<58> preußischen Gesandten in Paris, zurück und berief seinen eignen Gesandten in Berlin, Valory, ab1. Diesen Aufsehen erregenden Schritt konnte der König von Preußen nicht hinnehmen. Als er aus Böhmen zurückkehrte und sein Hauptquartier in Dresden nahm, ließ er Broglie sagen: jetzt, wo durch die Abberufung der Gesandten jede Beziehung zwischen den beiden Höfen abgebrochen sei, wäre es ungehörig, wenn sich ein französischer Gesandter noch am selben Orte aufhielte wie er selbst. Broglie möchte daher unverzüglich seine Koffer packen und sich zum König von Polen begeben, bei dem er beglaubigt sei. Diesen Bescheid nahm Broglie mit der würdevoll-hochmütigen Miene entgegen, wie sie die französischen Gesandten in der Erinnerung an die schönen Zeiten Ludwigs XIV. aufzusetzen pflegen, reiste aber darum nicht weniger prompt nach Warschau ab. Der Versailler Hof wollte den Bruch. Den leitenden Gesichtspunkt seiner Politik, die nachdrückliche Führung des Seekriegs mit England, hatte er ganz aus den Augen verloren und ließ sich nur noch von seinen Launen und von äußeren Einflüssen treiben. Er erklärte also den Einfall der Preußen in Sachsen für eine Verletzung des Westfälischen Friedens, den er selbst garantiert hatte. Den Vorwand dieser Garantie hielt er für genügend, um sich in den Krieg einzumischen, ja selbst um Schweden hineinzuziehen.

Abbé Bernis, der den Abschluß des Bündnisses mit dem Hause Österreich sehr gefördert hatte, wurde an Stelle von Rouillé Minister des Auswärtigen. Das Ungestüm des französischen Charakters, das die Nation von einem Extrem zum andern treibt, die Planlosigkeit der Minister, die Erbitterung des französischen Herrschers gegen den König von Preußen und schließlich die Mode und die Neuheit der Sache gewannen dem Bündnis mit Österreich bei Hof alle Herzen, ja man hielt es für ein Meisterwerk der Politik. Die österreichischen Minister waren allein in Mode. Sie benutzten den Einfluß, den sie im Staatsrat Ludwigs XV. besaßen, geschickt zu Intrigen und erreichten es, daß im nächsten Frühjahr nicht 24 000 Mann Hilfstruppen, wie Frankreich der Kaiserin-Königin versprochen hatte2, sondern 100 000 Franzosen den Rhein überschritten. Bald darauf wurde auch Schweden vom Versailler Ministerium aufgefordert, für seine Garantie des Westfälischen Friedens einzutreten. Der feile schwedische Senat stand schon längst in französischem Solde. Die schwedische Verfassung enthält zwar die ausdrückliche und klare Bestimmung, daß ohne die Zustimmung der drei Stände, die den Reichstag oder die Ständeversammlung bilden, kein Krieg erklärt werden darf, aber die Parteigänger Frankreichs setzten sich über dieses Grundgesetz und über alle in ähnlichen Fällen gebräuchlichen Formen hinweg und folgten blindlings den Vorschriften des Königs von Frankreich3.

Während der Versailler Hof so eifrig an den Vorbereitungen zum Umsturz Deutschlands arbeitete, wollte ein Wahnsinniger eine Revolution in Frankreich an-


1 Auf die Nachricht von der Abberufung Valorys befahl der König am 30. Oktober 1756 Knyphausen, abzureisen.

2 Im Versailler Vertrage vom 1. Mai 1756. Am 1. Mal 1757 wurde ein Offensivbündnis abgeschlossen.

3 Vgl. S. 25.