<93>sailler Hofes zu machen. Er merkte aber, daß der Herzog von Richelieu seinem eignen Einfluß nicht traute und nicht genug Ansehen beim Ministerium und beim König zu haben glaubte, um eine Änderung ihres Systems und ihrer Ansichten über das Bündnis mit dem Hause Österreich herbeizuführen, zumal jene erst kürzlich geschlossene Allianz noch den Reiz der Neuheit besaß. Der preußische Unterhändler sah die Erfolglosigkeit seiner Vorschläge ein und beschränkte sich auf die Bitte, der Herzog möchte doch wenigstens die vom Kriege heimgesuchten preußischen Provinzen etwas schonen. Zugleich verhandelte er mit ihm wegen der Kriegskontributionen. Zweifellos dämpften die in die Hände des Marschalls fließenden Summen in der Folgezeit seinen kriegerischen Eifer bedeutend.

Bald darauf mußte der König seine Armee durch eine abermalige Detachierung schwächen. Er sandte den Prinzen Moritz mit 10 Bataillonen und 10 Schwadronen nach Leipzig. Dort stand er gleichsam im Mittelpunkt, konnte im Notfall zum König oder zum Prinzen Ferdinand stoßen und ein Auge auf Marschall haben, der mit 15 000 Österreichern bei Bautzen lagerte. Marschalls Korps flößte um so mehr Besorgnis ein, als die Lausitz offen lag und er leicht einen Einfall in die Kurmark, ja selbst einen Vorstoß gegen Berlin machen konnte. Auch von Pommern her war die Hauptstadt durch die Schweden bedroht, deren Vorrücken Manteuffel1 mit 500 Husaren und 4 Bataillonen aufzuhalten suchte.

Nach dem Abmarsch der beiden Korps aus dem Lager bei Erfurt blieben dem König nur noch 8 Bataillone und 27 Schwadronen. Hätte der Feind seine Schwäche gemerkt, so hätte er zweifellos etwas unternommen. Das aber mußte unter allen Umständen verhindert werden. Man griff deshalb zu den verschiedensten Mitteln, um die Bevölkerung von Erfurt und sogar die Franzosen über den wahren Sachverhalt zu täuschen. Man ließ also die Truppen garnicht im Lager kampieren, verteilte die Infanterie auf die umliegenden Dörfer und wechselte verschiedentlich ihre Quartiere. Da nun die Regimenter jedesmal unter anderem Namen auftraten, so erschien die Zahl der Truppen, die die Spione dem Prinzen Soubise eifrig hinterbrachten, weit größer.

Zwei Tage nach der Einnahme von Erfurt machte der König mit 20 Husaren- und Dragonerschwadronen einen Rekognoszierungsritt auf Gotha, in der Absicht, die beiden mehrfach geschlagenen kaiserlichen Husarenregimenter von da zu vertreiben (15. September). Das gelang über Erwarten: die Furcht vor den Preußen beschleunigte ihren Rückzug. Dicht bei Gotha mußten sie durch einen Engpaß und verloren dabei 180 Mann. Ja man verfolgte sie bis in die Nähe von Eisenach, wo Soubise sein Lager bezogen hatte. Dort war auch der Generalissimus der Reichsarmee, Prinz von Hildburghausen, zu ihm gestoßen. Die herzogliche Familie war froh, die zudringlichen Gäste los zu sein. Hatte sie doch ebenso über die Franzosen wie über die


1 Generalmajor Heinrich von Manteuffel.