<155> nur Nachteil voraussah, teils um Frankreich von einem widersinnigen und erzwungenen Bündnis zu befreien, dessen Last es allein trug, während das Haus Österreich allen Gewinn und Vorteil daraus ziehen sollte. Auf geheimen und verstohlenen Wegen knüpfte er Friedensunterhandlungen mit England an. Aber die Marquise von Pompadour war anderer Meinung, und so sah er sich in seinen Maßnahmen sofort gehindert. Seine unklugen Handlungen hatten ihn erhöht, seine verständigen Absichten stürzten ihn. Weil er das Wort Frieden ausgesprochen hatte, fiel er in Ungnade und wurde nach dem Bistum Aire1 verbannt (13. Dezember). Choiseul2, ein geborener Lothringer, französischer Botschafter am Wiener Hof und Sohn Stainvilles, des Kaiserlichen Botschafters in Paris, übernahm das Ministerium des Äußeren an Stelle des in Ungnade gefallenen Kardinals (9. Oktober). Er führte sich durch einen neuen Allianzvertrag mit dem Wiener Hofe3 ein, der erkennen ließ, welches Übergewicht dieser in Versailles gewonnen hatte. Es sollte noch beständig zunehmen. Nicht zufrieden mit dem unvorteilhaften Vertrag, den Choiseul mit der Kaiserin-Königin geschlossen hatte, befahl er auch der Akademie der Inschriften im Namen des Königs, eine Denkmünze zur Verewigung dieses Ereignisses zu schlagen.

Dabei ließen es die beiden Höfe aber noch nicht bewenden. Sie boten gemeinsam ihren Einfluß in Petersburg auf, um den Haß der Kaiserin Elisabeth gegen den König von Preußen neu aufzustacheln. Sie stellten ihr vor, sie müsse die Scharte von Zorndorf wieder auswetzen und im kommenden Frühjahr eine viel stärkere Armee ins Feld stellen. Ihr Günstling Schuwalow wiederholte ihr unaufhörlich: um die Verachtung der Preußen gegen die Russen in Schrecken zu verwandeln, müsse die Kaiserin den Heerführern größere Tatkraft und blinde Fügsamkeit gegen die Anregungen und Wünsche der verbündeten Mächte anbefehlen. Alle diese Einflüsterungen führten schließlich zu dem vom Wiener Hofe erstrebten Ziele, seinen Verbündeten das Risiko des Krieges aufzubürden, sich aber allein den Vorteil vorzubehalten. Die Minister in Wien und Versailles glaubten das Bündnis mit der Kaiserin von Rußland noch unlöslicher zu knüpfen, indem sie ihr Ostpreußen als Beute zusicherten, die später dem riesigen Zarenreiche einverleibt werden sollte. Diesen Vorschlag nahm die Zarin gern an, und so wurde der Vertrag geschlossen und unterzeichnet4.


1 In die Abtei St. Médard in Soissons.

2 Stephan Franz Graf von Stainville, Herzog von Choiseul d'Amboise.

3 Der zur Bekräftigung der obigen Darstellung dem Kapitel angehängte „Auszug“ aus dem Vertrage vom 30. Dezember 1758, auf den der König im folgenden verweist, durfte fortbleiben, da er nur eine Beilage bildet. Der Kernpunkt des neuen Vertrages liegt in der Aufhebung des Bündnisses vom 1. Mai 1757 (vgl. S. 58), nach welchem die Rückeroberung Schlesiens die unerläßliche Bedingung für den künftigen Frieden war. Damit wurde auch die 1757 gegebene Zusage der Abtretung der österreichischen Niederlande, die die Gegenleistung Maria Theresias darstellte, hinfällig. In dem neuen Vertrage verzichtete der Wiener Hof zwar auf die Weiterzahlung der jährlichen französischen Subsidien, Frankreich mußte sich aber verpflichten, sowohl während des Krieges als auch während der Friedensverhandlungen alles aufzubieten, um die Erwerbung von Schlesien für Österreich durchzusetzen.

4 Der russisch-österreichische Vertrag, der den Russen die Erwerbung Ostpreußens bei Friedensschluß verhieß, wurde erst am 1. April 1760 unterzeichnet.