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18. Instruktion für Prinz Heinrich von Preußen228-1
(11. März 1758)

Diese Instruktion umfaßt zwei Artikel, erstens die Erhaltung der Ordnung und Mannszucht, des guten und vollzähligen Zustands der Truppen, und zweitens die Operationen im Felde.

Was den ersten Artikel betrifft, so ist mein ausdrücklicher Wille, daß Du die Mannszucht, insbesondere die Subordination, mit aller denkbaren Energie wahrest. Hat jemand schwer dagegen gefehlt, so kannst Du ihn nach abgehaltenem Kriegsgericht, wenn er es verdient, mit dem Tode bestrafen. Auch wenn zu viele desertieren, sollst Du zur Abschreckung derer, die ihr Beispiel nachahmen möchten, Exempel statuieren. Du sollst dafür sorgen, daß es den Soldaten weder an Brot noch Fleisch fehlt. Bei großen Anstrengungen sind ihnen unentgeltlich Lebensmittel zu verabreichen. Du sollst mit allem Fleiß danach trachten, Deine Armee zu ergänzen, wenn sie Verluste erlitten hat. Suche sie, soweit Gelegenheit und Mittel sich bieten, vollzählig zu erhalten. Verhüte nach Möglichkeit Plünderungen und bestrafe die Offiziere streng, die sie nicht verhindert haben, vor allem aber die, die sich selbst so weit vergessen, dergleichen Niedertrachten zu begehen. Das ist im großen und ganzen Deine Richtschnur.

Ich gehe nun zum zweiten Artikel über. Hier muß ich weiter ausgreifen und Dir infolgedessen zunächst die Pläne der Feinde, dann die meinen darlegen und schließlich alles erörtern, was die Operationen der Armee betrifft, die ich Deinem Befehl unterstelle.

Die Österreicher beabsichtigen mit ihrer Hauptmacht gegen Schlesien zu operieren, während Clermonts Armee auf Grund eines neuen Vertrages, den die Leute mit dem König von England zu schließen planten228-2, ins Magdeburgische eindringen oder über Bremen nach Mecklenburg rücken sollte, um sich von dort aus mit den Schweden zu vereinigen. Soubises Armee sollte ungefähr die gleichen Operationen machen wie im vorigen Jahre, d. h. von Thüringen her in Sachsen einfallen, um an die Elbe zu<uc_16><229> gelangen. Derweil sollten die Reichsarmee und ein paar tausend Österreicher229-1 über Freiberg in Sachsen eindringen und eine Abteilung Ungarn die Lausitz unsicher machen und von dort Streifzüge in die Kurmark unternehmen. Nun, der Plan ist, soweit er Clermonts Armee betrifft, gründlich gescheitert. Wenn auch Soubises Armee, wie zu hoffen ist, gleichzeitig Reißaus nimmt und die ganze Gesellschaft nach dem Rhein flieht, so hat weder Sachsen noch die Kurmark sobald etwas von den Franzosen zu besorgen. Deine Armee wird also wohl nur mit den Reichstruppen nebst dem Korps Marschall zu tun haben.

Auf dieser Seite229-2 hoffen die Österreicher die Russen dahin zu bringen, daß sie ihnen das Schuwalowsche Korps zu Hilfe schicken. Es hat Magazine bei Grodno angelegt und kann erst gegen Ende Juni heran sein. Das zwingt mich zu einem großen Schlage gegen die Österreicher, solange ich alle meine Kräfte beisammen habe, und bevor mich das russische Hilfskorps, wenn es kommt, zu Detachierungen nötigt. Dies also ist mein Feldzugsplan: Ich erobere in aller Ruhe Schweidnitz und lasse 15 000 Mann zur Deckung des Gebirges zurück; falls ein feindliches Korps durch die Lausitz marschieren will, kann das Detachement ihm dort entgegentreten. Darauf trage ich den Krieg nach Mähren. Marschiere ich geradenwegs auf Olmütz, so wird der Feind zu dessen Verteidigung heranrücken. Dann kommt es zur Schlacht in einem Gelände, das er sich nicht auswählen kann. Schlage ich ihn, wie zu hoffen ist, so belagere ich Olmütz. Dann muß der Feind, um Wien zu decken, alle seine Kräfte dorthin ziehen. Ist Olmütz erobert, so soll Deine Armee Prag nehmen und Böhmen in Respekt halten. Hiernach mögen die Russen kommen, oder wer sonst will: ich bin dann imstande, soviel Truppen wie nötig zu detachieren.

Was Deine Armee betrifft, so muß sie sich zu Beginn des Feldzuges in der Defensive halten. Du kannst sie bei Dresden versammeln, oder wo Du willst. Du kennst alle Lagerplätze, die ich dort habe erkunden lassen, und magst Dir den auswählen, der Dir am geeignetsten scheint. Da es notwendig ist, gute Nachrichten zu haben, und man an Spionen nichts sparen darf, so hat Borcke229-3 Auftrag, Dir alle erforderlichen Geldsummen zu liefern. Für Deine Operationen verbiete ich ausdrücklich jeden Kriegsrat229-4 und gebe Dir Vollmacht, nach Gutdünken zu handeln, eine Schlacht zu liefern oder nicht, kurz, bei allen Gelegenheiten den Entschluß zu fassen, der Dir am vorteilhaftesten und rühmlichsten erscheint.

Die Art, wie die Franzosen eben verjagt werden229-5, muß natürlich die Feldzugspläne der Österreicher ändern. Da ich sie jetzt unmöglich schon erraten kann, so ver<230>mag ich Dir nichts weiter zu sagen, als daß Deine Armee Sachsen verteidigen und den Feind dort an weiterem Vordringen hindern soll. Darauf sollst Du Dich beschränken, bis wir Olmütz haben. Dann wirst Du völlig freie Hand zum Handeln erhalten. Du sollst keine Gelegenheit verabsäumen, dem Feinde zu schaden. Vor allem achte darauf, seine Pläne im voraus zu durchkreuzen und sie nicht zur ruhigen Ausführung kommen zu lassen. Muß der Feind zurückgehen, um sich mit den Österreichern zu vereinigen, so findest Du gute Gelegenheit zu Nachhutgefechten, vielleicht auch zu Schlachten, bei denen Du nichts aufs Spiel setzest, wenn der Feind nach Mähren zurückgehen muß.

Bei Deiner Infanterie hast Du die Generale Itzenplitz und Hülsen, die Du gut gebrauchen kannst. Bei der Kavallerie hast Du Driesen, und ich schicke Dir noch einen tüchtigen Mann; ferner Kleist, Szekely und Belling, der Dein Husarenregiment230-1 bekommen hat. Gewöhne die Kavallerie230-2 an den Krieg und gib den Husaren stets Kavallerieabteilungen zur Unterstützung mit, aber unter ihrem Befehl, und nicht unter dem Kommando der Kavallerieoffiziere.

Deine Magazine befinden sich in Torgau und Dresden. Du hast also den bequemen Transport auf der Elbe und kannst Dich, je nach den Umständen, ebenfalls nach Bautzen und Freiberg wenden. Vor allem empfehle ich Dir, obwohl Du Sachsen nur Verteidigen sollst, stets offensiv vorzugehen. Glaubst Du, der Feind könne Dich zur Schlacht zwingen, so greife ihn an, aber laß Dich nie von ihm angreifen. Herrscht sonst bei Deiner Armee irgendein Mangel, sei es an Ärzten oder Adjutanten, so fordere nur gleich Abhilfe, damit sie beizeiten erfolgt. Insbesondere empfehle ich Dir Fürsorge für die armen Verwundeten und Kranken. Sie bedürfen aller Rücksicht, die Leuten gebührt, die sich für ihr Vaterland opfern.

Das ist ungefähr alles, was ich Dir zu sagen vermag. Was die künftigen Ereignisse angeht, so kann ich auf Einzelheiten nicht eingehen. Du weißt im großen und ganzen, was Deines Amtes ist. Für die Einzelheiten der Ausführung verlasse ich mich völlig auf Deine Wachsamkeit, Einsicht, Gewissenhaftigkeit und Anhänglichkeit. Ich verbleibe, lieber Bruder, Dein treuer Bruder und Diener

Friderich.

NB. Du kannst General Finck aus Dresden kommen lassen, wenn Du es für angezeigt hältst, und einen anderen als interimistischen Kommandanten einsetzen. Ebenso kannst Du im Bedarfsfall einen Kommandanten für Torgau oder für irgend eine andre Stadt ernennen, die Du zu besetzen für gut befindest.


228-1 Der König hatte dem zweiunddreißigjährigen Prinzen Heinrich den Oberbefehl über die Armee in Sachsen übertragen, während er selbst mit der Hauptmacht nach Mähren rückte.

228-2 Die Franzosen hatten dem englischen Hofe neue Vorschläge zu einem Sonderfrieden für Hannover gemacht, Georg II. aber hatte sie verworfen.

229-1 Unter Baron Marschall von Biberstein.

229-2 Auf dem östlichen Kriegsschauplatz.

229-3 Friedrich Wilhelm von Borcke, Präsident des preußischen Feldkriegsdirektoriums in Sachsen.

229-4 Der König schrieb den Mißerfolg des Prinzen August Wilhelm im Juli 1757 (vgl. S. 83 f. und 220 f.) vor allem dem Umstande zu, daß er, von den Ratschlägen der ihm beigegebenen Generale allzu abhängig, keine selbständigen Entschlüsse zu fassen wagte.

229-5 Am 18. Februar 1758 hatte Prinz Ferdinand von Braunschweig die Operationen gegen die Franzosen mit Erfolg aufgenommen (vgl. S. 123).

230-1 Ein vom Prinzen Heinrich auf Kosten des Hildesheimer Landes errichtetes Regiment.

230-2 Unter Kavallerie verstand man nach damaligem Sprachgebrauch Kürassiere und Dragoner.