofe.

2. Die Hauptsache wäre, die Türkei zu einem Einfall in Ungarn zu bringen. Dadurch würde Preußen von mindestens 70 000 Feinden befreit.

3. Zusammenziehung aller hannöverschen Truppen im Lande, ihre Vermehrung auf 30 000 Mann. Das macht mit 10 000 Hessen, 5 000 Braunschweigern, 3 000 Go<198>thaern, die man zu ihnen stoßen läßt198-1, insgesamt 48 000 Mann. Dies Heer würde hinreichen, um den Franzosen die Spitze zu bieten, und wenn der Herzog von Cumberland seine Führung übernähme, würde es erhöhten Glanz erhalten. Die Sache scheint um so leichter durchführbar, als die französische Armee nach ihren großen Detachierungen nicht mehr stark genug wäre, um die englischen Küsten im nächsten Jahre zu beunruhigen.

4. Könnte man nicht einige Nachsicht gegen den Handel der Holländer üben und sie dadurch bestimmen, im nächsten Jahre gemeinsame Sache mit England zu machen, und wäre durch ihre Hilfe nicht mehr zu gewinnen, als die englischen Kaufleute durch das bißchen Schmuggel verlieren, den die Amsterdamer Kaufleute treiben?

5. Könnte man nicht einige Abgeordnete der Provinzen gewinnen, um sich die Oberhand im Staatsrate zu sichern?

Alle diese Punkte werden hier nur gestreift, da die Zeit fehlt, um sich über jeden gebührend auszulassen. Man unterbreitet sie aber alle der höheren Einsicht Seiner Britischen Majestät; denn sie verdienen im Hinblick auf den weiteren Verlauf des gegenwärtigen Krieges sicherlich die größte Beachtung. Ja, man würde sich zeitlebens Vorwürfe machen, wenn man jetzt, wo man den Winter zu Rüstungen benutzen kann, irgend etwas versähe, das den Untergang der deutschen Freiheit, die Vernichtung der protestantischen Sache und den Sturz der beiden einzigen Herrscher nach sich ziehen könnte, die Freiheit und Glauben verteidigen können, ganz abgesehen davon, daß das europäische Gleichgewicht völlig verloren ginge und in Europa der Despotismus der Häuser Bourbon und Österreich aufgerichtet würde, dessen verhängnisvolle Folgen nicht erst erörtert zu werden brauchen.

<199>

10. Denkschrift über die gegenwärtige Lage Europas und die von den Verbündeten zu ergreifenden Maßregeln, um im nächsten Feldzuge die Oberhand über ihre Feinde zu erlangen199-1
(November 1756)

Bei unparteiischer Prüfung dessen, was die Feinde Englands und Preußens in diesem Jahre unternommen haben, wird man ohne weiteres zugestehen, daß die Franzosen große Erfolge über die Engländer errungen haben, sowohl in Amerika wie in Europa. Sie haben Minorka weggenommen199-2 und Truppen in Korsika gelandet. Infolgedessen konnten die Engländer sich nicht in den Besitz dieser Insel setzen, die den Verlust von Port-Mahon hätte aufwiegen können. In Amerika sind die Franzosen nach der Meinung aller, die über die englischen Kolonien in Amerika Bescheid wissen, durch die Eroberung des Forts Oswego in der Lage, alles zu unternehmen, was sie wollen. In Deutschland haben Englands Verbündete zwar einige Erfolge errungen, aber bisher ist es zu keiner Entscheidung zwischen beiden Parteien gekommen, und die Würfel liegen, wie das Sprichwort sagt, noch auf dem Tische. Das Duumvirat199-3 beabsichtigt nach allem, was man hört, im nächsten Jahre die größten Anstrengungen zu machen. Laut den Nachrichten, die darüber vorliegen, bestehen die feindlichen Pläne in folgendem.

Erstens will Frankreich große Verstärkungen nach Kanada schicken, um seine dortigen Eroberungen auf englischem Gebiet wirksam fortzusetzen. Zweitens will es eine Flotte mit Landungstruppen nach Pondichery senden, um die Engländer aus Madras zu vertreiben. Drittens gedenkt es seine Demonstrationen am Kanal fortzusetzen, um die englischen Schiffe und Truppen in der Defensive zu halten. Viertens scheint es entschlossen, ein Heer von 50 000 Mann über den Rhein zu schicken, das Wesel erobern und ins Hannöversche eindringen soll.

<200>

Die Königin von Ungarn stachelt ihrerseits alle Reichsfürsten munter gegen Preußen auf. Sie zieht alle ihre Streitkräfte in Böhmen zusammen und will dort ein Heer von 130 000 Mann aufbringen, um den König von Preußen zu Boden zu schlagen. Ferner intrigiert sie in Rußland und allerorten, um dem König Feinde zu machen.

Das ist kurz und bündig die jetzige Lage Europas. Bevor ich auf die geeigneten Maßnahmen zur Abwehr so verderblicher Pläne näher eingehe, ist eine kurze Untersuchung nicht unangebracht, was wohl im vergangenen Feldzuge zu den Fortschritten der Franzosen am meisten beigetragen hat. Unzweifelhaft kommt ihre Seemacht weder an Zahl noch an Güte der englischen gleich. Fest steht, daß es beiden Mächten an Hilfsquellen bisher nicht fehlt. Wenn aber ein guter Verbündeter, der als wahrer Staatsbürger denkt, es sich herausnimmt, mit republikanischer Offenheit zu reden, so darf er wohl seine Vermutungen über die Gründe der französischen Erfolge äußern.

Ihm scheint, soweit er unterrichtet ist, daß England zweierlei außer acht gelassen hat. Erstens hat es die Gefahr, die Minorka und seinen amerikanischen Kolonien drohte, nicht rechtzeitig vorhergesehen, und zweitens hat es sich durch die Demonstrationen der Franzosen am Kanal irreführen lassen. Was den ersten Punkt betrifft, so ist es Sache eines tapferen und erfahrenen Mannes, die Gefahr vorherzusehen, selbst wenn sie nicht unmittelbar bevorsteht; denn für Unglücksfälle, die man zu spät voraussieht, gibt es keine Abhilfe mehr. Was den zweiten Punkt betrifft, so läuft man nach einer zuverlässigen Kriegsregel bei offensivem Vorgehen weniger Gefahr, als wenn man sich in der Defensive hält. Hätten also die Engländer irgend eine Unternehmung gegen ihre Feinde ins Werk gesetzt und mit Glück durchgeführt, so hätte dieser Gewinn auf der einen Seite sicher den Verlust auf der anderen aufgewogen. Außerdem verliert man beim Ergreifen der Offensive nichts, sondern gewinnt fast stets.

Jetzt, wo noch Zeit ist, für die Zukunft zu sorgen, wo ganz Europa, insbesondere England und Deutschland, sich in einer kritischen Lage befindet, aus der sich die Alliierten nur befreien können, wenn sie die rechten Maßregeln ergreifen, die ihnen im nächsten Jahre kraftvolleres Handeln erlauben, hört man nicht ohne tiefe Betrübnis von den inneren Unruhen und dem Geiste der Zwietracht, der in England herrscht200-1. Ist jetzt der richtige Augenblick, um sich über Kleinigkeiten zu streiten, wo die Freiheit Europas auf dem Spiele steht? Wo es sich fragt, ob England seine Kolonien behalten wird, die bisher der Quell seines Reichtums waren? Ob Deutschland und der Protestantismus weiterbestehen werden? Ob schließlich der König von England sein Kurfürstentum, seine Alliierten ihre Staaten und das Menschengeschlecht die Gedankenfreiheit behalten wird? Kann jemand sich einen Staats<201>bürger zu nennen wagen, der zur Vernichtung so vieler großer Interessen beiträgt, indem er die Uneinigkeit schürt, die England lahm legt und seinen Feinden gewonnenes Spiel gibt? Sollte ein so hochherziges Volk vorübergehende Interessen den ewig bleibenden, der Wohlfahrt des Vaterlandes und der Unabhängigkeit der mit ihm verbündeten Nationen vorziehen, denen England früher so hochherzig sein Hab und Gut und das Leben so vieler braver Männer geopfert hat? Welch unseliger Taumelgeist macht die Engländer jetzt zu ärgeren Feinden ihres Vaterlandes, als es selbst die Franzosen sind? Jawohl, ich wage dreist zu behaupten: Jeder Engländer, der in der gegenwärtigen kritischen Lage Europas seine Regierung an der unverzüglichen Unterstützung der gemeinsamen Sache hindert, kann nur als Feind des Vaterlands gelten; denn er macht England den rechtzeitigen Gebrauch seiner Macht und seiner Kräfte unmöglich. Aber da es nicht wahrscheinlich ist, daß eine so besonnene Nation sich lange dem Wahnsinn hingibt, gegen ihre eignen Interessen zu handeln, bin ich überzeugt, daß die Stille nach dem Sturm eintreten wird. Für diese Zeit der Wiederbesinnung erlaube ich mir, einige Vorschläge zu machen und sie dem Urteil der aufgeklärten Männer zu unterbreiten, die diese Denkschrift lesen werden.

Hält es die englische Regierung nicht für angezeigt, durch Abschluß neuer Bündnisse ein Gegengewicht gegen das Duumvirat zu schaffen, das sich zum Untergang der Alliierten verschworen hat? Geht man die europäischen Mächte durch, so scheint der Anschluß Hollands an die Alliierten in seinem eignen Interesse zu liegen. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung könnte auch Dänemark beitreten.

Es liegt im Interesse Hollands, mit den protestantischen Mächten verbündet zu sein, eine Barriere zum Schutz gegen ehrgeizige Unternehmungen von seiten Frankreichs zu haben und sich seinen Handel zu erhalten. Wie also kann Holland kaltblütig zusehen, daß die Franzosen ins Herzogtum Kleve eindringen, daß das Kurfürstentum Hannover zugrunde gerichtet und die beiden Säulen des Protestantismus von Feinden gestürzt werden, die die Protestanten rings umgeben und nur auf die Vernichtung der beiden Könige lauern, um die evangelische Freiheit zu unterdrücken? Diese Tatsachen springen doch gewiß genug in die Augen, um von vernünftigen Menschen eingesehen zu werden. Da in Republiken aber zu viele Bürger an ihren eignen Vorteil denken, so wäre es wohl nicht unmöglich, der Republik Holland zu schmeicheln, indem man angesichts der großen Dienste, die sie leisten könnte, über den Schmuggel der Privatleute ein Auge zudrückte201-1. Ja, ich halte es nicht für unangemessen, daß man Holland in dem eventuellen Vertrage einen neuen Festungsgürtel bewilligt, der aus den Städten Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen und Mecheln bestehen und an der Demer entlang bis Maastricht führen könnte. Bei den Summen, die das Haus Österreich der Republik schuldet, und den Subsidien, die es ihr laut<202> dem Barrieretraktat202-1 zu zahlen verpflichtet ist, würde diese neue Grenze nicht einmal eine volle Entschädigung für das bieten, was Holland zu fordern hat.

Auch zu einem Bündnis mit Dänemark scheint jetzt der rechte Augenblick zu sein. Die Ansprüche des dänischen Hofes und seine gegenwärtigen Streitigkeiten wegen der Besetzung der Stelle des Koadjutors im Bistum Lübeck202-2 sind wohl bekannt und könnten, wie ich meine, ausgenutzt werden.

Für den Landkrieg ist dieser Denkschrift ein Feldzugsplan für das Heer der Alliierten in Westfalen202-3 beigefügt. Zugleich aber wird darauf hingewiesen, daß, wenn es nicht noch einmal so kommen soll wie bei Minorka, kein Augenblick zu verlieren ist, um die notwendigen Maßregeln zur Aufstellung dieses Heeres zu ergreifen und besonders die Magazine zu errichten. Ich füge zu dem in jenem Plane Gesagten noch hinzu, daß es von größter Wichtigkeit ist, in dieser Hinsicht rasche und bestimmte Entschlüsse zu fassen. Fällt Wesel in Feindeshand, so ist das Kurfürstentum Hannover schwer bedroht; und haben die Franzosen es erst einmal in Besitz, so wüßte ich nicht, wie man sie daraus vertreiben soll.

Preußen seinerseits trifft schon zu dieser Stunde Maßregeln gegen seine Feinde, deren Zahl täglich wächst. Über die Haltung der Russen besteht noch keine Gewißheit. Obwohl in dieser Hinsicht noch ein schwacher Schimmer von Hoffnung bleibt, genügt er doch nicht, um schon jetzt zu bestimmen, wozu die Armee in Ostpreußen im Laufe des nächsten Feldzuges benutzt werden könnte.

Ich schließe diese Darlegungen mit der Bitte an die englische Regierung, die gegenwärtige Lage Großbritanniens und seiner Alliierten ernstlich zu erwägen, Kleinigkeiten den Interessen ganzer Nationen zu opfern, wenn möglich ein Bündnis mit Holland zu schließen, Rußland in Untätigkeit zu halten, Dänemark zu gewinnen und unverzüglich mit den feilen deutschen Fürsten, die ihre Truppen verkaufen wollen, Subsidienverträge abzuschließen202-4. Ferner empfiehlt es sich, mit den Rüstungen früher fertig zu sein als die Franzosen und, soweit möglich, Offensivpläne zu entwerfen, um den Krieg in Feindesland zu tragen und ihn von den eignen Grenzen fernzuhalten. Kurz, was auch geschehen möge, alles wird gut sein, wenn man nur zu irgend einem Entschluß kommt und Untätigkeit und Langsamkeit vermeidet. Sonst wird der Feind noch stärker, als er es ohnedies durch seine Macht, seine Hilfsquellen und die große Zahl seiner Truppen ist.

<203>

11. Feldzugsplan für die Armee der Alliierten203-1
(November 1756)

Nach den letzten Nachrichten aus Paris203-2 wollen die Franzosen den Feldzug schon im März eröffnen und ihre Operationen mit der Belagerung von Wesel beginnen, dann nach Westfalen vordringen und ins Kurfürstentum Hannover einfallen. Wie man weiß, rühmen sie sich, daß der König von Preußen von ihrem Vorhaben gegen Wesel nichts ahne und keinerlei Maßregeln treffe, um die Festung davor zu schützen.

Auf diese Nachrichten kann man wohl den Feldzugsplan für das nächste Jahr aufbauen. Alles wird der höheren Einsicht des Königs von England unterworfen, der bei seiner langen Erfahrung und genauen Ortskenntnis besser als irgend jemand imstande ist, den beifolgenden Feldzugsplan nach seinem Ermessen festzusetzen.

Nach allen bisher eingelaufenen Nachrichten über die Absichten des Feindes scheint Frankreich 50 000 Mann zur Eroberung von Kleve und Hannover bestimmt zu haben. Es ist also zunächst zu berechnen, welche Kräfte man diesem Heere entgegenstellen kann. Läßt der König von England die Hannoveraner und Hessen wieder nach dem Festland übersetzen203-3, so könnte er aus beiden Kontingenten ein Heer von 35 000 Mann aufstellen. Der Herzog von Braunschweig kann 5 000 Mann liefern, der Herzog von Gotha 4 000. Wird die Sache gleich angefaßt und der Handel mit ihnen unverzüglich geschlossen, so hätten wir mit diesen Truppen insgesamt 44 000 Mann. Marschieren die Franzosen nicht nach Böhmen und mischen sich vor allem die Russen nicht ein, so kann der König von Preußen noch 8 000 bis 10 000 Mann dazugeben. Das macht zusammen 54 000 Mann, eine genügende Zahl, um den Franzosen entgegenzutreten.

Soviel von der Aufstellung der Armee. Ehe ich auf ihre Operationen eingehe, seien noch einige Einzelheiten vorausgeschickt.

Zunächst ist zu prüfen, wie die Franzosen ihr Unternehmen ins Werk setzen können. Allem Anschein nach wird ihre Armee sich in den drei Bistümern oder bei<204> Visé204-1 versammeln. Zieht sie sich bei Metz zusammen, so hat sie von da bis Wesel einen Marsch von 40 deutschen Meilen, zu dem sie 17 Tage braucht. Versammelt sie sich bei Visé, so sind es nur 30 deutsche Meilen, d.h. ein Marsch von 13 bis 14 Tagen.

Sobald dieser Zug beschlossen ist, bieten sich nur drei Städte zur Anlage ihrer Magazine: Roermond, Kaiserswerth oder Neuß. Wahrscheinlich werden sie sich für die beiden ersteren entscheiden, sowohl der Lage wegen, als auch weil diese Orte mit einigen Befestigungen versehen sind und weil sie dann ihre Munition auf der Maas und dem Rhein bis Wesel befördern können.

Wesel ist gut befestigt, aber die Festungswerke sind im Verhältnis zur Stadt wie ein zu weiter Mantel auf dem Leibe eines schmächtigen, hageren Mannes. Die Stadt ist klein. Sie kann nicht mehr als die 6 Bataillone aufnehmen, die ihre Besatzung bilden. Also nur 4 200 Mann. Minenanlagen sind nicht vorhanden. Obwohl die Festung mit Geschütz und Kriegsvorrat versehen ist, könnte sie eine Belagerung von der Art, wie sie heute Brauch sind, nicht lange aushalten, insbesondere seit nicht mehr die Befestigungsanlagen, sondern die Minen die Stärke einer Festung ausmachen. Kämen die Franzosen also gegen den 15. oder 20. März vor Wesel an, so wäre der Fall der Festung schon gegen Ende des Monats zu gewärtigen. Die Eroberung Wesels wäre für die Franzosen höchst vorteilhaft; denn dadurch wären sie im Rücken gesichert, hätten einen Übergang über den Rhein, ein Magazin für ihre Armee und einen sicheren Stützpunkt für alle ihre Unternehmungen gegen Westfalen und Hannover.

Prüfen wir nunmehr, was sich zur Vereitlung der französischen Pläne empfiehlt.

Da die Franzosen glauben, daß wir von ihren Absichten auf Wesel nichts wissen, so müßten die Alliierten nach meiner Meinung so tun, als hätten sie von dem geplanten Zug keine Ahnung. Alle Maßnahmen, um ihn zu vereiteln, müßten daher mit allerhand glaubhaften Vorwänden bemäntelt werden, damit sie sich einbilden, daß man ihre Pläne nicht durchschaut.

Als geeignetster Ort zur Versammlung der Armee der Alliierten erscheint mir Hameln. Man könnte leicht aussprengen, das geschähe, um die Weser zu decken und die Armee diesseits kantonnieren zu lassen. Von Hameln hätte sie einen Marsch von etwa 24 deutschen Meilen bis zum Rheine. Bevor sie aber aufbricht, müßten erst Mehl- und Fouragemagazine an ihren Rastorten angelegt werden. Am geeignetsten erscheinen dazu Wesel für Mehl und Fourage, Dortmund und Hameln für bloße Mehldepots. Diese Maßregeln müssen sofort ausgeführt werden, oder es wird zu spät. Selbst wenn man später das Doppelte bar bezahlte, brächte man doch schwerlich so viel Lebensmittel auf, als erforderlich sind. Man muß also frühzeitig beginnen.

Nun zu den eigentlichen Operationen der Armee. Da meine ich: sobald man den Ort weiß, den die Franzosen zur Versammlung ihres Heeres bestimmt haben, und<205> den Tag, an dem es aufbrechen soll, kann der Höchstkommandierende mit der Armee der Alliierten abmarschieren, um ein paar Tage vor den Franzosen den Rhein zu erreichen. Bis Lippstadt kann er seine Truppen kantonnieren lassen; dann aber empfiehlt es sich, ein regelrechtes Lager zu beziehen. Von da muß er auf die Franzosen losmarschieren. Kommen sie von Metz, dann muß er über Angerort ins Kölnische rücken, wo sich die Wahl einer starken Stellung für das Lager empfiehlt. Kommen sie dagegen von Bisé, so lagert die Armee der Alliierten besser zwischen Rheinberg und Dinslaken am diesseitigen Rheinufer.

Die Lebensmittel für beide Lager können gleich bequem aus Wesel auf dem Rheine herangeschafft werden. Über den Rhein zu gehen rate ich nicht. Das wäre zu gewagt, wofern die Holländer nicht auf unsere Seite treten. Dann freilich wären die Pläne zu ändern. Solange aber auf ihre Hilfe nicht zu rechnen ist, scheint es mir zu gefährlich, über den Rhein zu gehen, zumal die französische Grenze noch sehr weit entfernt ist.

Die beiden für die Armee vorgeschlagenen Stellungen decken unzweifelhaft Wesel. Angenommen, die Franzosen gingen bei Düsseldorf oder sonstwo über den Rhein, so ist es nicht wahrscheinlich, daß sie ihre Flanke der Armee der Alliierten darbieten, indem sie in Westfalen eindringen. In dem Falle müßten die Alliierten ein Lager hinter der Lippe beziehen, mit der rechten Flanke nach Wesel. Wären die Franzosen dann töricht genug, in Westfalen einzudringen, so könnte man ihnen in den Rücken fallen, und dann käme gewiß keiner davon.

Die Alliierten müssen sich in diesem Kriege auf die Defensive beschränken. Eine Schlacht wagen, hieße zuviel aufs Spiel setzen. Ginge sie verloren, so wären die Besitzungen der Könige von England und Preußen allzusehr gefährdet. Durch die vorgeschlagene Defensive dagegen werden die Pläne der Feinde zunichte gemacht, ihr Feldzug wird vergeblich, und wir gewinnen Zeit. Damit ist alles gesagt. Schließen wir den Feldzug mit Erfolg ab, so ist sehr zu hoffen, daß Holland sich für uns erklärt, und dann bekommt die Frage ein ganz anderes Aussehen. Solange aber die Alliierten des holländischen Beistandes nicht sicher sind, läßt sich anscheinend nichts Besseres tun, als den obigen Vorschlag zu befolgen.

<206>

12. Kurzgefaßte Gründe, durch die ein österreichischer Gesandter zu London im Jahre 1763 Subsidien von England erlangen kann206-1
(Anfang Juli 1757)

1. In rührenden Ausdrücken wird er das Bedauern der Kaiserin-Königin schildern, das Bündnis mit England aufgegeben zu haben, und alle Schuld auf Graf Kaunitz werfen, der die Königin durch sein Ansehen und seine Einflüsterungen zu diesem Entschlusse gedrängt hätte.

2. Geschickt wird er einblasen, die Königin sei trotz ihrer Verpflichtungen gegen Frankreich aus Herzensneigung dem König von England dienlich gewesen. Sie habe dem Versailler Hofe seinen Plan ausgeredet, den Prätendenten206-2 auf den englischen Thron zu setzen. Sie sei für die Schonung Hannovers eingetreten, das ohne die Vermittlung des Wiener Hofes gebrandschatzt worden wäre.

3. Das Bündnis mit Frankreich sei nur von vorübergehender Dauer, in einer Anwandlung von schlechter Laune und Ärger abgeschlossen und werde nur durch den Zwang der Verhältnisse aufrechterhalten.

4. Zur Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichtes müsse man notwendig auf seine alten Verpflichtungen zurückgreifen, an denen England größeres Interesse<207> habe als die Kaiserin-Königin; denn England brauche als Gegengewicht gegen die Übermacht Frankreichs einen Verbündeten mit großen, reichbevölkerten Provinzen, die viele Soldaten liefern könnten, um sie dem gemeinsamen Feinde entgegenzustellen.

5. Da England im letzten Kriege die Erfahrung gemacht habe, daß es Frankreich zur See allein nicht gewachsen sei, so müßten die Seekriege zu Englands eignem Nutz und Frommen durch große Diversionen zu Lande unterstützt werden, und dazu wäre keine andere Macht außer der Königin von Ungarn imstande.

6. Der Gesandte wird sich lang und breit über die Verirrungen des menschlichen Geistes ergehen und betonen, daß es manche Sünden gibt, die einer dem andern zum gemeinsamen Besten verzeihen müsse. Er wird hinzufügen, das Bündnis zwischen dem Hause Österreich und Frankreich sei ein Glück für England; denn nun habe es selbst erfahren, wie falsch und verkehrt dies System sei, und nachdem man in Wien durch eignen Schaden klug geworden sei, betrachte man es als unveränderlichen Grundsatz der österreichischen Politik, nie und nimmer von dem Bündnis mit England zu lassen und Englands Interessen wie die eignen zu fördern. Er könne dreist versichern, daß kein österreichischer Minister in anderem Tone zur Königin sprechen dürfe, wenn er nicht seinen sicheren Sturz wolle.

Nachdem er die Geister durch solche schönen Reden lange genug bearbeitet und günstig gestimmt und sich in Klagen über die frühere Verblendung seines Hofes ergangen hat, wird er den englischen Ministern geschickt einblasen, daß man sich in Wien über nichts größere Vorwürfe mache als über die Abtretung Ostendes an die Franzosen207-1; denn in ihrem Besitz tue dieser Hafen dem englischen Handel großen Abbruch. Man wisse ja in London, daß der Wiener Hof die Provinzen Flandern und Brabant stets als lästigen Besitz angesehen habe, und wenn man Ostende den Franzosen wieder abnehmen möchte, so geschähe das einzig und allein mit Rücksicht auf den englischen Handel, an dem man unvergleichliches Interesse nähme. Dadurch könne man das Unrecht wieder sühnen, das man in einer Zeit des Taumels seinen alten, treuen Verbündeten zugefügt habe, und die Dinge ungefähr wieder auf den Stand bringen, in dem sie sich befinden sollten.

Gerührt von der ehrlichen Reue der Königin von Ungarn und von dem Interesse, das sie dem englischen Handel entgegenbringt, bewilligt ihr das britische Ministerium von 1763 ab jährlich eine Million Pfund Sterling, um Ostende, Nieuport Veurne, Dixmuiden und Dünkirchen den Franzosen wieder zu entreißen, verspricht<208> das Vergangene als ungeschehen zu betrachten und erkennt an, daß England in Europa keine eifrigere, uneigennützigere und dankbarere Bundesgenossin finden kann als die Königin von Ungarn.

Dixi.

(Aus den Weissagungen des Nostradamus208-1.)

<209>

13. Rechtfertigung meines politischen Verhaltens209-1
(Juli 1757)

Fast stets wird behauptet, die Könige schuldeten Gott allein Rechenschaft für ihr Handeln. Das ist aber nur im Sinne ihrer unbeschränkten Machtvollkommenheit zu verstehen. Kein andrer Fürst kann sie für ihre Handlungen verantwortlich machen; die Stände haben kein Recht, sie über die Gründe ihrer Entschließungen zu befragen. Gleichwohl vergibt ein guter Fürst seiner Würde nichts, ja er folgt nur seiner Pflicht, wenn er sein Volk, dessen Haupt oder erster Diener er nur ist209-2, über die Gründe aufklärt, die ihn mehr zu dem einen als zu dem andern Entschlusse bewogen haben. Was mich betrifft, der ich Gott sei Dank weder den Hochmut des Gebieters noch den unerträglichen Dünkel der Königswürde besitze, so trage ich keinerlei Bedenken, dem Volke, zu dessen Herrscher mich der Zufall der Geburt gemacht hat, Rechenschaft über mein Verhalten abzulegen. Meine Absichten waren lauter, meine Pläne bezweckten nichts, als die Ruhe<210> und den Frieden des Staates zu sichern. Mein Gewissen ist so rein, daß ich mich nicht scheue, meine Gedanken laut auszusprechen und die geheimsten Triebfedern meiner Seele offen darzulegen.

Jedermann weiß, daß die Wirren, die Europa aufwühlen, ihren Anfang in Amerika genommen haben, daß der zwischen Engländern und Franzosen ausgebrochene Streit um den Stockfischfang und um einige unbebaute Gebiete in Kanada den Anstoß zu dem blutigen Kriege gegeben hat210-1, der unseren Erdteil in Trauer versetzt. Jener Krieg war von den Besitzungen der deutschen Fürsten so weit entfernt, daß sich schwer einsehen läßt, wie der Brand von einem Weltteile zu einem andern übergreifen konnte, der scheinbar gar keine Verbindungen mit ihm hat. Dank der Staatskunst unseres Jahrhunderts gibt es aber gegenwärtig keinen Streit in der Welt, so klein er auch sei, der nicht in kurzer Frist die gesamte Christenheit zu ergreifen und zu entzweien vermöchte.

Indes kommt es hier nicht auf Erörterung allgemeiner Fragen oder auf leere Deklamationen an. Man muß sich an Tatsachen halten und an den Gegenstand herangehen.

Das Jahr 1755 sah Preußen im Bunde mit Frankreich und Schweden. Die Königin von Ungarn hatte nichts im Sinne als die Wiedergewinnung Schlesiens, auf das sie in zwei formellen Verträgen verzichtet hatte. Sie setzte ganz Europa gegen uns in Bewegung. Sie war mit England und Rußland verbündet. Durch die englischen Guineen hatte sie die Moskowiter zu alljährlichen Demonstrationen an den Grenzen Livlands und Kurlands gebracht. Der König von Polen hatte als Kurfürst von Sachsen sein Geschick so eng mit dem des Hauses Österreich verknüpft, und seine Erbitterung gegen Preußen war so bekannt, daß man von seiner Seite nur verräterische Handlungen gewärtigen konnte. Das heißt, es war zwar nicht anzunehmen, daß er sich gleich zu Anfang gegen Preußen erklären, wohl aber, daß er das erste Unglück benutzen würde, um uns zugrunde zu richten. Dazu kam ihm die Lage seines Landes ungemein zustatten. Während des Friedens war ich vom Jahre 1748 bis zum gegenwärtigen Kriege über alle Intrigen der feindlichen Höfe unterrichtet, ja ich hatte ihre gesamte Korrespondenz in Händen210-2. Das ist klar und erwiesen durch die Dokumente zur Rechtfertigung meines Verhaltens, die gedruckt und in aller Händen sind210-3.

Als der Krieg in Amerika zwischen Frankreich und England ausbrach, sah ich voraus, daß ich Schritt für Schritt hineingezogen werden könnte, und beschloß alles zu tun, was in meinen Kräften stand, um nicht in diesen Streit verwickelt zu werden. Seit dem Herbst des Jahres 1755 fürchteten die Franzosen, die Überlegenheit zur See über die Engländer nicht erringen zu können. Sie planten daher, den König von England in seinen deutschen Besitzungen anzugreifen, in der Hoffnung, die Zwistig<211>keiten, die sie in Amerika mit den Engländern hatten, im Lande Hannover ausfechten zu können. Sofort lenkten sie ihre Blicke auf mich, in der Annahme, es fehle mir nur an Gelegenheit, mich herumzuschlagen. Unser Defensivvertrag schloß aus unsern Garantien in klaren Ausdrücken alle Streitigkeiten aus, die in einem andern Erdteil ausbrechen konnten. Über diese Schwierigkeit ging der französische Minister Rouillé indes leicht hinweg und sagte in aller Form zu meinem Gesandten Knyphausen, „daß in Hannover ein schöner Schatz läge und daß man ihn mir überließe“. Ich ließ ihm kurzerhand antworten, solche Vorschläge solle man einem Mandrin machen, nicht aber dem König von Preußen211-1.

Daraufhin suchte der König von England meine Freundschaft und ließ mir durch den Herzog von Braunschweig Vorschläge zu einem Neutralitätsvertrag machen, durch den die Ruhe in Deutschland gesichert würde211-2. Ich wollte mich zu nichts verpflichten, bevor ich nicht bestimmt wußte, ob Rußland mehr den Antrieben des Wiener oder des Londoner Hofes folgte. Daraufhin schrieb ich an Klinggräffen nach Wien. Er versicherte mir, der Wiener Hof habe kein Geld, die Engländer dagegen verfügten über volle Beutel und die Russen wären wie die Schweizer nur für die zu haben, die sie bezahlten. Auch der Londoner Hof versicherte mir in aller Form, er könne für Rußland einstehen und ich hätte von dort nichts zu besorgen211-3. Privatnachrichten bestätigten den Geldmangel des Petersburger Hofes, sodaß ich mit aller Wahrscheinlichkeit annehmen mußte, daß Rußland blind Englands Partei ergreifen oder doch wenigstens sich nicht gegen die Verbündeten des Königs von Großbritannien erklären würde. Mein Bündnis mit Frankreich lief mit dem Mai des Jahres 1756 ab. Ein Entschluß mußte gefaßt werden. Die Franzosen drängten mich zum Handeln. Gab ich ihren Wünschen nach, so sah ich mich in einen Krieg mit dem Hause Österreich, mit Rußland, England und den meisten deutschen Fürsten verwickelt. Schloß ich aber ein Bündnis mit dem König von England, so hatte ich anscheinend nur die Königin von Ungarn zu fürchten. Der Ausweg des Neutralitätsvertrags schien mir also der sicherste, und ich gab ihm besonders deshalb den Vorzug vor andern, weil ich darin die einzige Möglichkeit sah, den Frieden in Deutschland zu erhalten.

Im Winter des Jahres 1755 kam der Herzog von Nivernais mit Vorschlägen zu einem neuen Vertrage nach Berlin211-4. Um mich der Diversion nach Hannover geneigter zu machen, bot er mir den Besitz der Insel Tabago an. Ich antwortete ihm offen, ich hätte keine Lust, mir das gleiche bieten zu lassen, wie der Marschall von Sachsen, dem man diese Insel vorher gegeben hatte. Auch führte ich keine Kriege für Bezahlung. Dann zeigte ich ihm meinen Vertrag mit dem König von England und sagte ihm, ich hätte keine anderen Gründe zu seiner Abschließung gehabt als den aufrichtigen Wunsch, Deutschland die Ruhe zu bewahren. Die Franzosen fühlten sich durch diesen Vertrag außerordentlich verletzt, obgleich nicht der geringste Grund dazu<212> vorlag. Sie hatten sich indes in den Kopf gesetzt, ich würde der Don Quichotte all ihrer Streitigkeiten sein, und auf ihren Wunsch würde ich Krieg führen oder Frieden halten, wie es ihnen in den Kram paßte. Ich für mein Teil glaubte und glaube noch, daß ein souveräner Fürst das Recht besitzt, Bündnisse abzuschließen, mit wem er es für gut hält, und daß nur tributpflichtige und in Solddiensten stehende Mächte den Befehlen ihrer Oberherren oder ihrer Geldgeber zu folgen haben.

Meine Absicht ging auf die Erhaltung der Ruhe in Deutschland. Bis zum Frühling des Jahres 1756 hoffte ich, es würde mir gelingen. Da erfuhr ich, daß eine starke russische Truppenmacht sich in Kurland zusammenzöge. Das erschien mir um so merkwürdiger, als ich infolge meiner Verbindung mit den Engländern sicher war, daß sie nicht hinter dieser Demonstration stecken konnten. Daraufhin verlangte ich Aufschluß vom Londoner Ministerium, und sobald mir klar wurde, daß jene Bewegungen nicht im Einverständnis mit dem König von England geschahen, schöpfte ich starken Verdacht gegen Rußlands Haltung. Im Monat Juni, als ich in Magdeburg war, erfuhr ich, daß jene Armee noch verstärkt würde212-1. Die Gesamtumstände, verbunden mit den jetzt veröffentlichten Korrespondenzen, ließen mich fürchten, daß Ostpreußen von seiten Rußlands einen Einfall zu gewärtigen habe. Daraufhin ließ ich einige Regimenter nach Pommern marschieren, damit sie bereit wären, zu den Truppen in Ostpreußen zu stoßen212-2. Diese Bewegung, die der Königin von Ungarn gar keinen Grund zum Mißtrauen geben konnte, veranlaßte sie dennoch, eine große Anzahl ihrer Truppen in Böhmen einrücken zu lassen. Bekannt ist, wie diese Maßregel Auseinandersetzungen212-3 zur Folge hatte, die den Krieg herbeiführten.

Sobald ich erfahren hatte, daß die österreichischen Truppen sich in allen Provinzen rührten, gab ich Knyphausen Befehl, mit Rouillé Rücksprache zu nehmen und ihn davon in Kenntnis zu setzen, daß sich in Deutschland ein Gewitter zusammenzöge. Falls er den Sturm noch beschwören wolle, wäre es nun Zeit, am Wiener Hofe, mit dem ja Frankreich eben ein Bündnis geschlossen hatte212-4, Vorstellungen zu machen. Rouillé antwortete trocken, daß Frankreich sich in diese Dinge weder einmischen könne noch wolle.

Auf die unbestimmte und hochfahrende Antwort hin, die Graf Kaunitz an Klinggräffen gab, sah ich mich zum Kriege gezwungen. Die Königin von Ungarn hatte ihn beschlossen, und bei längerem Warten hätte ich meinen Feinden nur Zeit zur Vollendung ihrer Rüstungen gegeben. Es galt also, das Prävenire zu spielen, damit man uns nicht zuvorkam. Griff ich die Königin von Ungarn von Schlesien her an, so war mir die Unmöglichkeit klar, ihr großen Schaden zuzufügen. Auch ließ ich damit dem König von Polen und Kurfürsten von Sachsen, meinem gefährlichsten<213> Nachbar, Zeit genug, mit Hilfe von Subsidien ein Heer von 40 000 Mann auf die Beine zu bringen. Zudem war ein glücklicher Feldzug in Böhmen nur möglich, wenn man von Sachsen aus eindrang; denn hier gewährten die Elbe und die Verbindung mit der Kurmark die Möglichkeit, sich zu behaupten.

Das sind wahrheitsgemäß die Gründe, aus denen ich den gewählten Entschluß allen andern vorzog. Wie konnte ich ahnen, daß Frankreich 150 000 Mann ins Reich schicken würde? Wie konnte ich ahnen; daß das Deutsche Reich sich gegen mich erklären, daß sich auch Schweden hineinmischen, daß Frankreich Subsidien an Rußland zahlen, daß England trotz der gegebenen Garantien Hannover nicht unterstützen würde, daß ferner Holland sich ruhig von den Franzosen und Österreichern einschließen lassen und Dänemark das Vorgehen der Russen und Schweden gleichgültig mitansehen würde, kurz, daß die Engländer mich im Stich lassen würden? Der Staatsmann kann nicht in der Zukunft lesen. Was der Volksmund Zufall und der Philosoph unberechenbare Ursachen nennt, kann er nicht in Anschlag bringen. Wir haben Grundsätze, die für unsere Urteile maßgebend sind: der Vorteil der Herrscher und die Bundesverpflichtungen, die sie übernommen haben. Indes ist der letzte Punkt nicht immer sicher. Nun aber war Frankreich nach seinen Verträgen nur verpflichtet, der Königin von Ungarn 24 000 Mann Hilfstruppen zu stellen. Mit dem König von Polen hatte es überhaupt keinen Vertrag. Auch die verwandtschaftlichen Beziehungen des Herrscherhauses zwangen es nicht zur Hilfeleistung. Denn Ludwig XIV. hat den Herzog von Savoyen, den Schwiegervater des Herzogs von Burgund, bekriegt213-1. Niemals haben Blutsbande die Politik der Könige beeinflußt. Wie konnte man da voraussehen, daß die Tränen der Dauphine213-2, die Verleumdungen der Königin von Polen und die Lügen des Wiener Hofes Frankreich in einen Krieg hineinziehen würden, der seinem politischen Vorteil strikt widersprach? Seit undenklichen Zeiten lag Frankreich mit Österreich im Kriege. Die Interessen beider Länder standen in schroffstem Gegensatz. Die Politik Frankreichs lief allezeit darauf hinaus, einen mächtigen Verbündeten im Norden zu haben, dessen Diversionen ihm nützlich werden konnten. Schweden, dessen es sich früher bediente, hat seine Macht und seinen Einfluß auf die kontinentalen Angelegenheiten verloren. So blieb ihm also nur Preußen. Wer konnte auf den Gedanken kommen, daß ein unerklärlicher Gesinnungswechsel und die Ränke einiger Schwätzer es dahin bringen würden, seine Interessen und das einzige ihm günstige System zu verlassen? Warum bezahlt es Hilfsgelder an Rußland? Warum bewaffnet es Schweden? Warum hetzt es das Deutsche Reich gegen Preußen auf, wenn nicht, um es zugrunde zu richten? Entsprang diese Haltung etwa dem Groll über Preußens Neutralitätsvertrag mit England? Die Rache schiene mir sehr übertrieben! Geschah es etwa wegen einiger Gebietsabtretungen in Flandern, die die Königin von<214> Ungarn den Franzosen versprochen hatte214-1? Der Köder erscheint mir denn doch zu grob. Ich weiß nicht, ob Frankreich in der Folge nicht zu der Einsicht kommen muß, daß, so schön das alles auch aussieht, der Machtzuwachs des Hauses Österreich, für den es gegenwärtig so ins Zeug geht, sich mit der Zeit in seinen größten Nachteil verwandeln wird. Als Vorwand für seinen Einfall ins Reich führt Frankreich die Garantien des Westfälischen Friedens an. Als die Preußen 1745 in Sachsen einrückten, beglückwünschten mich diese Hüter des Westfälischen Friedens zu meinen glücklichen Waffentaten. Wie kann nun das, was im Jahre 1745 gut war, im Jahre 1757 schlecht sein? Warum greift Schweden zu den Waffen, nur weil tausend Mann leichter Truppen durch ein paar würzburgische Dörfer marschiert sind214-2? Unsere Feinde haben für ihr Benehmen nicht einmal einen Vorwand finden können; selbst daran gebricht es ihnen.

Konnte ich voraussehen, daß in einem so ernsten Kriege, der das Interesse der englischen Nation wachruft, der das politische System und die Freiheit Europas bedroht, die Kabalen und inneren Zwistigkeiten den englischen Nationalvorteil derart überwiegen, daß die Minister die Interessen Europas über ihren häuslichen Streitigkeiten vergessen würden214-3? Die Engländer hatten mir ein Geschwader für die Ostsee versprochen. Wie konnte ich voraussehen, daß sie es mir rundweg in einem Augenblick verweigern würden, wo ich es am nötigsten brauchte214-4?

Wenn ich nichts über das schemenhafte Deutsche Reich sage, das für seine Tyrannen arbeitet, so geschieht das nur, weil das Reich sich in seiner Schwäche stets der stärksten Macht gefügt hat, von der es sich bedroht sah. Was soll man aber dazu sagen, daß Holland seine Verträge mit England bricht und sich rings von den Franzosen umzingeln läßt? Daß Dänemark zusieht, wie Schweden seinen Verträgen zuwiderhandelt und nach der Einnahme von Pommern wohl ebenso imstande ist, alle seine Abtretungen214-5 zu widerrufen? Dasselbe Dänemark läßt Rußland ungestört die Macht in der Ostsee an sich reißen und sichert sich keine Hilfe, um sich Holstein zu erhalten, falls der russische Großfürst214-6 nach seiner Thronbesteigung sein Erbland wieder in Besitz nehmen will.

Das alles sind Vorgänge, die menschliche Klugheit nicht voraussehen konnte. Man klage mich, wenn man Lust hat, vor dem Richterstuhl der Politik an. Ich behaupte trotzdem: Europa hat seit der Ligue von Cambrai214-7 kein so verhängnisvolles Komplott wie dieses erlebt. Selbst jene Ligue läßt sich nicht mit dem gefährlichen Triumvirat vergleichen, das sich gegenwärtig erhebt und sich das Recht anmaßt, Könige zu ächten, ja dessen ehrgeizige Absichten noch nicht einmal ganz zutage getreten sind. Würde man wohl einen Wanderer, gegen den sich drei Straßenräuber mit ihren Spießgesellen zusammengetan haben, der Unklugheit bezichtigen, weil er in der Tiefe<215> eines Waldes ermordet wird, durch den seine Geschäfte ihn notwendig führen? Würde nicht vielmehr jedermann der Spur der Räuber nachsetzen, um sie zu fangen und sie der Justiz zu überantworten, damit sie den verdienten Lohn erhalten?

Was sind wir doch für armselige Menschen! Die Welt beurteilt unser Verhalten nicht nach unsern Beweggründen, sondern nach dem Erfolge. Was bleibt uns da übrig? Man muß Glück haben.

<216>

14. Die Gründe meines militärischen Verhaltens216-1
(Juli 1757)

Viele über die wirkliche Sachlage nur unzureichend Unterrichtete haben sich über die Führung meiner Armeen nach der Schlacht bei Prag aufgehalten. Ich will die Gründe meines Verhaltens hier schlicht und wahr darlegen. Die Kenner mögen dann beurteilen, wer recht hat: meine Kritiker oder ich.

Man sagt, die Belagerung von Prag216-2 wäre ein Wagnis gewesen. Anstatt das geschlagene feindliche Heer einzuschließen, hätte man es lieber entweichen lassen und dann verfolgen sollen. Darauf erwidere ich: die Blockade einer zwar geschlagenen, aber starken Armee war allerdings ein sehr schwieriges Unternehmen, wäre aber gelungen, hätte der Feind nicht, unseren anfänglichen Informationen entgegen, so große Proviantmagazine besessen, oder hätte Leopold Daun nicht so starke Streitkräfte zu sammeln vermocht. Das ist der Kernpunkt der Sache. Wir hatten den Feind in offener Feldschlacht geschlagen. Sein rechter Flügel war abgeschnitten und vom linken getrennt. Ich war mit aller Kavallerie und Infanterie, die ich zusammenraffen konnte, drauflosmarschiert, um die Flüchtlinge von der Sazawa abzuschneiden. Das gelang so gut, daß ich sie bis an den Wischehrad drängte und sie zwang, sich in wildem Durcheinander in die Stadt zu retten. Ferner sandte ich ein Detachement hinter den Flüchtlingen her, die bei Beneschau über die Sazawa gegangen waren. Ließ ich aber die entkommen, die sich nach Prag gerettet hatten, so setzte ich das einmal Errungene wieder aufs Spiel und verpaßte eine unvergleichliche Gelegenheit, 40 000 Mann zu Kriegsgefangenen zu machen. Wir hatten sie durch unsere Stellungen und Schanzen schon von zwei Seiten derart eng umzingelt, daß sie nicht mehr an ein Entkommen zu denken wagten. Durch Feuer und Bomben hoffte ich einige ihrer Magazine zu zerstören und sie durch Hunger zu bewältigen. Das war das einzig vernünftige Mittel, sie zur Übergabe zu zwingen. Sie wirklich zu belagem, wäre angesichts der starken Besatzung ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Die Erstürmung von Prag wäre ein Spiel mit Menschenleben gewesen, und man hätte dem Zufall mehr überlassen, als einem klugen Feldherrn erlaubt ist. Die Blockade hingegen im<217> Verein mit dem Bombardement hatte unsere Sache so sehr gefördert, daß sich die eingeschlossene Armee höchstens bis zum 28. Juni hätte halten können. Dann hätte sie die Waffen strecken müssen.

Hätten wir kein andres Hindernis gehabt als die Belagerung selbst und die starke Besatzung von Prag, so wäre uns die Sache sicher geglückt. Aber folgende Schwierigkeiten wurden uns verhängnisvoll und wuchsen uns schließlich über den Kopf. Bekanntlich befand sich Feldmarschall Daun mit 14 000 Mann in vollem Anmarsch und wollte bei Prag zu Browne stoßen. Er stand am Tage der Schlacht bei Böhmisch-Brod. Ich detachierte den Herzog von Bevern mit 15 Bataillonen und 70 Schwadronen zur Vertreibung Dauns, dessen Nähe gefährlich war. Der Herzog drängte ihn in der Tat zurück, aber nicht mit der ganzen erwünschten Energie. Immerhin nahm er die Magazine von Nimburg, Suchdol, Kolin und Kuttenberg weg und warf Daun bis Czaslau zurück. Aber Daun erhielt große Verstärkungen, und auf die Nachricht hin entschloß ich mich, die Stellungen um Prag enger zusammenzuziehen und selbst mit 16 Bataillonen und 30 Schwadronen zum Herzog von Bevern zu stoßen. Inzwischen hatte Daun seinerseits den Herzog umgangen und ihn zum Verlassen der Höhen von Kuttenberg gezwungen. Als ich mich im vollen Anmarsch befand, um bei Kuttenberg zu ihm zu stoßen, sah ich ihn in Kaurzim anlangen, wo ich mich vorübergehend gelagert hatte217-1.

Demgegenüber behaupten die Kritiker: wenn ich imstande gewesen sei, den Herzog von Bevern mit 16 Bataillonen und ebensoviel Schwadronen zu verstärken, so hätte ich das von Anfang an tun sollen. Dadurch hätte ich ihm die Ausführung meines Auftrags erleichtert, und er hätte Leopold Daun dann sicher aus Böhmen vertrieben.

Darauf antworte ich ihnen: sie haben zwar sehr recht, es war mir aber unmöglich, soviel Leute von den Prager Belagerungstruppen fortzunehmen, bevor die Einschließungslinie enger gezogen war. Einige dieser Stellungen hatten wir erst mit dem Degen in der Hand erobern müssen. Um uns in anderen festsetzen zu können, mußten erst viel Erdarbeiten gemacht werden. Die Schlacht bei Prag hatte 16 000 Tote und Verwundete gekostet, und für die Errichtung der Batterien, deren Deckung und für die Erdarbeiten waren so viel Leute nötig, daß die Truppen nur einen um den andern Tag Ruhe hatten. Schließlich war unser Hauptzweck die Einnahme Prags. Hätten wir unsere Kräfte von vornherein gegen Daun verwandt, so wäre vielleicht beides mißlungen.

Schön, sagt man, es mag noch hingehen, daß du Daun nicht soviel Truppen entgegenschicktest. Warum aber hast du nicht die Regel der großen Feldherren befolgt, mit der Beobachtungsarmee jeden Kampf zu vermeiden, und dich nicht damit begnügt, befestigte Stellungen zu besetzen, den Feind an der Verstärkung der Belagerten zu verhindern und durch Bewegungen und geschickte Märsche die Absichten der feind<218>lichen Generale zu vereiteln? Darauf erwidere ich dreist: diese Regel ist nicht allgemein gültig. Bei der Belagerung von Dünkirchen griff Turenne Don Juan d'Austria, den Prinzen Condé und Estevan de Gamare in den Dünen an218-1, schlug sie und eroberte die Stadt. Als Ludwig XIV. Mons belagerte, schlug sein Bruder, der Herzog von Orleans, oder vielmehr der Marschall von Luxemburg, der die Beobachtungsarmee befehligte, bei Mont-Cassel den Prinzen von Oranien, der der Stadt zu Hilfe eilen wollte218-2. Auch Prinz Eugen schlug die Türken bei Belgrad218-3. Während der Belagerung von Tournai schlug der Marschall von Sachsen den Herzog von Cumberland bei Fontenoy218-4, und den Marschällen La Feuillade und Marsin wird mit Recht der Vorwurf gemacht, daß sie ihre Verschanzungen bei Turin nicht verlassen haben, um dem Prinzen Eugen entgegenzutreten, der mit Riesenschritten auf Turin rückte218-5. So verlor Frankreich im Jahre 1706 Italien einzig und allein deshalb, weil die Franzosen in ihren Verschanzungen blieben, statt sich dem Vorrücken des Prinzen Eugen entgegenzustellen. Ich glaube, das sind Beispiele genug zur Rechtfertigung eines heutigen Heerführers, der den großen Vorbildern folgen und, fehlt es ihm an Erfahrung, sich an sein Gedächtnis halten soll. Aber nicht genug damit: ich will auch die besonderen Gründe anführen, die mich zu meinem Entschlusse bestimmten.

Fast ganz Europa hatte sich gegen Preußen verbündet. Ich durfte nicht abwarten, bis alle meine Feinde mit vereinten Kräften über mich herfielen. Der Herzog von Cumberland brauchte Hilfe218-6. Die Reichstruppen versammelten sich. Wären im Juli 30 000 Preußen ins Reich eingerückt, so hätten sie dies Phantom von Reichsarmee in alle Winde zerstreut und am Ende noch die Franzosen aus Westfalen herausgeworfen. Die Staatsraison gebot also, sich des nächststehenden Feindes zu entledigen, um freie Hand gegen die anderen zu bekommen.

Dazu traten mehrere strategische Gründe. Erstens wurde die Beschaffung von Fourage für die Belagerungsarmee, besonders für die Truppen bei Michle, immer schwieriger. Ein Umkreis von drei Meilen mußte ihr sichergestellt werden, damit sie ihren Unterhalt fand. Zweitens mußte sie nach Aurzinowes und der Sazawa hin geschützt werden, von wo der Feind große Detachements vorschicken konnte. Sonst hätten die Österreicher die Einschließungstruppen im Rücken angreifen können, und dann wäre es den Belagerten leichtgefallen, die Blockade an irgend einer Stelle zu durchbrechen und zu entkommen. Nun aber vermochte ich für die Beobachtungsarmee keine Stellung zu finden, die allen diesen Ansprüchen genügte. Daun hatte mehr als 15 000 Mann leichter Truppen. Sobald die Stellung bei Kuttenberg aufgegeben war, konnte die preußische Armee, die bei Kaurzim stand, nicht zugleich die<219> Sazawa und das Magazin von Nimburg decken, das durch einen Handstreich zu nehmen war. Nimburg lag zwei Meilen von unserm linken Flügel und die Sazawa drei Meilen vom rechten. Der Feind konnte sie überschreiten, wo er wollte. Die Höhen, Wälder und Defileen an beiden Ufern machten für uns die Annäherung schwierig, ja mörderisch wegen der Menge von Panduren, die die meisten Schluchten und Wälder der Gegend besetzt hielten.

Schon diese Gründe hätten genügt, um sich zur Schlacht zu entschließen, aber es gab noch gewichtigere. Das Haus Österreich hatte nur noch die Daunsche Armee. War sie gründlich geschlagen, so fiel die Prager Besatzung in Kriegsgefangenschaft, und man durfte annehmen, daß der Wiener Hof, aller weiteren Hilfsmittel beraubt, dann Frieden schließen mußte. Wagte ich eine Schlacht, so hatte ich also viel mehr zu gewinnen, als zu verlieren.

Das Beispiel großer Feldherren, strategische Gründe, die auf meine Situation zutrafen, ebenso gewichtige politische Gründe, besonders aber die Hoffnung, bald zu einem allgemeinen Frieden zu gelangen, all das brachte mich dazu, den herzhaften Entschluß ängstlichen Erwägungen vorzuziehen.

Das Sprichwort: Dem Mutigen hilft das Glück, stimmt in den meisten Fällen. Einmal zur Schlacht entschlossen, nahm ich mir vor, den Feind anzugreifen, weil man damit immer am besten fährt. Ich wußte nicht, wo sich das österreichische Lager befand. Im Begriff, auf Swojschitz zu marschieren, sah ich, wie die österreichische Armee sich entfaltete und sich dort selbst festsetzen wollte. Das zwang mich zur Änderung meiner Dispositionen, da eine Kette von Sümpfen und Defileen den Angriff auf die Stellung verbot. Wir marschierten auf Planjan. Unser rechter Flügel rückte nach Kaurzim und der linke besetzte die Höhen jenseits der Kaiserstraße von Böhmisch-Brod nach Kolin. Am folgenden Morgen (18. Juni) gingen wir zum Angriff auf den Feind vor. Mein Schlachtplan und die Gründe dazu waren folgende219-1.

Die vom Feind besetzten Höhen bildeten einen Winkel. Sein rechter Flügel stand auf einer Hügelkette, war aber nirgends angelehnt. Das Zentrum sprang zurück, und der linke Flügel bildete mit dem andern einen rechten Winkel, dessen Schenkel sich im Zentrum trafen. Vor dem linken Flügel und hinter der Armee dehnte sich eine Kette von Sümpfen. Die Front der Österreicher sowie die Höhen waren stark mit Geschütz besetzt. Daraufhin entschied ich mich, meinen Hauptstoß mit dem linken Flügel zu machen, den rechten Flügel zu versagen, den Feind auf den Höhen bei Kolin in der Flanke zu packen und ihn gegen die Defileen zu drängen, die er im Rücken und auf seiner linken Flanke hatte. Bei der Ausführung dieses Planes wäre ein Teil des feindlichen Heeres garnicht zum Kampfe gekommen. Auch die feindliche Artillerie hätte uns wenig anhaben können, da sie nur gegen einen Teil meiner Truppen zu feuern vermochte. Wäre der Feind dann bis gegen die Sümpfe gedrängt worden, so hätte seine Infanterie großenteils die Waffen strecken müssen.

<220>

Ich habe mir nur den einen Vorwurf zu machen, daß ich mich nicht selbst auf den äußersten linken Flügel begab, um das Gelände zu rekognoszieren. Es dehnte sich weiter aus, als man mir angegeben hatte. Unglücklicherweise wurde meine ganze Infanterie gegen meinen Befehl in kürzester Frist mit dem Feinde handgemein, und meine Kavallerie gehorchte den Generalen nicht, die sie auf den linken Flügel werfen wollten. Eine Fülle unberechenbarer Ursachen trat hinzu. Da meine gesamte Infanterie des ersten Treffens zur Unzeit ins Gefecht kam, wurde auch das zweite Treffen sofort mit hineingezogen, und ich hatte nicht mehr ein Bataillon übrig, um den Angriff des linken Flügels zu unterstützen. Er hatte bereits drei Stellungen erobert und siebenmal hintereinander frische Truppen, die man ihnen entgegenwarf, angegriffen. Vier frische Bataillone hätten die Schlacht gewonnen: war doch der rechte feindliche Flügel gänzlich geschlagen. Es fehlte also nur wenig, und die Schlacht wäre völlig nach Wunsch verlaufen. Die Niederlage des rechten Flügels zwang mich, gegen 9 Uhr zurückzugehen. Die Armee marschierte nach Nimburg. Sie hatte 10 000 Mann der besten Infanterie verloren und war daher zu schwach, um die Stellung von Planjan zu halten.

Da sich nun kein Beobachtungskorps mehr zwischen der Daunschen Armee und den Blockadetruppen von Prag befand, so mußte die Belagerung aufgehoben werden. Ich eilte dorthin, und am 20. marschierte ich unter klingendem Spiel mit allen Truppen, die vor der Neustadt standen, nach Brandeis, ohne daß die Belagerten mir zu folgen wagten. Auf dem Rückmarsch wurde Feldmarschall Keith von der Festungsartillerie beschossen. Ich ließ die Stellung von Alt-Bunzlau besetzen und marschierte nach Neu-Lysa, indem ich Alt-Bunzlau eine Meile zur Rechten und Nimburg eine Meile zur Linken ließ. Feldmarschall Keith wurde nach Minkowitz geschickt.

Die Zeitumstände zwangen mich zur Bildung von zwei Armeen. Die eine sollte den Österreichern entgegentreten und einen Verteidigungskrieg zur Deckung der Lausitz und Schlesiens führen. Die zweite sollte Sachsen decken und gleichzeitig den Franzosen, die in Westfalen standen, dem Korps unter dem Prinzen von Goubise, den Reichstruppen und den Schweden entgegentreten, die Pommern mit einem Einfall bedrohten. Diese Aufgabe übernahm ich selbst, weil ich sie für die schwierigste hielt. Den Oberbefehl der ersten Armee, die die Lausitz decken sollte, übertrug ich meinem Bruder220-1 und gab ihm zur Unterstützung die besten Generale. Mein Bruder besitzt Geist, Kenntnisse und das beste Herz von der Welt, aber keine Entschlußfähigkeit. Er ist viel zu zaghaft und hat eine Abneigung gegen herzhafte Entschlüsse.

Ich setzte mich in Marsch, um mich mit Feldmarschall Keith zu vereinigen. Ich glaubte ihn bei Welwarn und fand ihn in Leitmeritz eingekeilt. Dort im Lager ergriff ich die nötigen Maßnahmen, um mich im voraus aller Pässe und Übergänge nach Sachsen zu bemächtigen. Nun lagerte sich Nadasdy mit 10 000 Mann bei Gastorf. Ich hatte 3 000 bis 4 000 Mann leichter Truppen rechts und links auf den<221> Bergen, dazu 3 000 Verwundete und ein großes Magazin in Leitmeritz. Die Stadt wird von den umliegenden Höhen beherrscht. Sie konnte nur von einem Korps verteidigt werden, das ihre Zugänge besetzte. Ich stellte dort 13 Bataillone und 20 Schwadronen unter meinem Bruder Heinrich auf, der sich der Aufgabe vorzüglich entledigte.

Die Armee meines Bruders221-1 rückte nach Böhmisch-Leipa, um sich Zittau zu nähern, wo sich ihr Magazin sowie eine Verstärkung von 6 000 Mann befand, die General Brandes ihr aus Schlesien zuführte. Alles verlief leidlich bis zum 14. Juli, wo Daun auf der linken Flanke meines Bruders das Lager von Niemes bezog. In Gabel, das zur Verbindung unserer Armee mit Zittau diente, stand eine Besatzung. Mein Bruder duldete es, daß sich der Feind in seiner Flanke lagerte, und bezog keine andere Stellung. Er wußte, daß Gabel angegriffen wurde. Aber anstatt mit seiner ganzen Armee dorthin aufzubrechen, ließ er es geschehen, daß die Österreicher den Ort eroberten. Dadurch war ihm der beste Weg zum Rückzug nach der Lausitz abgeschnitten. Erst am 17. marschierte er ab und rückte durch Defileen und auf höchst schwierigen Straßen nach Zittau. Er ließ dem Feinde Zeit, alle diese Defileen mit leichten Truppen zu besetzen, und so verlor er auf dem Rückzuge fast sein ganzes Gepäck. Er kam später in Zittau an als Daun. Die Österreicher hatten bereits die Höhen besetzt, und er konnte sie nun nicht mehr einnehmen. Der Feind bombardierte die Stadt, schoß sie in Brand und legte sie in Asche. Nun blieb weiter nichts übrig, als die Besatzung, so gut es ging, herauszuziehen. Darauf zog sich mein Bruder ohne Verluste nach Löbau und von da nach Bautzen zurück (27. Juli).

Alle diese falschen Operationen zwangen mich zur Änderung meiner Maßnahmen. Ich räumte Böhmen ohne Verlust an Bagage, Magazinen und Verwundeten und bot alles auf, um möglichst bald Pirna zu erreichen. Dort ging ich mit 16 Bataillonen und 28 Schwadronen über die Elbe und traf bei der Armee meines Bruders am 29. Juli ein. Feldmarschall Keith folgte mir. Prinz Moritz wurde mit 14 Bataillonen und 20 Schwadronen bei Cotta postiert, um die Elbe zu decken, und Feldmarschall Keith marschierte auf Bautzen.

In dieser kritischen Lage mußte ich meine Zuflucht zu Gewaltmaßregeln nehmen. Um die Situation richtig zu beurteilen, muß man sich die allgemeine Lage Europas vergegenwärtigen. 60 000 Russen marschieren gegen die Provinz Preußen. Ein russisches Korps hat bereits Memel genommen, während sich die Hauptarmes zehn Meilen von der Grenze bei Kowno verschanzt hat. Eine russische Kriegsflotte bedroht die Küsten mit einer Landung. Lehwaldt sieht sich darauf beschränkt, die Hauptstadt der Provinz zu schützen, und muß abwarten, ob sich eins der feindlichen Korps ihm nähern wird, um es zu schlagen221-2. Ich selbst erhalte die Nachricht, daß der Herzog von Cumberland geschlagen ist221-3 und daß 40 000 Franzosen von Westfalen her gegen das Halberstädtische vordringen. Alles, was ich tun kann, besteht darin, die 6 Bataillone<222> der Besatzung von Wesel nach Magdeburg zu werfen, sodaß sich dort insgesamt 10 Bataillone befinden. Prinz Soubise rückt von Weimar heran, um in Sachsen einzufallen. Die Schweden haben bereits gegen 10 000 Mann bei Stralsund stehen. Ich habe zwei Regimenter Infanterie nach Stettin geschickt. Zwei Bataillone sind zur Zeit dort. Das macht mit 10 Bataillonen Milizen, die ich außerdem aushebe, im ganzen 16 Bataillone. Ein Korps von 8 000 bis 10 000 Ungarn ist bei Landeshut in Schlesien eingebrochen, und ein anderes, ebenso starkes, soll von Teschen her eindringen.

Wäre auch meine Armee noch so stark wie zu Beginn des Frühlings, ich könnte der Überzahl meiner Feinde doch nur mit Mühe entgegentreten. Gegenwärtig kann ich nur eine einzige Armee bilden und mit ihr dem gefährlichsten Gegner die Spitze bieten. Zaudere ich, die Österreicher aus der Lausitz zu verjagen, so werden sie große Detachements in die Kurmark schicken und sie mit Feuer und Schwert verheeren. Greife ich die Österreicher an und verliere die Schlacht, so beschleunige ich meinen Untergang um einen Monat. Habe ich aber noch so viel Glück, sie zu schlagen, so kann ich die Lausitz von ihnen säubern, dort ein Verteidigungskorps lassen, einen Teil der Truppen nach Schlesien senden, selbst nach dem Halberstädtischen marschieren, um den Franzosen entgegenzutreten, und so Zeit gewinnen222-1. In meiner schlimmen Lage ist das also der sicherste, mutigste und ehrenvollste Ausweg.

Ich hielt mich für verpflichtet, dem Staat und der Nachwelt Rechenschaft über meine Lage und die Gründe zu geben, die mich zu diesem und zu keinem anderen Entschlusse bewogen haben, damit mein Andenken nicht durch ungerechte Anklagen entehrt werden kann. Ich zweifle nicht, daß es in der Welt eine Menge geschickterer Leute gegeben hat als mich. Ich bin völlig überzeugt, daß mir sehr viel an der Vollendung fehlt. Nur in der Liebe zum Vaterlande, im Eifer für seine Erhaltung und seinen Ruhm nehme ich es mit der ganzen Welt auf. Diese Gefühle werde ich bis zum letzten Atemzuge bewahren.

<223>

15. Operationsplan für Feldmarschall Lehwaldt223-1
(9. November 1757)

Bei Stettin muß der Feldmarschall sein Corps sammeln. Er darf die letzten nicht abwarten; wo er die Husaren, 20 Escadrons Dragoners und 16 Bataillons zusammen hat, so muß er aufbrechen und grade auf Anklam marschiren. Sollte er an andern Örtern besser über die Peene kommen, so stehet ihm solches frei. Was er vor schwedische Quartiere zum nächsten findet, muß er enleviren und sodann seinen Marsch grade auf Stralsund fortsetzen. Sein Hauptzweck muß dahin gehn, die Schweden auseinander zu sprengen oder solche in Stralsund einzuschließen. In Stralsund haben sie nicht zu leben, also zwinget sie die Not, auf der Insel Rügen zu gehen. In Schwedisch-Pommern muß so gehauset werden, wie die Russen es in Preußen gemacht haben223-2, und das Mecklenburgsche muß vivres und Winterquartiere hergeben, 2 Million Contribution, 6 000 Winspel Mehl und Haber etc. Die Kanonen kann der Feldmarschall aus Stettin nehmen, ingleichen auf drei Wochen Mehl. Er muß aussprengen, als wollte er Stralsund das Frühjahr belagern, so werden die Schweden noch den Winter zum Frieden gezwungen werden.

NB. Gegen der Priegnitz, wor da noch französische Husaren rodiren, wird ein 500 Mann Husaren aus Schwedisch-Pommern müssen hingeschicket werden.

<224>

16. Rede des Königs vor der Schlacht bei Leuthen224-1
(3. Dezember 1757)

Der König hatte alle Generals und Commandeurs nach Tafel zu sich in sein Quartier bestellt, und hier war es, wo er ihnen mit traurigem Ernst und zuweilen mit einer Thräne im Auge sagte:

„Meine Herren! Ich habe Sie hierher kommen lassen, um Ihnen erstlich für die treuen Dienste, die Sie zeither dem Vaterlande und mir geleistet haben, zu danken. Ich erkenne sie mit dem gerührtesten Gefühl. Es ist beinahe keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine große und ehrebringende Handlung ausgezeichnet hätte. Mich auf Ihren Muth und Erfahrung verlassend, habe ich den Plan zur Bataille gemacht, die ich morgen224-2 liefern werde und liefern muß. Ich werde gegen alle Regeln der Kunst einen beinahe zweimal stärkern, auf Anhöhen verschanzt stehenden Feind angreifen. Ich muß es thun, oder es ist alles verloren. Wir müssen den Feind schlagen oder uns vor ihren Batterien alle begraben lassen. So denk ich, so werde ich auch handeln. Ist einer oder der andere unter Ihnen, der nicht so denkt, der fordere hier auf der Stelle seinen Abschied. Ich werde ihm selbigen ohne den geringsten Vorwurf geben.“

Hier folgte eine Pause von Seiten des Redners, und eine heilige Stille von Seiten der Zuhörer; nur durch mit Mühe zurückgehaltene, der Ehrfurcht und der heiligsten Vaterlandsliebe geweinte Thränen unterbrochen224-3. Darauf erhob der königliche Sprecher seine Stimme wieder und fuhr mit freundlich-lächelndem Gesicht fort:

<225>

„Ich habe vermuthet, daß mich keiner von Ihnen verlassen würde; ich rechne nun also ganz auf Ihre treue Hülfe und auf den gewissen Sieg. Sollt' ich bleiben und Sie nicht für das, was Sie morgen225-1 thun werden, belohnen können, so wird es unser Vaterland thun. Gehen Sie nun ins Lager, und sagen Sie das, was ich Ihnen hier gesagt habe, Ihren Regimentern, und versichern Sie ihnen dabei, ich würde ein jedes genau bemerken. Das Cavallerie-Regiment, was nicht gleich, wenn es befohlen wird, sich à corps perdu in den Feind hineinstürzt, laß ich gleich nach der Bataille absitzen und mach' es zu einem Garnison-Regiment. Das Bataillon Infanterie, was, es treffe auch, worauf es wolle, nur zu stocken anfängt, verliert die Fahnen und die Säbels, und ich laß ihnen die Borten von der Montirung schneiden. Nun leben Sie wohl, meine Herren, morgen225-1 um diese Zeit haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder.“

<226>

17. Denkschrift für England226-1
(Januar 1758)

Bekanntlich haben die englischen Waffen in Amerika bisher kein Glück gehabt. Trotz der bedeutenden Ausgaben, die Großbritannien für seine Rüstungen zur See aufgewandt hat, entsprach der Erfolg seinen Erwartungen nicht. Allem Anschein nach kann es sich für seine Verluste nicht anders schadlos halten als durch die Erfolge, die es im Verein mit seinen Alliierten zu Lande davontragen kann. Die Engländer haben keins der Forts in Amerika zurückgewonnen, die ihnen die Franzosen fortgenommen haben, und keine Eroberung gemacht, die sie im nächsten Frieden gegen Port-Mahon226-2 austauschen könnten. Ihre großen Flotten haben nichts ausgerichtet, und sie unterhalten auf ihrer Insel über 50 000 Mann, die ihnen nichts nutzen. So wichtig es 1756 war, diese Truppen zum Schutz gegen französische Landungen zu haben, so zwecklos erscheinen sie jetzt, wo die Franzosen nicht einen Mann übrig haben, um eine Landung in England zu unternehmen. Alle ihre Landtruppen stehen auf der Insel Minorka, in Korsika und Kanada und die Hauptmacht in Deutschland. Während die Franzosen alle ihre Kräfte einsetzen und gegen die Engländer und deren Alliierte mit aller Macht und in Gemeinschaft mit den größten europäischen Mächten vorgehen, nutzt England nur einen Teil seiner Kräfte und läßt den andern brachliegen. Man meint einen starken und kräftigen Mann zu sehen, der mit einem andern kämpft, dessen einer Arm gelähmt ist. Welchen Erfolg kann man in England von diesem Verfahren erwarten, wenn nicht den, daß seine Bundesgenossen in Deutschland vielleicht zermalmt werden und daß Frankreich triumphiert? Dann wird es Deutschland Gesetze vorschreiben und im Besitz von Ostende und Nieuport226-3 unverzüglich mit allen Kräften über die britischen Inseln herfallen.

Andere Erwägungen treten hinzu. Bekanntlich hat England das Kurfürstentum Hannover garantiert226-4. Der Fall, ihm beizustehen, ist eingetreten. Soll man sagen, daß die hochherzige englische Nation den Staaten ihres Königs nicht zu Hilfe eilt?<227> Will sie aus freien Stücken den Einfluß verlieren, den sie jederzeit auf die deutschen Angelegenheiten gehabt hat? Wie ist ferner zu hoffen, daß die Armee der Alliierten in ihrer jetzigen Stärke, ohne den Beistand englischer Truppen, dessen sie so dringend bedarf, nur von einigen preußischen Hilfstruppen unterstützt, die Franzosen über den Rhein zurückwerfen könne? Treten aber englische Truppen hinzu, so ist das nicht allein möglich, sondern auch wahrscheinlich, und dann werden gewiß auch die Holländer angesichts eines siegreichen Heeres, das ihnen die Hand reicht, Partei ergreifen, ihre eignen Truppen hinzufügen und die Franzosen zur Räumung von Ostende und Nieuport und zum Verzicht auf alle ehrgeizigen Pläne zwingen. Mir scheint also, England müßte entweder von seinen Truppen ein Hilfskorps nach Deutschland zur Verstärkung der alliierten Armee schicken, um seine Kräfte zu brauchen, oder, wenn es das aus schwer zu erratenden Gründen nicht möchte, lieber seine nutzlosen Truppen verringern, um sich diese Ausgabe zu sparen, und dafür größere Rüstungen zur See machen. Dann wird es doch wenigstens auf einem der beiden Elemente die Oberhand über den Erbfeind seiner Macht und der europäischen Freiheit erlangen.

<228>

18. Instruktion für Prinz Heinrich von Preußen228-1
(11. März 1758)

Diese Instruktion umfaßt zwei Artikel, erstens die Erhaltung der Ordnung und Mannszucht, des guten und vollzähligen Zustands der Truppen, und zweitens die Operationen im Felde.

Was den ersten Artikel betrifft, so ist mein ausdrücklicher Wille, daß Du die Mannszucht, insbesondere die Subordination, mit aller denkbaren Energie wahrest. Hat jemand schwer dagegen gefehlt, so kannst Du ihn nach abgehaltenem Kriegsgericht, wenn er es verdient, mit dem Tode bestrafen. Auch wenn zu viele desertieren, sollst Du zur Abschreckung derer, die ihr Beispiel nachahmen möchten, Exempel statuieren. Du sollst dafür sorgen, daß es den Soldaten weder an Brot noch Fleisch fehlt. Bei großen Anstrengungen sind ihnen unentgeltlich Lebensmittel zu verabreichen. Du sollst mit allem Fleiß danach trachten, Deine Armee zu ergänzen, wenn sie Verluste erlitten hat. Suche sie, soweit Gelegenheit und Mittel sich bieten, vollzählig zu erhalten. Verhüte nach Möglichkeit Plünderungen und bestrafe die Offiziere streng, die sie nicht verhindert haben, vor allem aber die, die sich selbst so weit vergessen, dergleichen Niedertrachten zu begehen. Das ist im großen und ganzen Deine Richtschnur.

Ich gehe nun zum zweiten Artikel über. Hier muß ich weiter ausgreifen und Dir infolgedessen zunächst die Pläne der Feinde, dann die meinen darlegen und schließlich alles erörtern, was die Operationen der Armee betrifft, die ich Deinem Befehl unterstelle.

Die Österreicher beabsichtigen mit ihrer Hauptmacht gegen Schlesien zu operieren, während Clermonts Armee auf Grund eines neuen Vertrages, den die Leute mit dem König von England zu schließen planten228-2, ins Magdeburgische eindringen oder über Bremen nach Mecklenburg rücken sollte, um sich von dort aus mit den Schweden zu vereinigen. Soubises Armee sollte ungefähr die gleichen Operationen machen wie im vorigen Jahre, d. h. von Thüringen her in Sachsen einfallen, um an die Elbe zu<uc_16><229> gelangen. Derweil sollten die Reichsarmee und ein paar tausend Österreicher229-1 über Freiberg in Sachsen eindringen und eine Abteilung Ungarn die Lausitz unsicher machen und von dort Streifzüge in die Kurmark unternehmen. Nun, der Plan ist, soweit er Clermonts Armee betrifft, gründlich gescheitert. Wenn auch Soubises Armee, wie zu hoffen ist, gleichzeitig Reißaus nimmt und die ganze Gesellschaft nach dem Rhein flieht, so hat weder Sachsen noch die Kurmark sobald etwas von den Franzosen zu besorgen. Deine Armee wird also wohl nur mit den Reichstruppen nebst dem Korps Marschall zu tun haben.

Auf dieser Seite229-2 hoffen die Österreicher die Russen dahin zu bringen, daß sie ihnen das Schuwalowsche Korps zu Hilfe schicken. Es hat Magazine bei Grodno angelegt und kann erst gegen Ende Juni heran sein. Das zwingt mich zu einem großen Schlage gegen die Österreicher, solange ich alle meine Kräfte beisammen habe, und bevor mich das russische Hilfskorps, wenn es kommt, zu Detachierungen nötigt. Dies also ist mein Feldzugsplan: Ich erobere in aller Ruhe Schweidnitz und lasse 15 000 Mann zur Deckung des Gebirges zurück; falls ein feindliches Korps durch die Lausitz marschieren will, kann das Detachement ihm dort entgegentreten. Darauf trage ich den Krieg nach Mähren. Marschiere ich geradenwegs auf Olmütz, so wird der Feind zu dessen Verteidigung heranrücken. Dann kommt es zur Schlacht in einem Gelände, das er sich nicht auswählen kann. Schlage ich ihn, wie zu hoffen ist, so belagere ich Olmütz. Dann muß der Feind, um Wien zu decken, alle seine Kräfte dorthin ziehen. Ist Olmütz erobert, so soll Deine Armee Prag nehmen und Böhmen in Respekt halten. Hiernach mögen die Russen kommen, oder wer sonst will: ich bin dann imstande, soviel Truppen wie nötig zu detachieren.

Was Deine Armee betrifft, so muß sie sich zu Beginn des Feldzuges in der Defensive halten. Du kannst sie bei Dresden versammeln, oder wo Du willst. Du kennst alle Lagerplätze, die ich dort habe erkunden lassen, und magst Dir den auswählen, der Dir am geeignetsten scheint. Da es notwendig ist, gute Nachrichten zu haben, und man an Spionen nichts sparen darf, so hat Borcke229-3 Auftrag, Dir alle erforderlichen Geldsummen zu liefern. Für Deine Operationen verbiete ich ausdrücklich jeden Kriegsrat229-4 und gebe Dir Vollmacht, nach Gutdünken zu handeln, eine Schlacht zu liefern oder nicht, kurz, bei allen Gelegenheiten den Entschluß zu fassen, der Dir am vorteilhaftesten und rühmlichsten erscheint.

Die Art, wie die Franzosen eben verjagt werden229-5, muß natürlich die Feldzugspläne der Österreicher ändern. Da ich sie jetzt unmöglich schon erraten kann, so ver<230>mag ich Dir nichts weiter zu sagen, als daß Deine Armee Sachsen verteidigen und den Feind dort an weiterem Vordringen hindern soll. Darauf sollst Du Dich beschränken, bis wir Olmütz haben. Dann wirst Du völlig freie Hand zum Handeln erhalten. Du sollst keine Gelegenheit verabsäumen, dem Feinde zu schaden. Vor allem achte darauf, seine Pläne im voraus zu durchkreuzen und sie nicht zur ruhigen Ausführung kommen zu lassen. Muß der Feind zurückgehen, um sich mit den Österreichern zu vereinigen, so findest Du gute Gelegenheit zu Nachhutgefechten, vielleicht auch zu Schlachten, bei denen Du nichts aufs Spiel setzest, wenn der Feind nach Mähren zurückgehen muß.

Bei Deiner Infanterie hast Du die Generale Itzenplitz und Hülsen, die Du gut gebrauchen kannst. Bei der Kavallerie hast Du Driesen, und ich schicke Dir noch einen tüchtigen Mann; ferner Kleist, Szekely und Belling, der Dein Husarenregiment230-1 bekommen hat. Gewöhne die Kavallerie230-2 an den Krieg und gib den Husaren stets Kavallerieabteilungen zur Unterstützung mit, aber unter ihrem Befehl, und nicht unter dem Kommando der Kavallerieoffiziere.

Deine Magazine befinden sich in Torgau und Dresden. Du hast also den bequemen Transport auf der Elbe und kannst Dich, je nach den Umständen, ebenfalls nach Bautzen und Freiberg wenden. Vor allem empfehle ich Dir, obwohl Du Sachsen nur Verteidigen sollst, stets offensiv vorzugehen. Glaubst Du, der Feind könne Dich zur Schlacht zwingen, so greife ihn an, aber laß Dich nie von ihm angreifen. Herrscht sonst bei Deiner Armee irgendein Mangel, sei es an Ärzten oder Adjutanten, so fordere nur gleich Abhilfe, damit sie beizeiten erfolgt. Insbesondere empfehle ich Dir Fürsorge für die armen Verwundeten und Kranken. Sie bedürfen aller Rücksicht, die Leuten gebührt, die sich für ihr Vaterland opfern.

Das ist ungefähr alles, was ich Dir zu sagen vermag. Was die künftigen Ereignisse angeht, so kann ich auf Einzelheiten nicht eingehen. Du weißt im großen und ganzen, was Deines Amtes ist. Für die Einzelheiten der Ausführung verlasse ich mich völlig auf Deine Wachsamkeit, Einsicht, Gewissenhaftigkeit und Anhänglichkeit. Ich verbleibe, lieber Bruder, Dein treuer Bruder und Diener

Friderich.

NB. Du kannst General Finck aus Dresden kommen lassen, wenn Du es für angezeigt hältst, und einen anderen als interimistischen Kommandanten einsetzen. Ebenso kannst Du im Bedarfsfall einen Kommandanten für Torgau oder für irgend eine andre Stadt ernennen, die Du zu besetzen für gut befindest.

<231>

19. Instruktion für Generalleutnant Graf Christoph Dohna231-1
(2. April 1758)

Ich habe Euch das Kommando über meine ostpreußische Armee übertragen; denn ich setze das Vertrauen in Euer Verdienst, daß Ihr sie gut führen werdet. Darum verbiete ich Euch bei Todesstrafe, einen Kriegsrat abzuhalten231-2; aus solchen gehen nur feige Entschlüsse hervor. Vielmehr sollt Ihr zu Euch selbst das Vertrauen haben, das ich mit Recht in Euch zu setzen glaube. Ihr müßt Euch bei Eurer Armee die gleiche Autorität erwerben, wie ich sie hätte, wenn ich dort wäre. Allerdings sind Generalleutnants mit dem gleichen Range wie Ihr dabei; aber das Oberkommando hebt Euch über sie hinaus. Darum sollt Ihr sie zu ihrer Pflicht anhalten und Vorstellungen von ihnen, einerlei worüber, nicht dulden. Ihr seid in unsrer Mannszucht erzogen, also brauche ich Euch nicht zu empfehlen, sie zu wahren, desgleichen die Subordination.

Unter den jetzigen Umständen seht mir darauf, daß in Mecklenburg bald alles zu Ende kommt, — es handelt sich um Stellung von Rekruten, um Geldzahlungen und Lieferungen für die Magazine231-3 — damit Ihr Eure Truppen beisammen habt und freier zu handeln vermögt.

Verlaßt Euch während des Feldzuges nicht auf die Befehle, die ich Euch geben könnte; denn bei der Natur meiner Operationen wird jede Verbindung zwischen uns aufhören, und Ihr müßt auf Euren eignen Kopf handeln. Überdies wird die Last der Führung von zwei bis drei Armeen, die ich hier habe, meine Aufmerksamkeit völlig beanspruchen. Wollte ich Euch also auch Ratschläge für Eure Operationen geben, so könnten sie nur oberflächlich sein oder zu spät kommen oder endlich Euch mehr in Verlegenheit bringen, als Euch bei Euren Unternehmungen helfen. Aus diesen Gründen halte ich es für angezeigt, Euch ein allgemeines Bild unserer Lage zu entwerfen und Euch Eure Aufgabe in großen Zügen anzuweisen. Die Einzelheiten der Ausführung überlasse ich Eurer Einsicht und Eurem Scharfblick.

<232>

Meine Lage ist jetzt die, daß ich zum mindesten für ein halbes Jahr von der Diversion der Franzosen befreit bin, die mir im letzten Jahre die Arme band. Obwohl jene schlechten Truppen mir nur durch ihre Plünderungen schaden konnten, haben sie doch wirkliches Unheil angerichtet, indem sie mich ablenkten, während die Österreicher mir wirkliche Verluste beibrachten. Von den Franzosen befreit, die gegenwärtig über den Rhein zurückgehen232-1, muß ich alles aufbieten, um die Königin von Ungarn gleich bei Beginn des Feldzuges niederzuwerfen. Dazu sind meine Armeen in Schlesien und Sachsen bestimmt. Von Rußland oder Schweden habe ich keine Diversion zu befürchten. Was Rußland betrifft, so scheint es die Absicht zu haben, sich an der Weichsel zu verschanzen und dann ein Korps gegen mich zu schicken. Diese Diversion kann nach zwei Seiten geschehen: entweder nach Pommern oder nach Schlesien. Nach allen erhaltenen Nachrichten scheinen die Österreicher alles zu versuchen, um die Russen nach Schlesien zu ziehen. Da aber die hierzu bestimmte russische Armee nicht vor Ende Juni gegen Schlesien vorrücken kann, so hoffe ich inzwischen solche Erfolge errungen zu haben, daß ich ein starkes Korps abschicken und ihr entgegenstellen kann.

Das Schlimmste, was mir geschehen kann, wäre, daß Fermor232-2 in Pommern einfiele. Dann kommt Ihr in die üble Lage, die Schweden aufgeben zu müssen, um den neuen Feinden entgegenzutreten. Die Art, gegen sie Krieg zu führen, muß darin bestehen, daß Ihr sie sobald wie irgend möglich vertreibt, sie auf dem Marsche angreift oder während sie gerade ihr Lager beziehen, damit sie gar keine Zeit finden, sich einzurichten, ihr Geschütz aufzufahren und sich zu verschanzen. Habt sorgfältig acht darauf, daß Ihr sie nur mit einem Flügel angreift. Da das Geschütz heute gewaltig in Mode ist232-3, sollt Ihr Batterien von schwerem Geschütz und Haubitzen auf dem Flügel errichten, mit dem Ihr angreift, um ihre Kanonen zum Schweigen zu bringen und ihren Mut zu erschüttern.

Habt Ihr dies Volk verjagt, so müßt Ihr Euch umgehend wieder den Schweden zuwenden. Sonst hindert sie nichts, stracks auf Berlin zu marschieren. Aus allen diesen Gründen wünschte ich sehnlichst, daß Ihr den Schweden kräftig eins versetzt, bevor Ihr Euch nach der andern Seite wenden müßt. Es ist Eure Sache, den Plan mit List und Gewalt glücklich durchzuführen. Denn daß dies sehr nötig ist, liegt auf der Hand.

Für alles, was den Unterhalt der Truppen betrifft, sollt Ihr Eure Befehle auf jeden Fall dem Präsidenten Aschersleben232-4 geben.

Was Euer eignes Verhalten betrifft, so geht stets kräftig und offensiv vor. Folgt den Grundsätzen der Ehre und faßt allemal den für die Nation ruhmvollsten Entschluß. Ein General muß kühn und wagemutig sein. Verbindet er mit seiner Ver<233>wegenheit Talente, so hat er gewöhnlich Glück. Ihr seid ein Mensch und über das Schicksal nicht erhaben. Unglück kann Euch zustoßen. Aber darüber dürft Ihr unbesorgt sein. Verlaßt Euch drauf, daß ich Euch nicht nach den guten oder schlechten Erfolgen beurteile, sondern nach den Umständen, in denen Ihr Euch befunden, und nach den Anordnungen, die Ihr getroffen habt.

Gilt es zum Beispiel, den Russen entgegenzutreten, so halte ich es nicht für ratsam, weiter als bis Köslin zu rücken. Indes überlasse ich Euch ganz die Entscheidung darüber. Da Ihr an nichts weiter zu denken habt, werdet Ihr besser beurteilen, was Euch zu tun frommt, als ich, der den Kopf voll von der schweren Bürde hat, die hier auf mir lastet.

Ich muß dem eben Gesagten noch eins hinzufügen. Haben wir Glück und wird das russische Korps beim Anmarsch auf Schlesien gehörig geschlagen, so mache ich einen weiten Vorstoß und schicke das schlesische Korps über die Weichsel bis in die Nähe von Warschau, um Fermor in seinen Stellungen bei Thorn, Elbing usw. zu umgehen. Habt Ihr mittlerweile den Schweden eins versetzt, so beabsichtige ich, Euch durch Preußisch-Polen marschieren zu lassen, um Thorn, Elbing, Danzig usw. zu nehmen, sobald das schlesische Korps Fermor umgangen und ihn zum Rückzug von der Weichsel gezwungen hat.

Aber jetzt ist nicht der Augenblick, um daran zu denken. Sobald ich die Sache für ausführbar halte, werde ich Euch beizeiten benachrichtigen, damit Ihr Eure Maßregeln danach treffen könnt. Denkt in erster Linie an Mecklenburg, dann an die Schweden. Durch Überwindung einer Schwierigkeit nach der andern und mit Hilfe des Himmels und unserer tapfern Armee hoffe ich auf eine möglichst vorteilhafte Gestaltung aller Dinge zu Nutz und Frommen des Staates, dem wir dienen, und unseres gemeinsamen Vaterlandes.

Friderich.

Anbei ein französischer Chiffrenschlüssel für Eure Berichte.

P.S.

Alles, was ich Euch schreibe, geht nur aufs Ganze. Die große Zahl meiner Feinde gestattet mir kein Verweilen bei Einzelheiten noch die Aufstellung eines zusammenhängenden Planes. Anbei die Übersicht dessen, was Ihr nach besten Kräften auszuführen bestrebt sein sollt:

1. Schweden zum Frieden zu zwingen,

2. Pommern und die Uckermark zu decken, wenn ersteres unmöglich ist,

3. die Russen zu vertreiben, falls sie in Pommern oder in die Neumark einfallen,

4. Maßregeln zur Sicherung von Stettin zu treffen.

5. Habt Ihr Euch gegen die Russen wenden müssen, so kehrt Ihr, nachdem sie geschlagen sind, Euch wieder gegen die Schweden.

<234>

20. Vorläufige Disposition für Feldmarschall Keith, falls der Feind das Lager des Königs angreift234-1
(30. Juni 1758)

Sobald der Feldmarschall vom König Nachricht über den Vormarsch der Österreicher erhält, schickt er Generalleutnant Retzow mit 7 Bataillonen, das Regiment Württemberg-Dragoner, die Obersten Moller und Dieskau mit den Kanonieren und womöglich 6 Zwölfpfündern über Olschan zur Armee. Damit die Kanoniere schneller anlangen, sind sie beritten zu machen. Die beiden Artillerieobersten erhalten die beifolgende Disposition234-2, die der Feldmarschall ihnen im voraus einhändigt, damit sie vorbereitet sind.

Der König schickt seine gesamte große Bagage zur Armee des Feldmarschalls. Der wird sie dort aufstellen, wo es ihm am passendsten dünkt.

Am Tage der Schlacht läßt der Feldmarschall alle Truppen seiner Armee bei Morgengrauen unter Gewehr treten, damit sie bereit sind, Ausfälle aus der Festung234-3 zurückzuweisen oder ihre Verschanzungen zu verteidigen. Denn aus Mangel an Truppen kann der König während der Schlacht die Belagerungsarmee nicht decken, und wahrscheinlich wird Laudon, Jahnus oder Buccow etwas unternehmen, entweder auf diesem oder auf dem andern Marchufer.

Sobald die Schlacht gewonnen ist, wird der König nicht nur den Feldmarschall davon benachrichtigen, sondern auch Truppen und Kanoniere wieder zur Belagerung senden, und der Feldmarschall wird die Bagage der Armee an den zu bezeichnenden Ort schicken, nebst allen leeren Wagen und Wundärzten, die er auftreiben kann, um die Verwundeten zu verbinden und nach Horka zu schaffen, desgleichen unsre Brotwagen, damit uns nichts in der Verfolgung des Feindes aufhält.

<235>

21. Disposition für die Artillerieobersten Dieskau und Moller235-1
(30. Juni 1758)

Die Obersten von Dieskau und Moller erhalten die beifolgende Instruktion, was sie im Fall einer Schlacht zu tun haben.

Die Armee wird nur mit einem Flügel angreifen, wie bei Leuthen235-2. Vor der Armee führen zehn Bataillone den ersten Angriff aus. Greift der rechte Flügel an, so werden die beiden Hauptbatterien folgendermaßen angelegt:

40 Geschütze, 12- und 24-Pfünder9 Bataillone10 pfündige Haubitzen1 Bataillon

Greift der linke Flügel an, so braucht nur alles, was hier rechts steht, nach links gestellt zu werden. Die große Batterie wird allemal vor der Armee errichtet. Das übrige Geschütz wird auf den Flügel, der nicht angreift, geschafft.

NB. Die 7 Haubitzen werden zwischen die zehn Bataillone gestellt, die den Angriff ausführen.

Die Geschütze müssen immerfort schießen, um die feindliche Artillerie zum Schweigen zu bringen. Ist das erreicht, so bestreichen sie die angegriffene Infanterie und Kavallerie.

Die Batterien müssen immer weiter vorrücken, wie bei Leuthen. Insbesondere kann die Batterie von 40 Geschützen große Wirkung haben, wenn die Kanoniere gut zielen und von 800 Schritt an mit Kartuschen feuern.

Die zwanzig Geschütze auf dem nicht angreifenden Flügel können zuletzt auch hinzugenommen werden und von guter Wirkung sein, um den Feind zu erschüttern und den Sturm unsrer Leute zu erleichtern.

<236>

Diese Anordnung ist nötig: eine Masse von Geschützen muß zusammengehalten werden, damit die Herren Obersten sofort darüber verfügen können.

Sie sollen 6 Zwölfpfünder mitnehmen und die Kanoniere gleich mitbringen, um schneller hier zu sein und beizeiten alle Anordnungen treffen zu können. Auch sollen sie ihren Offizieren und Leuten im voraus die erforderlichen Befehle geben.

Die Herren rücken mit ihren Leuten erst auf Befehl des Feldmarschalls ab.

<237>

22. Plan einer Schlacht gegen die Österreicher237-1
(Juli 1758)

Da es den Österreichern gelungen ist, den von Troppau abgegangenen Wagenzug abzufangen237-2, der Munition zur Fortsetzung der Belagerung von Olmütz heranführen sollte, mußte die Belagerung aufgehoben werden. Seitdem und mehr noch, seit die russische Armee durch ihren Marsch auf Posen klar zu erkennen gibt, daß sie gegen die Kurmark vorgehen will, hat sich die Lage des Königs sehr verschlimmert. Er hat eine österreichische Armee in der Gegend von Königgrätz zu bekämpfen, ein Korps in Oberschlesien, die russische Armee bei Posen, die Schweden in Pommern und die Reichsarmee und Österreicher in Komotau. Der König kann nur drei Armeen aufstellen. Sein Vorteil und seine geringen Mittel zwingen ihn, seine Feinde einen nach dem andern zu bekämpfen und das Beispiel des Horatiers237-3 nachzuahmen, das dieser im kleinen allen gab, die sich in gleicher Lage befinden.

Die feindliche Avantgarde steht bei Chlum, die Armee selbst bei Libischan. De Ville ist mit ungefähr 7 000 Mann nach Oberschlesien in die Gegend von Troppau detachiert, 4 Kavallerieregimenter nach Trautenau, Laudon mit 5 000 Mann nach Reichenau, sodaß der Feind mit den Detachements auf der Höhe des Johannisberges seine Armee um etwa 18 000 Mann geschwächt hat, einschließlich der 4 000 Mann, die seine Bagage bei Pardubitz decken. Wir könnten ihn also unter vorteilhafteren Umständen als jetzt garnicht angreifen.

1. Er ist schwächer als vorher.

2. Er ist auf keinen Angriff gefaßt.

3. Durch die Schlacht ersparen wir Schlesien einen feindlichen Einfall und die Verheerungen, die er nach sich ziehen würde.

4. Schlagen wir die Österreicher jetzt, so werden die Russen gewiß ihren Marsch verlangsamen, und wir finden sicher Zeit, ihnen mit stärkeren Kräften entgegenzutreten.

<238>

5. Siegen wir, so behalten wir festen Fuß in Böhmen und machen die Diversion gegen Oberschlesien zunichte.

6. Vielleicht können wir nach der Schlacht die Operationen des Prinzen Heinrich gegen Prag238-1 erleichtern.

7. Das Gelände bietet hier geringere Schwierigkeiten als in jedem anderen Teil Böhmens.

Schlagen wir den Feind, so können wir ihm sein Magazin in Pardubitz wegnehmen und dem ganzen Feldzug eine glückliche Wendung geben. Sollte uns das Unglück zustoßen, geschlagen zu werden, so würde unsre Lage dadurch nicht verschlechtert. Wir müßten nach Schlesien zurückkehren und auf eigne Kosten leben, dabei versuchen, den Feind von Stellung zu Stellung aufzuhalten und seinen Unternehmungen entgegenzutreten. Ziehen wir uns aber schon jetzt nach Schlesien zurück, so kommen wir genau in die gleiche Lage, wie wenn wir das Unglück hätten, geschlagen zu werden. Also ist es besser, eine Schlacht zu wagen, als uns zurückzuziehen und uns ohne Schwertstreich für geschlagen zu erklären.


V-1 Vgl. Bd. II, S. VIII.

5-1 Nördlich von Aussig.

5-2 Nördlich von Jägerndorf.

5-3 Südwestlich von Aussig.

5-4 Südöstlich von Schweidnitz.

5-5 Östlich von Nimptsch.

5-6 Westlich von Freiburg.

5-7 Südlich von Schweidnitz.

7-1 Samuel Freiherr von Cocceji (vgl. Bd. VII, S. 118).

8-1 Der Entwurf des preußischen Landrechts, das „Projekt des Corporis juris Fridericiani“, dessen beide ersten Teile, das Personen- und Familienrecht, sowie das Sachen- und Erbrecht enthaltend, 1749 und 1751 erschienen. Der dritte Teil mit dem Obligationenrecht blieb unvollendet.

8-2 Vgl. Bd. VII, S. 118 f. und 214.

9-1 Auf Grund der 1694 vom Kaiser dem Hause Brandenburg erteilten Anwartschaft hatte König Friedrich am 26. Mai 1744 nach dem Aussterben des dortigen Fürstenhauses von Ostfriesland Besitz ergriffen.

10-1 Die Überkompletten wurden nur zu den jährlichen Exerzierübungen und Revuen sowie im Kriegsfall eingezogen und dazu verwandt, die Truppen stets auf dem etatsmäßigen Fuß zu erhalten. Durch Kabinettsorder vom 25. Februar 1755 erfolgte ihre Verdoppelung von 10 auf 20 Mann pro Kompagnie; die obige Angabe trifft also nicht zu. Die Vermehrung betrug rund 7 300 Mann.

11-1 Jakob Keith, aus altem schottischen Geschlechte (1696—1758).

12-1 Die Vermehrung des Jahres 1755 betrug nur 2 Bataillone; die übrigen Augmentationen fallen in den August und September 1756.

12-2 Vgl. Bd. II, S. 18f.

12-3 Friedrich Wilhelm Graf Haugwitz.

13-1 Als römischer Kaiser führte Franz I. den Titel eines Königs von Jerusalem.

13-2 Die 1752 gegründete adlige Militärakademie zu Wiener-Neustadt war für 200 Zöglinge bestimmt.

13-3 Graf Wenzel Kaunitz-Rittberg, seit 1753 Hof- und Staatskanzler.

15-1 Holland und England.

15-2 Fürst Karl von Waldeck befehligte die Truppen der Verbündeten.

16-1 Wilhelm August, Sohn Georgs II.

16-2 Baron Menno van Coehoorn (1641—1704), niederländischer Festungsbaumeister.

17-1 Der französische Philosoph Jean Buridan aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bediente sich dieses Beispiels.

17-2 Maximilian Ulysses Reichsgraf von Browne.

17-3 Ludwig Karl Armand Fouquet Chevalier de Belle-Isle, der Bruder des Marschalls Graf Belle-Isle (vgl. Bd. II, S. 6 und 24). Er fiel am 19. Juli 1747 in dem Gefecht am Col d'Assiette.

17-4 Karl Emanuel III.

18-1 Seit 1745.

18-2 7. Mai 1748.

18-3 Geschlossen 18. Oktober 1748.

19-1 Der Infant Don Carlos, seit 1734 König von Neapel (vgl. Bd. II, S. 26 und 41 f.), folgte 1759 als Karl III. seinem Stiefbruder Ferdinand VI. auf dem spanischen Thron, dagegen in Neapel ihm sein Sohn Ferdinand IV. Sein Bruder Don Philipp starb 1765 als Herzog von Parma und Piacenza.

20-1 Kaunitz (vgl. S. 13) war von 1750 bis 1753 österreichischer Gesandter in Paris.

22-1 Vgl. Bd. II, S. 137.

22-2 Friedrich Wilhelm Menzel.

22-3 Vgl. Bd. II, S. 154.

23-1 Petersburger Allianz vom 2. Juni 1746 mit Österreich. Englands Beitritt erfolgte 1750.

23-2 Die Vermählung fand Juni 1752 statt; doch hatte Groß bereits Ende November 1750 wegen einer Etikettenfrage Befehl erhalten, Berlin zu verlassen.

23-3 Vielmehr Konrad Heinrich Warendorff. Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein (vgl. Bd. II, S. 143) war von 1747 bis 1749 Gesandter in Rußland gewesen.

23-4 Vgl. Bd. II, S. 5. 96.

24-1 Graf Moritz Posse.

24-2 Freiherr von Pretlack.

24-3 Es handelt sich um den Kampf Adolf Friedrichs, der Königin Ulrike (vgl. Bd. II, S. 162f.) und der Hofpartei um Erweiterung des durch die Verfassung von 1720 stark beschränkten Königtums. Das Besetzungsrecht der Ämter war fast die letzte Prärogative, die der Krone geblieben war. Der Reichsrat beanspruchte aber das Recht, den König zu überstimmen.

24-4 Graf Erich Brahe, Gardeoberst; Baron Gustav Jakob von Horn, Hofmarschall; Freiherr Erich von Wrangel, Kammerherr.

24-5 Marquis d'Havrincour.

25-1 Die Gegenpartei forderte die Revision der Juwelen, um zu verhindern, daß sich der Hof durch ihre Verpfändung in Deutschland Geld verschaffte.

25-2 Durch den Subsidienvertrag vom 21. März 1757 mit Frankreich trat Schweden der Koalition gegen Preußen bei und eröffnete dann am 13. September ohne voraufgegangene Kriegserklärung die Feindseligkeiten.

25-3 Gräfin Charlotte Sophie Bentinck, geb. Gräfin Aldenburg, hatte sich 1740 von ihrem Gemahl, dem holländischen Gesandten in Wien, scheiden lassen. Während des Prozesses, den sie über die Ausführung des Scheidungsvertrages führte, hatte der Reichshofrat König Friedrich V. von Dänemark als Grafen von Oldenburg mit dem Sequester über die ihr gehörige Herrschaft Knyphausen in Ostfriesland beauftragt. Der König von Preußen gewährte ihr eine Schutzwache. Durch einen Vergleich zwischen Preußen und Dänemark wurde der langjährige Streit 1754 beigelegt.

26-1 Über den Plan ist Näheres nicht bekannt.

26-2 Vgl. Bd. II, S. 120.

26-3 Graf Karl Colloredo.

26-4 Vgl. S. 29 ff.

26-5 Christian Ludwig.

27-1 Wilhelm IV. († 1751).

27-2 1. November 1755.

30-1 Mirepoix bekleidete seit dem Aachener Frieden den Gesandtschaftsposten in London.

30-2 Vgl. S. 16.

30-3 Auf Georg II. (1683—1760) folgte sein Enkel Georg III. (geb. 1738).

30-4 Heinrich Fox (1705—1774), seit 1746 englischer Kriegssekretär, seit November 1755 Staatssekretär der südlichen Angelegenheiten.

30-5 Thomas Pelham, Herzog von Newcastle, stand seit März 1754 als Erster Lord des Schatzes an der Spitze des englischen Ministeriums.

31-1 Der Breslauer Vertrag vom 5. Juni 1741 (vgl. Bd. II, S. 79 f.) war auf 15 Jahre geschlossen worden.

31-2 Dodo Heinrich Freiherr zu Inn- und Knyphausen, preußischer Gesandter in Paris.

32-1 Der berüchtigte, 1755 in Paris hingerichtete Straßenräuber.

32-2 Vielmehr erst im Juni 1756.

32-3 Herzog Karl, der Schwager König Friedrichs.

33-1 Bruno von der Hellen.

33-2 Den Ausschlag gab die Nachricht von dem bevorstehenden Abschluß eines russisch-englischen Subsidienvertrages.

33-3 Die Konvention von Westminster.

33-4 Vgl. S. 26.

33-5 Nivernais war vielmehr schon am 12. Januar 1756 in Berlin eingetroffen.

33-6 Anspielung auf das Reich Sancho Pansas.

34-1 Nicht König Friedrich, sondern Frankreich verzichtete auf die Erneuerung des Bündnisses.

34-2 Der österreichische Gesandte in Paris.

34-3 Graf Bernis, Günstling der Marquise von Pompadour, wurde 1757 Mitglied des Staatsrats, dann Staatssekretär des Auswärtigen, aber Ende 1758 gestürzt.

35-1 Graf Nikolaus Esterhazy.

35-2 Vgl. Bd. II, S. 154.

35-3 Die Kriegserklärung geschah von seiten Englands am 17. Mai 1756. Sie war die Folge der Eroberung von Minorka durch die Franzosen.

35-4 Byng wurde am 14. März 1757 standrechtlich erschossen, weil er keinen ernstlichen Kampf gewagt hatte.

36-1 Vgl. S. 23.

36-2 Vgl. S. 22.

36-3 Menzel (vgl. S. 22).

36-4 Vielmehr verlangte der Wiener Hof, der seine Rüstungen noch nicht beendet hatte, den Aufschub des Angriffs auf das Jahr 1757. Diese Nachricht empfing der König im Juli 1756 aus dem Wege über Holland.

36-5 Vielmehr bei Köslin. Mit der Versammlung des Reservekorps verband der König einen Garnisonwechsel, der als Demonstration gegen Österreich gedacht war.

37-1 Vgl. S. 26f.

37-2 Für die Anfrage vgl. Anhang, Nr. 5. Die von Kaunitz entworfene Antwort Maria Theresias lautete: „Die bedenklichen Umstände der allgemeinen Angelegenheiten haben mich die Maßregeln für notwendig ansehen lassen, die ich zu meiner Sicherheit und zur Verteidigung meiner Verbündeten ergreife, und die überdies nicht bezwecken, irgend jemand zum Schaden zu gereichen.“

37-3 Flemming berichtete am 28. Juli 1756 an Brühl: Man zweifle in Wien nicht, daß diese ebenso energische wie dunkle Antwort den König von Preußen sehr in Verlegenheit setzen werde. Ferner halte man für notwendig, mit den begonnenen Maßnahmen fortzufahren und sich in so gute Verfassung zu setzen, „daß der König gezwungen wird, sich entweder mit seinen Rüstungen und Augmentationen bei langsamem Feuer zu verzehren oder, um das zu vermeiden, sich zu übereilten Entschlüssen hinreißen zu lassen, und das scheint man in Wien zu erwarten.“ Eine Abschrift dieses Berichtes schickte der preußische Gesandte in Dresden am 10. August nach Berlin.

38-1 Die Mitteilungen aus dem Dresdener Archiv in der Staatsschrift, die die Schilderhebung Preußens rechtfertigen sollte. Da sie nur eine Beilage zur „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ bilden, sind sie nicht mit aufgenommen.

39-1 Nach der Anfrage vom 18. Juli waren noch zwei weitere, am 2. und 26. August, ergangen, in denen der König die Zusicherung forderte, ihn weder im laufenden noch im kommenden Jahre anzugreifen. Auf die Anfrage vom 2. antwortete Maria Theresia ausweichend, auf die vom 26. kurz ablehnend. Vgl. Anhang, Nr. 5.

39-2 Vgl. im Anhang (Nr. 7) die Instruktion für Schwerin.

39-3 Vgl. Bd. II, S. 176 ff.

41-1 Sachsen hatte mit den Kaiserhöfen Verteidigungsbündnisse, war aber ihrer Allianz von 1746 (vgl. S. 23) nicht beigetreten.

42-1 Vgl. S. 36.

42-2 Maria Josepha.

42-3 August Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Bevern.

43-1 Als Anhang zu der Schrift: „Gegründete Anzeige des unrechtmäßigen Betragens und der gefährlichen Anschläge und Absichten des Wienerischen und Sächsischen Hofes gegen Se. Königliche Majestät von Preußen, mit schriftlichen Urkunden erwiesen“ (Berlin 1756). Ein gedrucktes Exemplar dieses Anhangs legte der König auch der „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ bei. (vgl. S. 38 Anm. 1).

45-1 Christoph Hermann von Manstein.

45-2 Kapitulation in der Nacht vom 22. zum 23. September 1756.

45-3 Gefecht bei Iasena, 22. September 1756.

45-4 Gefecht bei Reichenau, 16. Oktober 1756.

49-1 Baron Johann Christian Rühlemann Quadt; David Hans Christoph von Lüderitz.

49-2 Vgl. im Anhang (Nr. 8) die Schilderung der Schlacht in dem Schreiben des Königs an Schwerin vom 2. Oktober 1756.

51-1 11. Oktober 1756.

53-1 14. Oktober 1756.

54-1 16. Oktober 1756.

55-1 In der Nacht vom 21. zum 22. Oktober 1756.

55-2 Prinz Friedrich Eugen von Württemberg.

57-1 Vgl. S. 33.

57-2 Maria Josepha, Gemahlin des Dauphins Ludwig, Tochter König Augusts III.

58-1 Auf die Nachricht von der Abberufung Valorys befahl der König am 30. Oktober 1756 Knyphausen, abzureisen.

58-2 Im Versailler Vertrage vom 1. Mai 1756. Am 1. Mal 1757 wurde ein Offensivbündnis abgeschlossen.

58-3 Vgl. S. 25.

59-1 5. Januar 1757.

59-2 Nachdem Rußland am 11. Januar 1757 der Versailler Allianz von 1756 beigetreten war, schloß es am 2. Februar 1757 eine Allianz mit Österreich ab, in der beide Mächte sich für die Dauer des Krieges zu gegenseitiger Unterstützung verpflichteten.

59-3 Prinz Joseph von Sachsen-Hildburghausen.

59-4 Den Kurfürsten Maximilian II. Emanuel traf 1706 nach der Niederlage bei Höchstädt (13. August 1704) die Reichsacht.

60-1 Erich Christoph Edler von Plotho.

60-2 Vgl. S. 35.

60-3 11. November 1756; seit 29. Juni 1757 wieder Erster Lord des Schatzes.

60-4 Fox (vgl. S. 30) war vielmehr von November 1755 bis Oktober 1756 Staatssekretär der südlichen Angelegenheiten, seit 1757 Kriegszahlmeister für das Landheer, ohne Sitz im Staatsrat.

61-1 Vgl. Anhang, Nr. 11.

61-2 Freiherr Gerlach Adolf von Münchhausen stand als hannöverscher Kammerpräsident an der Spitze des Kollegiums der acht Geheimräte, die für Georg II. die Regentschaft in Hannover führten.

61-3 Vgl. S. 35.

62-1 Graf Karl Christoph Schmettau.

63-1 Es handelt sich um den Frieden von Szegedin, den König Wladislav 1444 dem Sultan Murad II. zu halten schwur und auf Anstiften Cesarinis brach.

64-1 Dieser Ausspruch wird Johann II., dem Guten, König von Frankreich, zugeschrieben. Vgl. Bd. VII, S. 72.

64-2 Heinrich von Blumenthal († 1. Januar 1757).

64-3 Vgl. S. 36.

65-1 Der berühmte Offensivplan gegen Böhmen, wie er im Frühjahr 1757 zur Ausführung gelangte, ist nicht in Haynau, wo der König am 29. Januar mit Schwerin und Winterfeldt zusammentraf, sondern erst im Laufe des März nach eingehender schriftlicher Beratung mit beiden Generalen gefaßt worden, nachdem sich die politische und militärische Lage weiter geklärt hatte.

67-1 Generalmajor Bernd Asmus von Zastrow fiel auf dem Marsch von Aussig nach Lobositz am 25. April 1757 durch eine Kroatenkugel.

70-1 Hartwig Karl von Wartenberg.

71-1 Joachim Christian von Tresckow.

71-2 Georg Ludwig von Puttkamer.

72-1 Vgl. S. 45.

72-2 Auf dem linken Moldauufer, auf dem Keith aufgestellt war, um dem Feinde den Rückzug dorthin zu verlegen.

72-3 Generalleutnant Heinrich Karl Ludwig von Hérault Ritter von Hautcharmoy; die Obersten Friedrich Balthar Freiherr von der Goltz, Prinz Friedrich Wilhelm von Holstein-Beck, Georg Friedrich von Manstein.

73-1 Ein Gehöft, auch die „Angelka“ genannt.

73-2 Johann von Mayr, Kommandeur eines Freibataillons.

73-3 Maximilian Joseph.

76-1 Die Kaiserstraße.

76-2 Vielmehr am 16. Juni 1757.

76-3 Konstantin von Billerbeck.

78-1 Zur Goldnen Sonne.

79-1 Des Dorfes Krczeczhorz.

79-2 Generalmajor Johann Dietrich von Hülsen.

79-3 Vgl. S. 72.

81-1 Vielmehr der sächsische Oberstleutnant Ludwig Ernst von Benckendorff mit dem sächsischen Chevaulegerregiment Prinz Karl.

82-1 Schon seit Beginn des Krieges hatte der Prinz von Preußen, August Wilhelm, ein selbständiges Kommando begehrt. Am 1. Juli 1757 übernahm der Thronfolger, dem Winterfeldt als Berater mitgegeben wurde, den Oberbefehl über die zweite Armee in Jung-Bunzlau mit dem Auftrag, die Lausitz und Schlesien zu decken. Wenn irgend möglich, sollte er Böhmen nicht vor dem 15. August räumen und, rückte er nach Schlesien, den Weg durch die Lausitz nehmen.

83-1 Vgl. S. 72 und 79 f.

83-2 Gefecht bei Wellemin, 22. Juni 1757.

83-3 Nikolaus Lorenz von Puttkamer.

84-1 Graf Karl Christoph Schmettau.

85-1 Bei der Begegnung mit dem Prinzen am 29. Juli sprach der König kein Wort mit ihm und ließ den Generalen, die unter ihm kommandiert hatten, sagen, „wie sie insgesammt meritiereten, daß ihnen die Köpfe vor die Füße geleget würden“. Am 30. legte August Wilhelm den Oberbefehl nieder und ging zunächst nach Dresden. Er starb in Oranienburg am 12. Juni 1758.

85-2 Paul von Werner.

85-3 Friedrich August von Finck.

85-4 Der Schanzberg.

86-1 Generalmajor Philipp Wilhelm von Grumbkow.

87-1 Karl Wilhelm Ferdinand. Er trat 1773 als General der Infanterie in die preußische Armee. In der Schlacht bei Auerstädt schwer verwundet, starb er am 10. November 1806.

87-2 Herzog Karl befand sich bei der alliierten Armee, die er am 31. Juli 1757 verließ.

88-1 Oder Jäckelsberg.

89-1 Treffen bei Moys, 7. September 1757.

89-2 Am 8. September 1757.

90-1 Französischer Brigadier und Militärbevollmächtigter im österreichischen Hauptquartier.

90-2 Kanonade von Barschdorf, 26. September 1757.

90-3 Friedrich Wilhelm von Seydlitz, seit 20. Juni 1757 Generalmajor.

91-1 Michael von Szekely, Oberst und Chef eines Husarenregiments; Friedrich Wilhelm Gottfried Arnd von Kleist, Major im Regiment Szelely.

91-2 Am 8. September 1757.

91-3 Graf Rochus Friedrich Lynar, Statthalter von Oldenburg und Delmenhorst.

91-4 Die Echtheit des Briefes wird bestritten.

92-1 Der Petersberg, die Zitadelle, lag westlich, die Cyriaksburg, ein vorgeschobenes geschlossenes Werk südwestlich der Stadt.

92-2 Der Ingenieuroberst Johann Friedrich von Balbi wurde am 14. August 1757 an den Grafen Neuwied, den Vermittler des Wiener Präliminarvertrages von 1735 (vgl. Bd. VII, S. 109), geschickt. Dieser hatte den König von der Bereitwilligkeit des Marschalls Belle-Isle, Friedensverhandlungen zu begünstigen, unterrichtet. Balbi wurde zu einem vorläufigen Abkommen ermächtigt, auf der Grundlage: keine Abtretungen, ein Waffenstillstand, um Abrede mit den Verbündeten zu treffen, Einschluß der Verbündeten und Erneuerung der Allianz mit Frankreich. In das Hauptquartier des Herzogs von Richelieu dagegen wurde am 6. September der Kammergerichtsrat von Eickstedt mit einem Schreiben des Königs entsandt, worin dieser den Frieden antrug und um Mitteilung der Bedingungen ersuchte. Richelieu erwiderte, er müsse in Paris anfragen, und der Versailler Hof erklärte, nur gemeinsam mit Österreich verhandeln und Frieden schließen zu wollen.

93-1 Generalmajor Heinrich von Manteuffel.

94-1 Am 19. September 1757.

94-2 Prinz Georg von Hessen-Darmstadt, Reichs-Generalfeldmarschall-Leutnant.

95-1 Der Überfall Berlins hatte am 16. Oktober 1757 stattgefunden, doch schon in der Nacht zum 17. zog Hadik wieder ab.

98-1 Vielmehr Reichardtswerben.

100-1 Oberst Freiherr Rupert Scipio von Lentulus, Sohn des österreichischen Generals Joseph Cäsar (vgl. Bd. II, S. 70.89), war nach dem Dresdener Frieden in das preußische Heer übergetreten.

101-1 Vgl. S. 88.

101-2 Marquis de Fraigne, der 1756 der französischen Gesandtschaft in Berlin attachiert war, wurde am 23. Februar 1758 als französischer Spion verhaftet.

102-1 Johanna Elisabeth, Witwe des 1747 gestorbenen Fürsten Christian August, Mutter der Großfürstin Katharina von Rußland (vgl. Bd. II, S. 153 f.). Von einer heimlichen Ehe mit Fraigne ist nichts überliefert.

102-2 Am 12. November 1757.

103-1 Generalmajor Philipp von Sers.

103-2 Vgl. S.86.

103-3 Am 22. November 1757.

103-4 Am 24. November 1757.

105-1 Scharmützel bei Parchwitz, 28. November 1757

105-2 Vgl. auch die Rede des Königs an die Generale vom 3. Dezember im Anhang, Nr. 16.

106-1 Der Zettelbusch.

108-1 Vgl. S. 71 f. und 79 f.

108-2 Generalmajor Karl Heinrich von Wedell.

108-3 Auf dem Glanzberg.

108-4 Auf dem Judenberg.

108-5 Der Gohlauer Graben.

108-6 Generalleutnant Georg Wilhelm von Driesen.

109-1 Als Führer diente der Kretschmer aus Saara, der mit einer Laterne neben dem Pferde des Königs herging.

109-2 Die Nacht verbrachte der König im Schlosse von Lissa, das voll verwundeter Österreicher war. Die Begegnung daselbst mit den abgeschnittenen österreichischen Offizieren war für ihn ohne Gefahr. Was darüber berichtet wird, ist spätere legendenhafte Ausschmückung.

110-1 Baron Sprecher.

110-2 Erhöhtes Werk der Bastion

111-1 Am 20. Dezember 1757.

111-2 Oberst Ferdinand von Bülow.

111-3 Am 26. Dezember 1757.

114-1 Am 13. September 1757 gingen die Schweden über die Peene und besetzten Anklam und Demmin. Am 23. nahmen sie die Peenemünder Schanze ein.

114-2 Vgl. S. 93.

114-3 Vgl. den Operationsplan für Lehwaldt vom 9. November 1757 im Anhang, Nr. 15.

117-1 Nach dem Rücktritt von Fox (vgl. S. 60 f.) im Oktober 1756 wurde im Dezember William Pitt Staatssekretär der südlichen Angelegenheiten. Auf Verlangen des Herzogs von Cumberland mußte er im April 1757 sein Amt niederlegen, wurde aber im Juni des Jahres von neuem auf diesen Posten berufen.

117-2 Vgl. S. 101.

117-3 Der Subsidienvertrag vom 11. April 1758. Joseph Yorke bisher englischer Gesandter im Haag, war zur Ablösung Andrew Mitchells, des englischen Vertreters in Berlin, bestimmt. Doch machte König Friedrich die Abberufung Mitchells wieder rückgängig.

117-4 Vgl. Bd. VII, S. 158.

117-5 Vgl. S. 114.

118-1 Graf Esterhazy, Marquis L'Hôpital und Prasse.

118-2 Vgl. S. 43.

118-3 Lediglich in der Hoffnung, mit Englands Hilfe die Russen noch vom Kriege fernhalten zu können, hatte König Friedrich befohlen, bei der Veröffentlichung der Dresdener Dokumente Rußland und Bestushew zu „menagieren“. In einer Unterredung mit Williams, dem englischen Gesandten in Petersburg, erkannte Bestushew diese Rücksicht dankbar an, mit der Bitte, sie auch ferner zu üben. Über irgend welche direkte Schritte bei dem König, sowie über den Brief an Brühl und die darin erwähnte Beseitigung Castéras' ist nichts bekannt.

119-1 Der Entschluß zum Rückzug (vgl. S. 113) war allein durch militärische Notwendigkeit bedingt, da die Russen eine neue Schlacht nicht wagten, ohne diese aber sich nicht in Ostpreußen halten konnten.

119-2 Wegen der dem Hause Holstein-Gottorp von Dänemark vorenthaltenen Ansprüche auf Schleswig.

119-3 Für diese Angabe findet sich in den Akten keine Bestätigung.

119-4 Großfürst Peter vielmehr führte den Sturz Bestushews (25. Februar 1758) herbei, da der Kanzler im Einvernehmen mit der Großfürstin Katharina plante, beim Tode der Kaiserin Elisabeth die Krone mit Übergehung des Großfürsten an dessen Sohn, den dreijährigen Paul Petrowitsch, fallen zu lassen.

120-1 Nach dem Schreiben des Grafen Kaunitz vom 17. Januar 1758 hatte ein Weinhändler aus Boulogne auf die Nachricht von der Schlacht bei Leuthen ausgerufen: „Findet sich denn kein Dolch, der den König von Preußen aus der Welt befördert?“ Der Mann hatte sein Testament gemacht und war Verschwunden. In der vom König eigenhändig entworfenen Antwort, die Finckenstein in seinem Namen am 25. Januar an Kaunitz richtete, heißt es: „Wir verdanken dem aufgeklärten und gesitteten Jahrhundert, in dem wir leben, den Abscheu vor Meuchelmord. Es stände zu wünschen, daß unser Jahrhundert auch die Bitterkeit unziemlicher Federn gesänftigt hätte, die sich in öffentlichen Schriften oft der beleidigendsten Ausdrücke gegen große Fürsten bedienen.“ Vgl. S. 60.

121-1 Sophie Dorothea († 28. Juni 1757).

121-2 Maria Josepha († 17. November 1757).

121-3 Die katholische Hofkirche in Dresden, erbaut 1737—1756.

122-1 Osman III. († 28. Oktober 1757); ihm folgte Mustapha III.

122-2 Auf die Nachricht vom Tode des Sultans Mahmud V. († 13. Dezember 1754) hatte der König bereits im Jahre 1755 den früheren Kaufmann Gottfried Fabian Haude, der als Kenner der Türkei galt, unter dem Decknamen eines Geheimen Kommerzienrates Karl Adolf von Rexin nach Konstantinopel geschickt, um den Boden für einen Handels- und einen Defensivvertrag zu „sondieren“. Bei Ausbruch des Krieges im Herbste 1756 war Rexin zum zweitenmal an die Pforte gesandt worden, um die Verträge zum Abschluß zu bringen.

123-1 Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig (vgl. S. 87).

123-2 Karl von Beust, Major im preußischen Husarenregiment Ruesch, gehörte zu dem Korps von 10 Dragoner- und 5 Husarenschwadronen, das der König unter dem Generalleutnant Prinz Georg Ludwig von Holstein-Gottorp zur Verstärkung der alliierten Armee entsandt hatte (vgl. S. 115).

123-3 Herzog Viktor Franz Broglie.

124-1 Im Winter von 1674 auf 1675.

124-2 Vgl. S. 123 Anm. 2.

125-1 Gefecht bei Mehr, 5. August 1758.

125-2 Am 23. Juli 1758.

128-1 Freiherr August Christian von Bülow, Flügeladjutant Prinz Ferdinands.

128-2 Vgl. S. 111.

130-1 Generalmajor Nikolas Lorenz von Puttkamer, Chef eines Infanterieregiments.

130-2 Das Freibataillon Rapin.

131-1 Generalmajor Karl Friedrich von Meier.

131-2 Gemeint sind die Freibataillone Le Noble und Salenmon, die den Puttkamerschen Transport deckten und auf der Rückkehr am 8. Juni durch ein österreichisches Streifkorps bei Siebenhöfen fast aufgerieben wurden.

131-3 Baron Marschall von Biberstein.

131-4 Vgl. im Anhang (Nr. 20 und 21) die Weisungen, die der König am 30. Juni 1758 für den Fall eines Angriffs der Österreicher an Keith und an Dieskau und Moller ergehen ließ.

131-5 Gefecht bei Gundersdorf, 28. Juni 1758.

133-1 Johann Christoph Kordshagen vom Regiment Zieten-Husaren.

134-1 Am 18. Juli 1758 bezog Daun das oben beschriebene Lager und am 22. ein Lager westlich von Königgrätz, welches so stark war, daß der König auf seinen Angriffsplan (vgl. Anhang, Nr. 22) verzichtete und nach Schlesien aufbrach.

135-1 Generalmajor Wilhelm von Saldern; Oberst Christian Friedrich von Blanckenburg.

136-1 Generalmajor Dubislav Friedrich von Platen.

136-2 Vgl. im Anhang (Nr. 19) die Instruktion vom 2. April 1758 für Graf Dohna, dem als Nachfolger Lehwaldts der Oberbefehl über die Armee in Pommern übertragen wurde.

136-3 Generalleutnant Hans Wilhelm von Kanitz.

136-4 Oberst Schach von Wittenau.

137-1 Die Mietzel.

137-2 1736—1739.

138-1 Der Zabern-Grund verläuft nicht nach Wilkersdorf, sondern mehr nach Süden.

138-2 Vgl. S. 93.

138-3 Manteuffel verlor vielmehr die Anlehnung an den schützenden Zabern-Grund, weil dieser nahe vor der russischen Stellung plötzlich eine Wendung nach Westen macht.

139-1 Die Generalmajors Gabriel Monod von Froideville und Hans Sigismund von Zieten, Kommandeur en chef des Kürassierregiments Markgraf Friedrich.

139-2 Prinz Franz von Braunschweig-Wolfenbüttel, der jüngste Bruder der Königin Elisabeth Christine, preußischer Generalmajor.

139-3 Vgl. im Anhang (Nr. 18) die Instruktion vom 11. März 1758 für Prinz Heinrich, dem der König den Oberbefehl über das Heer in Sachsen übertragen hatte.

140-1 Prinz Michael von Zweibrücken-Birkenfeld.

140-2 Vgl. S. 91.

141-1 Christian von Möhring, Oberstleutnant im Regiment Zieten-Husaren.

141-2 Vielmehr Generalmajor Prinz Karl von Bevern.

142-1 26. September 1758.

142-2 Markgraf Christoph von Baden-Durlach.

144-1 Simon Moritz Wilhelm von Langen.

144-2 Generalmajor Karl Ferdinand Baron von Hagen gen. Geist.

145-1 Seit dem 3. Oktober 1758.

148-1 Johann Albrecht von Bülow.

149-1 Am 6. November 1758.

149-2 Am 27. Oktober 1758.

149-3 Heinrich Sigismund von der Heyde.

149-4 Am 28. September 1758.

149-5 Der Überfall der Vorhut der schwedischen Armee unter Generalmajor Graf Hessenstein durch den Major Friedrich August von Schenckendorff in Boitzenburg erfolgte in der Nacht zum 15. Oktober 1758.

150-1 Gefecht bei Eilenburg, 15. November 1758.

150-2 Am 7. November 1758 bezog Daun das Lager bei Lockwitz, 1 1/4 Meile südöstlich von Dresden.

150-3 Am 8. November 1758 hatte der König den Rückmarsch von Neiße angetreten und stand am 17. bei Weißenberg.

150-4 Vgl. S. 142.

152-1 Am 12. Juni 1758.

153-1 Benedikt XIV. (vgl. Bd. II, S. 42) starb am 3. Mai 1758.

153-2 Nach den Ergebnissen der neuesten Forschung ist der Sachverhalt folgender. Aus Anlaß der Schlacht bei Hochkirch sprach Papst Klemens dem Könige von Frankreich feierlich seine Freude über dessen Bündnis mit Österreich aus. In einem zweiten Breve ermahnte er den Kaiser als Schirmvogt der Kirche, die Rechte der Religion und des heiligen Reiches zu wahren. Im Januar 1759 erschien zunächst in der „Gazette de Cologne“ eine Andeutung über die Verleihung eines geweihten Hutes und Degens durch den Papst an Feldmarschall Daun. Sie wurde im März durch andere, vor allem holländische Zeitungen bestätigt, dann aber im August sowohl in einem Erlaß des Vatikans an den Wiener Nuntius wie auch durch den Wiener Hof selbst amtlich dementiert. Auf jene Zeitungsnachrichten hin hat König Friedrich, einer Anregung des Marquis d'Argens folgend, im Mai 1759 das satirische päpstliche Verleihungsbreve für Daun (vgl. Bd. V) verfaßt.

154-1 Der in der Nacht zum 4. September 1758 auf König Josef I. ausgeführte Anschlag Malagridas war ein Racheakt des Herzogs von Aveiro und der Jesuiten für die Berufung des Marquis Pombal zum leitenden Minister, durch den sie sich in ihrem Einfluß und in ihren Vorrechten geschmälert sahen. Erst im Dezember wurde Aveiro mit seiner Familie verhaftet und dann am 13. Januar 1759 hingerichtet. Die weitere Folge bildete die Ausweisung der Jesuiten, die trotz päpstlichen Protestes stattfand.

154-2 Clemens August, Herzog in Bayern.

154-3 Vgl. S. 34.

155-1 In die Abtei St. Médard in Soissons.

155-2 Stephan Franz Graf von Stainville, Herzog von Choiseul d'Amboise.

155-3 Der zur Bekräftigung der obigen Darstellung dem Kapitel angehängte „Auszug“ aus dem Vertrage vom 30. Dezember 1758, auf den der König im folgenden verweist, durfte fortbleiben, da er nur eine Beilage bildet. Der Kernpunkt des neuen Vertrages liegt in der Aufhebung des Bündnisses vom 1. Mai 1757 (vgl. S. 58), nach welchem die Rückeroberung Schlesiens die unerläßliche Bedingung für den künftigen Frieden war. Damit wurde auch die 1757 gegebene Zusage der Abtretung der österreichischen Niederlande, die die Gegenleistung Maria Theresias darstellte, hinfällig. In dem neuen Vertrage verzichtete der Wiener Hof zwar auf die Weiterzahlung der jährlichen französischen Subsidien, Frankreich mußte sich aber verpflichten, sowohl während des Krieges als auch während der Friedensverhandlungen alles aufzubieten, um die Erwerbung von Schlesien für Österreich durchzusetzen.

155-4 Der russisch-österreichische Vertrag, der den Russen die Erwerbung Ostpreußens bei Friedensschluß verhieß, wurde erst am 1. April 1760 unterzeichnet.

156-1 Herzog Biron von Kurland, von der Kaiserin Anna zum Regenten von Rußland ernannt, war am 20. November 1740 von Münnich gestürzt und darauf nach Sibirien verbannt worden (vgl. Bd. II, S. 5 f. 60 f.). Mit Zustimmung der Kaiserin Elisabeth wählte die kurländische Ritterschaft 1758 den Prinzen Karl zum Herzog. Nach ihrem Tode (1762) aber berief Peter III. Biron zurück, und Katharina II. setzte ihn in das Herzogtum wieder ein, nachdem sie Prinz Karl mit Gewalt aus Mitau hatte entfernen lassen.

156-2 Im Juli 1756 hatten bereits Dänemark und Schweden eine Konvention zum Schutz ihres Handels gegen englische Kaper geschlossen. Im April 1758 trafen Rußland und Schweden ein Abkommen über die Ausrüstung einer gemeinsamen Flotte, das im März 1759 erneuert wurde und, während es allen seefahrenden Nationen volle Handelsfreiheit in der Ostsee zusicherte, blockierte preußische Seestädte anzulaufen verbot. Die Angabe über einen dänisch-russischen Vertrag beruht auf Irrtum.

156-3 Die Festung Louisburg auf der Insel Kap Breton am Eingang des St. Lorenz-Golfes war am 26. Juni 1758 erobert worden.

157-1 Vgl. S. 122.

157-2 Mustapha III. (vgl. S. 122).

161-1 Als infolge des Vormarsches der Russen gegen Ostpreußen (vgl. S. 36 und 185) der Ausbruch des Krieges unmittelbar bevorzustehen schien, setzte König Friedrich die obige „Denkschrift“ auf. Sie wurde auf Befehl vom 28. Juni 1756 dem englischen Hofe mitgeteilt.

161-2 Die Westminsterkonvention vom 16. Januar 1756 (vgl. S. 33).

161-3 Vgl. S. 31 ff.

162-1 Graf Iwan Schuwalow (vgl. S. 118); Graf Michael Woronzow, Vizekanzler.

162-2 Am 1. Mai 1756 (vgl. S. 34).

162-3 Der englische Gesandte in Wien, Robert Murray Keith, war beauftragt, kategorische Erklärungen über die österreichisch-französischen Verhandlungen, die zum Versailler Vertrage führten, zu fordern, hatte aber nur eine ausweichende Antwort erhalten.

162-4 Der Wiener Hof suchte den zum Katholizismus übergetretenen Erbprinzen Friedrich zur Flucht nach Wien zu bestimmen. Auf die Beschwerden des Landgrafen Wilhelm VIII. antwortete er ausweichend.

162-5 Gemeint sind die Verfolgungen der Protestanten.

163-1 Nach dem Tode Kaiser Karls VI.

163-2 Friedrich V.

163-3 Clemens August.

164-1 Friedrich III.

164-2 Karl Wilhelm Friedrich, der Schwager König Friedrichs.

164-3 Friedrich, der Sohn des am 30. Mai 1756 gestorbenen Herzogs Christian Ludwig (vgl. S. 26).

164-4 England schloß Subsidienverträge mit Herzog Karl von Braunschweig, Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel und dem Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe-Bückeburg.

165-1 Auf die entscheidende Nachricht vom Marsche der ungarischen Kavallerieregimenter nach Böhmen und Mähren, die am 16. Juli 1756 eintraf, entschloß sich König Friedrich zur ersten Anfrage in Wien, die am 18. erging (vgl. S. 37 und 175). In der Erwartung des bevorstehenden Kriegsausbruches verfaßte er damals auch den obigen „Entwurf eines Manifestes“, den er aber noch mehrmals umarbeitete. Für die endgültige Fassung vgl. S. 179 ff.

165-2 Vgl. S. 30 ff.

165-3 Vgl. S. 33.

165-4 Am 1. Mai 1756 (vgl. S.34).

165-5 Vgl. S. 23.

167-1 Das obige „Manifeste saxoniensis“, wie König Friedrich es nannte, entstand in denselben Tagen wie der „Entwurf eines Manifestes gegen Österreich“ (vgl. S. 165). Den im „Manifest“ enthaltenen Mitteilungen aus den sächsischen Dokumenten liegt eine Zusammenstellung zugrunde, die der Geheime Legationsrat Ewald Friedrich von Hertzberg auf Befehl des Königs vom 20. Juli 1756 aus den Abschriften des Kanzlisten Menzel (vgl. S. 22 und 36) anfertigte. Als sich im August nochmals die Aussicht auf Erhaltung des Friedens — sei es durch eine befriedigende Erklärung Maria Theresias, sei es durch einen Umschwung in Rußland — zu bieten schien, ließ Friedrich durch den Kabinettsminister Graf Finckenstein ein neues Manifest entwerfen, das die Besetzung Sachsens mit den üblen Erfahrungen der Jahre 1744 und 1745 begründete und die Versicherung enthielt, daß er Sachsen nur als Depositum behalten, im Frieden aber seinem rechtmäßigen Herrn ungeschmälert zurückgeben werde. Die Auszüge aus den Dokumenten blieben darin fort. Sie bildeten mit den Archivalien, die nach dem Einmarsch in Sachsen dem Dresdener Archiv entnommen wurden (vgl. S. 43), den Grundstock für die von Hertzberg verfaßte und im Oktober 1756 veröffentlichte Rechtfertigungsschrift der preußischen Schilderhebung (vgl. S. 43 Anm. 1).

167-2 Die Vermählung der Prinzessin Maria Josepha mit dem Dauphin Ludwig erfolgte am 9. Februar 1747.

168-1 Vom 2. Juni 1746 zwischen Petersburg und Wien (vgl. S. 23).

168-2 Kurland war polnischer Vasallenstaat. Rußland weigerte sich, den seit Ende 1740 nach Sibirien verbannten Herzog Biron (vgl. S. 156 Anm. 1) zurückzuberufen.

168-3 Nach Artikel XI des Dresdner Friedens mußten die Forderungen preußischer Untertanen an die sächsische Steuerkasse, sobald sie fällig waren, ohne Abzug und unbedingt befriedigt werden.

168-4 Durch die Hubertusburger Konvention vom 3. November 1753 wurde bestimmt, daß die noch in preußischen Händen befindlichen Steuerscheine sofort vorgelegt und später nicht mehr zur Bezahlung angenommen werden sollten.

168-5 Alten Stiles.

169-1 Vielmehr im Oktober 1755.

169-2 Der Nachfolger Arnims in Petersburg.

169-3 Prasse.

169-4 Vgl. S. 36.

171-1 Das Schreiben ist mit Ausnahme des letzten Absatzes deutsch abgefaßt.

171-2 Der preußische Gesandte in Paris. —-

171-3 Ein Bericht des holländischen Gesandten in Petersburg, Swart, den der König am 21. Juli 1756 aus dem Haag erhalten hatte (vgl. S. 173 Anm. 2).

171-4 Vgl. S. 34.

171-5 Der englische Gesandte in Petersburg.

173-1 Die obige „Denkschrift“ wurde dem englischen Gesandten Mitchell für seinen Hof im Verlaufe der Audienz vom 26. Juli 1756 übergeben.

173-2 Am 20. Juli hatte der König die Nachricht von dem bevorstehenden Beitritt Rußlands zur Versailler Allianz, am 21. die von dem Aufschub des russisch-österreichischen Angriffs auf das Frühjahr 1757 empfangen. Die letztere, die von dem holländischen Gesandten in Petersburg, Swart, stammte, ging dem Könige aus dem Haag zu.

173-3 Die russischen Truppen hatten den Vormarsch eingestellt und waren wieder umgekehrt (vgl. S. 185).

173-4 Vgl. S. 176 Anm. 1.

173-5 Vgl. S. 163 f.

175-1 Da nach der Umkehr der Russen (vgl. S. 173) die österreichischen Rüstungen fortdauerten, glaubte der König, daß ihn nunmehr die Österreicher allein angreifen würden. Auf die Nachricht vom Marsch der ungarischen Kavallerie nach Böhmen und Mähren (vgl. S. 165 Anm. 1), der er entscheidende Bedeutung beilegte, entschloß er sich zur obigen Anfrage. Vgl. S. 37.

175-2 Gemeint ist die Versammlung des Reservekorps in Hinterpommern (vgl. S. 36).

176-1 Da am 26. Juli 1756 der französische Gesandte, Marquis Valory, im Namen seines Hofes erklärte, daß Frankreich den Österreichern die im Versailler Vertrag ausbedungene Hilfe leisten müsse, entschloß sich König Friedrich zu der zweiten Anfrage, um Zeit zu gewinnen und zu verhindern, daß die Franzosen noch im laufenden Jahre am Kriege teilnahmen. Die Weisung an Klinggräffen erging sofort nach Eintreffen der ausweichenden österreichischen Antwort auf die erste Anfrage (vgl. S. 37 Anm. 2 und S. 182).

176-2 Die folgenden Angaben beruhen auf den Meldungen Swarts aus Petersburg, die der König am 21. Juli erhalten hatte (vgl. S. 173).

176-3 Aubeterre und Keith.

177-1 Schwerin führte die schlesische Armee.

177-2 Da Klinggräffen nicht ohne Weisung des Königs die Anfrage, wie Kaunitz verlangte, schriftlich zu stellen wagte, verzögerte sich die Ankunft der Antwort.

177-3 Trotz der unbefriedigenden österreichischen Antwort auf die zweite Anfrage (vgl. dafür S. 183 f.) entschloß sich der König zu einer dritten, da er nach einer ihm zugegangenen Nachricht Grund zu der Annahme zu haben glaubte, daß ein Teil der Antwort Maria Theresias von Kaunitz unterschlagen sei. Dazu kam die Hoffnung auf einen Umschlag der Stimmung in Rußland (vgl. S. 167 Anm. 1). Nur das Postskriptum des Erlasses vom 26. August an Klinggräffen ist eigenhändig vom König verfaßt.

178-1 In der Frühe des 28. August 1756 brach der König an der Spitze der Potsdamer Garnison von Potsdam auf.

178-2 Am 11. September 1756 traf die österreichische Antwort auf das preußische Ultimatum beim König ein. Maria Theresia lehnte darin jede weitere Erklärung ab.

179-1 Das obige Manifest gegen Österreich ist das Werk des Königs, mit Ausnahme des vom Minister Grafen Finckenstein angefertigten Auszuges aus der zweiten Wiener Antwort. Für die erste Hälfte, die bis zu diesem Auszug reicht, und für den Schluß hat Friedrich fünf Entwürfe verfaßt, den ersten (vgl. S. 165) gegen den 20. Juli, den letzten, der dann nur noch geringfügige Änderungen erfuhr, um die Mitte des August 1756. Ebenso liegen für die Kritik der zweiten Wiener Antwort zwei eigenhändige Entwürfe Friedrichs (unter dem Titel: „Bemerkungen zur Antwort des Wiener Hofes“) vor. Der zweite ist gleichfalls fast unverändert in das obige Manifest übernommen. Dieses selbst wurde erst nach Eingang der dritten Wiener Antwort (vgl. S. 178 Anm. 2) am 12. September 1756 veröffentlicht.

179-2 Anmerkung im Manifeste: „Die Holländer wissen, wie die Kaiserin den Barrieretraktat erfüllt hat.“ Vgl. Bd. II, S. 83 Anm. 1.

179-3 Vgl. S. 34.

180-1 Vgl. S. 23.

180-2 Diese Angabe trifft nicht zu.

180-3 Vgl. S. 23.

181-1 Vgl. S. 29 ff. 35.

181-2 In der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 (vgl. Bd. II, S. 141 f.).

181-3 Georg II. war der Bruder von Sophie Dorothea, der Mutter König Friedrichs.

181-4 Die Westminsterkonvention vom 16. Januar 1756 (vgl. S. 33).

182-1 Vgl. S. 175.

183-1 Vgl. S. 176 f.

184-1 Tatsächlich wurde das russisch-österreichische Offensivbündnis erst am 2. Februar 1757 unterzeichnet, doch war der gemeinsame Angriff auf Preußen für das nächste Jahr durch mündliche Übereinkunft bereits festgesetzt.

184-2 Vgl. S. 36 und 175.

185-1 Die erste Kunde vom Anmarsch der Russen hatte der König am 19., die erste, noch unverbürgte Nachricht von ihrer Umkehr (vgl. S. 173) am 29. Juni 1756 erhalten.

186-1 Vgl. S. 177 f.

187-1 Viktor Amadeus II.

187-2 Geschlossen 1508 zwischen Kaiser Maximilian, Ludwig XII. von Frankreich, Papst Julius II. und Ferdinand dem Katholischen gegen Venedig.

189-1 Nach Eintreffen der österreichischen Antwort auf die erste Anfrage (vgl. S. 182) am 2. August 1756 erhielt Feldmarschall Schwerin, der seit dem 9. Juli in Potsdam weilte, die „Instruktion“. In der Nacht zum 5. August reiste er nach Schlesien ab.

189-2 Schwerin war Gouverneur der Festung Neiße.

189-3 Auf die zweite Anfrage (vgl. S. 176 f.).

189-4 Vgl. S. 45.

190-1 Vgl. S. 176 Anm. 1.

190-2 Freiherr Ernst Wilhelm von Schlabrendorff, Provinzialminister für Schlesien (1755—1769).

190-3 In Böhmen.

191-1 Vgl. S. 70.

191-2 Die Intendantur.

193-1 Für die Darstellung der Schlacht von Lobositz, die der König in diesem Schreiben gibt, vgl. S. 46 ff.

193-2 In einem Bericht an den König vom 13. September 1756 hatte Schwerin die österreichische Artillerie erwähnt und allgemein von der geringen Schätzung gesprochen, die die Artillerie bei erfahrenen Offizieren genösse. „Ich selber“, fuhr er fort, „fürchte sie nicht wegen ihrer geringen Wirkung, wie ich bei allen Schlachten gesehen habe, an denen ich teilnahm, und wo diese Waffe meist mehr Lärm verursachte als Erfolge erzielte und nur die Leute einschüchterte, die furchtsam, ohne Erfahrung oder geborene Memmen sind.“ Vgl. auch S.11 und 13 die Äußerungen des Königs über den zunehmenden „Mißbrauch“ der Artillerie.

193-3 Im Lager von Johnsdorf.

194-1 Der Elbe.

194-2 Zwischen dem Lobosch und den Ausläufern des Wawczinberges.

194-3 Dem Lobosch und dem Homolkaberg.

194-4 Vgl. die umstehende Tafel.

195-1 Major Karl Friedrich von Moller.

196-1 Vgl. S. 49.

196-2 Generalmajor Henning Ernst von Oertzen.

196-3 Oberst Georg Heinrich von Holtzendorff.

196-4 Vgl. Bd. II, S. 235 ff.

197-1 Die Denkschrift wurde, gleich den früheren (vgl. S. 161 ff. und 173 f.), der englischen Regierung mitgeteilt.

197-2 Das auf Grund des Versailler Vertrages gestellte Hilfskorps.

197-3 Hannover.

198-1 Vgl. S. 163 f.

199-1 Obige „Denkschrift“ nebst dem „Feldzugsplan“ (vgl. S. 203 ff.) wurde am 20. November 1756 von König Friedrich dem englischen Gesandten Mitchell für seinen Hof übergeben. Vgl. dazu S. 61.

199-2 Vgl. S. 35.

199-3 Österreich und Frankreich.

200-1 Anspielung auf die Krise innerhalb des englischen Ministeriums, die am 11. November 1756 zum Rücktritt des Herzogs von Newcastle führte (vgl. S. 60).

201-1 Vgl. S. 198.

202-1 Artikel 19 des Barrierevertrags vom 15. November 1715.

202-2 Am 4. Oktober 1756 war Prinz Friedrich von Dänemark, der zweite Sohn König Friedrichs V., zum Koadjutor des Bistums Lübeck gewählt worden. Die Wahl des Prinzen wurde von dem Hause Holstein-Gottorp angefochten.

202-3 Vgl. S. 203 ff.

202-4 Vgl. S. 163 f.

203-1 Vgl. S. 61 und S. 199 Anm. 1.

203-2 Bericht des preußischen Gesandten Baron Knyphausen, Paris, 1. November 1756.

203-3 Vgl. S. 35.

204-1 An der Maas zwischen Lüttich und Maastricht.

206-1 Nach einer Bemerkung des englischen Gesandten Mitchell auf der Rückseite der obigen Satire sandte ihm König Friedrich diese nach einer Unterredung, die er in den ersten Julitagen 1757 mit ihm in Leitmeritz gehabt hatte. In ihr spiegelt sich die erbitterte Stimmung wider, in die den König die Nachrichten von der Bedrohung der preußischen Küsten durch die russische Flotte versetzten. Vergebens hatte er die Entsendung englischer Kriegsschiffe nach der Ostsee gefordert. Statt des Geschwaders wurden ihm Subsidien geboten. In einer Unterredung vom 11. Juli bezeichnete er dann geradezu als sein Mißgeschick, sich mit den Engländern in der Epoche ihres Niederganges verbündet zu haben. Er erinnerte daran, wieviel sie im Spanischen und österreichischen Erbfolgekriege für Österreich getan hätten, und beschuldigte sie unverhüllt österreichischer Sympathien.

206-2 Jakob Eduard Stuart, der als Sohn des 1688 vertriebenen Königs Jakob II. Anspruch auf die englische Krone erhob (vgl. Bd. II, S. 165. 244 f.).

207-1 Tatsächlich war die Abtretung von Ostende, Nieuport an Frankreich in dem Versailler Vertrage von 1757 (vgl. S. 58) ausbedungen, doch war König Friedrich nur gerüchtweise davon unterrichtet.

208-1 Nostradamus (Michel de Notredam), † 1566, französischer Astrolog und Verfasser von Prophezeiungen.

209-1 Der König hat die obige „Rechtfertigung“ und „Die Gründe meines militärischen Verhaltens“ (vgl. S. 216 ff.) Ende Juli 1757, nach dem unglücklichen Feldzug des Prinzen von Preußen, ausgesetzt und am 2. August dem Sekretär Eichel für den Kabinettsminister Graf Finckenstein übersandt. Sie waren als „Apologie vor die Postérité“, wie Eichel schreibt, gedacht und daher zur Aufbewahrung im Archiv bestimmt. Verteidigt sich der König in der „Rechtfertigung“ gegen die Vorwürfe, die ihm über den Bruch mit Frankreich gemacht werden konnten, so wendet er sich in den „Gründen“ gegen die Kritiker seiner Heerführung nach der Schlacht bei Prag. Zu der „Rechtfertigung“ vgl. Kapitel 2 und 3 der Darstellung des Krieges, für die sie zum Teil die Grundlage bildet.

209-2 Vgl. Bd. VII, S. IX.

210-1 Vgl. S. 29 ff.

210-2 Vgl. S. 22. 36.

210-3 Vgl. S. 43.

211-1 Vgl. S. 31 f.

211-2 Vgl. S. 32.

211-3 Vgl. S. 33.

211-4 Vgl. S. 33 f.

212-1 Bei der Rückkehr aus Magdeburg, wo der König zur Revue über die magdeburgischen Regimenter geweilt hatte, am 19. Juni 1756, erhielt er die erste Nachricht vom Anmarsch der Russen auf Ostpreußen (vgl. S. 185).

212-2 Vgl. S. 36 und 184.

212-3 Für die drei Anfragen des Königs in Wien vgl. S. 175 ff.

212-4 Die Versailler Allianz vom 1. Mai 1756 (vgl. S. 34).

213-1 Während des Spanischen Erbfolgekrieges, nachdem Herzog Viktor Amadeus II. 1703 auf die Seite des Kaisers getreten war (vgl. S.187). Ludwig, Herzog von Burgund, Enkel Ludwigs XIV. und Vater Ludwigs XV., seit 1711 Dauphin, starb 1712.

213-2 Vgl. S. 57.

214-1 Vgl. S. 207.

214-2 Vgl. S. 73.

214-3 Vgl. S. 60 f.

214-4 Vgl. S. 206 Anm. 1.

214-5 Schweden hatte 1720 Stettin und Vorpommern an Preußen abgetreten.

214-6 Großfürst Peter war Herzog von Holstein-Gottorp.

214-7 Vgl. S. 187.

216-1 Vgl. dafür S. 209 Anm. 1.

216-2 Vgl. S. 72 ff.

217-1 Vgl. S. 75 f.

218-1 14. Juni 1658.

218-2 Prinz Wilhelm III. von Oranien wurde am 9. April 1677 von den Franzosen bei Mont-Cassel geschlagen, als er das von ihnen belagerte St. Omer (nicht Mons, wie der König schreibt) entsetzen wollte.

218-3 16. August 1717.

218-4 11. Mai 1745 (vgl. Bd. II, S. 206 f.).

218-5 Die Folge war die Niederlage der Franzosen bei Turin am 7. September 1706 (vgl. Bd.. VII, S.90).

218-6 Vgl. S. 86 f.

219-1 Für die Schlacht bei Kolin vgl. S. 78 ff.

220-1 Für den Feldzug des Prinzen August Wilhelm vgl. S. 82 ff.

221-1 August Wilhelm.

221-2 Vgl. S. 112.

221-3 Bei Hastenbeck (vgl. S. 87).

222-1 Für den vergeblichen Versuch des Königs, den Österreichern in der Lausitz eine Schlacht zu liefern, vgl. S. 85 f.

223-1 Lehwaldt führte den Oberbefehl über die Armee in Ostpreußen. Sie wurde, da die Russen nach der Schlacht bei Groß-Jägersdorf den Rückzug antraten (vgl. S. 113), zum Vormarsch gegen die Schweden bestimmt, die am 13. September 1757 die Peene überschritten und damit die Feindseligkeiten eröffnet hatten (vgl. S. 114). Die Vorlage ist deutsch abgefaßt.

223-2 Vgl. S. 112 f.

224-1 Als Ort, wo der König die Rede hielt, ist durch ihn selbst Parchwitz bezeugt, das er nach sechstägigem Aufenthalt in der Frühe des 4. Dezember 1757 verließ, um nach Neumarkt aufzubrechen (vgl. S. 105). Danach ist die Ansprache auf den 3. anzusetzen. Für obigen Abdruck ist der Wortlaut in dem 1790 anonym erschienenen Werke des Majors von Kaltenborn „Briefe eines alten preußischen Officiers, verschiedene Charakterzüge Fridrichs des Einzigen betreffend“ (l, 53), als der am besten beglaubigte zugrunde gelegt.

224-2 Lies: übermorgen.

224-3 Der Leibpage des Königs, Georg Karl zu Putlitz, der auf dem Schlachtfeld von Leuthen zum Leutnant ernannt wurde, erzählt in seinen Memoiren, daß nach den Worten: „Wem dies nicht anstehet, der kann gleich seinen Abschied bekommen und nach Hause gehen“, der Major Konstantin von Billerbeck (vgl. S. 76) gesagt habe: „Ja, das müßte ein infamer Hundsfott sein; nun wäre esZeit!“

225-1 Lies: übermorgen.

226-1 Im Januar 1758 stellte der König die obige Denkschrift dem englischen Gesandten Mitchell für seinen Hof zu. Der Gesandte behielt sie aber zurück.

226-2 Vgl. S. 35.

226-3 Vgl. S. 207.

226-4 In der Westminsterkonvention vom 16. Januar 1756 (vgl. S. 33).

228-1 Der König hatte dem zweiunddreißigjährigen Prinzen Heinrich den Oberbefehl über die Armee in Sachsen übertragen, während er selbst mit der Hauptmacht nach Mähren rückte.

228-2 Die Franzosen hatten dem englischen Hofe neue Vorschläge zu einem Sonderfrieden für Hannover gemacht, Georg II. aber hatte sie verworfen.

229-1 Unter Baron Marschall von Biberstein.

229-2 Auf dem östlichen Kriegsschauplatz.

229-3 Friedrich Wilhelm von Borcke, Präsident des preußischen Feldkriegsdirektoriums in Sachsen.

229-4 Der König schrieb den Mißerfolg des Prinzen August Wilhelm im Juli 1757 (vgl. S. 83 f. und 220 f.) vor allem dem Umstande zu, daß er, von den Ratschlägen der ihm beigegebenen Generale allzu abhängig, keine selbständigen Entschlüsse zu fassen wagte.

229-5 Am 18. Februar 1758 hatte Prinz Ferdinand von Braunschweig die Operationen gegen die Franzosen mit Erfolg aufgenommen (vgl. S. 123).

230-1 Ein vom Prinzen Heinrich auf Kosten des Hildesheimer Landes errichtetes Regiment.

230-2 Unter Kavallerie verstand man nach damaligem Sprachgebrauch Kürassiere und Dragoner.

231-1 Dohna hatte als Nachfolger des Feldmarschalls Lehwaldt (vgl. S. 223) den Oberbefehl über das ehemals ostpreußische Heer erhalten, das zum Kampfe gegen die Schweden nach Pommern geschickt war.

231-2 Vgl. S. 229.

231-3 Vgl. S. 223.

232-1 Vgl. S. 124.

232-2 Der Führer der russischen Armee.

232-3 Vgl. S. 193.

232-4 Georg Wilhelm von Aschersleben, Präsident der Kriegs- und Domänenkammer in Stettin.

234-1 Keith führte den Befehl über das Belagerungskorps vor Olmütz, während der König zur Deckung der Belagerung im Lager bei Proßnitz, südwestlich von Olmütz, stand, wo eine zweite Straße aus Böhmen mit der von Brünn kommenden zusammenlief. Vgl.S. 130.

234-2 Vgl. S. 235 f.

234-3 Olmütz.

235-1 Vgl. S. 234.

235-2 Vgl. S. 107 f.

237-1 Die Denkschrift ist zwischen dem 21. und 23. Juli 1758 verfaßt. Wegen der starken Stellung Dauns verzichtete aber der König auf die in der Denkschrift geplante Schlacht und brach am 25. nach Schlesien auf, um sich gegen die Russen zu wenden. Vgl. S. 134 f.

237-2 Infolge des siegreichen Gefechts bei Domstadtl am 30. Juni 1758 (vgl. S. 132).

237-3 Der dritte Horatier besiegte die drei Kuriatier nacheinander.

238-1 Vgl. S. 229.